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lang statt. Es wird unter Anderem auch der Abgeordnete des nord- deitschcn Reichstages, Herr Wilhelm Liebknecht, Antheil nehmen und „über die Parteien in Deutschland" sprechen. Da zu dieser Zeit be reits die Delegationen zusammengetreten sind, so kann die Volksver sammlung unter freiem Himmel nicht stattfinden, sondern wird in Zobels Bierhalle in Fünfhaus abgehaltcn werden. Es sollen aus mehreren Hauptstädten Oestreichs Redner eintreffen. Linz, 12. Juli. Die Geschworenen haben entschieden: Der Bi schof Rudigier ist schuldig, daß er in Druckwerken zur Verachtung wider die östreichische Negierungsform und Staatsgewalt aufzureizen gesucht hat, daß er zum Ungehorsam, zur Auflehnung und zum Wi derstande gegen die Maigesetze zu verleiten gesucht hat, und daß die Ausführung des Versuchs durch die Beschlagnahme unterblieben ist. Der Staatsanwalt beantragte mit zitternder Stimme 6 Monate ein fachen Kerkers. Das Geschwornenverdikt wurde einhellig gefaßt. Um 9 Uhr erfolgte die Urtheilsverkündigung; dieselbe lautet: Bischof Ru- digler wird wegen versuchten Verbrechens der Ruhestörung zu I4tä- gigem Kerker verurtheilt. In der Umgegend von Regensburg hat die Schnitternte seit dem 8. Juli ihren Anfang genommen. Der Roggen soll sehr kör nerreich sein. Gerste und Weizen stehen ebenfalls prächtig. Ans einem Hofball, den in diesen Tagen der Kaiser der Fran zosen zu Ehren des Vicekönigs von Egypten gab, unterhielt sich der Kaiser lange und viel mit den Deputirten des gesetzgebenden Körpers. Mir scheint es, soll der Kaiser gesagt haben, inan will mit mir ver fahren wie mit jenem alten Löwen, dem man zuerst die Klauen be schnitt, dann die Zähne ausriß und ihm nichts als die Mähne ließ. Aber dazu soll es nicht kommen. Ich werde Reformen bewilligen, wenn ich finde, daß sie gut und nothwcndig sind. Aber zwingen laß ich mich nicht dazu und wenn die Opposition in der Kammer noch stärker wäre, als sie jetzt ist. Herächt und gerichtet. Line Lorf- und üriminalgtschichlt iwn Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Ich nicht — ich bin Staatsbeamter wie Sie und handle über all nach Pflicht und Gewissen." Der Alte wollte auffahren, doch der junge Mann fiel ihm ins Wort: „Lasten wir den persönlichen Streit, Sie haben jetzt Besseres zu thun. Befolgen Sie augenblicklich die Kabinetsordre und machen Sie Ihr schweres Unrecht in etwas wie der gut." „Ich selbst soll den Befehl zu feiner Freilassung geben? nimmer mehr! Sie, „junger Lessing," Verehrer der Humanität, werfen Sie den Kerl hinaus!" rief der Justizrath, wieder in seinen alten, laxen Ton verfallend. „Das werde ich nicht, Sie allein sind dazu berechtigt und ver pflichtet," entgegnete der Assessor entschieden. „Teufel!" murmelte der Justizrath und versuchte mit den Zäh- neu zu knirschen, aber seine mürben Zähne schmerzten ihn, er verzog sein Gesicht zu einem häßlichen Grinsen. „Augenblicklich steht in der Ordre," begann der junge Mann wieder seine Quälerei, „ich mache Sie dafür verantwortlich." Der Justizrath preßte einen unverständlichen Fluch heraus und zog die Klingel. — Der große, starke Executor erschien. „Werft den Kerl hinaus!" polterte der Alte. Der Executor blickte verlegen auf den Assessor, dann auf den Justizrath und wollte seinen Ohren nicht trauen — er sah bloß einen im Zimmer, an dem er einen solchen Auftrag vollziehen konnte und den Assessor hinauswerfen zu einer solchen Handlung mußte er schon einen nochmaligen Befehl erwarten. „Werft den Hund hinaus, sag' ich," wiederholte der Alte und ging nach seiner Gewohnheit heftig gestikulircnd auf und ab, sich wenig darum bekümmernd, dasi der arme Mann nicht sogleich er- rathen konnte, wen er eigentlich hinauszuwerfen habe, und in eine arge Verlegenheit kommen mußte. Der starke, ernste Executor machte bei dieser zweiten energischen Aufforderung einen Schritt vor gegen den Assessor, der aber, das Mißverständniß sofort bemerkend, dem rathlosen Mann auf die Schulter klopfte und sagte: „Nicht mich — mein Guter — den Georg sollt Ihr loslassen." „Nun, was steht Er denn noch? ist er taub?" brach jetzt der Justizrath los, der stets gewohnt war, all' seinen Groll an seinen Untergebenen auszuwettern. „Herr Rath," drängte sich der Assessor dazwischen, „Sie haben dem Manne nicht gesagt, wen er hinauswerfen soll, er hätte Sie bald mißverstanden." Der Justizrath verzog trotz seiner Wuth das Gesicht zu einem Lächeln, denn bei all' seiner Verbissenheit war er doch nicht ohne Humor. „Er Klotz! kann er sich das nicht denken? den Georg mein ich, werft ihn sogleich hinaus!" „Nicht hinauswerfen! sondern freilassen, ganz anständig und in Ehren!" „Gewiß, gewiß!" entgegnete der Justizrath höhnisch, „Schmidt versteht mich schon." Der aber schien ihn nicht zu verstehen, sondern blickte wie versteinert auf seine beiden Vorgesetzten. „Den Georg! — der morgen hingerrchtet werden soll?" rief er endlich verwundert. „Den laßt Ihr augenblicklich frei, nach der eben bei mir einge- troffencn Cabinetsordre," entgegnete der junge Mann im befehlenden Tone. Der Executor blickte seinen alten Herrn an, um von dem schließ lich einen Widerspruch zu hören, es war ja doch zu unerhört und noch nie vor gekommen — einen Mörder freizulassen — einen Tag vor der Hinrichtung! Der Justizrath aber gab keine Antwort, heftete nur die Augen auf den Boden und nahm eine Prise. Schmidt kannte seinen Herrn, er verließ, obgleich noch kopfschüttelnd, das Zimmer und vollzog den Befehl. Die arme Marianne saß bleich und abgehärmt bei einer Näh arbeit. Sie lebte noch immer in völliger Abgeschlossenheit von der Welt und bei ihrer Freundin; so war ihr denn das Schuldbekenntniß Georgs und seine spätere Verurtheilung völlig unbekannt geblieben. Die Nätherin hatte furchtsam die Mittheilung dieser vernichtenden Nachricht von Tag zu Tag verschoben, heute endlich mußte sie ein Herz fassen, denn morgen sollte der Tag der Hinrichtung sein und dann war Mariannen nichts mehr zu verheimlichen. Sie blickte mit leidig auf das Mädchen, das sie einst um ihr Glück beneidet hatte. Welch qualvolle, elende Tage hatte Marianne erlebt, sie war hinausgestoßen aus dem elterlichen Hause und Georg schmachtete noch immer, trotz ihres Opfers, im Gefängnisse. Wie war das Alles mög lich gewesen? Sie konnte es ost nicht fassen, stützte den heißen Kopf in die magere Hand und versank in dumpfes Hinbrüten. Plötzlich erwachte sie wieder, sie besann sich, daß sie arbeiten, nähen müsse, um ihr kümmerlich Brod zu erwerben und die Nadel fuhr mechanisch durch die Leinwand. „Du nähst ja ohne Faden," bemerkte Bertha, die ihr gegenüber saß und oft mitleidig ihre Blicke zu der Unglücklichen hinübersandte. Marianne schrack auf, sie gewahrte jetzt ihre Zerstreuung; „wirk lich, sagte sie, „Du hcyV Recht," und sie suchte in das Lachen der Freundin einzustimmcn, aber es gelang ihr nicht, der Versuch schlug in sein Gegentheil um und bald stürzten Helle Thränen aus ihren Augen. „Du grämst Dich zu sehr, das taugt nichts," tröstete die Näh terin, „so gern ich Dich hier hab', Du solltest wieder hinaus auf's Land, das Nähen bekommt Dir nicht, wie siehst Du schmalbäckig aus." „Das ist's eben, dort bei der harten Arbeit vergehen Einem die Gedanken, ich möcht hinaus, aber jetzt — Du weißt, wie es bei uns auf dem Lande ist, sie haben keine Barmherzigkeit mit dem Un glück, ich müßte vergehen vor Schimpf und Spott." „Dann solltest Du wenigstens mehr unter die Leute kommen, das würde Dich zerstreuen, das ewige Stubensitzen taugt nichts." „Laß mich nur, ich mag Niemand mehr sehen lind sprechen, könnt ich mit meinem ganzen Jammer in die Erde versinken, wär's nur keine Sünde." „Marianne! Sünde ist's gewiß, denk' nicht so schlecht," eiferte die Nätherin, glaub' mir, Georg hat's nicht verdient, daß Du ihm zu Lieb so viel gethan." „So viel gethan? Hab ich ihn retten können? O, die Nichts würdigen, die mir nicht geglaubt und die ihn unschuldig martern und qäulen, bis er sterben wird." „Er ist nicht unschuldig, Marianne, mein Bräutigam hat mirs hoch und theuer versichert, Du solltest nur lesen, — die Akten —" „O, in die schwarzen Papiere schreiben sie nichts als Lügen." „Bitte, Marianne, das ist mir nicht lieb, mein Bräutigam führt die Protokolle und der —" „Sie sind alle Schurken," unterbrach sie Marianne, „soll ich Dir sagen, wer den Mord begangen: die Müllerswittwe, die gönnte nicht dem Stiefsohn die Mühle, sie hat den Verdacht zuerst auf den armen Georg gebracht, sie ist es aber selbst." „Ich bitte Dich, solchen Verdacht, sage das Niemand, das ist ja ganz verrückt." „Ich will cs aller Welt sagen, wenn man mich zur Verzweiflung treibt, daß sie an dem Morde schuldig, der Gedanke ist mir zuerst ins Herz geschossen, ich kann ihn nicht mehr los werden. „Du mußt, Marianne, denn es ist doch wahr, Niemand anders ist der Mörder als Georg." Marianne schwieg. Wer tief und fest von der Wahrheit seiner Sache überzeugt, der vermag nicht andern Jrrthum zu bekämpfen. „Gewiß, es ist wahr, wiederholte die Nätherin lebhaft, die durch das zuversichtliche Schweigen Mariannens zu rascherer Mittheilung fortgerissen wurde, „er Hal ja selbst den Mord bekannt." „Das ist nicht möglich!" rief Marianne und sprang so heftig auf, das ihre Näharbeit zur Erde fiel, „das ist eine Lüge." „Marianne, mein Bräutigam ist ein vereideter Protokollführer, er wird nicht lügen, doch frag' die ganze Stadt, er hat endlich ge standen und —" sie hielt erschrocken inne, als ste sah, welche Wirk ung ihre Worte auf das arme Mädchen hervorbrachten. Marianne versuchte zu sprechen, ihr Alhem stockte, das ohnehin bleiche Antlitz bedeckte eine Todtenblässe und mit einem wilden Schmerzensschrei sank sie zu Boden. Ihre Freundin war sogleich liebevoll um sie beschäftigt, sie strich ihr die Schläfe mit Wasser, holte ihr theueres Lean äs OvloZno herbei, das alte echte, wie ihr Bräutigam versichert, und suchte da mit Marianne zur Besinnung zu bringen. Als die Letztere wieder die Augen aufschlug, begann'sie dieselbe zu trösten: „Beruhige Dich nur, er war Deiner nicht Werth, der schlechte Mensch, sie haben Alle Mitleid mit Dir, daß er Dich so hintergangen, Du bist ja unschul dig, Du konntest es nicht wissen." „Nicht wissen? nein, nein! es ist doch nicht möglich!" Mari anne strich mit der Hand über die Stirn, als müsse sie alle unheim lichen Gedanken verscheuchen. „Nein, in jener Nacht hat er keinen Mord begangen, wohl kam er mit finstern schwarzen Gedanken, ich mnßte lange mit seiner Verzweiflung kämpfen, aber als er fortging, hatte er doch Frieden, er ist unschuldig." Sie sank auf ihre Kniee und rief in tiefster Inbrunst: „O Gott, sende Du einen Retter in unserer höchsten Noth." Berrha blickte verwundert auf ihre exaltirte Freundin und wollte