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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdrnff und de» Stadtrath daselbst. 33. . Freitag, den 16. Juli HUW. Tag esgeschich te. Wilsdruff, am 15. Juli 1869. Vergangenen Sonntag, den 11. d. M., Nachts gegen 1 Uhr ist das den Gebrüdern Käßner gehörige bedeutende Vorwerk Ruppen dorf niedergebrannt; das Feuer hat so schnell um sich gegriffen, daß nur Weniges gerettet werden konnte, ja sogar ein Menschenleben mit zu beklagen ist; außerdem sind 7 Pferde, 2 Ochsen, 125 Schafe, der Schafhund, 13 Schweine und fast sämmtliches Federvieh mit verbrannt. Die Entstehungsursache ist zur Zeit noch unermittelt. Die Herren Besitzer hatten ihr Mobiliar versichert; zu beklagen aber ist das arme Dienstpersonal (gegen 20 an der Zahl), welches gar nichts retten konnte als das nackte Leben. Nach der Aussage des einen Be sitzers hätte das Feuer sie alle im Schlafe so überraschen können, daß für Alle die größte Lebensgefahr entstanden wäre, hätte nicht ein Knecht — der in der Großmagdkammer auf Besuch gewesen — diese kurz vor 1 Uhr verlassen, das Feuer aufgehen sehen uud noch recht zeitig Allarm geschlagen. Mit dem 21. Juli beginnen bei sämmtlichen königl. Untcrgerich- ten des Landes die auf 6 Wochen sich erstreckenden Gerichlsferien, innerhalb welcher die Beamten und Untcrbeamten sich abtheilungs- we ise gegenseitig vertreten. In dieser Zeit werden nur solche Sachen expedirt, die dringlich sind, während alle weniger dringlichen Sachen erst nach Beendigung der Gerichtsferien (31. August) zur Beförderung gelangen. Es muffen deshalb alle Sachen, welche noch expedirt werden sollen, vor jenem 21. Juli bei den betreffenden Behörden eingebracht werden. Die officiellen sächsischen Generalstabsberichte über den Feldzug von 1866 sind nunmehr erschienen und werfen in ihrer schlichten, wahrheitsgetreuen Darstellung neue, tiefe Schatten auf das östreichi- sche Heerwesen. Diese Aktenstücke wären vielleicht nie in die Oeffent- lichkeit gedrungen, wenn die östreichischen Generalstabsberichte nicht so viel Unwahres über die Führung der sächsischen Armee aufgetischt hätten. Der Gesammtverlust der sächsischen Armee beziffert sich ans 89 Offiziere, 2132 Mann uud 227 Pferde. Verloren wurde ein Geschütz, welches unbrauchbar geworden. Bei der Retirade haben Oestreicher die geordneten Colonnen der Sachsen nicht nur in wilder Flucht durchbrochen, sondern auch noch mit Kartätschen traktirt. Im Finanzministerium ist man jetzt mit der Aufstellung des Budgets für die Jahre 1870 uud 1871 beschäftigt. Unser Land wird nämlich künftig statt der bisherigen 3jährigen Finanzperiode eine 2jährige haben. Im Gegensatz zu den preußischen Finanzzu ständen, wo man sich mit der Auffindung neuer und der Erhöhung alter Steuern beschäftigt, ist es sehr erfreulich, zu vernehmen, daß Herr von Friesen nicht die Bahnen des Herrn v. d. Hehdt zu wan deln gedenkt. Von einer Steuervermehrnng oder Stcuererhöhnng soll nicht die Rede sein, hingegen wird, wie es heißt, dem Wunsche des Landes entsprechend eine gerechtere Vcrtheilung der Steuern an- gcstrebt werden. Die Begünstigungen, welche die Eisenbahndirectionen den Theil- nchmcrn an dem in den Tagen vom 24.—26. Juli in Wien abzu haltenden „Journalistentag" gewährt haben, sind äußerst splendider Art: viele haben völlig freie Fahrt, andere eine starke Preisermäßig ung eintrcten lassen. Zu denen, welche freie Hin- und Rückfahrt be willigten, gehören sämmtliche östrcichische Bahnen. Diese außeror dentlichen Begünstigungen (z. B. wird die Fahrt von Leipzig nach Wien und zurück 3 Thlr. kosten) werden diesmal zu einer sehr regen Betheiligung nicht unwesentlich beitragen. Zur Theilnahme an dem Journalistenlag sind die Redacteure, Mitarbeiter, Herausgeber und Verleger von Zeitschriften berechtigt. Dresden, 13. Juli. Die Taufe des neugeborenen Prinzen wurde heute Mittag 12 Uhr im prinzlickcn Palais durch den päpst lichen Nuntius Meglia aus München, welcher den Papst in dessen Pathenstelle vertrat, vollzogen. Der Prinz hat die Hanptnamen Jo hann Georg erhalten. Äußer dem Papst waren Taufpathen: der König und die Königin der Belgier und die Kaiserin Caroline (Wittwe des Kaisers Franz) von Oestreich. — Der König hat für die hiesigen Armen 500 Thlr. gespendet- Se. K. H. Prinz Georg hat aus Anlaß der glücklichen Entbin dung Höchstseiner Frau Gemahlin die Summe von 200 Thlr. an den Oberbürgermeister Pfotenhauer zur Vcrtheilung an Arme der Residenz Dresden abgeben lassen. Nach den offiziellen Ziehungslisten der ausgeloosten 4prozentigen Staatsschuldcnkassenscheinen von den Jahren 1852, 1855, 1858, 1859 und 1862, sowie der Landescultur-Rcntenscheine sind beim letzten Jahrestermine nach 753 Stück derselben, die einen Gesammtwerth von 124,500 Thlr. repräsenliren, unerhoben. Daran schließen sich selbstverständlich entsprechende Verluste von bedeutender Höhe, denn die bis jetzt durch Verausgabung der Coupons von den ausgeloosten Staatspapieren erhobenen Zinsen betragen 12,036 Thlr., die später bei Einhebung der Kapitale abgezogen werden und mithin vollstänvig verloren gegangen sind. Ein gleicher Betrag an Capital und ent sprechendem Zinsvcrlust kann nun auch folgerecht wegen der übrigen iin Ostertermine gezogenen, beziehendlich unerhobenen Staatspapiere angenommen werden. Die sächs. Turnvereine veranstalten in der nächsten Zeit zahl reiche größere Festlichkeiten, so finden am 18. Juli eine Gauturnfahrt des Mulden-Zschopauthal-Gaues nach dem Rochlitzer Berg, am 25. und 26. Juli Turnfeste der Gauverbände des Meißner Hochlandes und der sächsischen Oberlausitz in Bischofswerda und Reichenau statt. Die königliche Porzellanmanufactur in Meißen kann nur mit Mühe die Zahl der ihr gewordenen Aufträge alle befriedigen. Diese Aufträge sind um so erfreulicher, da sie zum großen Theile beson ders werthvolle, künstlerische Gegenstände betreffen. Namentlich ist das Ausland an diesen Bestellungen stark betheiligt und man nimmt an, daß die Eindrücke von der Vorzüglichkeit unserer altrenommirten Porzellanfabrik, welche währeno der Pariser Weltausstellung Tausende von Fremden aller Länder der Erde empfangen haben, zum guten Theil die Ursache dieser zahlreichen Aufträge sind. Wegen eines unglücklichen Liebesverhältnisses hatte sich Anfang vorigen Jahres in Leipzig ein Kellner aus dem Altenburgischen durch einen Schuß in den Kopf zu entleiben versucht, war aber noch lebend in das Jacobshospital geschafft und dort auch glücklich wieder hergestcllt worden. Später wurde sogar durch Einsetzung einer künst lichen Kinnlade rc. fast jede Spur seiner früheren unglücklichen Thar verwischt. Der Harm um die verlorene Geliebte, die sich inmittcls ! nach'Dessau verheirathet hatte, mag aber doch zu tief bei ihm sich ! eingeprägt haben, denn vor Kurzem hat sich der Beklagcnswerlhe in dein Wohnorte seiner ehemaligen Geliebten abermals eine Kugel durch den Kopf gejagt und diesmal auch seinen entsetzlichen Vorsatz, zu sterben, erreicht. Leipzigs Lehrerverein hat folgenden Satz mit 45 gegen 23 Stimmen zu dem seinen erhoben: „Weil die bis jetzt von der Kirche über die Schule ausgeübte Herrschaft einer freieren Entwicklung der Schule hinderlich ist — insbesondere weil die Kirche durch Einführ ung und weiteste Ausdehnung des dogmatischen Relionsunterrichts die Schule in Bahnen gelenkt hat, die der natürlichen Entwicklung des Menschengeistes schnurstracks entgegcnlaufen, — weil sich endlich ein historisches Recht der Kirche auf die Schule in keiner Weise gel tend machen läßt; so ist die Befreiung der Schule von jeder Bezieh ung zur Kirche und die Stellung der Schule unter Fachmänner mit allen zu Gebote stehenden Mitteln anznstreben. Durch das Scheuwerdcn der Pferde verunglückte in der Nähe von Lunzenau der Schachtmeister Schumann, indem der Wagen nm- stürzte, Schumannn zwischen die Räder kam nnd hierdurch vollständig gerädert und auf der Stelle getödtet wurde. Die mit in dem Wa gen sitzende Braut brach hierbei den Arm, der Eigenthümer des Wa gens rettete sich durch einen kühnen Sprung vor Verletzung. In Berlin hat man eine Diebesbande von 30 Personen mit ihren Hehlern entdeckt. Bei den Letzteren, den Kaufleuten Teuber und Günther haben sich für mehr als 50,000 Thlr. gestohlene Waa- ren vorgefunden. Unter der Bande befindet sich auch ein ehemaliger Lumpensammler, der aber jetzt reich ist und ein eignes Hans besitzt. In dem Keller seines Hauses wurden die gestohlenen Gold- und Silberwaaren cingcschmolzcn. Wien, 11. Juli. Am 25. d. M. findet hier eine Volksvcrsamm-