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223 um sie noch tiefer zu erschüttern, las er ihnen des Webers "Aussage vor. Sie vermochten Beide kein Wort der Entgegnung hrrvorzubriu- gen, aber sie verharrten doch in einem liefen Schweigen und vrachteu kein Wort des Geständnisses über ihre Lippen. Dieses herauszupressen war die Aufgabe des Assessors, da es nach jener alten Gerichtspflege uothwendig war. Er ließ beide Nerbrecker an das Bett des Webers führen. Noch schlief derselbe, aber von der Nähe seiner Mörder schien er zu erwachen, er. schlug die Augen auf und sein erster Blick traf seine mit Stricken gefesselten Freunde. „Verzeiht mir, wie ich Euch verzeihe!" lispelte ec und wollte ihnen die Hand entgegenstcek- ken, die Hand, die von seinen Freunden so schrecklich verstümmelt worden — er brachte nur einen Stumpf hervor Bei diesem Anblick war es mit der so lange behaupteten Fassung des Maurers vorbei, er zuckte konvulsivisch zusammen, vermochte sich nicht mehr aufrecht zu erhalten, unter überströmenden Thränen brach er an dem Bette des Freundes zusammen und rief jammernd: „Ja, ich habe Dich erschlagen und ich meinte es doch so gut mit Dir, wie waren alle Freunde, haben zusammengehalten wie Brüder, aber Du woll test nicht schweigen und da war's vorbei mit uns. Daß wir die Mörder des Müllers, sollte nicht ans Licht kommen, da es so lange verborgen geblieben, jetzt haben wir auch Dich erschlagen und nun ist Alles doch heraus." „Gott sei gedankt," lispelte der Weber, immer schwächer wer dend, „Ihr habt mich frei gemacht, ach, wie leicht ist mir jetzt, so leicht — ich kann nun ruhig schlafen — schlafen!" — und seine Äu gen schlossen sich, wie Frieden glitt es über sein Gesicht, er versank in einen Schlaf, aus dem er nie wieder erwachen sollte. „Er ist tvdt!" jammerte der Maurer und in dem finstern Gesicht prägt« sich ein leidenschaftlicher, tiefer Schmerz aus. Alle Umstehen den waren von diesem Austritt tief ergriffen, nur der junge Vetter des Maurers hatte sich völlig kalt und gleichgültig gezeigt. Er war einer von jenen Menschen, denen schon die früheste Jugend den Stempel der Herzensrohheit aufgedrückl und die bei der Unreife ihrer Erscheinung und ihres Wesens durch eine um so größere Frechheit und Rücksichtslosigkeit sich hervvrzuthun und eine gewisse Geltung zu verschaffen suchen. Der Maurer bestätigte die Aussage des Webers völlig; um von dem Müller nicht als Dieb ergriffen zu werden, hatte man ihn er schlagen, um das Verbrechen in ewige Nacht zu hüllen, war der zweite Mord begangen worden, und gerade hier erreichte sie das Ver- pängniß. Die Umstehenden waren überrascht und bestürzt, das waren Enthüllungen einer Kette von Verbrechen, wie die stillen Dorfbewoh ner sie sich nicht träumen ließen. Nur Nose, die sich ebenfalls her- beigedrängt, sprang wie ein Irrlicht hin und her und rief triumphi- rend: „Hab' ich nicht gleich gesagt, Georg ist unschuldig!" Alle woll ten jetzt dasselbe gesagt, wenigstens gedacht haben. Der Assessor, vom Drange des Augenblicks, vielleicht auch vom Ehrgeiz getrieben, ließ, anstatt das Protokoll dem Justizrath vorzu legen, augenblicklich einen Kontier an den Landessürsteu abgehen, indem er die seltsame Enthüllung des wahren Thatbestandes, unter Beilegung der betreffenden Papiere, klar und schlagend auseinander setzte. Die Entscheidung traf schon am andern Tage ein: Georg solle bis auf Weiteres augenblicklich auf freien Fuß gesetzt werden. Der Justizrath, der am Tage vorher wegen Unwohlsein das Bctt gehütet hatte und deshalb von den Ereignissen nicht das Min deste erfahren, wollte nicht seinen allen Augen trauen, als ihm der Assessor mit lriumphirendem Lächeln die Eabinets-Ordre überreichte. „Dummes Zeug! Spiegelfechterei!" polterte der Alte los. „Mäßigen Sie sich, Herr Nath, die Unterschrift des Landesfür- sten ist niemals dummes Zeug." „Aber frei lassen, ohne allen Grund, lieber Assessor, das ist doch unerhört, der Mordkerl muß auf'S Schaffest." „Er ist unschuldig, Herr Rath, meine gestern abgehaltene Unter suchung hat sogleich die rechten Mörder des Müllers an das Licht gevrachl. Leider ist es diesmal Ihrem Scharfsinn nicht gelungen, den rechten Schuldigen herauszufinden. „Hm! so, so! und Sie haben mir von dem Ausfall der gestri gen Untersuchung nicht einmal berichtet, das ist ein DiSciplinarver- ! gehen." „Die höchste Eile war nothwendig," entgegnete der junge Assessor und setzte ruhig lächelnd hinzu: „und dann wollte ich Sie überraschen, Herr Nath." Der junge Beamte sühtte einiges Behagen, an dem alten, höchst unangenehmen Vorgesetzten sein Müthchen kühlen zu können. „Das ist stark!" rief der Alte und nahm, um sich zu beruhigen, eine Prise, „ich werde Ihre Versetzung beantragen." „Bemühen Sie sich nicht, es ist von mir bereits geschehen," ent gegnete der Assessor gleichmüthig. „Nehmen Sie sich in acht, guter Freund, Sie haben mich noch nicht bei Seit' geschoben, ich habe einflußreiche Freunde, Sie sollen mir das Spiel bezahlen, das hat noch Keiner gesagt, Sie fürchten mich Alle." (Forts, folgt.) Vermischtes. * Am 3. d. M. hat auch in manchen Gegenden Württembergs in Folge von wolkenbruchartigen Regengüssen eine Ueberfluthung statt- gefundeu. Bei Nürtingen ist der Neckar an mehreren Stellen aus den Ufern getreten und hat großen Schaden angcrichtet. Bei Cann- stadt war der Fluß nahe daran, gleichfalls auszutreten. — Auch aus Bayern, Tyrol, Salzburg, Ober- und Nieder-Oestreich laufen Nach richten von Hochwässern ein. Die Salzach überschwemmte an vielen Strecken die Ufer und die Bergwässer zerstörten Stege und Brücken. Bei Kaltenhausen bedeckten die mitgeführten Schottermassen derartig die Reichsstraße, daß die Passage am 4. d. M. unmöglich wurde. * Die weitverzweigte Zeitungs-Annoncen-Expedition der Herren Haasen st ein L Vogler in Leipzig, bis jetzt an a ch t ver schiedenen Hauptplützen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz etablirt, hat seit dem I.Juli zwei neue Zweigeschäfte in Stuttgart und Genf begründet, das neunte und zehnte Etablissement dieser seit langer Zeit vvrtheilhaft bekannten Firma. Amtliche Bekanntmachungen und Anzeigen vermischten Inhalts. O b st v e r p a ch t n n g. Die diesjährige Nutzung der communlicheu Pflaumenbäume soll Sonnabend, den 17. Juli, Nachmittags 4 Uhr im Rathssessionszimmer unter den daselbst bekannt werdenden Bedingungen zur Verpachtung kommen. Rath zu Wilsdruff am 12. Juli 1869. Kretzschmar. Bekanntmachung. Seiten des unterzeichneten Gerichtsamtes soll den 17. Juli 1809, Vormittags 19 Uhr, das zum Nachlasse der Eva Rosine Zietzsch geb. Schönberg gehörige Einhusengut Nr. 129 des Brandcatasters und Folium 12 des Grund- und Hypothekenbuches für Neukirchen, Neukirchener Antheils, welches am 31. Mai 1869 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 4870 Thaler gewürdet worden ist, auf Antrag der Erben im Nachlaßgrundstücke selbst, freiwilliger Weise versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 5. IM 1869. Leonhardi. Jagdverpachtnug. Da die Pachtzeit des Jagdbezirkes Burkhardtswalde, Groitzsch und Perne mit dem 31. August dieses Jahres zu Ende geht, so soll die Jagd des obengenannten Bezirks, an 809 Acker 217 Ruthen jagdbarer Flächeninhalt den 22. Juli, Vormittags 9 Uhr, im Oelschlägel'schen Gasthofe zu Burkhardtswalde von Neuem auf 6 nach einander folgende Jahre meistbietend ver pachtet werden. Bedingungen werden vor dem Angebot vorgelegt, was hiermit bekannt gemacht wird. Der Jagdvorstand.