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Rochefort, der verurtheilte Laternenschreibcr, wurde i» diesen Tagen vor das Polizcibureau in Brüssel geladen und ihm aufge- geben, seine Angriffe gegen den Kaiser der Franzosen zu mäßigen, widrigenfalls er des Landes verwiesen würde. Der Papst hat in einer geheimen Consistorialsitzung seinem be drängten Herzen Luft gemacht. Er hat die neuen Gesetze des Königs von Italien, daß auch die Geistlichen Militärdienste thun sollen, als ein himmelschreiendes Unrecht verdammt, hat sich über die Fortschritte beklagt, welche die politisch-kirchliche Partei in Oestreich mache und ist über die religiöse Toleranz in Spanien außer sich. Er hofft, daß das ökumenische Conzil den päpstlichen Stuhl stützen und mit allem Eifer dahin wirken werde, auch die weltliche Macht des Papstes zu sauctionireu. Von Reformen scheint keine Rede zu sein. Die Berliner „Volks-Ztg." thcilt aus einem Privatbriefe aus Rußland Folgendes mit: Der Obent Hunnius, aus Estland gebür tig, hatte vor einiger Zeit wegen einer wichtigen Finanzangelcgenhcit mit dem ^Thronfolger von Rußland in Petersburg zu verhandeln. Es galt die Verbesserung der Waffen. Als der Thronfolger den Betrag, welchen Hunnius und noch eine andere dem Militärstande angehörige Persönlichkeit nach genauer Berechnung v.ranschlagt hatten, zu hoch fand — äußerte er sich: „Wenn man es mit den Deutschen zu thun hat, so weiß man immer, daß man übervortheilt wird! Diese Spitzbuben!" Der Oberst Hunnius entgegnete darauf dem Thronfolger ruhig: — Wenn Ihre kaiserl. Hoheit diese Bemerk ung auf mich bezogen haben, so möchte ich dieselbe bitten, das allzu harte Wort zurückzunebmen. — Der Thronfolger soll ihm darauf nach Einigen schmachvoll durch Worte iusultirt, nach Andern aber saus xbraso geohrfeigt haben. Der Oberst führte nun beim Kaiser Klage und der Kaiser antwortete ihm, er möchte den Thronfolger verklagen. Da dies aber in Rußland schwer auszuführen ist, so schrieb Hunnius dem Thronfolger: „Ew. kaiserl. Hoheit haben mich beleidigt. Wenn Sie den Brief erhalten — bin ich nicht mehr!" Der Oberst Hunnius hatte sich erschossen. Dem Kaiser ging die Sache sehr zu Herzen. Der Oberst wurde mit allein Pomp^ welchen der Thronfolger ihm Anfangs versagen wollte, beerdig: und der Kaiser befahl, daß der Thronfolger dem Leichenzuge folgte. Das Volk des Vorwärts! Das Volk der nordamerikanischen Union nennt sich mit Recht „ein Volk des Vorwärts." Die Republik der Union war, nachdem sie im Kampf für ihre Selbstständigkeit ihre Existenz gegründet hatte, nicht auf militärischem Wege, nicht durch Krieg und Eroberung zu der Größe, auf der sie noey steht, cmporgestiegen. Mit Pflug und Sichel, mit Schreibgriffel und Rechcnstift, mit Triebrad und Steuer ruder war sie das geworden, was sie ist. Und als sie in ihrem Vorwärtsschreiten die Abschaffung der Sclaverci als eine Nothwen digkeit erkannte, wurde sie ihrem Grundsatz des Fortschritts, wenn auch der Durchführung desselben sich in diesem Falle noch so große Schwierigkeiten entgegcnstellten, doch nicht untreu. Sie wich selbst vor den Gräueln des Bürgerkrieges nicht zurück, sondern setzte für die Verwirklichung des Gesetzes der Humanität die eigene Existenz auf's Spiel. Sie schuf ein kostspieliges, ihren ganzen bisherigen Wohlstand verschlingendes Heer und ruhte nicht, bis sie in einem furchtbaren Krieg, wie ihm die Welt drüben niemals und in Europa seit einem halben Jahrhundert nicht gesehen hatte, die Anhänger der Sclaverei zu Boden geworfen hatte. Und als das Heer seine Pflichten gethan und die Republik gerettet hatte, verstand es sich von selbst, daß es sich sofort wieder auflöste, und die siegreichen Generäle und Officiere sahen sich nicht als die Herren des geretteten Staates an, sondern traten sofort in die Reihen der Bürger zurück und erwarben, wie vorher, ihren Unterhalt durch ihrer Hände Arbeit. Die Union wandte sich wieder ihren bürgerlichen Aufgaben zu. Sie bemühte sich auf der einen Seite, die durch den Krieg bewirkte colossale Schuldenlast in einem Maße zu bezahlen, wie noch nie ein Volk gethan, auf der andern Seite aber widmete sie sich mit um so größerer Rührigkeit der productiven Thätigkeit. Der beste Beweis dafür, welche großartige nationale Werke des Friedens dieses Volk in kurzer Zeit und unter den schwierigsten Verhältnissen zu schaffen im Stande ist, ist die den großen Ocean mit dem atlantischen Ocean verbindende Niesenbahn (Pacificbahn), deren Vollendung für unsere europätschen Begriffe als ein Wunder ohne Gleichen zu betrach ten ist. DaS ist das Volk der neuen Welt, das fast kein Militär hat, und doch in der Stunde der Gefahr ein mächtiges Bürger- und Volksheer zu schaffen im Stande ist, das Volk, das im Frieden seine besten Kräfte und Mittel nicht dem Heere und der Kriegsbereitschaft opfert, sondern den Arbeiten des Friedens widmet, das lebensfrohe, lebenslustige, strebende, schaffende, sicgesgewisse Volk des Vorwärts, dem die große, reiche Zukunft der Menschheit gehört. Und nun, ihr Staaten der alten Welt, insbesondere ihr an dem alten Militairsystem so fest haltenden Staaten Mitteleuropa's, Frankreich, Oestreich und Preußen, die ihr dem Militairismus die Ar beitskraft und den Wohlstand deS Volkes opfert, erkennt ihr nicht die Gefahr, die euch von dem ohnehin durch vie Natur reicher ge segneten Volk der neuen Welt für euere volkswirthschaftlichen Ver hältnisse niit den Jahren in einem höher» Grade droht? Wollt ihr von dem Volk des Vorwärts, das mit Recht den wahren Fortschritt nicht auf dem Gebiete des Kriegs, sondern des Friedens sucht und der Friedensarbeit, d. h. der Steigerung der Production und des Erwerbs, der Förderung der Agrikultur, der Industrie und des Han dels alle seine Kraft widmet, euch überflügeln und von demselben über euch hinschreitcn lassen? Wollt ihr, anstatt in eurem Volkswohl stand, der ja doch für die einzelnen Staaten auch die unerläßliche Bedingung für die Entwicklung ihrer Macht und für die Erhaltung ihrer Militairkraft bildet, vorwärts zu schreiten, immer mehr rück wärts kommen? Möchten doch endlich die Regierungen Frankreichs, Oestreichs und Preußens ihren Völkern durch eine allgemeine Ent waffnung die Möglichkeit gewähren, daß auch sie, wie das Volk des Vorwärts, der Fricdmsarbcit ihre volle Kraft widmen und nicht zu ihrem Nachtheil hinter demselben Zurückbleiben! (H. Dztg.) Heracht und gerichtet. <ki»c Norf- und Lriminalgkschichle non Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Bald füllte sich die Stube mit Menschen aus der Nachbarschaft, die von dem wilden Geschrei der armen Frau herbeigcrufen wurden. Ein Gerichtsmann war zufällig unter ihnen und ordnete das Ho len des Arztes und des Justizralhes an. Der Weber war schwerlich zu retten, er blutete aus mehreren Stirnwundcn, die ihm wahrschein lich mit einer stumpfen Axt beigebracht sein mußten, auch sein übri ger Körper war schrecklich verstümmelt. Den rechten Arm halten ihm die Mörder völlig zerschmettert und an der Schulter klaffte eine Wunde. Es war ein schrecklicher Anblick und stimmte selbst die rohe sten Herzen zum Mitleid. Der Weber mußte mit den Mördern einen harten Kampf bestanden haben, dafür zeugten seine Wunden und die Unordnung in der Stube, alles Hausgeräth war verrückt, bunt her- umgeworfen und zertrümmert. WKr konnten die Mörder sein? Und zn welchem Zweck war die gräßliche That geschehen? Dieje Fragen beschäftigten alle Gemüthcr. Der Weber war, wie allgemein bekannt, arm und nn Grunde ein friedfertiger Mann, der im ganzen Dorfe keinen Feind halte. Zu welchem Zwecke sollte man ihn erschlagen haben? Und dies Geheimniß vermehrte noch das Grauen und Ent setzen über die blutige Thal. Die Frau des Webers raffte sich zu- erft auf, sie bat sich die Hilse einiger Umstehenden auS und ließ den blutigen Körper auf ihr Bett tragen; dann verband sie ihn, so gut wie ihre zitternden Hände es vermochten und legte ihm kühlende Um schläge um die Stirn. Ein mattes Augenaufschlagen ihres Mannes lohnte ihre Mühe. Schon nach einer halben Stunde kam der Arzt, seinen Bemühungen gelang es, den armen Mann noch einmal zum Bewußtsein zu bringen. Euvas später langte auch ein Gerichtsbeam ter an; nicht der alte, polternde Justizrath, sondern ein junger Assessor, ein Hilssarbeuer des Raches, den er zur Ermittelung des Thalbestandes abgeschickt. Trotz der Schwäche des Webers ließ cs sich der Assessor nicht verdrießen, zn seiner Vernehmung zu schreiten, da ihm der Arzt bekannt gemacht, daß die Augenblicke des Verwun deten gezählt. Nur nach längeren, oft Viertelstunden dauernden Pausen, vermochte der Weber seine Aussage hervorzulispeln. Das Bekenntniß des Webers war zu Aller Ueberraschung Fol gendes: „Der Maurer und mein Vetter sind meine Mörder, sie haben meine Frau fortgelockt und wollten mich erschlagen, damit ich still sei ... . Ich kann's nicht länger —Georg ist unschuldig — er hat den Müller nicht er,nordet, wir drei waren es. Der Maurer hat mir so lange zugeredet, dort einzubrechen — ich wußte nicht, daß sie die Aexte Mitnahmen — bei Gott, Herr Assessor, ich wußte nicht — der Maurer Haire erfahren, daß der Müller viel Geld im Hause habe und mit der Muller fvrtgereist sei und wir sollten die Gelegen heil benutzen. Als der Maurer zuerst in die Kammer stieg, sah er das Gesicht des Müllers. Er wollte erschrocken sich eben so leise wieder zurückziehen, wie er gekommen, aber er zerstieß eine Scheibe und der Müller erwachte. Kaum, daß der Maurer wieder auf dem Boden, öffnete sich schon die Thür der Mühle und der Müller stürzte im Hemd heraus, uns zu verfolgen ... der Aermste verließ sich auf seine Riesenkräfte ... er war dem Maurer am nächsten auf der Ferse und nur noch wenige Schritte von ihm entfernt — da drehte sich der Plötzlich um und schwang seine Axt — noch stand der Müller- aufrecht . . . aber schon eilte der Vetter des Maurers herbei und führte den zweiten Schlag ... wir wurden aus Dieben Mörder! Gott, ich hab' schwer gebüßt! Und Georg sollte noch der Verbrecher bleiben — der Maurer hatte Recht, was er damals frevelnd gesagt: „die Sonne bringt es an den Tag," nun sterb' ich gern, null wird mir wieder leicht ..." Der Weber mußte seine Aussage eidlich betheuern und trotzdem ihm der Assessor Schonung anbefahl, raffte er doch alle Kräfte zu sammen und sprach mit gehobener Stimme die Eidesformel nach; und wirklich schien es damit wie Bergeslast von seiner Seele ge wälzt; er lächelte selbst unter den heftigsten körperlichen Schmerzen lind sank dann erschöpft in eine Art Schlummer. Der junge Assessor war noch vor dem Bekenntniß des Webers nicht unthätig gewesen und auf die Andeutung der Frau des Letzte ren war der Maurer und sein Vetter augenblicklich festgenommen worden. Sie hatten beide noch im Bette gelegen, zwar schon mit rein gewaschenen Händen, aber doch mit Blutspuren an ihren Kleidern, auch ihre Mordäxte wurden gefunden. Die Elenden waren erst lange nach Mitternacht zurückgekehrt, das bekundeten ihre Stubennachbarn, sie leugneten trotz alledem hartnäckig jede Betheiligung am Morde. Beide behaupteten mit frecher Stirn s „Warum sollten wir den Weber todtgeschlagen haben? Wir sind seine besten Freunde." Beide, trotz ihrer abgesonderten Vernehmung, gaben an, daß sie gestern Abend ein Kaninchen geschlachtet, gar nicht im Dorfe, sondern in der Stadt gewesen und ihnen der arme Weber recht leid thue. Als der Assessor dem Maurer und seinem jungen Freunde ge sagt halte, daß der Weber noch lebe, verloren beide die Fassung;