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Lr. k. i>. etc. an. an. jrk.8an. Wg) v. flirsob- wn Mk. ,on Mk. tl. Ingi- ßreislist. gratis u. 75 an. sl. Ne i Vals«» letzterer l, isa, ken, 15 s. :iswert öhnlich 'kl ge- ur mit gefüllt topften ltt mit Steine Kand- 8vKSft ichter, s. oder :uff, MN. zen rietzel, »rf. Dienstag, 2. August 1904 Beilage zu Nr. 90 Gin Franenschicksal. Der ständige Londoner Korrespondent des „Berl. Lok.-Anz.", C. von Zedlitz, läßt dem Blatte folgende fesselnde Plauderei zugehen: Am 24. August 1889 hielt Vor dem Haupteingang des Zuchthauses von Aylesbury ein geschlossener Wagen, dem zwei Kriminalschutzleute und rin junges Weib von blendender Schönheit entstiegen. Aus ihrem bleichen Gesicht starrten große, dunkle Augen mit fassungslosem Entsetzen auf das eisenbeschlagene Kerkertor, das sich auf das Klingeln des einen Beamten hin öffnete und hinter den Dreien schnell wieder schloß. Dieser Tage hatte' dasselbe Tor demselben Weibe sich abermals geöffnet. Dieselben dunkeln Augen werden dabe: nnt demselben fassungslosen Entsetzen in die ihnen fremd gewordene Well der sogenannten Freiheit gestarrt haben. Aber anstatt der blendenden Schönheit von einst kam em an Leib und Seele gebrochenes Wesen zum Vorschein. In keinem anderen Lande der Welt hätte die laut zum Himmel schreiende Tragödie dieser leiblichen und seelischen Vernichtung im Namen der Gerechtigkeit inszeniert werden können und sich abspielen dürfen. England allein bot den geeigneten Boden und die passende Atmosphäre dafür. Vor mir liegt eine angesehene Zeitschrift, worin der kürz lich in Brüssel erschienene Liebesbriefwechsel der George Sand mit Alfred de Muffet unter der Spitzmarke „ein gewissenloses Frauenzimmer" einer moralisch kntffchen Würdigung unterzogen wird. Die empörende Borniert heit, das anmaßend Splitterrichtende dieser eminent eng lischen Ueberschrift enthält den Schlüssel zum Verständnis des Falles Maybrick. Florenze Maybrick wurde vor einem halben Menschenalter des Gattenmordes angeklagt und schuldig besunden, obwohl ihr nichts nachgewiesen werden konnte, als daß sie einen Liebhaber gehabt hatte. Viele Leute sprechen deshalb von einem Justizirrtum. Um einen solchen aber handelt es sich hier weder, noch wäre er eine englische Spezialität. Nicht menschlich irren der Justiz ist die Unglückselige zum Opfer gefallen, viel mehr der blinden Tyrannei britischer Respektabilität. Unter den Passagieren eines der zwischen New-Jork und Liverpool verkehrenden großen Dampfer befand sich im Mai 1881 Mr. James Maybrick, ein Baumwollenhändler aus Liverpool, und Miß Florence Chandler aus Mobile in Alabama. Maybrick, ein angehender Vierziger, ver liebte sich in das schöne achtzehnjährige Mädchen. Sie war ihm nicht abgeneigt, und die beiden wurden im Herbst getraut. Obwohl das Maybricksche Geschäft nicht beson ders gut ging, lebte das Paar auf ziemlich großem Fuße, hielt fünf Dienstboten, Wagen und Pferde, und präsen tierte über seine Verhältnisse. Die junge Frau kam mit dem Wirtschaftsgelde, das der Mann ihr gab, nicht immer aus und machte gelegentlich Schulden. Sonst ent sprach das Zusammenleben der beiden, dem zwei Kinder entsprossen, fürs erste den bescheidenen ehelichen Glücksan sprüchen resignierter Mitteleuropäer. Das Frühjahr 1889 brachte hierin eine Wendung. Florence Maybrick, deren Mann die letzten drei Vierteljahre über fast ununterbrochen krank gewesen war, trat in allzu nahe Beziehung zu einem Freunde ihres Hauses Mr. Brierley, der ihr auch in Geldnöten beigestanden zu haben scheint. Maybrick gab seiner eheherrlichen Mißbilligung handgreiflichen Ausdruck und war drauf und dran, seine Frau mit braun und blau geschlagenem Gesicht aus dem profanierten ehelichen Tempel hinauszuwerfen. Nachher besann er sich anders, und es kam zu einer Versöhnung. Bald nach dem Friedensschluß verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand bedenklich. Gliederstarre, Uebelkeit und andere Vergiftungssymptome zeigten sich. Mrs. Maybrick pflegte ihren Mann allein, bis dessen Verwandte einen Liebesbrief von ihr an Brierley abfingen und tags da- rauf in einer Fleischsaft enthaltenden Flasche, aus der der Kranke jedoch nichts genossen hatte, Spuren von Arsenik entdeckt wurden. Fortan wurde Florence von ihrem Manne fern gehalten und seine Pflege berufsmäßigen Krankenwärterinnen anvertraut. Zwei Tage darauf starb der Patient. Zur Feststellung der Todesursache wurde die Leiche geöffnet. In der Leber ließ sich eine Quantität Arsenik nachweisen, von der einige Aerzte darauf schlossen, daß dem Körper zu Lebzeiten eine tödlich wirkende Dosis zugeführt worden war. Im Hause des Verstorbenen fand sich an verschiedenen Stellen Gift. Namentlich ent deckte man in Wasser aufgeweichtes Fliegenpapier, eine Flasche mit einer parfümierten, arsenikhaltigen Lösung und einen Damenschlafrock, dessen feuchte Tasche Arsenik spuren aufwies. Auf diese Indizien hin wurde Florence alsbald verhaftet. Acht Wochen später stand sie des Gift- mordes angeklagt vor den Geschworenen. Sicherlich war das ganz in Ordnung. Der Schein fiel zunächst sehr stark gegen sie. Aber wie dieser Schein die acht Tage währende Hauptverhandlung hat überdauern können, ist für den, der heute die stenographischen Proto kolle nachliest, unbegreiflich. Zur Entlastung der Ange klagten ergab sich besonders zweierlei. Maybrick hatte vor seiner Verheiratung regelmäßig einen Teil des Jahres in Virginien zugebracht, sich dort wiederholt Anfälle von Malaria zugezogen und als Heilmittel Arsenik gebraucht, das er sich mit der Zeit auch ohne ärztliche Vorschrift zu verschaffen wußte und nach eigenem Gutdünken anwandte. So hatte er sich an das Gift gewöhnt. Krankhafte Hypochondrie und teils wirkliche, teils vermeintliche medi- Mische Kenntnisse verleiteten ihn in der Folge zu allerlei weiteren gefährlichen Experimenten am eigenen Leibe. Stets trug er giftige Medikamente bei sich, und seine Schlafstube sah mit ihren Batterien von Mixturengläsern, Arzneifläschchen, Pillenbüchsen und Pulverschachteln aus wie ein Apothekerladen. Seine Frau dagegen gebrauchte zu kosmetischen Zwecken Arsenik. Sie gewann es durch Einweichen von Fliegenpapier und Fliederwasser und pflegte die Losung mrt einem Taschentuch auf die Gesichts- haut aufzutragen. Hiernach ließen sich alle zunächst auf einen Giftmord hindeutenden Anzeichen auch ohne oie Annahme eines solchen ausreichend erklären. In der Tat bestritt ein Teil der gerichtlichen Sachverständigen, daß Maybrick infolge Arsenikgenusses gestorben sei, und führte seinen Tod auf akute Magenerkältung und gastrisches Fieber zurück. Obwohl also ein bündiger Beweis dafür, daß der Verstorbene einer Vergiftung — sei es fahrlässiger durch eigene Hand, sei es gewaltsam durch fremde — erlegen sei, überhaupt nicht erbracht war, machten der Vertreter der Anklage und der die Beweis aufnahme resümierende Richter zur Beantwortung der Frage nach den „Motiven der Tat" schonungslosesten Ge ¬ brauch von dem Liebesverhältnis der Angeklagten. Sie hatte einen Geliebten, mithin — so deduzierten ste — einen ausreichenden Beweggrund, ihren Mann aus dem Wege zu räumen, er^o. hat sie ihn ermordet! Das mögliche Interesse, welches sie am Tode Maybricks Haden konnte, ließ man als Beweis dafür gelten, daß sie ihn verschuldet habe! Angenommen, ich habe einen reichen Erb onkel, also ein gewisses menschliches oder auch unmensch liches Interesse an seinem Ableben, und er stirbt, so habe ich ihn umgebracht. Bei den zwölf Biedermännern auf der Geschworenen bank war der Abscheu vor weiblichen Eheirrungen stärker entwickelt als der Sinn für die ungeheuerliche Dreistigkeit dieser forensischen Afterlogik. Ihre katonifch unbeweglichen, moralinsauren Gesichter mieden die Mensch lichkeit heischenden Blicke der armen Sünderin. Gam zum Schluß der Verhandlung raffte die Aermste sich auf zu einem letzten verzweifelten Appell. Mit zitternden fänden das Eisengeländer der Angklagebank umklammernd, rief sie in die Totenstille des Schwurgcrichtssaales: „Barm herzigkeit, ich bin unschuldig!" Aber der krampfhafte Auf schrei prallte ab an der diamantenen Härte der zwölf re spektablen Männnerherzen. Einer Frau, die ihre weibliche Ehre vergißt, ist alles zuzutrauen; die Sache wird schon stimmen, wenn sie auch nicht bewiesen ist. Davon waren offenbar alle durchdrungen. Binnen einer halben Stunde einigten sie sich aus einen Schulvigspruch. Einem solchen hatte der Vorsitzende Richter durch die Fassung seiner Rechtsbelehrung die Jury unverkennbar zugeleilet. Dennoch sand er bei der Verkündung deS Todesurteils nicht eines der in ähnlichen Fällen üblichen Worte der Billigung des Verdiktes. Umgekehrt entsprach dieses zwar sicherlich dem spezifischen Recktsgefühl deS Durchschnittsbriten — jede andere englische Geschworenen- bank würde ebenso befangen entschieden haben — wurde aber nachträglich von hunderttausend Petitionsunterschriften desavouiert, die alle eine Begnadigung befürworteten. Drei Wochen brauchte das Ministerium des Innern, um sich schlüssig zu machen. Inzwischen wurde unmittelbar vor dem Gitterfenster der Kerkerzelle, worin die Verurteilte schmachtete, für alle Fälle der Galgen errichtet, an dem sie ihr vermaledeites Leben aushauchen sollte. Bet den dumpfen Schlägen der Zimmermannsaxt, dem Kreischen der Tischlersäge löste dann wohl alle nagende Seelenpein in dem einsamen Frauenherzen sich auf in jämmerliche Todesangst. Erst drei Tage vor dem zur Hinrichtung anberaumt gewesenen Termin wurde sie davon erlöst. Die Umwandlung der Todesstrafe in lebenslängliche Einsperrung war mit den Worten begründet, deren Sinn auf folgendes hinauslief; „Wenn wir ganz sicher wäre», daß du deinen Mann vergiftet hast, so wurden wir dich hängen lassen; wir sind aber nicht ganz sicher, also wirst du zeitlebens eingesperrt." Sie schütteln ungläubig den Kopf. Aber es hilft nichts, alles das ist tatsächlich geschehen, nicht im geknechteten Rußland, sondern im gelobten Lande bürgerlicher Freiheit. Florences Verteidiger, Sir Charles Russel, einer der scharf sinnigsten Juristen und kühlsten Köpfe, die England je hervorgebracht hat, ist nicht müde geworden, die Minister mit eindringlichen Vorstellungen wegen der Schmach zu be stürmen, die ihre Gefangenhaltung für das englische Der Australier. Roman von E. W. Hornung. 85s (Nachdruck verboten.) Denn nun endlich - in diesem Augenblick - wurde ihr eins klar: der Manu, welcher sie so lange und so treu geliebt hatte, der auch einst ihr ganzes Herz belessen hatte - er besaß es noch! Eine Schwäche überkam die zarte Gestalt, die unter Schluchzen bebte. Sie lehnte sich schwer an den Rahmen des Fensters und würde- gefallen sein, wenn sich nicht eine leichte Hand gerade jetzt unter ihren Arm geschoben hätte. »O,^ wie gm, daß ich Dich finde! Dein Vater schickte ff. — ' tecundliche Stimme brach plötzlich ab, und Alice fühlte sich zärtlich von starken Armen umschlungen. Sie sah auf und erkannte Dicks Schwester. Ihr armes Herz wollte zerspringen, und ihr Kops sank auf Fannys Schulter. Daun war sie imstande zu flüstern: „Bringe mich, b'.tte, nach oben. Ich bin krank. Es ist beute ein schrecklicher Tag N-r nnch gewesen." - _ ' Mr Miles stand noch immer am Flnß, bochaufgerichtet, unbeweglich, seine Hände wie znsammcngcschmiedet, seinen stböueu Kopf wie in Herausforderung leicht zurnckgcworfen. Seine vollständig fesfellosen Gedanken nahmen allmählich eine scste Gestalt an Sesil Gesichtsausdrnck wurde sanft nnd boffmumsvoll, während seine Lippen mianfhorlich das Wort: wiederholten. . ... ., .. Und dann kam plötzlich wieder die Erinnerung über chu, beängstigend und schonungslos den ganzen Frieden der Gegen wart Ivie ein gieriger Vampyr aussaugend. Die Sterne hoch über ihm strahlten, und die Sterne tief unter ihm im ruhigen Wasser antworteten ihnen. Die Stimme des Wehres klang näher und lauter. Ein leichter Windhauch bewegte die Pappeln und fächelte die Schläfen des unbeweglichen Mannes. Eine Fledermaus huschte au jh,n vorüber und berührte leicht sein Haar, er bewegte sich nicht. Langsam, Glied für Glied, befreite er sich von dem Griff der entsetzlichen Vergangenheit. Zuletzt richtete er sich auf und sah gerade in den Zenit empor, es war ein schrecklicher Blick. Seine Zunge sprach das Wort, welches vorher auf seinen Lippen geschwebt nnd sich nun zu einem festen Entschluß verdichtet batte, jetzt aus: „Morgen! Morgen!" Mr. MileS wurde sich plötzlich bewußt, daß sein Name irgendwo in der Entfernung von einer bekannten Stimme, der des jungen Edmonstoue, genannt wurde. Einen Augenblick später war der Rufende bei ihm und setzte hinzu: „Es ist jemand draußen vor dem Thor und wünscht Sie zu sprechen." Ein Strahl des Triumphs glühte in dem Gesicht des jungen Mannes nnd ließ den Komrast mit seinem elenden Aussehen nur noch auffallender erscheinen. Miles sah diesen Glanz und wurde von heftigem Schrecken ergriffen. Es ging ihm wie einem Feldherrn, dem am Vorabend des glänzendes Schlages, welcher ihn znm Sieger machen soll, Aufruhr in seinem eigenen Lager angeküudigt wird. Er starrte Dick von oben bis unten an. Dann sagte er scheinbar völlig kühl: „Danke sehr: ich erwartete zwar etwas derartiges, aber beute abend ist es eine höllische Störung. Ich mnß nur meinen Hut und Ueberzieher holen, es kann sein, daß ich sofort in die Stadt muß." Und er ging fort. Dick beobachtete ihn, bis er ihn nicht mehr sehen konnte, indem er mehr als alles andere an dem Mann, dessen angen blickliche Schlagfertigkeit und Fassungskraft bewunderte. Er würde Miles gern gefolgt sein, um ihn im Auge zn behalten, Gerdas war nicht seine Aufgabe. Statt dessen ging er über die Brücke, wandte sich sofort znr Linken nnd kroch in das Gemisch. Indem er sich nahe an der Maner hielt, ohne ein einziges Blatt zu knicken, erreichte er eine Sielle, zehn Schritt vom Gitter, von der ans er den größten Teil des Flusses uud ein gutes Stück des Weges übersehen konnte. In einer Minute näherte sich Miles mit schwankenden Schritten, ging nahe an Dick vorüber und durch das Thor. In dem Augen ¬ blick löste sich aus dem Schatten auf der anderen Seite des Weges ein Alaun, derselbe, den Dick im Gebüsch entdeckt, aber auch schon vorher geiehen hatte — in der Ansicdlerhütte! Die beiden Männer waren nur noch einige Schritte aus einander; als zwei Fnß vielleicht noch zwischen ihnen lagen, standen sie still. Ein leises Kichern entfuhr dem einen, aber ohne einen anderen Lant wandten sie um, gingen langsam den Weg Seite an Seite hinunter und waren bald außer Seh weite. Dick atmete schwer.. Es war so ganz anders, als wie er sich seine Gesaugeunahme gedacht batte. Dreizehntes Kapitel. „So kennt Ihr mich, Dicker?" „Ich habe Euch nicht vergessen, Schurke." Das war die wechselseitige Begrüßung zwischen dem Mann von der Ausstellung und Mr. Miles, dem Australier. Sie waren bei einem Lampenständer in einiger Entfernung vom Wege stehen geblieben und betrachteten sich gegenseitig im Gaslicht. „Das ist recht! Ich freue mich, daß Ihr alte Gefährten nicht vergeßt", sagte der dicke Mann mit den runden Schultern. „Das ist jedenfalls eine gute Sache, aber es ist eine schlechte, mit falschem Namen umherzugchen, besonders wenn —" „Nun seht", sagte Miles mit einer bewundernswerte» Nachahmung seines gewöhnlichen Tones, „ich babe nicht viel Zeit übrig. Mann. Wie, zum Teufel, kommt Ihr hierher? Und was, znm Teufel, wünscht Ihr von mir?" „Ihr seid also in Eile, wirklich?" grinste der Mann. „Und Ihr möchtet zurück zu der Musik uud dem Wein und den Weibern, ja!" „Horch", sagte Miles ruhig, „spürt Ihr den Schritt in der Entfernung? Er nähert sich, jedenfalls ein Polizist und wenn Ihr Euer Geschäft nicht abgemacht habt, ehe er nnS erreich^ werde ich Euch ihm übergeben. Nichts ist einfacher, ich kenn« die Lenle dieses Schlages, nnd sie kennen mich." (F.