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Zwickau, 13. Febr. Gestern Nachmittag haben sich von hier drei Schuiknaben im Alter von 13 und 14 Jahren aus ihren elter lichen Wohnungen entfernt, ohne bis jetzt zurückgekehrt zu sein. Diese haben sich Nachmittags, statt die Schule zu besuchen, aus den Bahnhof begeben und einen von den um 2 Uhr abgehenden Zügen zu einer Reise ins Ausland benutzt. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist eine norddeutsche Hafenstadt das Reiseziel, da nach früheren Aeußerungeu derselben anzunehmen ist, daß sie in den Seedienst zu treten beab sichtigen. Mit Reisegeld sind sie genügend ausgerüstet, da einer der selben sich eine ziemlich bedeutende Summe zu verschaffen gewußt hat; man spricht von 300Thlrn. Der „Gründer dieses neuen Unter nehmens" war schon voriges Jahr bis Görlitz vorgedrungen, ist also im Besitze der nöthigen Kniffe.und dürfte sich wohl auch die Direc- torialgeschäfte der „neuen Gesellschaft" angeeignet haben. Äls am 12. d. M. in Radeberg im Gasthofe zur Tanne der Jägerball und gleichzeitig im nebenstehenden Nathhause ein Militär ball abgehalten wurde, ertönte die Sturmglocke; denn während vom in der Tanne Alles beim Tanze vergnügt war, hatte eine ruchlose Hand die Hintergebäude des Gasthofes in Flammen gesetzt. Es Hütte hier leicht ein gleiches Unglück geschehen können, wie in Adorf, wenn nicht die Meldung in einer Weise erfolgt wäre, Laß dieselbe nicht Schreck verursachte. Das Feuer muß angelegt worden sein, wie so viele Brände, die in letzter Zeit hier stattsanden, denn in den Hintergebäuden hatte am Abend Niemand Etwas zu thun gehabt. Am 13. d. M. wurden im nahen Lotzdorf wieder drei Güter einge- äfchert. Daß hier die Angst groß ist und Alles wünscht, daß den Frevler bald die verdiente Strafe ereilt, ist begreiflich. Für die Errichtung eines Nebengebäudes bei der Gymnasial- und Realschulanstalt zu Plauen, fordert ein königliches Decret vom Landtage die Summe von 20,000 Thalern, ein anderes 5000 Thaler für die Herstellung einer Turnhalle beim Schullehrer- ffeminar zu Friedrichstadt-Dresden. In Leipzig wurde am Montag mitten aus dem Carnevals- publikum heraus ein junger Amerikaner arretirt, welcher sich Un gezogenheiten gegen Damen erlaubt hatte, dem ihn darüber zur Rede stellenden Herrn mit Boxermanier einen Schlag in's Auge versetzte und als Vieser in Folge dessen den jungen Raufbold einen Gensdarmenübergeben wollte, letzteren mit einem sechsfach geladenen Revolver bedrohte, welchen er rn der Tasche verborgen gehalten. Eine Kugel fuhr dem Gensdarmen durch den Rockschoß, ohne zu verwunden. Der Amerikaner wurde natürlich nun erst recht fest- genommen. Wurzen, 13. Februar. In der Nacht vom Sonntag zum Montag ist das Stallgebände des Vorwerks in Rothersdorf, welches zum Rittergut Trebscn gehört, total niedergebrannt. Leider sind hierbei außer großen Massen Stroh und Heu nicht weniger als 24 Zugochsen, welche einen Werth von circa 3000 Thlr. hatten, in den Flammen umgekommen. Der Besitzer hatte dieselben sammt den verbrannten Futtervorräthcn bei der Aachen-Münchener Feuer- Versicherungs-Gesellschaft versichert. Als Ursache der Feuersbrunst wird böswillige Brandstiftung Vermuthel. Man schreibt der „Brest. Ztg." aus Obcrschlcsien: Um der Bestrafung wegen Kanzelmißbrauchs zu entgehen, werden auswärtige Priester zum Predigen eingeladen. So predigte u. A. am vergangenen Sonntag in Lubowitz bei Ratibor ein Priester aus Polen, Namens Florian, der sich in den gröbsten Kapuzinaden gegen Alt katholiken, Neuprotestanten, Freimaurer rc. erhitzte, bis er die Person des Kaisers im Verhältniß zur Freimaurerei angriff, welchen Angriff wir hier nicht wiedergcbe» wollen. Ehe die (Anleitung zu der gerichtlichen Untersuchung beendet, ist der fremde Geistliche längst wieder über »die Grenze; später kommt wiederum ein anderer und das Manöver sängt von Neuem au. Auf diese Weise wird das Gesetz in Betreff des Mißbrauchs der Kanzel vollständig wirkungslos gemacht. .Frankreich. Die „N. A. Z." schreibt: Ein Jahr ist ver flossen, seitdem am 12. Februar 1871 die französische National versammlung in Bordeaux ihre erste vorberathende Sitzung hielt, seitdem sie Thiers, welchen 29 Departements zu ihrem Vertreter er koren, an der Spitze der Exekutivgewalt stellte. Ernste Ausgaben, wie kaum jemals einer parlamentarischen Vertretung, harrten ihrer. Das bis in seine tiefsten Fugen erschütterte Land bedurfte von Grund aus einer Necoustituiruug, zugleich waren anzunehmen oder .abzulehnen die Bedingungen, welche der Sieger bot. Man votirte den Frieden und sprach dabei im Vorübergehen die Absetzung der napoleonischen Dynastie aus. Paris und Versailles wurden von den deutschen Truppen geräumt, die Regierung siedelte nach der ersten, die Kammer nach der zweiten Hauptstadt des Landes über. Wenige Tage darauf erhob die sociale Revolution rhr blutiges Haupt. Angesichts des Siegers begann ein mehr als zweimonatlicher Bürger krieg, erst in den letzten Maitagen war Frankreich Herr seiner Hauptstadt. Seil jenem Termin sind die Parteien in der Kammer wie im Lande im fortwährenden Ringen begriffen, nicht für die Reorganisation des Landes, sondern für den Sieg ihrer Docirinen. Nicht fehlt eS an Gesetzesvorschlägen, es sind derer vielleicht eher zu viele. Aber das eigenthümliche Verhältniß der Lage, welches Thiers Allen als den augenblicklich einzig möglichen Staatöchef er scheinen läßt, während doch die Majorität der Kammer sich zu ihm in scharfer principieller Opposition befindet, macht anscheinend jeden gesunden Fortschritt unmöglich. Die Armee ist gewissermaßen und äußerlich rcconstituirt worden. Man bedurfte ihrer zur Bezwingung von Paris und die Hundert tausende von Gefangenen, welche aus Deutschland heimkehrtcn, mußten regimentirt werden. Weiter ist aber zur Reorganisation auch des Heeres nichts Ersichtliches geschehen, vielmehr wird seit drei Vierteljahren um die Basis gestritten, auf welcher dieselbe erfolgen soll. Schon während des Krieges erkannte man, wie. viel auf dem Gebiete des Unterrichts nachzuholen sei — bis heute haben die Partsigegensätze auch in dieser Beziehung jede Entscheidung verhindert. Ein Gesetz zur Bildung der Generalräthe ist die einzige größere reformatorische Maßregel, welche unter schweren Kämpfen in's Leben getreten ist, deren Wirksamkeit sich aber erst ebenso erproben muß wie die der apotektionistischen Schranken, welche die Regierung rings um Frankreich zu errichten bemüht ist und welche die Kammer dann auch mit vielem Widerstreben votirte. Von der „Republik" existirt in Frankreich nichts als der Name, ja die Regierung ist vielleicht weniger liberal als eS eine monarchische heule dort sein würde. Dabei widerstrebt es aber der Kammer, die Republik zu einer definitiven zu machen, während das Gleichgewicht der einzelnen Parteien zugleich die Herstellung der Monarchie hindert. Ueber dem Streite, ob die dringenden und kaum zu verschiebenden Reformen der VerfaffungSfrage oder diese jenen voraufzugehcn habe, wird die Erledigung beider verzögert. Es hat keine Gefahr, daß die deutschen Besatzungstruppen in Frankreich durch Lotterie und Sammlungen gleichsam hinausge spielt werden; von diesen Sammlungen kann man sagen: der krei sende Berg bringt eine Maus zur Welt. Thiers selber wünscht gar uicht, daß diese Sammlungen und andere Manöver gelingen; denn er weiß am Besten, daß seine Lage derart ist, daß er des Bleibens der deutschen Truppen in Frankreich bedarf, um den Parteien gegen über Herr der Lage zu bleiben. Von dem kindischen Haffe der Fran zosen geben die Aeußerungeu der Zeitungen eineu Beleg, als das Ge rücht vom Tode des deutschen Kaisers an der Börse verbreitet wurde. „Diese gute Nachricht hat sich nicht bestätigt", erklärt „Siecle" In Rom hat mit Genehmigung des Papstes eine öffentliche Disputation zwischen 4 protestantischen und 4 katholischen Geistlichen stattgefunden. Ler Zudrang zu dieser Disputation war ungeheuer. Die Protestanten wollen beweisen, daß der Apostel Petrus nie nach Nom gekommen sei, noch ein Bischofsamt dort verwaltet habe. Die Katholiken behaupten daS Gegentheil. Jede Partei wird sich den Sieg zuschreiben. Einen unparteiischen Schiedsrichter giebt eS nicht. Interessant aber bleibt es, daß so etwas in Rom geschehen kauu. Cm halb Jahrhundert, oder: Allstund aufrecht. Von Marie von RoSkowSka. (Fortse-ung.) Die Vorsichtigen beeilten sich, von dem unerwarteten Fischreich thum Vorthcil zu ziehen, indem sie entweder selbst fischten oder An deren ihren Fang abkauften. Aller Orten waren schnell Fischereien etablirt worden, namentlich aber auf der Langgartner Brücke. Der Ertrag war verschieden, je nach der größeren oder geringeren Kraft und Geschicklichkeit, oder den besseren und schlechteren Gerüihschaften. Ganz leer ging Niemand aus, sogar nicht Diejenigen, die sich ihrer Hände bedient»»; auch waren Käscher rasch herg,stellt »vordem Selbst Schüsseln und Mulden ließen viel der lecker» Beule echaschem Und Diejenigen, welche den heutigen Tag und Abend wahrgenommen hatten, wünschten sich später Glück dazu, denn schon am andern Morgeil verjagten die Soldaten die Fischer, bemächtigten sich ihrer Gerüche und begaben sich selber anS Werk. Wer jetzt noch Fische haben wollte, mußte sie theuer bezahlen. Und doch wimmelte eS da von im Strome und viele Bewohner der belagerten Stadt starben nicht allein an Entkräftung, sondern geradezu Hungers. Orthie hatte einen Korb voll nach dem andern hcimgetragcn, Während der alte Kassircr und die beiden Knaben beständig fischten. Als man endlich aushörte, diese voran nach Hanse sprangen, wollte jener Orthie den letzten besonders schweren Korb tragen helfen. Sie meinte, das schicke sich nicht. Fischen, daS sei etwas Anderes, sei manchmal ein Lieblingsvergnügen der vornehmsten Herrn. Aber den Fang selber schleppe« — „Liebes Kind, ich will Gott danken, wenn ich immer dergleichen zu schleppen habe", unterbrach er sie. „Oder thust Du nicht auch Vieles, was nicht Deines Amtes ist, Niemand von Dir fordern durfte?" „Meine Fran war immer so gütig gegen mich — ich müßte die undankbarste Creatur sein, gehörte ich der Familie nicht mit Leib und Seele an." „Das thue ich auch und wollte Den sehen, der wie ich, vierzia Jahre in diesem Hause gedient und noch einen Gedanken für sich selber habe» könnte. ES giebt freilich Leute, die zu Manchem den Kopf schüttel», wen» man' sich aber einmal in diese Firma und in diese Familie emgelebt hat, dann kann man nicht anders, dann scheint Einem Sünde und Unrecht, was andre Leute Klugheit uno Lebenskunst nennen. Und daß eS nun so weil kommen mußte! Man möchte daran verzweifeln, daß der alle Golt im Himmel noch lebt wenn das möglich ist. Dir kann ich verlrauen, Du gehörst zu miS. ES drückt mir das Herz ab. Du begreifst das nicht, Mädchen, so innigen Antheil Du auch an Allem nimmst."