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bureau nichts erhalten. Das sind doch erschreckende Zahlen, besonders im Augenblicke, wo der Winter vor der Thür ist. Die Auswanderung der Pariser Arbeiter, welche noch immer fortdauert, ändert nichts au dieser traurigen Sachlage. Diejenigen, welche nach England oder nach Nordamerika auswandecn, sind nicht die ärmsten, denn sie be dürfen dazu einiger Geldmittel, die ganz armen aber bleiben in Paris, denn sie haben keine Mittel zum Fortgehen. — Heute erschien die erste Nummer des neuen Organs von Gam betta, die „Republique Franchise". Dasselbe trägt keine Unterschrift, noch enthält es ein Programm. Es bringt jedoch vier Artikel, aus denen hinreichend hervorgeht, welche Politik das Blatt zu.verfolgen gedenkt. Nach denselben läßt sich das Programm des ehemaligen Dictators in kurzen Worten folgender Maßen zusammenfassen: Pro klamation der definitiven Republik oder vielmehr der Republique de Mr. Gambetta; Wiederaufnahme des Kampfes bis aufs Messer gegen Deutschland; Rehabilation von Paris und Amnestie für die.Commu- nisten, um der radicalen Republik ihre ganze Macht zurückzugcbcu, und Allianz mit Rußland, damit Frankreich seine Revanche nehmen kann. Diese Enthüllungen Gambetta's über die Politik, welche er in Zukunft verfolgen will, haben insofern Wichtigkeit, als er sehr leicht wieder an die Gewalt kommen kann. Eine neue ernste Krisis ist im Anzug. Die Mitglieder der Majorität, die während ihres Aufenthalts in der Provinz zur Genüge eingcsehen haben, daß sie sich nicht mehr lange an der Gewalt halten können, gehen ernstlich mit dem Gedanken um, das allgemeine Stimmrecht zu beschränken, d. h. ein ähnliches Wahlgesetz zu machen, wie unter der Republik von 1848. Thiers, welcher über die Sache interpcllirt wurde, er- wiedcrte, daß die Regierung kein derartiges Project habe, da er aber hinzufügle, daß die Versailler Versammlung souverain sei und sie ein Wahlgesetz machen könne, wie es ihr beliebe, so zweifelt jetzt Niemand mehr daran, daß ein neues Gesetz vom 31. Mai in Vor schlag gebracht werden wird. Man muß hoffen, daß es Thiers, der über die Stimmung in Frankreich genau unterrichtet ist, gelingen wird, die Versammlung auf gesundere Ideen zu bringen und so neue Stürme zu verhindern. Aus Newyork wird gemeldet: Kaum haben die Prairiebrände in Wisconsin aufgchört, so stehen jetzt wieder Waldungen und Wald gebirge am oberen Hudson und in Pennsylvanien in Flammen. Tausende von Farmen sind vernichtet. Die Hungersnot!) in Persien ist noch keineswegs vorüber, vor dem Hause des englischen Gesandten warten jeden Morgen wenigstens 2500 Arme auf eine wohtthätige Spende. Das Gedränge war eines Tages so groß, daß zwei Frauen faktisch zu Tode gedrückt wurden. Säuglinge und Kinder liegen in den Straßen umher und sehen kaum noch menschlichen Wesen ähnlich. Zwei LVLttwen. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Der alte Wiedebach wachte mit wahrhaft hingebcndcr Sorgfalt an dem Krankenlager seiner Tochter und wich in den ersten Tagen, als die Baronin von Ficbcrphautasicn heimgej'ucht wurde, nicht von ihrem Bette; ja er lieh sogar die ersten Termine zu seiner Vernehm ung unbeachtet und zahlte lieber, trotz seines GeizeS, die angedrvhtc Strafe, als daß er die Pflege seiner Tochter nur wenige Stunden andern Personen anvertraul hätte. Wie der Arzt bereits in jener Nacht erklärt hatte, lag hier kein Doppelmord vor, und nach einigen Bemühungen war Hugo aus seiner todlesähnlichen Erstarrung zum neuen Leben erwacht. Der Unselige! — zu welchem Leben! . . . Der Verwandte der Baronin halte von seinem tiefen Hasse gegen Edmund nie ein Hehl gemacht, ja er halte es noch an jenem Abend bewiesen, an dem er seinen'liefen Wicderwillen gegen die Erzählung der Baronin au den Tag gelegt. — Seil dem vermeinllichen Tode des Barons zeigte er nur zu deutlich seine Absichten ans die Hand der schönen reichen Wiltwe und allen Anschein nach konnte ihm die Geliebte nicht zum zweiten Rial entschlüpfen, ja es war im ganzen Schloß bekannt, daß Veller Hugo schon jetzt einen großen Einfluß auf die Baronin ausübte und sie förmlich beherrschte, wenn auch die kluge Frau dies so viel wie möglich zu verbergen und seinen Wün schen zuvorzukommen suchte, daß es den Anschein gewann, sic lhne dies Alles aus eigenem Antriebe. Mancher Schärserblickendc wollte daun doch eine Ünmuthsfalte auf ihrer Stirn gesehen haben, wenn ihr Vetter zu plump und rücksichtslos seine Ueberlegenheit geltend machte. Es war natürlich für Hugo die plötzliche und unerwartete Rückkehr des Barons ein harter Schlag, der alle seine Träume, seine kühnsten Hoffnungen mit einem Mal vernichtete. Lag da die An nahme fern, daß er allein das lebhafteste Interesse haben mußte, den wieder vom Tod Erstandenen zum zweiten Mal in das stille Schatten reich zu senden? Er konnte ebenfalls das Klopfen gehört haben, dem alten Wiedebach mit Oeffnung der Pforte zuvorgekommen sein, und sein verschlagener, rachsüchtiger Charakter ließ wohl erwarten, daß er erst sein Opfer in den Park gelockt, um cs dort in aller Stille zu ermorden. Das war eine Kette von psychologischen Schlüssen, die dnrch das in der Nähe des Ermordeten gefundene Jagdmesser Hugo's die thatsächlichste und überzeugendste Unter stützung erhielten und die Verhaftung des Verbrechers rechtfertigten. Schon am andern Tage wurde Hugo in das Gejängniß abgeführt. Das Aeußcrc des Angeklagten, wie sein ganzes Auftreten konnten auf den Untersuchungsrichter keine:: angenehmen Eindruck machen. Das gelbe von Blatternarben entstellte Antlitz Hugo's, sein rothes Bart- und Kopfhaar, die tiefliegenden, heimtückisch aufblitzenden Au gen, der höhnisch, verächtliche Zug nm den Mnnd, alles das gab ihm das Ansehen eines tollen, verwegenen Menschen, der mit leicht sinniger Rücksichtslosigkeit Alles niedertrilt, was ihm den Weg zum Glück versperren könnte. Der Mge Mann wechselte fortwährend sein Benehmen; bald zeigte er die stolze Sicherheit eines Unschuldigen, bald den finstern Trotz eines abgefeimten Verbcchers, und schon die unsichere Haltung konnte nicht für ihn einnehmen. Trotzdem gab sich der Untersuchungs richter, der ebenfalls noch ein junger Mann nnd ein vertrauter Freund Steinfeld's war, diesen üblen Eindrücken nicht gefangen. Herr von Strantz führte die Untersuchung ebenso sorgfältig, als vorurtheilslos, Eigenschaften, die wohl jetzt allen preußischen Richtern zur Zierde gereichen. Hugo hatte bei seiner Verhaftung große Kaltblütigkeit und Ruhe gezeigt; er schien das Ganze wie eine Komödie zu betrachten, in der er die Heldcnrollc übernommen, und er declamirle dabei auch wirk lich aus Göthes Egmont: „Der Kerker ists, des Grabes Vorbild — dem Helden wie dem Feigen widerlich;" als er aber sah, daß die Gerichtsbeamtcu mit seiner Verhaftung Ernst machten, überwältigte ihn der Zorn; er be gann zu toben und über die Tollheit zu klagen, die einen völlig Un schuldigen zum Mörder machen wolle. Bei seiner ersten Vernehmung weigerie er Anfangs jede Auskunft, als ihm aber die Anklage vor gelesen wurde, die geschickt und umsichtig alle einzelnen Fäden aufge reiht hatte, um seine Schuld darzurhun, lachte er hell auf. „Wahrhaftig, fein gesponnen! Das ist ja ein Retz, in dem keine Masche fehlt," höhnte der Angeklagte, „werft mir's immer über den Kopf, ich halte still." „Lassen Sie dies Possenspiel!" sagte Herr v. Strantz sehr ernst, „Sie würden besser thun, wenn Sie kurz und bündig die Beweise Ihrer Unschuld darlegen wollten." Hugo verzog sein Gesicht zu einem häßlichen Grinsen, und mit jenem kecken, nachlässigen Uebermuth, der ihm eigen war, entgeg- ncle cr: „Nein, verehrter Herr, ich treibe kein Pvssenspiel, ich kann auch mit meinem lieben Frrunds Richardt III. ausrufen: Doch ich, zu Possenspiclcn nicht gemacht, Noch um zu buhlen mit verliebten Spiegeln, Ich, roh geprägt —" Es lag so viel komisches Pathos in dem Vortrage des Ange klagten, daß der junge Untersuchungsrichter nur schwer ein Lächeln unterdrücken konnte. Die scharfen Augen Hugo's hatten dies sogleich erkannt; es schmeichelte seiner Eitelkeit, selbst in dieser Lage seinem Richter ein Lächeln abgcwonnen zu haben, und dies genügte, ihn plötzlich zugänglicher zu stimmen. Noch ehe Herr von Strantz etwas erwidern und sich das Ungehörige dieser Auslassungen verbitten konnte, fuhr der Angeklagte fort: „Meine Freundschaft für einen Crzböscwicht kann mir freilich nicht zur Empfehlung gereichen; aber ich habe in ihm stets den Helden nicht den Schelm bewundert." Herr v. Strantz blickte doch erstaunt auf einen Menschen, der des Verbrechens eines Mordes angeklagt war und anstatt sich zu vcrthcidigen, Stellen aus Shakespeare citirte. Er hätte den Ange klagten nicht einmal eine solch geistige Bildung zugetraut. Seine äußere Erscheinung deutete nur auf einen rohen, ungeschliffenen Land- junker, der neben der Bestellung seiner Felder keine andere Zerstreu ung kennt, als einen Gang in die Dorsschenke nnd eine Whistpartie. Der junge Richter hatte deshalb geglaubt, die Untersuchung rasch zu Ende zu führen; mit einem so wunderlichen Gesellen aber wie der Angeklagte war, mußte die Verhandlung bedeutend schwieriger werden. Wie gern hätte Herr von Strantz den kecken Burschen dnrch geistreichen Spott in die Enge getrieben; aber er mußte vor allen Dingen den Ernst des Richters wahren und sagte deshalb ruhig: „Ich muß Sic bitten, bei der Sache zu bleiben. Wollen Sie jetzt die Güte haben, meine Fragen zu beantworten?" Hugo wußte nicht, ob er die ausgesuchte Höflichkeit seines Rich ters für Spott halten sollte; dennoch übte sie ihren Zauber und cr entgegnete weniger nachlässig und trotzig als früher: „Lassen Sie mich zuerst meine Erlebnisse jener Nacht im Zu sammenhänge erzählen und dann mögen Sie fragen." Herr v. Strantz nickte mit dem Kopfe. Der Angeklagte, der bisher gestanden, wollte sich dabei nieder- lassen und blickte mit einem gewissen SarkaSmus aus die Holzbank, die für ihn bereit stand. „Im Fateuil meiner Consine ließ sich die Sache freilich besser erzählen," sagte cr halblaut, „nun will ich dafür nm so kürzcr sein." (Forts, folgt.) Ten Tischlermeister vor dem Grumbacher Thore, welchem ich vor 5 Wochen eine Wanzen uhr — wollte sagen eine Weckeruhr gereinigt und noch keine Zahlung dafür erhalten habe, ersuche ich hierdurch, mir seinen Jungen zuznschicken, um die jetzt dahabenden Uhren zu reinigen, da ich keine Zeit dazu habe, ich werde ihm für jede Uhr 3 Ngr. Arbeitslohn zahlen. Krumbiegel.