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Tagcsgeschichte. Das k. s. Ministerium des Cultns und öffentlichen Unterrichts hat behufs der mit den bevorstehenden Landtage zu vereinbarenden Errichtung eines neuen Schullehrcrseminars beschlossen., schon den l. Decembcr d. I. die Eröffnung einer oder, dafern die Anmeldungen dies erforderlich machen sollten, beider Proscminarclasscn in Oschatz cintretcn zu lassen. Nicht uninteressant dürste es sein, zu erfahren, daß Se. k. Hoheit der Kronprinz Albert im Besitze von 42 Orden bez. Ehrenzeichen sich befindet. Kötzschenbroda, den 11. November. Der Ephorus, Herr Superintendent I)r. Meier hat am vorigen Sonntag den Cantor amor. Herrn Engelmann, welcher seit Zurücktritt von seinem Schulamt in Weistropp nach der benachbarten Niederlößnitz übcrge- siedelt ist, in Höherem Auftrage durch Ueberreichung der Verdienst- Medaille überrascht. Chemnitz, 10. Nov. Am heutigen Tage haben sich in den ver schiedenen Fabrikctablissements abermals weitere 200 Arbeiter zur Wiederaufnahme der Arbeit gemeldet, so daß also jetzt die Gesamml- zahl derjenigen, welche sich von der Strike-Bewegung losgesagt haben, nahe an 2000 beträgt. Chemnitz, den 11. November. Bezüglich der Strike-Angelegen- heit können wir heute mittheilen, daß die Hoffnung auf einen gün stigen Erfolg der Arbeitseinstellung unter den Arbeitern mehr und mehr zu schwinden scheint. Die Anmeldungen zur Wiederaufnahme der Arbeht waren am heutigen Tage geradezu massenhaft. So haben sich u. A. in der Sächsischen Maschinenfabrik, in der am heutigen Morgen schon 740 Arbeiter wieder thälig waren, im Laufe des Tages nicht weniger als 036 Mann Marken verabfolgen lassen, welche zum Wiedereintritt in die Fabrik berechtigen, sodaß nächsten Montag ca. 1400 Mann die Arbeit in dieser unserer größten Fabrik wieder aufnchmcn werden. Hieraus läßt sich wohl schließen, daß sich bereits weit über Lie Hälfle der Striker von der Strike-Beweg- ung losgesagt haben. Diese schnelle Rückkehr zur früheren Thätiq- keit kann nicht Wunder nehmen, da die Unterstützungsgelder für die Sinkenden in der allerspärlichsten Weise geflossen sind und vorläufig kaum hinreichen, auch nur dem zehnten Theil der Feiernden eine ein malige geringe Beihilfe zu gewähren. Das „Leipz. Tgbl." berichtet aus Leipzig vom 8. Nov.: Im Laufe der letzten Tage sind unter den Arbeitern in verschiedenen hiesigen Fabriken und Werkstätten Geldsammlungen für die strikenden Chemnitzer Arbeiter veranstaltet worden. Das Resultat dieser Samm lungen soll jedoch an den meisten Stellen sehr unbedentend ausge- gefallen sein, und zwar aus dem Grunde, welche bei sehr vielen Ar beitern die praktische Erwägung die Oberhand gewonnen hat, daß die Chemnitzer Arbeitseinstellung von den sozialdemokratischen Agi tatoren künstlich ins Leben gerufen worden ist und Len gewünschten Erfolg für die verführten Opfer jedenfalls nicht haben wird. Leipzig, 9. November. Gestern wurde Leipzig plötzlich mit der Nachricht von der Tags zuvor erfolgten Constituirung eines neuen finanziellen Unternehmens- der Leipziger Vereinsbank, über rascht. Dieselbe cmittirt zunächst Actien im Betrage von 7 Millionen Thalern, kann aber noch weitere 8 Millionen ausgeben, worüber die Generalversammlung zu entscheiden hat. Lößnitz, 7. Nov. Gestern Nachmittag in der vierten Stunde wurde der 13jährige Anlon Blei auf dem Boden des von seinen Pflegceltern bewohnten Hauses hier erhängt aufgcsundcn. Der Knabe erfreute sich keines guten Sittenzcugnisses; bevor er seinem Leben ein Ende machte, hat er noch seine Sparpfennige vernascht, sich einen neuen Strick gekauft und denselben zum Selbstmord ver wendet. Gegend von Freiberg, 10. Nov. Beider jetzigen Versteiger ung von Militärpferden in Freiberg ist der nachstehend beschriebene sehr interessante Fall vorgekommen: Ein Gutsbesitzer aus dem be nachbarten Dorfe B.., der bei der Pferveaushebung vor dem Kriege einen Schimmel hatte dahinlassen müssen, besuchte dieser Tage auch die erwähnte Versteigerung. Da wird ein Schimmel vorgeführt und er glaubt in demselben den seinigcn von früher zu erkennen. Er bietet und erhält ihn. Ohne Säumen gehts derHcimath zu. Hätte nach den sichtlichsten Freudenbezeigungen des Thieres auf dem Heim wege noch ein Zweifel obwalten können über die Jntendität, so mußte er schwinden bei der Ankunft. Der Schimmel ward sreigc- lasscn und siehe, er trabte nicht nur ins Gehöfte, -sondern auch an die Thür des Pferdcstalls, die er durch verschiedene Manipulationen zum Aufgehen bringen wollte. Auch innen scheint man den alten Kameraden zu ahnen, denn fröhliches Gewieher läßt sich vernehmen. Endlich öffnet man und der Schimmel geht an seinen Stand, wie -wenn er dewselben am Morgen erst verlassen hätte. War das In stinkt oder etwas mehr? Im Hause, war natürlich ob der Wieder kehr auch solchen Kriegers allenthalben Freude. Berlin, 9. November. In der heutiger. Sitzung deS Reichs tages ward der Antrag Laskers, betreffend die Ausdehnung der Neichscompetenz auf das gssammte bürgerliche Recht, Strafrecht und .Gerichtsverfahren in erster und zweiter Berathung angenommen. Die ministerielle „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bespricht den Personenwechsel in Oesterreich Ungarn und accentuirt, cs werde durch denselben in den freundnachbarlichcn Beziehungen zwischen Oesterreich- Ungarn und Deutschland keine Veränderung herbeigeführt. Aus Straßburg vom 8. November wird berichtet: Wir kehren allmählich in normale Verhältnisse zurück. Es werden demnächst auch die Schwurgerichte wieder fungiren. Es sind zu diesem Behuf bereits ! Maßregeln für Aufstellung der Geschwornenlistcn getroffen. Im übrigen ist die ordentliche Gerichtsbarkeit in voller Thätigkeit und hat sich im Allgemeinen einer Anerkennung zu erfreuen, welche von allen Ständen der Gesellschaft laut ausgesprochen wird. Die Ent schädigungen für die vom Bombardement heimgesuchten Einwohner dauern fort. Für den Wiederaufbau einer neuen Kirche sind 800,000 Fres., für die Prüfcctur 650,000 Fres., die Bibliothek 600,000 Fres., die Bildergallerie 600,000 Fres., und das Theater 1,100,000 Fres, j bewilligt. Diese Summen werden freilich nicht hinreichen, um alles ! vollständig wieder herzustellen; allein es sind noch andere reiche Mittel i vorhanden, um schließlich alle Bedürfnisse auszugleichcn. Leider dauert die Auswanderung noch immer fort. Die öffentlichen Blätter bringen täglich Ankündigungen von Haus- und Mobiliarver steigerungen. Viele Familien haben keinen anderen Anlaß für den ! Wegzug als die Furcht vor dem Wehrgesetz und der raschen Einver- ! lcibung ihrer Söhne in das deutsche Heer. Die Anmeldungen für die Prüfung von Einjährigen werden daher sehr spärlich ausfallen. Viele Kreise hoffen noch immer eine Verlängerung der Frist für das Jnslebentreteu der Militürconscription. Beust ist gefallen! — ehe noch die Czcchcn die Antwort ge-s fanden haben auf das Rcscript, als dessen Urheber sie den Grafen , Beust verwünschen und beschimpfen, fällt er selber, den Sieg dcr lj Verfassung mit seinem politischen Sturze besiegelnd. Fast hat es den Anschein, als solle Beust» Entlassung lediglich die Genugthuung sein, ; die dem Grafen Hohenwart für sein Scheitern zu Theil wird. Nicht Beust darf es gewesen sein, der gesiegt hat. Fünf Jahre gerade hat Beust sich behauptet über dem Wechsel von 6 Ministerien. Er i richtete 1866 Oesterreich auf, beseitigte die bisherige Politik und kehrte zur Verfassung zurück, überwand die ungarische Feindschaft durch den Ausgleich, setzte das erste parlamentarische Ministerium ein, befreite Österreich vom Concordat, stellte die Freundschaft mit Italien her, sicherte Oesterreichs Neutralität im letzten Kriege, versöhnte es mit' Deutschland und brachte die Czcchcn zu Falle: fürwahr eine reiche! Thätigkeit, die volle Anerkennung verdient. Seine plötzliche Ent- 8 lafsung hat etwas Tragisches, sein „erschütterter Gesundheitszustand" ist wohl das Unbedenklichste dabei. Wien, 10. November. Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht I folgende zwei kaiserliche Handschreiben vom 8. November: Lieber s Graf Beust! Indem Ich Sie auf die Mir vvrgetragene durch Ge-I sundheitsrücksichlen begründete Bitte vom Amte des Reichskanzlers,! Minister des kaiserlichen Hauses und des Aeußern in Gnaden ent- ' hebe, spreche Ich Ihnen für Ihre ausdauernde und selbstlose Hin-f gebuug, mit der Sie Ihren Pflichten obgelcgen, Meinen aufrichtigen t Dank aus und werde der Dienste nie vergessen, welche Sic in der i sünsjährigen, ereignißreichen Epoche Ihrer Wirksamkeit Mir, Meinem - Haufe und dem Staate geleistet haben. — Lieber Graf Beust! In j Anwendung des Grundgesetzes über die Neichsverlretung vom 21. j Dec. 1867, Z 5, finde Ich Mich bestimmt, Sie als Mitglied auf ' Lebensdauer in das Herrenhaus des Rcichsrathcs zu berufen. Eine gute Einnahmequelle für das Kaiserreich Oesterreich ist der Tabak. Er hat in dem letzten Halbjahr dem Staat 25 Millionen ! eingetragen, 2'/^ Million mehr als in demselben Semester des > Vorjahres. Die Concurrenz ist immer ein heilsames Mittel gegen die Trägheit und den Schlendrian gewesen. Frankreich ist nun dahinter j gekommen, worin das Gehcimniß der zu fürchtenden Concurrenz Deutschlands besteht, nämlich in der weit fortgeschrittenen Ent wickelung des wissenschaftlichen Unterrichts, sowohl für den Staats- dienst, wie für die Industrie. Der Generalrath der Seine hat des-s halb empfohlen, die sechs Städte Paris, Lyon, Marseille, Bordeaux ' und Lilia mit freien und sich selbst regierenden Universitäten der ! Wissenschaften in ihrer Anwendung auf die Industrie zu versehen. Daneben errichtet man vorläufig schon wissenschastliche Handelsschulen in Lyon, Rouen, Havre, Marseille, in dieser Stadt sogar aucb eine medicinische Hochschule. Der französische Finanzminister macht den noch in Vcr- , sailles versammelten Mitgliedern der Nationalversammlung bekannt, daß bereits wieder 300 Millionen zur Bezahlung der nächsten halben Milliarde vorräthig seien. Ferner habe er bei seiner Anwesenheit > in Berlin von der dortigen Regierung eine Amnestie für 90 der noch ; in Deutschland inhaflirlen 128 französischen Soldaten erlangt. Ein französisches Witzblatt brachte vor einiger Zeit, als noch über die Räumung der sechs Departements verhandelt wurde, ein Zerrbild des deutschen Kaisers, der eine französische Uhr in die Tasche steckt. Bald darauf wurden einige deutsche Garnisonen in der Cham pagne verstärkt. Die französische Negierung fragte telegraphisch bei! dem Grafen Arnim an: „Warum die Verstärkungen? Sehr ge- ' schmeichelt ob der Aufmerksamkeit, aber sie ist unnöthig." Darauf antwortete Graf Arnim: „Französische Blätter stellen meinen könig lichen Herrn dar, wie er sich mit Uhren beladet. Der Witz hat uns sehr amüsirt, und wir haben neue Regimenter geschickt, um unsern Dank nuszudrücken." So erzählt Herr Viilemont, welcher aus diesem Vorfälle die jetzt von der französischen Negierung geübte strenge Aufsicht über die Carricaturcn erklärt. Aus Paris vom 7. November wird berichtet: In den Volks- i quartieren von Paris ist das Elend sehr groß. Um nur ein Beispiel anzuführcn, so beträgt die Zahl der Arnun, welche Unterstützung er halten, im 17. Arrondissement fünftausend. Da sich aber dreizehn tausend auf die Listen der Unterstützungssuchcnden einschreiben ließen, so bleiben also noch achttausend übrig, welche vom WohlthätigkeitS-