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2 streben, ein gemeinsames bürgerliches Gesetz, eine deutsche Rechts wissenschaft zu begründen.^ Nachdem auch noch einige bayerische Ab geordnete auf die Mangel der vielen einzelnen Rechtssysteme in Deutschland — in Bayern soll es deren allein 80 geben — hinge- wicsen Haffen, schien doch die Ansicht von dem nothwendigen Aufbau eines einheitlichen deutschen Rechts zum Durchbruch gekommen zu sein, und der Antrag wurde mit großer Majorität angenommen. — Der Reichskanzler verlangt aus den bereitstehenden Mitteln der von Frankreich zu zahlenden Kricgskostenentschädigung für die Aus rüstung der Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen mitBetriebs- mitteln, für die zur Sicherung des Betriebes notwendige Instand setzung dieser Bahnen, für die Erweiterung der Bahnhöfe und Werkstätten, sowie sür Ergänzung" der Telcgraphenapparate 11 Mill. 440 Tausend Thaler. Die „N. A. Z." schreibt: Selten wohl ist ein Staatsmann beim Scheiden aus seinem Wirkungskreise Gegenstand so vieler sym pathischer Kundgebungen gewesen, als Graf Beust nach seinem Rück tritte vom österreichischen Reichskanzlerposten. Fast keine einzige der namhafteren Corporationen und der hervorragenden Persönlichkeiten in " der österreichischen Haupstadt hat es unterlassen, dem Grafen einen Beweis ihrer Ergebenheit darzubringen, die Gemeinderäthe von Graz, Tcplitz und Laibach (andere werden wohl noch folgen) haben ihn zu ihrem Ehrenbürger ernannt und der Kaiser selbst hat vor gestern seinen bisherigen obersten Minister mit einem halbstündigen Besuche ausgezeichnet, bei welcher Gelegenheit der Monarch, wie uns in einem Privattelegramm aus Wien gemeldet wird, Herrn von Beust die Versicherung gegeben haben soll, daß die von ihm einge- lettete Politik weiter verfolgt werden solle. In der That muß auch mindestens ein großer Theil jener Ovationen, zn deren Gegenstände Graf Beust gegenwärtig gemacht wird, als eine Anerkennung jener Potilik betrachtet werden, für deren Träger der Graf Beust galt und die in der Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen, ja einer warmen Annäherung an Deutschland ihren prägnantesten Ausdruck fand, 'und die kaiserliche Versicherung gegen den bisherigen Reichs kanzler dürfte darum in den intelligentesten und beachtenswerthesten Kreisen der österreichischen Bevölkerung ein nicht minder freudiges Echo finden, als in Deutschland selbst, wo die Journale den Rück tritt des Grafen Beust mit nicht geringerer Theilnahme als die österreichischen Blätter besprechen. UebrigenS ist schon der Besuch des Kaisers bei dem Grafen Beust an sich ein neuer Beweis, daß weder in den persönlichen Beziehungen des Ministers ZU seinem Souverain noch in der Politik des Ersteren die Veranlassung zu dem stattgefundenen Personenwechsel zn suchen ist. Aus Nom vom 12. November wird gemeldet: Vcust's Rück tritt macht auch hier den tiefsten Eindruck. Während die Clericcüen jubeln, beabsichtigt ein aus politischen Persönlichkeiten bestehendes Comitce eine Adresse sämmtlicher liberalen Associationen Roms an Beust abzuseuden, um dem eminenten Staatsmann«: die Popularität, welche er auch hier genießt, zu bezeugen. Mit Ende d. M. wird Nom durch die feierliche Eröffnung des italienischen Parlaments, sowie durch den dauernden Aufenthalt des Königs daselbst gewissermaßen erst die Weihe als Hauptstadt Ita liens empfangen und von jenem Augenblick an der wirkliche politische Mittelpunkt des Landes fein, eine Rolle, welche es seither immer noch mit Florenz getheilt hatte. AIS Hauptfrage wird dem Parla mente die der Landesverlheidigung vorgelegt werden, die neben der Befestigung der Hauptstadt, der größeren Häfen und der Atpeupässe auch die Reorganisation der Flotte umfassen soll. Auch die Bezieh ungen zum heil. Stuhl dürften demnächst vor das parlamentarische Forum kommen. Gleichzeitig mit dem Parlament wird zu Rom der internationale Telegraphencongreß feierlich eröffnet werden, bei welchem Rom zum erstenmal auch in internationaler Beziehung als Hauptstadt des Landes erscheint. „Ich kenn' ein Land, das heißt Italia", da wachsen die Räuber wild unter den Bäumen des Waldes. Dieser Tage wurde einem Theile derselben der Prozeß gemacht: 41 Angeklagte, die meisten noch blutjung. Eine Frau und ein Mönch befinden sich auch unter ihnen. Die Vergehen, deren man sie beschuldigt, sind zahllos. Auf einem dieser Individuen lasten 108 Anklagen: 33 Räubereien, '28 Mordthaten und viele andere schöne Dinge! Es ist die Rede davon, die Hazard-Spielhäuser in Paris wieder einzuführeu, und schon haben Unternehmungslustige hohe Abgaben dafür an die städtische Kasse zu zahlen sich erboten. Eine Zeitung, die noch vor kurzer Zeit das Amtsblatt von Frankreich war, wagt sogar zu sagen, die Herstellung dieser Spielhäuser würde eine moralische That sein. Alle Hote.besitzer und Restaurateure sammt den Ladeninhabern der Boulevards sind entzückt von der Idee: Paris eine Spielstadt! Die Fremden würden in Haufen herbei strömen, es würde däs ganze Jahr hindurch ein Goldstrom fließen. „Atan sollte schon aus Patriotismus das Spiel in Paris Herstellen, damit Niemand mehr nach Baden, Ems, Homburg oder Wiesbaden gehe." Eine friedliche Anzahlung auf die große Revanche der Franzosen! Vereinigte Staaten. Aus New-Jork vom 18. October wird berichtet: Es ist, als schritte ein Engel der Zerstörung durch das Land und ließe Feuer Vom Himmel regnen, denn jetzt sind auch im westlichen Newyort und in Pmusylvauieu zerstörende Waldbräude auSgebrochen. Das Unglück im Westen kann man sicb kaum zu gräßlich verstellen. Ein Aufruf an das Volk der Vereinigten Staaten aus Michigan entrollt in folgenden Worten ein enlsetzenSvolles Bild: „Wir bedürfen sofortiger und wirksamer Hilfe. Im Staate Michigan haben wenigstens 12,000 bis 15,000 Menschen Obdach, Nahrung, Kleidung, die Ernte, die Pferde und das Hornvieh ein gebüßt. In der Schreckensnacht von Chicago waren 2000 Leute am östlichen Ufer des Michigan und 5000 bis 6000 am westlichen Ufer des Huronen-See's fast völliger Entblößung verfallen. Innerhalb der zwei oder drei Wochen sind noch mehr Dörfer und Ansiedlungen vernicklet, und der Schaven läßt sich gar nicht ermessen. Noch brennt es, und noch brechen immer neue Feuer aus. Stündlich erweitert sich der Kreis der Verwüstung, und es wird viel gelitten. Ein langer, strenger, kalter Winter naht heran. Vielen von den Hilfs bedürftigen kann nur zu Wasser genaht werden und bald wird die Schifffahrt aufhören. Alles muß im nächsten Monat oder in höchstens 6 Wochen geschehen. Jetzt muß geholfen werden, oder Alle kommen um." Und nicht besser steht es im nordwestlichen Wisconsin. — Ein Versuch, San Francisco in Brand zu stecken, wurde am 20. Octvber glücklicherweise entdeckt. Ein dichtbevölkertes Häuser geviert, meistens aus hölzernen Gebäuden bestehend, wurde an fünf verschiedenen Stellen gleichzeitig angezündct. Eine Untersuchung zur Entdeckung der Verbrecher ist bereits eingelcitet. Ein ganz empörender Auftritt wird aus Los Angelos in Ka lifornien gemeldet. Die Polizei mischte sich in einen Streit von Chi nesen und cs wurde ihr Widerstand geleistet. Da umzingelte die Bevölkerung den chinesiscken Stadttheil, es entstand ein wilder Kampf, eine Au^rhl von Chinesen wurde massakrirt, sechzehn wurden nach schrecklichen Mißhandlungen summarisch anfgeknüpft uud unter diesen Letzteren war nicht ein einziger am Widerstand gegen die Polizisten beteiligt. Der Auftritt war ein Ausfluß des RacenhasseS und der Intoleranz, welche die schlimmste Seile des amerikanischen National- Charakters — soweit von einem svschcn die Rede sein kann — bilden. Wo blcibcn die Milliarden^ Als der Friedensschluß mit Frankreich diesem Lande die Zahlung einer Kriegskosten-Entschädigung von 5 Milliarden Francs, also in Thalern etwa Mit den zufließenden Zinsen zusammen 1300 Millionen, an das deutsche Reich auferlcgte, erfüllte jedcü Angehörigen desselben wohl das behagliche Gefühl, daß nun für Deutschland die schönen Tage von Aranjuez gekommen seien und wir von der ungeheueren, fast unfaßbaren Summe baaren Geldes allesammt unseren Genus; haben wurden. Wo sollte denn die deutsche Regierung, sonst an SparjanrLeit und karge Geldmittel gewöhnt, auch mit all dein schönen Getde bleiben, welches plötzlich in ihre Kassen strömte? Unerschöpf lich, wie diese Geldschätze schienen, konnte man davon träumen, daß sie uns einmal die Hane Steuerschraube loser machen nnd nebenbei eine Freigebigkeit sür Künste, geistige und physische Wohlthätigkeits- Anstalten, für jenen schönen Luxus veranstalten würden, wie er reichen Nationen zum Stolze zu sein pflegt.. Allmählich wird man sreitich darüber schon sehr nüchtern ge worden sein; denn man sieht und hört, wofür die schönen Millionen alle verbraucht werden sollen und wie sie spurlos in ein Danaiden faß zn verschwinden scheinen, dann ringt sich Wohl schon das Ein- geständmß ab, daß wir furchtbar arm gewesen sein müssen, um mit all diesen Schätzen nur erst die nölhige Winhschaft wieder einrichten zu können. Es sind immer nur dringende Bedürfnisse, für welche die Millionen verbraucht werden. Da bezahlt man die während des Krieges gemachten Schulden, was allerdings nur zu loben ist, denn wer Schulden tilgt, verbessert bekanntlich seine Güter; da sind an die Ausgewiesenen 3 Millionen, an die Reservisten und Land wehrmänner 4 Millionen, sür Kriegsschäden 6 Millionen, für Rhcdc- rei 600,000 Thlr., für die elsässisch-lothringischen Eisenbahncn 109 Millionen bezahlt. An die einzelnen deutschen Bundesstaaten wurden bereits 133 Millionen abgegeben; nun kommen die Dotationen von 4 Millionen, der Kriegsschatz von 40 Millionen, Belriebsfond von so und so viel Millionen, andere Kosten, die gar noch nicht zu berechnen sind und daun die Wiederaufbesserung des Armee-Materials, von den Bauten der Festungen Metz und Straßburg noch nicht zu reden. Für alles dies versinken Millionen über Millionen in den Orens und schon wagt ein gewöhnlicher Mensch, der nur mit Zehnthalcrschcinen zu rechnen gewohnt ist, gar nicht mehr zu fragen, wie diese Millionen so schnell in Rauch anfgehcn können. In Wirklichkeit muß doch eine Million Thalerstücke nicht so viel sein, oder der Riese Staat ist eine verzweifelt theure Erfindung. Wie bescheiden war zum Beispiel gegen diese Milliarden die Summe, welche Preußen nach siebenjähriger Be drückung Durch Napoleon I. und nach dem dreijährigen Kriege von 1813 bis Id15 für Wiederausbesserung seiner damals so schwer heim- gesuchten Wirthschaft bcnölhigle! Statt Milliarden waren es Milli onen und der ganze Staat brauchte für sein Jahresauskommen nicht mehr, wie heut allein für seine Soldaten. „Andere Zeilen, andere Verhältnisse" — wird man sagen. Ge wiß, aber auch ganz andere Summen, die hier in Betracht kommen. Wir merken schon, von all diesen znströmenden Gcldschätzen wird kein Kupferdreier übrig bleiben; sie werden alle für „dringende Be dürfnisse" klein gemacht werden, sobald sie nur erst gezahlt sind. So lheuer ist also der Krieg, selbst wenn man bis zum Be- wundcui siegt, Provinzen und Milliarden als Beute heimträgt uud die Armee in Feindesland unterhalten lassen kann! Armes Deutsch-