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Ns . .NM für 1871. Freitag den 27. Octobcr SiebeuLehn nnd die Umgegeudett. Mmtsölatt für das Königliche GerichtsamL Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Anher erstatteter Anzeige zufolge sind in der Nacht vom 16. zum 17. dieses Monats aus einer Mühle in Sachs- dorf 2 Säcke, gez. Schirmer, Wilsdruff, welche ca. 2 Scheffel Weizen enthielten, spur- und verdachtlos entwendet worden, was behufs Ermittelung des Thaters und Wiedererlangung des Gestohlenen hiermit zur öffentlichen Kenntnis; gebracht wird. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 24. October 1871. Leonhardi. Tagesgeschichte. Leipzig. Bei Großstcinberg an der Leipzig-Döbeln-Dresdner Bahn ist am Sonntag Abend der 40 Jahre alte, hier stationirte Schaffner Beck von dem letzten hierhergehenden Zuge beim Uebertretcn von einem Wagen zum andern ausgeglitten, hernntergestürzt und unter die Räder gerathen, welche ihm den Schädel vom Rumpfe nnd die Beine vom Leibe trennten. Der Zug hielt, nachdem das Unglück be merkt worden war, an, fuhr nach der Unglücksstätte zurück und brachte von dort den gräßlich entstellten Leichnam mit hierher. Beck hinter läßt eine Frau nnd 6 Kinder. — Eine Mehrzahl von Beamten der Eisenbahnlinie Leipzig-Hof sind für die aufopfernden und anstrengen den Dienstleistungen, welche ihnen die Truppentransporte vor, bei und nach dem deutsch-französischen Krieg auferlegt und die sie mit Gewissenhaftigkeit nnd Umsicht bewältigt hatten, dccorirt worden. Atan schreibt der „Kr. Ztg.": DaS Prvject einer directeu Wasser straße zwischen Dresden und Berlin schreitet nunmehr seiner Re- alisirung entgegen. Das Consortium — an seiner Spitze der Urhe ber dieser Idee, der Kaufmann Friedrich Eduard Gustav Große ans Breslau — hat'die Ausführung der speciellen Vorarbeiten den Civil- Jugenicuren Thiel und Knoch in Breslau übertragen und die Inan griffnahme derselben soll sofort stattfinden. Der Eanal selbst soll bei Zadel von der Elbe ab in fast gerader Richtung in den Tenpnitzer See gehen, von welchem aus die Wasserstraße nach Berlin schon be steht und nur zu reguliren ist. Die Länge des eigentlichen Canals wird etwa 18 Meilen werden, die Wasserstraße zwiseben Berlin und ! Dresden wird durch denselben auf 27^ Meile redncirt, während sie jetzt L2'/.r Meile ist. Die große Wichtigkeit der Canäle für den Handel hat der letzte-^Krieg zur Genüge bewiesen. Aus Straßburg vom 20 October berichtet man dem Judopen- dant Alsacien: Ein Soldat des sächsischen Infanterieregiments Nr. 105 hat sich gestern -von einer Brücke herab in den JUkanal gestürzt und fand den geseichten Tod. roer Grund dazu soll, nach dem Nie- derrheinisehcn Kontier, eine ihm anferlegte Strafe gewesen sein. An Matricular-Beiträgcn für 1872 haben zu zahlen: Preußen 18,189,114, Lauenbnrg 38,297, Bayern 972,714, Sachsen 1,872,075 Würtemgerg 350,999, Baden 280,194, Hessen 304,455, Mecklenburg- Schwerin 549,783, Weimar 128,153, Oldenburg 180,971, Braun schweig 214,494, alle übrigen unter 100,000 Thlr., nur Hamburg zahlt 189,618 Thlr. Die Gesammtsumme der Matrieularbeilräge beläuft sich auf 23,775,755 Thlr. In Berlin fnhr dieser Tage ein Wagen, mit Mobilien beladen, vor dem Palais des Kaisers an. Man lud schnell ab, und der Wagen rollte davon. Leute, die keine Wohnung hatten, machten diese Demonstration, sie standen bei ihren Möbeln und bewachten sic. Aus nahmsweise konnte ihnen auch wirklich eine Wohnnng in einer Ka serne nachgcwicscn werden. Königsberg, 21. October. Da seit dem 14. d. kein Fall einer Erkrankung an der Cholera vorgekommen ist, so ist die Cholcra-Epi- dcmie als erloschen zu betrachten. Seit dem am 26. Juli c. erfolgten AnSbruch der Cholera bis incl. 14. d. M. sind an derselben erkrankt 2880 Personen. Davon sind 1508 Personen gestorben und 1312 -genesen. Der „A. A. Z." schreibt man aus München oom 20. d.: Blu tigere Kirchwcihtagc als'dieses Jahr hat Niederbayern doch^vohl selten gehabt; die hier cinlanfenden Nachrichten sind geradezu schau dererregend. In Ossenberg am Vorwald wurde ein 19jäbriger Häuslerssohn beim „Nachkirta" ohne langen Wortwechsel erstochen. Bei Wolferszcll entspann sich zwischen nach Hanse gehenden Bur schen ein Streit, infolge dessen ein Knecht von Nvtham von 12 Messern durchbohrt wurde! In Vilsbiburg erhielt ein Wirthschafts- pächter von einem Hausbesitzcrssohn, der aus Mulhwillen nicht zah len wollte, auf seine Recriminationen hin einen lebensgefährlichen Stich in die Schulter. In Aspertsham bei Neumark a. d. Nott wurde der Wirth Meggl, als er unter den auf dem Tanzplatze sich befehdenden Barschen Ruhe stiften wollte, mit einem im „Griff Steh enden" der Act heimgeschickt, daß er in 1 Stunde den Geist aufgab. Das Gräßlichste, aber, ist der Mord in Eichrndorf im Vilsthal. Im dortigelt Wirtshause wurden, nachdem schon Abends 9 Uhr ein erster Zusammenstoß stattgesunden, um 10 Uhr plötzlich die Lichter ausgelöscht und dann dem Wirthssvhne Georg Reindl von Adldvrf die Luftröhre durchgeschuittcu, so daß er nach drei Stunden eine Leiche war. Man ist jetzt in Frankreich mit der Weinlese beschäftigt. Von allen Seiten her wird coustatiert, daß die Frühjahrsfröste der Güte des Weines geschadet haben; was die Quantität betrifft, so ist die selbe sehr vcsischiedcn, jedoch herrscht die Wahrscheinlichkeit eines re lativen UeberslusseS vor. Die Kastanien versprechen eine überaus ergiebige Ernte, ebenso die Kartoffeln, denen die Krankheit wenig geschadet hat. Die Zuckerrüben sind vortrefflich; nur die Kernfrüchte haben einen mittelmäßigen Ertrag geliefert. Neider und Schreier gibt's überall. Es fehlt deshalb auch unter den englischen Zeitungsschreibern nicht an solchen, die mit ihren französischen Collegen in das gemeinsame Horn stoßen, um der Welt die gefahrvolle Entwickelung der deutschen Macht anSzuposaune». Die ruhiger und unbefangener unheilende Presse aber sieht vermöge dieser Tugend schärfer und findet in dem jüngsten Verhalten des deutschen Volkes durchaus nichts, was die Traumgebilde der Allar- misten, daß die Geißel militärischer Anmaßung jetzt in deutsche Hände übcrgegangen sei, rechtfertige. Das deutsche Volk, nun zu seinen häuslichen Angelegenheiten zurückgekehrt, habe einen großartigen Erfolg still zu tragen gewußt und ihn mehr als eine unangenehme Unterbrechung des gewöhnlichen Lebens behandelt, so daß sich sehr bald die Augen, der Welt mehr auf die Besiegten als auf die Sieger gerichtet hätten. In London haben die Sammlungen für Chicago bereits die Höhe von 33,000 L. erreicht, und nachdem der dortige amerikanische Generalconsul bekannt gemacht hat, daß Kleidungsstücke und Decken für die Hilfsleistendcn zollfrei eingeführt werden dürfen, steht nicht zu bezweifeln, daß sich auch nach dieser Richtnng hin der Wohlthä- ligkeitssinn des englischen Volkes bethätigen wird. Die letzten Kabel- Telegramme melden, daß die Kaufleute Chicagos meist ihre Gcscbäfte wieder ausgenommen haben und daß bereits 3000 provisorische Woh nungen errichtet worden sind. Die Zeichnungen für Chicago in ver Londoner City be tragen nahezu 40,000 Pfd. St., in Birmingham gegen 4000 Psd. Sterling. Die neuesten Postnachrichtcn aus New-Jork geben wiederum interessante Einzelheiten über den Fortgang der Agitation gegen die Mißverwaltnng der städtischen Finanzen. Der Siebziger-Ausschuß thut alles Mögliche, nm die ganzen Betrügereien bloß zu legen und die ganze Spitzbubenbande den Gerichten zu überliefern. Es ist er freulich, zu sehen; daß der Richler Barnard den Muth hat, für die gute Sache einzustehen nnd öffentlich die Erklärung adzugebeu: „fast alle flotten Pferde und flotten Krallenzimmer werden aus der Stadt kasse unterhalten. . . . Die Herren von der Jury mögen der Sache ihre vollste Aufmerksamkeit schenken, damit einige von den Leuten, welche jetzt im Genüsse von Sinecuren sind, ernstlich an die Arbeit