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daL Recht und die Wicht, soweit es das Interesse des Staates erheische, sich dieses bedenklichen Gebrauches zu erwehren, der von der katholischen Religion nur gemacht werden soll, um der Kitche die Herrschaft über den Staat zu sichern, sreilich im Widerspruch mit dem Wort des Herrn: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt/' Die Sache selbst anlangend, so berufe er sich auf sein Schreiben vom 27. August an den Erzbischof von München, worin die Antwort auf die Interpellation schon gegeben sei, wenn auch die Regierung sich nicht alle in dieser enthaltenen Ausführungen und Empfindungen aneignen könne, so stimme sie doch in der Sache selbst damit »herein. Es sei geboten, daß in die 'Frage noch tiefer eingedrungen werde als in den Erlaß, und müsse heute die Regierung die Aufmerksamkeit des Hauses langer in Anspruch nehmen. Die Regierung habe unter der persönlichen Unfehlbarkeit des Papstes nie etwas anderes verstanden, als des römischen Papstes unfehlbares Lehramt. Denselben Ausdruck haben selbst Concilsväter gebraucht, die jetzt so warme Vertreter der Jnfallibilität geworden seien fBravo.) Der Minister citirt dafür anerkannte Autoritäten, wie die Bischöfe v. Ketteler und Scherr und die Glaubcnsdcputatw» des Concils selbst. Die Regierung habe die Frage, ob in diesem Dogma eine Neuerung vorliege, einer sorgfältigen Prüfung unterziehen müssen, weil sie bei ihrem amtlichen Standpunkt nicht den einfacher Unterwerfung unter einen Concilsbeschiuß einzunehmen berechtigt gewesen. In einer sehr um fassenden Auseinandersetzung wird nun nachgewiesen, daß das Dogma eine Neuerung und im Zusammenhalt mit dem Syllabus auch staatsgefährlich sei. Die österreichischen Bischöfe hätten während des Concils selbst eine Eingabe an den Papst gerichtet, wvrin sie vor der Jnfallibilität wegen ihrer Staatsgefährlichkeit warnten, jene Eingabe sei auch von drei bayerischen Bischöfen unterschrieben worden. Der Minister verbreitet sich über die jesuitischen Tendenzen, auf denen das Dogma beruht, und citirt in diesem Betreff die ausgesprochenen Grundsätze vieler jesuitischen Autoritäten, die alle auf Untorordnung der weltlichen Gewalt unter die Kirche abzielen. Der Minister führt u. A. die Genfer Korrespondenz an, die die Anschauungen der römischen Curie vertritt und worin es heißt: nur der ist Kaiser, dem der Papst die Krone aufs Haupt setzte. sHeiterkeit.) Der gleiche Grundgedanke sei auch in der „Civilta cattoUca" zu finden, die auf persönlichen Wunsch des Papstes 1869 von Jesuiten gegründet worden und die selbst von sich schreibe: wir sind das getreue Echo des heiligen Stuhles. Wer solle da noch zweifeln, daß die dort ausgesprochenen Theorien, wenn die rechte Zeit komme, nicht auch ins Prak tische übertragen werden? Der Papst habe z. B. 1862 mit dem Staate Ecuador oün Concordat abgeschlossen, wodurch nur ein katholischer Clerus geduldet wird. Nach einer längeren Deduction kommt der Minister zu dem Schlüsse, daß die Grundsätze der bayerischen Verfassung, wie die allen Bayern gewährleistete Ge wissensfreiheit und Gleichberechtigung aller Consefsionen, Lie Vcrbindlichktit des Lerfassungseides re., dem neuen Dogma gegenüber in eminenter Gefahr stehen. (Beifall.) Mit Recht habe daher der ministerielle Erlatz vom 27. August in dem neuen Dogma eine Bedrohung des bayerischen, Staatsrecht erkannt. Es wird nach gewiesen, daß eine aüdere Auffassung des klaootum rectum als die im genannten Ministerialrath nicht möglich sei. Die Regierung könne nicht das Concordat für er loschen erklären, so lange solche Concordate in und außer Europa fortbestehen. Heil sei nur durch Acnderung, durch eine tiefgehende Revision unserer Gesetzgebung möglich. Es werde dagegen nicht möglich sein, mit den dem Staate zu Gebote stehenden Zwangsmaßregeln die Ausführung oder Unterlassung kirchlicher Fnncrionen zu erzwingen. Atan würde nur ein lang ersehntes Märtyrerthum ermöglichen. (Bravo.) Es müsse der Kirche jene Freiheit gegeben werden, die sie begehrt, aber auch dem Staate seine volle Freiheit, wenn er nicht der Leibeigene der Kirche werden soll. In der Trennung der Kirche vom Staate liege das einzige Heil. Die ^Concordate seien keine bilateralen Verträge, sondern nach der jüngsten Theorie nur so lange bindend, als es beliebt. Papst Pius selbst habe jüngst in einem Breve er klärt, daß die Concordate blvs aus päpstlicher Gnade entstanden und nur widcr- rusliche Vertrüge seien. Schließlich werden die von den Interpellanten gestellten drei Fragen vom Minister im bejahenden Sinne dahin beantwortet: 1. Die Re- Lierung will allen katholischen Angehörigen geistlichen und weltlichen Standes, 'welche die Jnfallibilität nicht anerkennen, den vollen Schutz gegen Mißbrauch geist licher Gewalt angedeihen lassen und sie auch in ihren wohlerworbenen Rechten schützen; 2. das religiöse Erziehungsrecht wird den Eltern in voller Freiheit einZe- räuint, und Wenn allkatholische Gemeinden sich bilden, werden sie auch vom Staate anerkannt; 3. die Regierung ist bereit, zu neuen Gesetzen die Hand zu bieten, welche die volle Unabhängigkeit der Kirche vom Staate verwirklichen. (Beifall der Linken.) Tagesgeschichte. Das „L. TM." berichtet ans Leipzig: Einem hiesigen Ge- schäftsmanne ist ein Brief aus Sedan zugegangen, welcher die schmerz liche Mittheilung enthält, daß daselbst vvr Klugem ein sächsischer Soldat vom Infanterie-Regiment Nr. 107 von mehreren Franzosen hinterlistig angcfallen und tödtlich durch einen Messerstich in den :Hals tödtlich verwundet worden ist. Infolge dieses mörderischen Attentats und der fortgesetzten feindseligen Haltung der französischen Bevölkerung überhaupt sei über Sedan der verschärfte Belagerungs zustand verhangen worden. Nach dem „Dresdn. Jonrn." wird die sächsische Infanteriedivi sion demnächst in Frankreich abrücken, bis Vorbach und Neukirchen marschiren und in der ersten Hälfte des November per Bahn in der Heimath einireffen. Weiter bestätigt das „Dresd. Jonrn.", daß in Sedan ein süchs. Unteroffizier meuchlings ermordet und infolge dessen der Belagerungs zustand dort verhängt worden ist. Die in Berlin am 12. d. unterzeichneten drei Conventionen mit Frankreich betreffen gewisse Grenzberechlignngen, finanzielle Abmach ungen und die Zollverhällnisse von Elsaß-Lorhringew Infolge der finanziellen Uebereinkunft wird die Räumung von 6 Departements sofort beginnen und die deutsche Occupatio» künftig nur noch 6 De partements umfassen. Neber den Zahlungsmodus für die vierte halbe Milliarde der Kriegsentschädigung verlautet, daß die von dem Präsidenten und dem Finanzminister der sranzösischcn Republik schriftlich übernom menen Verpflichtungen die Zahlung von 80 Millionen Fres, alle 14 Tage, vom 15. Januar k. I. beginnend, zusichern, bis zur völligen Deckung des incl. der Zinsen für den Nest der Entschädigungssumme auf 650 Mill. Frcs. sich belaufenden Betrags. Die Uebercinkunft wegen Räumung von sechs weiteren franz. Departements bestimmt u. A., daß, wenn Frankreich nicht vom 15. Januar bis zum 1. Mai 1872 eine weitere Milliarde, sowie 150 Millionen Zinsen gezahlt hat, Deutschland das geräumte Terrain wieder besetzen darf. Alles steigt im Preise, nur nicht Herr von Noon mit seinen Soldaten. Er will sich auch dieses Mal noch mit 225 Thlr. für den Mann begnügen und dem Reichstag eine specielleBerathung er sparen. Die Berechnung in Pausch und Bogen hat doch ihr Gutes, auch ist es jedenfalls rathsam, gleich zuerst ordentlich zuzulangen, dann kann man beim zweiten Male bescheiden danken. Der „A. A. Z." schreibt man aus München vom 13. Oetober Mitglieder der Fortschrittspartei in der Abgeordnetenkammer haben derselben einen Antrag eingereicht, wonach bas dermalen bestehende System der dircctcn Steuern durch eine einzige Steuer, eine progres sive Einkommensteuer, ersetzt werden soll, in deren Folge auch die in- directen Steuern als besonders drückend für die ärmere Klasse Weg fällen sollten. Ein anderer Antrag der nämlichen Abgeordneten geht dahin, das Schulgeld an allen Volksschulen des Landes aufzuheben und aus der französischen Kriegsentschädigung 10 Millionen Gulden auf Gründung eines allgemeinen Schulfonds zu verwenden. Thiers hatte seinem Finanzminister auf die Reise nach Berlin Vollmachten mitgegebcn, die mehr besagten, als die Nationalversamm lung bewilligt hatte. Er wußte warum: das brachte Zug in die Verhandlungen. Zn des alten Herrn Freude sind nun inzwischen die Generalrathswahlen für ihn so günstig ausgefallen, daß er jetzt getrost vor die Versammlung treten und sich auf das ihm geschenkte Vertrauen des Landes berufen wird. Frisch gewagt, ist halb ge wonnen. Die Franzosen ergehen sich fortwährend in Widersprüchen. Sie rühmen die absoluten natürlichen und nationalen Vorzüge ihrer Armee gegenüber der unsrigcn, räumen aber sofort ein, von uns in jeder Beziehung lernen zu müssen. Das Beste kommt aber erst: sie nennen uns Deutsche die Träumer, und in derselben Secunde ge stehen sie, daß sie — die Herren Franzosen — in dem letzten Kriege getränmt haben. Wer hat nun eigentlich dem Andern zuerst die Vorzüge abgelauscht? Im Vatican zu Rom sehen Papst und Cardinäle mit steigen der Besorgniß den Dingen in Deutschland zu: sie fürchten die Be wegung, so lange sie innerhalb der Kirche sich regt Und möchten ihre Gegner gern von dem Ganzen losgetrennt und vereinzelt wissen, etwa als besondere Secte. Den Gefallen werden sie ihnen aber nicht thun. Die armen Nonnen in Nom sind der Wohnungsnoth zum Opfer gefallen. Victor Emanuel fand in der neuen Hauptstadt keinen Platz und hat deshalb einige weibliche Klöster räumen lassen. Haben nun die Räuber von heule aus Schiller von ehemals gelernt, oder der ehemalige Schiller von den Großvätern der heutigen Räuber: jedenfalls erzählt man sich Scenen, die mit der Klostergeschichte von damals große Ähnlichkeit haben. Zwei WLttweZu Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „In der Familie der Aldenhoven waren die Heirathen unter Verwandten förmlich traditionel; das Vermögen sollte in der Familie bleiben, und diese fortwährenden Ehen zwischen Blutsverwandten waren meines Erachtens wirksamer und gefährlicher als jener Fluch des Ahnen, sie mußten endlich ein sieges, elendes Geschlecht erzeugen, das der Tod vor der Zeit hinwegraffte. Meinen Sie nicht auch, daß damit die wunderbare Wirkung des Fluches ihre einfache und natür liche Erklärung findet?" wandte sich die Baronin zn dem junge» A»walt. „Ah, wie können Sie mir so kalt und schonimgslos den Stoff zu einem Epos zerstören?" rief Steinfeld scherzend aus. „Ich zerstöre Ihnen nichts, ich halte nur die Fackel der Ver nunft in das Reich der Schauerromantik," erwiderte die Baronin auf den Scherz eingehend. „Der alte Baron hatte auch wirklich für seine» Sohn eine nah' verwandle „Aldenhoven" als Frau bestimmt, und obwohl Edmund aus angcerbter Schwermuth sich von dem Glau ben an den alte» Fluch nicht völlig frei mache» konnte, schien ihm doch auch meür Ertlärnngsgrund des Familien-Unglücks nicht ganz verwerflich, und er schauderte vor einer solchen Verbindung zurück. Vergeblich suchte der alte Baron den Wioerstand seines Sohnes zu beugen; je heftiger der alte Herr in Edmund drang, je mehr wuchs diesem die Kraft; sein Eigensinn trat in aller Zähigkeit hervor, und der Baron sah keinen ander» Ausweg, als meine Hilfe in Anspruch zn nehmen, denn er wußte, welch' bestimmende» Einfluß ich auf Edmund ausübcn konnte. Ich sah den alte» Maim, der sonst an nichts Interesse nahm, bleich und düster dort sitzen; gerade der Wi derstand, de» er gefunden, Halle ihn gereizt, und jetzt schien an der Ausführung dieses Plans sein Lebcnsglück zu hängen. Der alte Herr hatte mir allein eine wahrhaft väterliche Zuneigung geschenkt und jetzt, wo er meine Hand ergriff und um meinen Beistand bat, konnte ich seiner Bitte nicht widerstehen, sollte es mir auch mein Herzblut kosten. Ich sprach mit Edmund und machte ihm Vorstel lungen, doch de» Lieblingswunsch seines Vaters zu erfüllen und seine Verwandle zu heirathen. Er sah mich lange verwundert an, als könne er meine Worte nicht verstehen, dann sagte er schmerzlich be wegt: „Edith! das kannst Du mir ralhen? Weißt Du es nicht, warum ich den Wunsch meines Vaters nicht erfüllen kann? Hast Du es nicht geahnt, daß ich nur Dich liebe, Dich allein und mein Leben ohne Dich zu einem Schattenbilde wird?" — Und ich vergaß meine