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Licbenlchu und die Umgegenden. Amisökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 4 . Freitag den 12. Januar 1872. Tagesgeschichte. Vom Landtage. Die Landgcmeindeordnung hat in dein Entwurf, obschon derselbe im Großen und Ganzen die bisherige Organisation beibehält, sehr wesentliche Aenderungen erfahren. Die Selbstständigkeit der Ge meinden wird, entsprechend ihrem weiter vorgeschrittenen Biloungs- stande, erheblich erhöht, indem den von ihnen gewählten Organen wesentliche Theile der obrigkeitlichen Gewalt und der Polizeipflege «»vertraut werden. Die bezüglichen Vorschriften befinden sich im engsten Zusammenhänge mit der bezweckten Trennung der Verwaltung von der Justiz auch in unterster Instanz. Die wesentlichste Umgestalt ung der Landgemeinde-Verhältnisse und zugleich der Schwerpunkt für die neue Organisation der Verwaltungsbehörden ist in den U 68, 70—74 enthalten, welche lauten: 8 68. Dem Gemeindevorstande steht, als Ortsbehörde, die Leit ung aller Gemeindeangclcgenhciten, einschließlich der unmittelbaren Aussicht und Disciplinairgewalt über daS Dienstpersonal, beziehentlich die Beamten der Gemeinde, sowie die Ausführung der vom Gemeindc- rath gefaßten Beschlüsse zu. Er hat für die Verwahrung des Archivs, der Urkunden und Wertheffecten der Gemeinde zu sorgen und das Lassen- und Rechnungswesen, wenn ihm nicht selbst die Führung der selben obliegt, zu überwachen. Mit Zustimmung des Gemeinderathes ist der Gemeindevvrstand zu Erlaß allgemeiner Anordnungen (Regu lative) in Angelegenheiten der Gemeinde oder in Bezug auf Octs- polizei berechtigt, durch welche Geldstrafen bis zur Höhe von 10 Thlr. angedroht werden können. Dieselben sind aber, wenn sie polizeiliche Gegenstände betreffen, sofort bei ihrem Erlasse dem Amtshauptmann abschriftlich vorzulegen. § 70. Ter Gemeindevorstand hat die Gemeinde gegen die ein zelnen Glieder, wie nach Außen zu vertreten, daher in ihrem Namen Schriften zu vollziehen und das Gemeindesiegel zu führen. Durch seine Handlungen wird die Gemeinde verpflichtet; er ist aber dafür verantwortlich, daß hierbei Nichts, wozu ein Beschluß des Gemeinde- ralhes erforderlich ist, ohne solchen oder gegen denselben geschieht. Schriften, welche von dem Gemeindevorstande innerhalb seines amt lichen Wirkungskreises unter Beidrückung des Gemeindesiegels unter zeichnet sind, sind öffentliche Urkunden. Durch Schriften, in denen Rechten entsagt oder eine bleibende Verbindung übernommen wird, wird die Gemeinde nur dann verpflichtet, wenn dieselben außer von dein Gemeindevorstande noch von zwei Gemeinderathsmitgliedern un terzeichnet sind. In Rechtsstreitigkeiten, welche zwischen der Gemeinde und deren Gemcinderalh oder wenigstens der Mehrheit seiner Mit glieder entstehen könnten, ist von dem Amtshauptmann ein Actor zu bestellen, ß 71. Der Gemeindevorstand ist das örtliche Organ der Landes- und Bezirksverwaltung, soweit dazu nicht besondere Behörden bestimmt sind, tz 72 entspricht wörtlich dem bereits angeführten § 12 der Städteordnuug für mittlere und kleine Städte, mit alleiniger Um änderung des Wortes „Bürgermeister" in „Gemeindevorstand". § 73. Den durch die dem Gemeindevorstande übertragene Geschäftsführung entstehenden Aufwand bat die Gemeinde zu bestreiten. Dieselbe haf tet für die Schadenansprüche, welche gegen Gemeindebeamte nach § 1507 des bürgerlichen Gesetzbuches begründet sind, als Lelbstschuld- nce (Z 1462 des bürgerlichen Gesetzbuches), unbeschadet ihrer auf be sonderen Gesetzen beruhenden weilergehenden Haftpflicht. § 74. Der Gemeindevvrstand ist berechtigt, innerhalb des ihm bei der Gemcindc- verwaltung, wie bei der Polizeipflege zustehenden Wirkungskreises die erforderlichen Anordnungen zu erlassen und hierbei Zwangsmittel einschließlich der Haft bis zu 3 Tagen und Geldstrafen bis zur Höhe von 10 Thlrn. anzudrohen und zu verhängen. Röthigen Falles hat er wegen weiterer Anordnungen Anzeige an die Amlshauplmann- schaft zu erstatten. Die zuclkannten Geldstrafen, sowie die nach § 72 zu erhebenden Kosten fließen in die Gemeindecasse, soweit erstere nicht durch besondere Gesetze anderen (Lassen zugewiesen sind. Die Moti ven bemerken zu vorstehendem Paragraphen: die Gcmcindcvorstände werden hier mit wesentlichen Attributen einer Behörde ausgestattet und ihnen ein erheblicher Theil der Polizeipflege überwiesen. Gewiß sind die Anforderungen, die man hiernach in Bezug auf Bildung und Gcschäftsgewandtheit, vor Allem aber rückstchllich der Entschlossenheit und Festigkeit des Charakters stellt, sehr erheblich und in keiner Weise mit dem zu Vergleichen, was ihnen zeilher abgelegen hat. Es fehlt daher auch nicht an Stimmen, welche die Aufgabe für zu schwer und den im Entwurf gethanen Schritt für einen zu gewagten erklären. Die Staatsregierung hat dennoch keinen Anstand genom men, in der bezeichneten Weise vorzugehcn, und sie thut dasselbe in dem festen Vertrauen auf die vorgeschrittene Bildung und den Cha- racter, sowie auf die erprobte Loyalität der ländlichen Bevölkerung, sowie in der Ueberzeuguug, daß dasjenige, was in ähnlicher Weise in anderen Ländern geleistet wird, von den Landgemeinden unseres Vaterlandes, welches in der allgemeinen Verbreitung der Bildung keinem anderm Lande nachsteht, gleichfalls in befriedigender Weise geleistet werden wird. Dieselbe legt hierbei fast noch mehr Werth auf Characlerfestigkeil als auf Geschäflskenntniß; denn während letz tere unter der Anleitung der neu zu schaffenden, durch keine anderen Geschäfte abgehaltenen Verwaltungsbehörden gewiß bald gelernt werden kann, hängt die Durchführung der neuen Gemeindeorganisa tion ganz wesentlich von den Charaktereigenschaften der Gemeinde vorstände, von einer zwar gerechten und billigen, aber auch festen, von keiner Rücksicht oder Furcht geschwächten Handhabung der Ge setze und überhaupt der öffentlichen Ordnung ab. Dieselbe ist aber wiederum, wie nicht genug betont werden kann, eine ganz wesentliche, wenn nicht unerläßliche Vorbedingung für jede Reform der Behörden für die innere Verwaltung, welche ohne Voraussetzung eines wohl geordneten, mit der in Vorstehendem characterisirten Selbstständigkeit auch auf dem platten Lande auSgestattetcn Gemeindelebcns nur mit ganz enormen Kosten durchzuführcn sein würde. Vor Kurzem ist in der Lommatzscher Gegend auf dem Felde der Leichnam einer in der Milte der dreißiger Jahre stehenden Dienst magd an einem Baume aufgehängt gefunden worden. Da man naw Lage der Sache einen Selbstmord nicht annehmen konnte, lenkte sich der Verdacht des Mordes auf den Geliebten der Magd, einen Dienst- burschen im Alter von 16 bis 17 Jahren. Dieser junge Mensch, ein früherer Bräunsdorfer Zögling, wurde gefänglich eiugezogen und hat neuerdings, wie man den „Db. N." mitlheilt, den Mord auch eingestanden. Meißen, 7. Januar. In den Nachmittagsstunden des 5. d. M. sand man in der Nähe der etwa Vz Stunde von hier entfernten Restauration „zur Krone" den Leichnam eines in den 40er Jahren stehenden unbekannten Mannes. Der Entseelte lag versteckt in einem Gebüsch, war seiner Stiefeln und des Nockes 'beraubt und halte fünf Stiche in der Stirn. ES ist daher wohl mir Recht anzunehmcn, daß der Unglückliche das Opfer eines frechen Raubmordes geworden; leider ist es bis jetzt noch nicht gclnngen, des Thäters habhaft zu werden. Zwickau. Am Hohen NeujahrSmorgcn gegen 5 Uhr meldete der Thürmer ein größeres Feuer in der Richtung nach Reichenbach. Wie das „Ziv. W." nachträglich erfahren, war das Feuer in Unter kotzau (bayr. Dorf zwischen Plauen und Hof mit ca. 300 Einwohnern) und soll fast daS ganze Dorf weggebrannt sein. In derselben Nacht brannten auch sümmtliche Gebäude von Weitersglashütte bei Eiben stock ab. Unweit der Station Oelsnitz der voigtländischcn Eisenbahn war vor einigen Tagen von Frevlerhand eine schwere Psoste auf einer Brücke guer über das Geleis geschoben worden. Glücklicherweise beseitigte die Maschine eines herankommenden Güterzuges diese-S Hiuderniß, indem die Psoste von ihr zerfahren und zur'Seile ge schleudert wurde. Dem „Dr. I." wird von Altenburg berichtet: Schon wieder ist das herzogliche HauS von einem Brandnnglück betroffen worden. In der Nacht vom 5. zum 6. dieses ist ein Flügel des Jagdschlosses