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2 der Neider des Reichs erlahme» und zu Schanden werden, — mit Gottes Beistand aber wird sich die Hoffnung des Kaisers erfüllen: „daß das deutsche Volk den Lohn seiner heißen und opfermuthigen Kämpfe in dauerndem Frieden genießt." Berlin, 18. Januar. Bei Gelegenheit des Bankets, welches sich heute an die am 18. Januar statutenmäßig stattsindcnde Sitzung des Capitel des schwarzen Adlerordens anschloß, haben Se. Majestät der Kaiser und König nachstehenden Toast aufgebracht: „Wir be gehen heute eine doppelte Feier der wichtigsten Ereignisse der Preußischen Geschichte. Vor 171 Jahren ward der erste König von Preußen gekrönt; vor einem Jahre wurde die Annahme der Mir, von allen Fürsten und freien Städten Deutschlands einstimmig ein getragenen deutschen Kaiserkrone proclamirt. Im Bewußtsein der hohen von Mir übernommenen Verpflichtungen spreche Ich an dem ersten Jahrestage dieses großen Ereignisses den erhabenen Dar bringern Meiner neuen Stellung, Meinen tiefempfundenen Dank, in: Beisein der Vertreter derselben, von neuem aus, hoffend, daß es unseren gemeinschaftlichen Bemühungen gelingen wird, die gerechten Hoffnungen Deutschlands zu erfüllen." Der kgl. bayerische Gesandte Freiherr Pcrglas brachte darauf im Namen Sr. Majestät deS Königs von Bayern und der erhabenen Bundesgenossen im Reich auf das Wohl des deutschen Kaisers, Wilhelm des siegreichen, ein Hoch aus. Berlin, 19. Januar. Dem Abgcordnetcnhausc ist der Rück tritt des Cultusministers v. Mühler amtlich angezeigt worden. Die betreffende Zuschrift des Fürsten Bismarck an den Präsidenten v. Forckcnbeck lautet: Berlin, 18. Januar 1872. Indem ich Euer Hochwohlgeboren in der Anlage Abschrift der Allerhöchsten Ordre, die Annahme des Entlassungsgesuches des Staatsministers v. Mühler betreffend, er geben» mitcheile, stelle ich gleichzeitig anheim, die Bewachung der das Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten betreffenden Vorlagen, in Erwartung der Neubesetzung desselben, auf -einige Tage aussetzcn zu wollen. v. Bismarck. Der in der Anlage in Abschrift mitgetheilte Allerhöchste Erlaß an den StaatSminister v. Mühler lautet: „Auf Ihren Antrag vom 12. d. M. will Ich Ihnen die von Ihnen nachgesuchle Entlassung aus Ihrem jetzigen Amte unter dank barer Anerkennung der Mir geleisteten Dienste, von welchen später wieder Gebrauch zu machen Ich Mir Vorbehalte, unter Bewilligung Ler reglementSmäßigeu Pension und unter Belassung des Titels und Ranges eines Stacusministers hierdurch ertheilcu und habe dies dem vStaatsministerium bekannt gemacht. Berlin, den 17. Januar 1872. (gez.) Wilhelm. (gegengez.) v. Bismarck." In Straßbug machen die Bürger gegen die deutschen Beamten Sinke, sie lassen ihnen keine Wohnungen ab. Ueberhaupt soll die Stimmung sehr trüS und feindselig sein. Der „Nordd. Allg. Zr." wird aus Paris geschrieben: Die Frage der Kriegsentschädigung beginnt die Nationälöconomen ernst hafter zu beschäftigen. Einer der Direktoren des Credit foncier, Graf Lavier Branicki, hat in dieser Beziehung den Vorschlag ge macht, das ganze bewegliche und unbewegliche Eigenlhum aller französischer Bürger mit einer einmaligen National-Krtcgssteuer von drei Procent zu belegen. Einzelne Blätter haben den Gedanken be reits aufgenommen und sprechen sich sehr dafür aus. Sie erinnern an die Vereinigten Staaten, wo nach dein Seccssionskriege das Capital mW 2'/^ pEt. besteuert und außerdem noch eine Bundes- einkommensteucr von 7 pCt. ausgeschrieben wurde. Nach den Be rechnungen des Grafen Branicki beläuft sich der Werth des Grund- eigenthums in Frankreich, mäßig gerechnet, auf hundert Milliarden. Darnach wäre Ler Grundbesitz allein schon in der Lage, mittelst einer dreiprocentigen Steuer den Rest der Kriegsschuld zu tilgen. Gutem Vernehmen nach wird ein ähnliches Project bereits in Ver sailles sehr lebhaft discutirt, und es wäre nicht unmöglich, daß ein diese Frage berührender Antrag auf der Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen erschiene. Französische Frauen wollen die deutschen Soldaten aus Frankreich hinausbekomplimentiren. Sie wollen so viel Geld zu sammenbringen, daß mit Hülfe der Staatskasse die Contribution au Deutschland bezahlt werden kann und die deutschen Soldaten eher als in drei Jahren heimkehren können. Ueberall in Frankreich sind Aufrufe an die Frauen erlassen und Comitees gebildet, Geld, Schmuck, Bilder, alles wird angenommen. In London und Wien, in Rom und New-Jork werden die Französinnen dafür wirken. Wir Deutschen wünschen ihnen den besten Erfolg. Aus Paris vom 16. Januar schreibt man: Heute fand in der Kirche Notre Dame ein feierlicher Gottesdienst zu Ehren der im letzten Kriege Gefallenen statt. Die Kirche war schwarz ausgcschlagcn und mit schwarzfammtnen Standarten, die mit Weißen Kreuzen be säet waren, sowie mit dreifarbigen Fahnen geschmückt. Silberne Vasen mit Weihrauch waren an den Pfeilern angebracht. Um 10^ Uhr kam der Marschall Mac Mahon an. Er trug die große Uni form und das Großkreuz dec Ehrenlegion. Mehr als 300 Generale und Obersten begleiteten ihn. Bei seinem Eintritt spielte das Or chester das Dies irns, die große Glocke ertönte und die Tambours rührten die Trommeln. In der Mitte der Kirche war ein reicher Katafalk errichtet, um den sich der Marschall, die Generale Douay, LadmüauU, Elia, und Viony, sowie die Deputationen aufstelllen. Unter den letzteren befand sich auch die, welche die National-Ver sammlung gesandt hatte. Unter den Anwesenden bemerkte man den Kaiser von Brasilien, den Grafen und die Gräfin von Paris, den Herzog von Nemours, die Minister de Cissey, Jules Simon, Pothuau. Der Präsident war nicht anwesend; er hatte sich vertreten lassem Der Erzpriester der Kathedrale las die Messe, der Pater Felix hielt die Predigt und der Erzbischof von Paris ertheilte den Segen. Afrika. Briefen aus der Capstadt vom Anfang Decembcr ist zu entnehmen, daß der Fund von Diamanten auf den Diamanten feldern Alles bisher gesehene übersteigt, doch haben auch Krankheiten wahrscheinlich des schlechten Wassers wegenj, überhand genommen. Man hat Schachte bis zu 70 Fuß tief gegraben, 17 Fuß rothen Sandes waren erst wcgzuräumen, bis man auf die diamantcnhaltige Schichte kam. In der Tiefe von 20—25 Fuß werden die besten Diamanten gefunden. Uebrigens ist die Anzahl der in dem Colesberg Kop-District dem Diamantenfuchen Nachgehenden so groß, daß mög licherweise in sechs bis zwölf Monaten das Terrain ganz abgcar- beitet ist. Ein halb Jahrhundert, oder: Allstund aufrecht. Von Marie von Roskowska. (Fortsetzung.) Ein Frösteln überlief ihn, hastig setzte er sich in Bewegung. Doch wiederum nicht nach seiner eigenen Wohnung, sondern nach den krummen abgelegenen Gassen der Altstadt. Hier war cs vollends still und öde. Der einsame Wanderer strich lange umher, lehnte sich endlich über ein Brückengeländer und schaute, zu nicht geringer Ver wunderung des Nachtwächters, unverwandt auf das Mühlenwehr und das schäumende Wasser. Das Brausen desselben mochte die passendste Begleitung zu den Worten sein, die in seinem Geiste klangen und die rasch wechselnden Bilder der Vergangenheit er läuterten. Versetzen auch wir uns in die Vergangenheit. II. Der Bartholomäustag war's des Jahres 1813, Morgen? halb neun. Gegenüber dem stattlichen Ziegel-Rohbau, dem Militärlaza- reth, an dessen Stelle sich damals die Zucht- und Besserungsanstalt, auch ein Raspelhaus, befand, öffnete sich das nach dem Rambaum führende Thor und ein seltsamer Zug schritt heraus. Großcntheils Kinder — Knaben und Mädchen — wohl gegen anderthalb hundert; dazu einige zwanzig erwachsene Männer und Frauen, die Lehrer Aufseher nnd Pflegerinnen der Waisen. Denn hier befand und be findet sich noch heutigen Tages das Spend- und Waisenhaus. An zenem Augusttage zogen die Kinder nicht aus, wie sonst vielleicht, zu einem Kirch- oder Bittgänge, oder irgend einer Feierlichkeit. Je des trug ein Bündelchen auf dem Rücken und nahm herzbiechenden Abschied von den zurückbleibenden Gefährten, den kleinsten und schwächsten Pfleglingen der Anstalt, die mit ihren Wärtern zurück bleiben mußten. Den Stammbaum entlang und die krumme Gasse „An die Schneide mühle", durch die Burggrabenstraße über den Fischmarkl schritten paarweise die Kinder und ihre Begleiter, an der Spitze der Vorsteher der Anstalt, Kaufmann Gehrt. „Wenn wir in höchsten Nöthen sind", sangen Lie Kinder und die jugendlichen Stimme», in denen Thrünen zitterten, lockten viele Neugierige und Theilnehmende herbei, obwohl das alte, einst so volkreiche Danzig nicht mehr jo viele Einwohner zählte, wie in glücklicheren Zeiten. Aus einem der größeren Häuser des vorstädtischen Grabens kam ein junges Mädchen, eine Kindsmagd, wie der Kleine auf ihrem Arme verrieth. Es stutzte beim Anblick des wohlbekannten Vor stehers, der grüngekleidclen Waisen, folgte dann nnd dräugtc sich eilig durch das zusammenlaufende Volk zu einem der Knaben hin. Eben bewegte sich der Zug durch das enge, düstre HauSthor, so genannt, weil es einst zum „Hause" der Ordensburg der Deulsch- ritter führte. „Es ist also wahr — Ihr zieht auch mit hinaus, Karl?" „Wir können den Hunger nicht länger aushalten! Draußen werden wir uns wenigstens satt essen. Komm mit, Orthie! Herr Gehrt nimmt Dich gewiß mit!" Der Abschied vom Spendhause schien ziemlich verschwunden; in dem freien Anblick sprach sich die Hoffnung angenehmer Tage auS und die knabenhafte Lust an der Veränderung, an etwaigen Erlebnissen und Abenteuern. Nur das Zurückbleiben der Schwester mochte noch fiine Stimmung trüben — kam sie mit hinaus, dann war ja Alles gut. „Wir gehen noch in die Pfarr, unlerdeß trägst Du Fritzchen nach Hause und holst Deine Sachen. Frage nur Gehrt — und der Inspektor Adam hat gewiß auch nichts dagegen, daß Tu Dich uns anjchließest". Sie schüttelte den Kopf nnd drückte das Kind fester an sich' „Nein, nein ich — kann nicht — kann nicht meine Frau verlaffen, jetzt da sie mich braucht. Möge cs werden, wie Gott will. Ich stehe hier in fiiner Hand, wie draußen." Und doch — wer nicht siebenfach gefesselt war in der belagerten Stadt, der eilte heute, der letzten Frist, noch aus den Maueri 'n