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3 Andere waren auch Ler Meinung Gehrts. Diejenigen, welche jetzt noch, fast in der letzten Stunde der Waffenruhe, die Heimcuh verlassen wvlllen, seien es Einzelne oder Familien, sie schlossen sich den auswandernden Kindern an, nm in ihrem Geleit, unter dem Schutz der Hilflosigkeit und Unschuld, durch die russische Vorposten kette zu gelangen. Wie die Versammelten meist, folgte auch der junge Kaufmann dem Zuge bis zum Thor. Dann trat er zu Orthie, die grüßend mit der Hand gewinkt, während Viele Tücher und Mützen geschwenkt, Abschiedsgrüße und Segenswünsche nachgerufen hatten. Ann er innerte sie sich ihrer langen Abwesenheit nnd wollte den Hämweg antreten. „Ein Wort," sagte er rasch. „Ich sah Dich vorhin mit Paul Kremann gehen und stehen. Glaubst Du, daß er es ehrlich meint?" Sie zuckte ordentlich zusammen und wurde glühend rolh, dann wieder blaß. „Ich verstehe nicht — wir sind beide im Waisenhaus auferzogen," stammelte sie fast unhörbar und brach verwirrt ab. Er entfernte sich nach einer freundlichen Acußerung zu seinem Brüderchen, als habe er keine Antwort erwartet, ihr nur einen Wink, eine Warnung geben wollen. Es schickte sich freilich nicht, daß er mit der Wärterin seines Bruders auf offener Straße sich unterhielt, aber ein cigenthümlich peinliches Gefühl erregte es ihr dennoch, daß er eine Erwiderung ihrerseits für ganz überflüssig zu halten schien. „Künftig, wenn ich ihn im Hause treffe, davon anfangen — nein, das kann ich nicht!" sagte sie zu sich selber. „Ob — er es ehrlich meint?" Sie versank in ein so tiefes Nachsinnen, daß weder das Geplauder FritzchenS, noch die aus der Straße durcheinander rennen den Menschen sie störten. Erst bei dem Ton einer bekannten Stimme fuhr,sie daraus auf. „Gut, daß ich Dich wieder treffe, Orthie," sagte Paul. „Als Du zu uns ins Hans kamst, dachte ich, wir würden zuweilen ein Stündchen mit einander verplaudern. Umsonst habe ich oft auf Dich gewartet." „Ich habe nicht Zeit!" Wieder stieg ihr das Blut ins Gesicht und sie senkte vor seinem Blick den ihrigen. „Weil Du nicht willst. In der Dämmerung — Abends, wenn der Junge schläft, hättest Du schon Zeit. Ich werde Dich heute auf der Treppe erwarten. Nicht wahr, Du kommst, liebe Orthie?" Er legte seine Hand auf die ihrige. Einen Moment traf ihr Auge ausblickend das seinige, dann ließ sie es verrwirrt abglciten von seinem Gesicht, sagte lege, doch mit hörbarer Erregung: „Wir sind nicht mehr im Waisenhause, Paul, sind nicht mehr Kinder. Ich danke Dir von Herzen dafür, daß Du in Deiner Stellung Dich noch immer um mich kümmerst. Aber weil ich eben ein armes Mädchen bin, das nichts hat, als seinen guten Leumund, darum bin ich Abends nicht auf der Treppe." Er wollte aufflammen — sie fühlte es an dem heftigen Druck seiner Hand und fuhr entschlossen fort: „Und nicht btoS meinet wegen — auch Deinetwillen. Deine Freunde haben es gut mit Dir im Sinn — Du selber sollst nicht in üblen Leumund kommen. Ich weiß von lange her, daß Du hoch hinaus willst, Noth, Armulh und Dienstbarkeit nicht für Dich paßt. Golt gebe Dir, was zu Deinem Besten ist. Mich aber, ich bitte Dich, laß meinen Weg gehen. Die Zeiten sind so schwer, daß sie selbst einem armen Dinge, wie mir, das Herz abdrücken und die Lnst zum Plaudern benehmen. — Ich will fragen, was eine Heringstonne kostet." Sie nickte Abschied nehmend und ging. Er blickte ihr nach. Einen Augenblick schien es, als wolle er ihr Nacheilen — das sollte nicbt das letzte Wort gewesen sein. Dann aber warf er unwillig den Kopf zurück und murmette: „Sie ist klüger als ich selber. Was Halle ich sie auf der Straße an? Eine Lwbschaft mit einer Kinds magd wäre freilich nicht geeignet, mich in die Höhe zu bringen." Orlhie nahmen die Anforderungen des äußeren Lebens in so hohem Grade in Anspruch, daß sie keine Selbstgespräche halten konnte, alle ihre Gedanken auf das richten mußte, was zunächst vor ihr tag. Das Pfund Salz kostete einen Thaler — sie wollte versuchen, ob sie durch Auslangen einer Heringstonne nicht billiger dazu käme. Eine solche galt freilich auch schon acht THIr. — Mit dem Schlage zwölf kündete Kanonendonner das Ende des Waffenstillstandes, den Beginn der Feindseligkeiten an. (Forts, folgt.) Vermischtes. * Advocaten in Deutschland. Deutschland zählt gegenwärtig 5057 Advocaten, wovon 2277 auf Preußen, 761 auf Sachsen, (Leipzig allein 157, Dresden 162), 349 auf Bayern, 342 auf Mecklenburg-Schwerin kommen. Hamburg zählt 142, Frankfurt 100, Bertin nur 88 Advocaten. * Rottweil, 14. Januar. Diesen Morgen gegen 11 Uhr cx- plodirten in der Pulverfabrik einige Werthäuscr. Zwei Arbeiter fanden dabei den Tod, einer wurde schwer, der andere leicht verwundet. * In dem Testamente des jüngst verstorbenen Banquier Baron Königswarter in Wien ist dessen Enkelin, Fräulein Pfeifer, daselbst mit vier Millionen bedacht. Motifirt ist diese „Geringfügig keit" dieser Summe mit der Bemerkung, daß cs nvlhwendig sei, den Glanz des Hauses unverkürzt aufrecht zu erhalten, und daß deshalb das Vermögen nicht zersplittert werden dürfe. Fräulein Pfeifer bekam demnach, um eine solche Zersplitterung hintenanzuhalten, nur vier Millionen! * London, 12. Januar. In einer fashionablen Kirche im Westende von London erschien unlängst ein junges Paar aus guter Familie, um seinen ehelichen Bund einscguen zu lassen. Alles ver lief in schönster Ordnung, bis die Braut, eine junge Dame von schmächtigem Aussehen, vor dem Worte „gehorchen" in der Trauungs formel innehielt und sich entschieden weigerte, das Versprechen des Gehorsams gegen ihren künftigen Gatten zu leisten. Allgemeine Confusivn, während welcher die Braut völlig kaltblütig blieb. Der Geistliche weigerte sich, die Trauung fortzusetzen, und als der Bräutigam nachdrücklich erklärte, daß der Geistliche vollständig Recht habe, verließ die Hochzeitsgesellsä ast die Kirche, die Braut und ihre Anverwandten den einen Weg einschlagcnd, der Bräutigam und seine Freunde den andern. Das Curiose an der Geschichte ist, daß die junge Dame erklärt, der Bräutigam wußte, daß sie das Versprechen des Gehorsams nicht ablegen würde, und das er ihren Entschluß billigte. Die Eltern der Braut wollen nun gegen den jungen Mann auf unerfülltes Eheversprechen klagen. * Das Studiren unter den jungen Damen wird immer ver breiteter. Es befinden sich z. B. in diesem Semester unter den Be suchern des Polytechnikums und der Hochschule zu Zürich 32 weib liche Studenten. * In Aegypten wird die deutsche Sprache an den höheren Anstalten obligatorisch eingesührt. Breslauer Universum Blut - Säfte-Neiuiguugs- und Stärkemittel aus der Fabrik chemischer Producte von Oskar Silberstein in Breslau. Dies ist der Wortlaut des Etiquetts au einer Flasche mit 25 Gramm (l'/^Loth) einer klaren farblosen nach Spiritus riechenden und schmeckenden Flüssigkeit, die in der That aus schwachem Spiritus besteht, welche mit einer kaum durch Geruch und Geschmack zu er kennenden Menge Löffelkrautspiritus oder Scnfspiritus versetzt ist. Wir konstaliren nicht allein diesen Bestandtheil, auch Herr Apotheker Karkhoff in Lathen hatte ein gleiches analytisches Resultat erzielt. Der wahre Werth des Mittels beträgt höchstens 6 Pf. und da es von solchen Fabrikanten für 1 Thlr. verkauft wird, so ist es ein wichtiger Beleg für den Geheimmittelschwindel, und gewiß nur er funden und erdacht, um ungestraft moderne Bcutelschneiderei zn treiben. Kirchcnnachrichtcn aus Wilsdruff. Sonntag Septuagcs. Vormittags predigt: Herr Pastor Schmidt. Nachmittags predigt: Herr Diaconus Ficker. Das früher Schönsteiu'sche Haus und Garten- WM gruudstück mit Verwendung der Brandkasse, soll sofort verkauft werden. Das Nähere ist zu erfahren bei LouiS Lehmann am Friedhöfe. He^rmMmachrmg. Wegen Pachtveränderung sollen im Gehöfte des Pfarr gutes zu Blankenstein bei Wilsdruff Donnerstag den 1. Februar 3. e. von Vormittag 9 Uhr an 9 bis 10 Stück Kühe, 3 bis 4 Kalben, Schweine, Wagen, Schlitten, Ackergeräthe, Pferde geschirre, Federbetten und andere WirtlMMtsgegenstände im Wege des Meistgebotes gegen gleich baare Bezahlung ortsge- richtlich versteigert werden. Blankenstein bei Wilsdruff, deu 17. Jauuar 1872. Das Ortsgericht. WW AM Wtikflaschtit, auch Selter- und Sodaflaschcn, sucht zu kaufen im Ganzen und Einzelnen F. A. Herrmann, Wilsdruff im Januar 1872. Bote am Markt. Lehrlings - Gesuch. Ein junger Mensch, welcher Lust hat Fleischer zu wer den, kann unter günstigen Bedingungen in die Lehre treten; bei wein? ist zu erfahren in der Erped. d. Bl. Lehrliugsgesuch. Ein junger Mensch, der Lust hat Tischler zu werde», findet unter günstigen Bedingungen Unterkommen bei Herrmann Vogel in Wilsdruff. Die ächte kod. 8ü88mHeb'8ebk st Büchse 5 Ngr., hat alleinige Niederlage für 'WiwclmrK' Apolh. L i .