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2 wie PariaS behandelt und in Men Staatsämtern zurückgesetzt würden, den Anlaß. Bismarck war eben eingetreten, als Windt- chorst die alten Lügen der Partei aufwärmte, er hatte nicht sprechen wolle» (denn er halte Vortrag beim Kaiser), aber er erhob sich so fort zur gründlichen und schneidigen Widerlegung. Das ganze Haus horchte mit verhaltenem Athem. Er schilderte mit schneidender Ironie den schroffen Widerspruch zwischen den Worten und den Thate» Windthorsts und seiner Partei: de» Friede» trügen sie auf der Zunge, die Zwietracht schürten sie. Unter den Ministern sei allerdings kein Katholik; das mache leider die Haltung der kathol. Partei im Land- und Reichs tage unmöglich, kein Miiglicd dieser Partei würde die politische und nationale Ricblung der Regierung unterstütze». Als er, Bismarck, aus Frankreich zurückgekchrt sei., um die innere nationale Politik durchzuführe», da sei ihm die geschlossene katholische Partei im Reichs tage so entgegengetrete», daß er darin nur eine Mobilmachung der Partei gegen de» Slaat habe erkennen könne». Der Neubildung des deutschen Reiches seien diese Leute feindlich; das zeige sich in ihren Zeitungen, in ihren Wahl- und Kammerreden, — in Preußen, in Bayern, überall. Die Preuß. Legierung wolle nicht einwirken auf dogmatische Streitigkeiten, aber auch nicht die Ausübung der Staatsgewalt der Geistlichkeit cinräumcn. Das .„Berliner Tageblatt" schreibt: „Von der Bedeutung Berlins als Bankplatz erhält man eine Idee, wenn wir berichten, daß nach ungefährer Schätzung die täglichen Umsätze sich an hiesiger Börse raus etwa 30 Millionen Thaler belaufen. — Die „Germ." bemerkt hierzu ganz richtig: „Rechnet man hiernach die Jahres summe und dabei nur 300 Börfentage, so beträgt der Umsatz 9000 Millionen. Nur t Silbergroschen Steuer auf 100 Thlr. Umsatz würde 3 Millionen Thaler einbringen; eine Stempelsteuer aber von 1 pCt., wie dies bei dem Umsatz von Immobilien geschieht, würde 90 Millionen betragen." Wer gern und gut regiert, mag sich in Berlin melden; da sind zwei Bürgermcisterstellen auf einmal offen. Der Oberbürger meister Seydel ist mit 4000 Thlr. Pension zurückgetreten, weil er .kränklich hl und ihm des Aergers und der Schulde» zu viel wurde, der zweite Bürgermeister Hedemann tritt Alters halber zurück. Der mobilste Mann in Preuße» ist der Generalpostmeister Stephan in Bertin. Unermüdlich reist er zwischen Deutschland, Frankreich und anderen Ländern hi» und her, um wichtige Postvcr- handlungcn selber zu sichren, Verträge zu schließen u. s. w. Näch stens tritt er eine Reise zu gleicher» Zwecke nach Rußland an. Wie ^ungeheuer der Postverkehr wächst, zeigt .eine Bekanntmachung in Ber lin: „Im Jahr 1871 haben allein von Berlin Tag für Tag zwischen .300 und 400 Briefe re. (im Durchschnitt 357) nach dem Aufgabeort zurückgeseudet werde» muffe», die Mehrzahl Wege» ungenauer Adresse». We»» auch die Zahl der i» Berlin eingehende» Postsen dungen täglich 77,000 im Durchschnitt beträgt, so ist immerhin jene Anzahl von.Retourbriefe» Prozent) recht erheblich zu nenne» und .läßt sie sich jedenfalls sehr .verringern, wofern Lie Aufgeber dec Adressen recht genau, vollständig, mit deutlichen Schriften und wenn irgend möglich unter Angabe der Wohnung anfertigen möchten." (In einem'Stücke wird der deutsche Generalpostmeister von seinem .College» in Amerika übertroffen; dieser hat nämlich de» geniale» Einfall, den Klebeftoff der Postmarkem auf der Rückseite mit Choco- llade oder Vanille zu versetze» und damit alle Frauen rc. zu de» eif rigste» Briefschreiberinnen und Postkunden zu machen.) Die „N. A. Z." schreibt: Im „Neuen Social - Demokrat" lesen wir Folgendes: „Furchtbare, blutige Arbeiterrache ist allem Anschein nach in Königshutte verübt worden, woselbst im vorigen Sommer die Arbeiterünruhen unterdrückt wurden. Wie uns von -dort geschrieben wird, ist nm 12. v. M. daselbst der Assistent des Bergraths todt, mit durchschnittenem ^>alse und aufgeschlitzlem Bauch, die Eingeweide in den Mund gesteckt, aufgefundc» worden und neben ihm ein Zettel mit der Inschrift, daß es dem Bergrath ebenso er gehen solle." Daß ein Blatt, welches sich rühmt, in den Kreisen der Arbeiter stark verbreitet zu sein, diese Nachricht von einem scheußliche» Verbrechen mud die Androhung eines in Aussicht stehenden neuen Verbrechens ohne jedes Wort der Mißbilligung und Warnung mitiheilt, ja durch den Ausdruck „Rache" diesen abscheulichen Mord mit einem, auf gewisse Gcmülhsstiwmungen sehr wirksamen Schein der Berechtigung umgiebt — das erscheint uns als ein so unge heuerliches Verfahren, daß wir kein genugsam starkes Wort zu senden vermögen, nm dies Verfahre» richtig zu gualifiziren. Aus Würzburg werden über die Polizeisoldaten unglaubliche Dinge berichtet. Nach längeren Plänkeleien zwischen Studenten und Polizcisoldaten Wierde» am 26. Januar Nachts zwei aus Ser Kneipe ruhig heimkehrende Studenten von Polizeisoldate» mit Säbelhieben und Todtschlägern überfallen und furchtbar zugerrchtet. Äsuf die Polizei gebracht, bat der eine aus viele» Wunden blutende' Student, ihn in das Spital bringen zu lassen und empfing die Anlwort: Schleppt den Hund ins Loch, er soll verrecke»! — Nach mehrere» Stunde» .erst wurde seine Uobersicvclung ins Juliushospital durch- gesctzt. Dieser Studcnt hat 10 schwere Hiebe auf Kopf und Ari» erhalten. Seitdem läuft das Wort von Mund zu Mund: I» Würzburg braucht man sich Nachts vor Niemandem zu fürchten, als vor Ler Polizei. (Die Polizei stellt die Sache amtlich in viel mil derem Lichte dar, hat aber den barbarische» Polizcisoldaten sofort seines Dienstes entlassen.) schäftigt sich gegenwärtig fast allein mit der Discussion der ver schiedenen Mittel, um so bald als möglich Deutschland die noch ge schuldeten drei Milliarden zu bezahlen. Non den verschiedenen vor- liegende» Projecten ist es das von Soubeyran Betreffs einer Anleihe von vier Milliarden, welches in und außerhalb der National-Ver sammlung am meisten Beifall findet. Was an demselben besonders gefällt, ist nicht sowohl die Lotterie, welche damit verbunden ist, als der Umstand, daß durch dasselbe auch einer weiteren Vermehrung der Steuern Einhalt gethan werden soll. Was die Steuer» «»belangt, so liegen dieselben bereits so äusterst schwer auf dem ganzen Lande, und besonders auch auf Paris (die Verwaltung der Stadt Paris schraubt dieselben auch noch hinauf und erhöhte heute das Octroi auf Bier, das 4*/-- Franken war, auf 12 Hz Franken), daß eine weitere Erhöhung derselben den nachtheiligstcn Einfluß auf die Ge schäfte ausüben muß und die Zahlungs-Einstellungen dadurch noch bedeutender werden müssen, als sie es jetzt schon stnd. Die ver gangene Woche waren diese in Paris sehr zahlreich. Es wurden allein 35 Kaffee-, Bier- und Weinhäuser geschloffen. Was die vom „Moniteur" eröffnete Subscription zu Gunsten der Befreiung Frank reichs anbelangt, so wird dieselbe noch fortwährend sehr eifrig be trieben. Außer dem Meurthe-Departement (Nancy), das 650,000 Franken nach Paris sandte, sind aber immer noch keine bedeutenden Summen eingegangen. Die Borstellungm der verschiedene» Pariser Theater, Bälle und Lafee-Concerts ergaben 39,591 Franken und die Summen, die Privatpersonen unterzeichneten, übersteigen nach wie vor nicht 10,000 Frankem ..z Aus Paris, 31. Januar, schreibt man der „K. Z.": Die Re gierung scheint nicht zu glauben, daß die „Subscription zu Gunsten der Befreiung des Territoriums" große» Erfolg haben werde. Der Minister des Innern hat nämlich die Präfecten aufgesordert, der Subscription gegenüber in der Zurückhaltung zu bleiben. Er läßt den patriotische» Bestrebungen der Personen, welche die Comitces bilden, alle Gerechtigkeit widerfahren und will auch, daß die Prä- fecten sich denselben lympathisch zeigen, aber er fordert sie auch auf, nichts zu thun, was die Würde der Regierung und des Landes coiupromitliren könnte, falls die persönliche Initiative sich machtlos zeigen sollte, die hinreichenden Kapitalien zusammenznbringen. Die Debats glauben, daß man höchstens 50 bis 100 Millionen zusammen bringen könne. Edelmüthige Personen würden viel hergeben, geizige aber sehr zurückhaltend sein, und man werde die Welt eher durch die geringen, als durch die großartigen Summen in Erstaunen versetzen, die man austreiben werde. Die Debats behaupten, daß ein großer Theil derer, welche sich bis jetzt an der Subscription betheiligt haben, sich nnr eine Reclame machen wollten. Gegen den Moniteur, der diese Subscription angeregt, erheben die Debats diese Anklage jedoch nicht Lirect. Dem Wiener „Vaterland" wird aus Nom vom 23. Januar geschrieben: „Vorgestern hat sich Bischof Strohmayer beim h. Vater verabschiedet. Er hatte in der ersten Audienz sich bereit gezeigt, eine Erklärung abzugeben, die seine Unterwerfung unter die Ent scheidungen des vaticanischen Concils ausdrücke» sollte. Der h. Vater erinnerte ihn in der letzte» Audienz daran und reichte ihm die Feder, um eine solche Erklärung zu unterzeichnen. Strohmayer weigerte sich durchaus, und der h. Vater entließ ihn ohne seinen apostolischen Segen, indem er sagte: „Monsignore, Sie sind nicht mehr katholisch; Sie werden nicht als Katholik sterben." Dem amtlichen Finanz-Bericht zufolge verminderte sich dis Staatsschuld der Vereinigten Staaten im Monat Januar um 5'/, Millionen Dollars., Im Staatsfchatz befanden sich am I. Februar 103^4 Millionen Dollars an baarer Münze und 12^ Millionen Dollars Papiergeld. Nin halb Jahrhundert, oder: Allste-md aufrecht. Von Marie von Roskowska. (Fortsetzung.) In ihrem Schrecken hatte Emmeline diesen Schutz und Schirin unwillkürlich hingenommcn; dann ließ sie ihn sich mit Bewußtsein gefallen. Erst als sie jetzt außerhalb des Gedränges sich befanden, als sie auf eignen Füßen stand und in ihrem Retter eine» jungen hübschen Man» erblickte, setzte die Eigenlhümlichkeit der Lage, in welcher sie eben gewesen war, sie in Verlegenheit. In viel lebhaf tere Verlegenheit, als sie gegenüber einen Kaufdiener, denn als sol chen erkannte sie ihn alsbalo, für möglich gehalten hatte. Orthie hatte sie erwartet, bcciferte sich, ihr den Hut zurecht zu biegen- de» Anzug zu ordne». Da»» eilte sie hastig davon, um die Versäumniß wieder einzubringen. Ihre Frau war zu schwach, um das selbstgebackne Brod aus Getreide, das der Hausknecht auf der Haiidmühle, mahlte, genießen zu können; sie holte daher für dieselbe täglich drei Weißbrodchcn zum folgeuden Tage, da ailbackue Waare ja verschlagsamer ist, von diesem Bäcker, der verhältnißmäßig nocb immer das größte Brod lieferte, bei dem also der Zudraug am größten war. Verhältnißmäßig — ein Weißbrödchen für acht Pfen nige wog ein und dreiviertel Loth, etwas unerhörtes in der Handels stadt, welche viele Jahrhunderte hindurch die Ausfuhr aus der Korn-