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für Wilsdruff, TlMMdt, Rossen, Ticbcnlchii und die Uiugcgciidk». Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Itt. Freitag den 2. Februar 1872. Tagesgeschichte. Dresden, 29. Januar. Die zweite Kammer bewilligte beute nach den Anträgen der Finanzdeputation 199,000 Thaler zum Aus bau und Neubau von Schullehrerseminaren und 300,000 Thaler für eil» neues Polytechnikum in Dresden., Von besonderer Wichtigkeit ist Her mittelst Decrets Nr. 34 an unsre Landstände gelangte Entwurf zu einem Gesetz über das Verfahren in Vcrwaltungsjtrafsachen. Nach demselben soll die bisher den Verwaltungsbehörden in Polizei- und anderen Ver- waltungsstrafsachcn zngestandcne Strafgerichtsbarkeit ans die Gerichte übergehen und es sollen die Verwaltungsbehörden, wenn sie die Sache nicht ohne Weiteres z»r Abgabe an die Gerichtsbehörde oder zum Absehen von jedem Strafverfahren angethan erachten, nur be fugt sein, die Strafe von Geld oder Haft bis zu 6 Wochen durch eine vorläufige Strafverfügung fcstzusetzcu, welche, wenn binnen 10 Tagen nicht auf gerichtliche Entscheidung angctragen wird, Rechtskraft erlangt und vollstreckbar wird. Wenn auf gerichtliche Entscheidung rechtzeitig angelragen wird, oder wenn dir Verwaltungs- behörde den Fall weder für straflos noch zum Erlaß einer vorläufigen Strafvcrsngnug für geeignet erachtet, so ist die Sache an die Gerichts behörde abzugeben, welche an die in der Strafverfügung festgesetzte Strafe nicht gebunden ist. Bei einer mn 26. Januar in der Nähe des Buschbades bei Meißen und der 6. Mühle abgchaltenen Treibjagd soll sich ein beklagenswerthcr Unfall zugetragcn haben. Es war unter Anderem rin Juchs geschossen. Dcr mit noch einem Herrn hinznkommcnde Förster findet aber den Fuchs noch lebend und will ihm den Gnaden stoß geben. Indem er mit dem Kolben der umgekehrten Büchse dem Fuchs einen Schlag auf den Kopf versetzt, entladet sich der noch darin sitzende Schuß und zerschmettert dem Förster von unten nach oben den rechten Oberarm. Der Verunglückte wurde sofort in die 6. Mühle behufs ärztlicher Hilfe gebrächt und die Jagd sofort abgebrochen. Das Üomitee zur Bewirthung durchziehender Truppen in Leipzig ist durch folgendes Schreiben der Kaiserin Augusta erfreut worden: Das Comitec zur Bewirthung durchziehender Truppen in Leipzig vom 22. Juli 1870 bis 4. November 1871 hat mir den Bericht über seine Thätigkeit während jener Zeit zngchen lassen und '»ich dadurch zu ausrichtigem Danke verpflichtet, zugleich aber die mir höchst erwünschte Gelegenheit gewährt, sür die großartige Opfcr- sreudigkeit, welche die Stadt Leipzig während des Krieges bewiesen hat, meine volle Anerkennung auszusprechen. Berlin, 22. Januar 1872. Augusta. Das „L. T." berichtet aus Kieritzsch, 28. Jan.: Vorgestern war unser sonst so friedlicher Ort der Schauplatz eines Arbcitcrtu- mnltes, dem sogar eine nicht unbedeutende Arbeitseinstellung nachge- folgt ifl. Von den beim Eiscnbahnbau am hiesigen Bahnhofe be schäftigten Arbeitern sollte einer, wegen Ungehorsams gegen die Anordnungen des den Van beaufsichtigenden Schachtmeisters, ent lassen werden. Die andern Arbeiter erklärtcn darauf, die Arbeit cin- stellen zu wollen, und es kam unmittelbar hierauf zur Schlägerei zwischen mehreren Arbeitern und den Schachtmeistern. Nachdem am Nachmittag die Arbeit wieder ausgenommen worden war, entließ der Bauführer Blechschmidt diejenigen Arbeiter, welche den Cvnflictangc- stiftet hatten, aus der Arbeit. Darauf hin verließen sämmtliche Ar beiter, 108 an Zahl, den Bauplatz und bedrohten den Bauführer in der verschiedensten Weise, so daß die Gensdarmerie alle Mühe hatte, die Leute fort und in ihre Heimath zu weisen. Als Grnnd zu ihrer Arbeitseinstellung geben die Arbeiter an, daß sie von dem einen der Schachtmcistcr zu schroff behandelt worden seien, eine Er höhung des Lohnes haben sie nicht verlangt. Nom ist in der bayrischen Kammer unterlegen. Die Be schwerde des Bischofs von Augsburg ist als unbegründet abgelehnt worden, aber es war ein Kampf Mann wider Manu, 76 Abgeord nete stimmten mit Ja, 76 mit Nein. Den Ausschlag gab ein Staats anwalt, der Abg. Müller aus Frankenthal, er ließ sich im Gypsver- band (weil er den Fuß gebrochen hatte) in die Kammer tragen und gab sein Nein ab. Darum sagen sie in München mit Recht, der Sieg habe mehr noch auf zwei Beinen als zwei Augen gestanden. Die Minister Lutz und Hegnenberg sprachen stundenlang in der letzten Sitzung für die Verwerfung der Beschwerde, der römische Riß geht nicht nur durch die Kammer, sondern durch das Land. Der Graf Hegnenberg schilderte die durch fanatische Parteiwuth gefährdete Lage Bayerns mit düsteren Farben. Aus den Verhandlungen der bayrischen Kammer über die Beschwerde des Bischofs von Augsburg refp. über das Verhalten der Negierung gegenüber dem Dogma von der Unfehlbarkeit tragen wir noch einiges nach. Der Cultusminister v. Lutz wies entschieden das Verlangen zurück, daß sich Staat und Regierung den Beschlüssen des Concils (der Jesuiten) zu unterwerfen hätten, wie die Bischöfe und Geistlichen. Die besten Katholiken, sagte er u. a., mochten nicht daran glauben, daß in Rom die Unfehlbarkeit beschlossen werde, selbst viele Bischöfe sprachen sich gegen das Dogma auö. Das Dogma wurde dennoch angenommen, die Bischöfe haben sich unterworfen und sind aus früheren Widersachern die Verthcidigcr desselben geworden; was sie für Verläumdung erklärt, was sie nicht für möglich gehalten, das vertheidigcn sie jetzt, als wenn es Unsinn wäre zu thun, was sie früher gethan, als wenn dieses Dogma vor ihnen und allen von jeher geglaubt und gelehrt worden wäre. Auch die Geistlich keit hat sich unterworfen, aber nur äußerlich, die Gründe ihrer Unterwerfung liegen nicht nur in der eisernen Disciplin, sondern auch in der Liebe zur Kirche. Wir Alle haben das gesehen und erlebt, Namen werde ich nicht nennen, aber Alles ist wahr, was ich in die sem Saale sage. — Was verlangt man nun vom Staate? Er soll sich (Rom) in gleicher Weise unterwerfen. Das kann und darf er nicht; er hindert Niemand, an die päpstliche Unfehlbarkeit zu glauben, er gewährt aber den Katholiken Schutz, die deshalh nicht außer der Verfassung stehen, weil sie nur das glauben, was sie bis zum 18. Juli 1870 (Verkündigung des neuen Dogmas) geglaubt haben. Der Ministerpräsident Graf Hegnenberg sprach eindringlich zum Frieden und schloß seine Reden mit den Worten: „Erachten Sie die Beschwerde des Bischofs als begründet, so schlagen Sie den letzten Nagel in den Sarg des bürgerlichen und kirchlichen Friedens, aber auf Sie (Clericale) fällt die Verantwortung." In dem kleinen Orte Neunkirchen (Oldenburg) setzte es der Geistliche durch, daß ein gestorbener Katholik, angeblich wegen un kirchlichen Lebenswandels, außerhalb des Kirchhofes beerdigt wurde, Die Regierung aber ließ den Todten nach fast 4 Wochen wieder ausgraben und unter seinen Mitbürgern im Kirchhose beerdigen. Aus Paris, 30. Januar, wird gemeldet: In einem vom Grafen von Chambord veröffentlichten Manifeste heißt cs: Alle auf eine Außerachtlassung meiner Pflichten gesetzten Hoffnungen sind eitel, ich werde niemals verzichten. Ich werde mich in meinen Pflichten nicht erschüttern lassen, nachdem ich 40 Jahre lang unwandelbar denselben trsu gewesen bin. Das monarchische Prinzip ist das Erb theil Frankreichs, seine letzte Hoffnung sür seine Größe, seine Freiheit. Der CäsariSmus und die Anarchie bedrohen uns nur noch, weil man in Personal-, nicht aber in Prinzipienfragen das Wohl des Landes sucht. Ich Pflanze kein neues Banner auf, ick halte blvs dasjenige Frankreichs aufrecht, ich will Reformen aber keine Reaction. Nachdem das Manifest sodann die Nothwendigkeit betont, keine Zeit Weiler zu verlieren, fährt dasselbe sort: Wo werden Allianzen zu suchen sein, außer in dem nationalen Prinzip und in der erblichen Monarchie? Wer wird unseren Armeen eine sest ge gliederte Organisation geben ? Wer wird unserer Diplomatie wieder Ansehen verfchasien? Wer giebt Frankreich Selbstachtung und seine Nangstellnng zurück? Ich bin zu allen Opfern bereit, "welche sich mit meiner Ehre vertragen, zu allen Zugeständnissen, welche nicht als Acte der Schwäche gelten könnten. Dasselbe schließt mit den