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2 hin aufstellte, um im äußersten Falle den Rückzug nach der Vorstadt St! Antoine, auf Menilmontant und VelleviUe nehmen zu können. Wem blutete nicht da-s Herz, wenn er lesen muß, daß die herr lichsten, durchaus unersetzlichen Schätze der Kunst und Wissenschaft, zu denen Künstler und Gelehrte aus der ganzen Welt als zu Heilig- thümern zusammen wallten, von dem Pöbelhaufen, der sich auf einige Zeit die Herrschaft in der glänzendsten Hauptstadt der Welt ange eignet, roher Vernichtung prcisgegcben sind oder doch preisgcgeben werden sollten? Eitelkeit ist der alte Grundzug des französischen Volkscharakters; -Eitelkeit wars, welche das furchtbare Gottesgericht des deutsch-franzö sischen Krieges herbcirief; Eitelkeit, echt französische Eitelkeit hat in den Friedenspräliminarien an der Bedingung festgchalien und dieser noch schwere Opfer gebracht, daß nur ein Einzug deutscher Truppen in Paris, keine Besetzung der Stadt durch dieselben staltfinden solle. Wäre der alte Thiers jemals ein Staatsmann gewesen, so hätte er nicht vor 40 Jahren den Ungeheuern Fehler begangen, eine Stadt von 2 Millionen Einwohnern in eine fast uneinnehmbare Festung zu verwandeln; und hätte er für seine allen Tage gelernt, die Eitelkeit der ruhigen Betrachtung der Dinge unterzuorduen, so hätte es im Fricdensinstrumente heißen müssen: Alle Pariser Forts, feste Ca- serneu rc. werden so lange von deutschen Truppen besetzt, bis — was allerdings nicht offen gesagt werden durfte und in ein diplo matisches Mäntelchen gehüllt werden mußte — die französische Re gierung eine neue Armee organisirt hat, mit der sie die revolutionären Elemente der Hauptstadt zu Paaren zu treiben vermag. Wenn »ach einem großen Kampfe Zwei Frieden schließen, so sind sie sofort die natürlichen Verbündeten gegen Drille. Diese einfache alte Wahrheit blieb der französischen Eitelkeit unerkennbar. Und jetzt schwefelt der alte Herr von einem Siege, der die Bewunderung Europas verdiene! O, jämmerliche Eitelkeit! Für Deutschland hat freilich das Schreckliche, was geschehen, einen großen moralischen Werth. Man erinnert sich der heuchlerischen und scheinheiligen Ergüsse der englischen Presse und sogar der ge lehrten Korporationen gegen die deutschen Barbaren bei dem glück lichen Verlaufe des Krieges, und namentlich bei der beginnenden Einschließung des heiligen Paris. Wie würde die Heuchlcrbrut über die deutsche Barbarei die Augen verdreht und gejammert haben, wenn bei Bekämpfung des Pariser Mobs auch nur ein Granatsplitter in die Fenster deS Louvres geflogen wäre — und worin besteht nun das Glück, da cs gelungen ist, die Deutschen von der Besetzung der der französischen Hauptstadt fern zu halten ? Sind wir nicht vielleicht auch dafür verantwortlich, daß sich ohne unser Dazulhun die Fran zosen selbst zerfle-ischen und ihrem Paris das Schicksal Roms bereiten? Gewiß, für Deutschland hat das Schreckliche, was geschehen, den Vollheil, daß die Geschichte nicht gefälscht und uns in die Schuhe geschoben wird, was Andere gesündigt haben. Die grauenvollen Nachrichten, schreibt die „B. B. Z.", welche uns der Telegraph über die blutigen Ereignisse in Paris bringt, nehmen das allgemeine Interesse in Anspruch. Die von Katharina von Medici erbauten, von Heinrich IV., Ludwig XIV., Napoleon I. und III. erweiterten Tuilerien, das von Richelieu errichtete und von Philippe Egalnö umgebaute Palais Royal, das Palais Luxembourg, iu der Revolution von 1879 SlaatSgefängmß, später der Palast des Senats und der Pairskammer, in dessen einem The l sich die Sammlung von Seulpturcn und Gemälden lebender Meister befand, das im Spätrcnaissancestyl gebaute, in neuerer Zeit um das Vierfache ver größerte historische Hotel de Ville sind heute ein rauchender Trümmer- hanfeu. Wie schon der vorjährige Krieg in eine wahrhaft barbarische Kampfweise ansarlcte und die Thalsache enthüllte, daß unter dem äußeren Glanz und der prunkvollen Hülle der Civilisation eine voll ständige Verwilderung und Demoralisation des französischen Volkes cingetretcn war, so erlebt die Welt jetzt das Schauspiel der blutigsten Selbstzerfleischung der Franzosen. Mit einem Vandalismus, dem in der Geschichte fast nur die Eroberung Constanlinopels durch die Türken am 29. Mai 1453 oder der Brand von Moskau im Jahre 1812 gleichkommt, vernichtete die communistische Jusurrcction Denkmäler üud Prachtbauten, die das Gesammleigeuthum des Landes waren und in denen sich die vierhuudertjährige Geschichte Frankreichs wieder- fpicgclte. Ganz Europa betrachtet mit Entsetzen und Schauder die Ruchlosigkeit der Gesinnung, den Mangel an sittlicher und geistiger Bildung, welche die aus allen Welttheäen zusammengcströmten So- cialisten und Communisten documcntiren. Die Zerstörung, welche sie in Paris angerichtet, wird ihnen als ein Brandmal auf Menschenalter auf der Stirn angeschrieben stehen und den Nutzen wird die Welt allerdings von jenen traurigen Ereignissen und dem Blutvergießen haben, daß diese Partei ihr Haupt nicht auss Neue erheben wird. Ob Paris wieder in den nächsten Jahren das werden wird, was es in den letzten Jahren war, das Centrum des Luxus, der Attraclions- punct für Künstler und Gelehrte, das Rendezvous der Touristen, die Hauptstadt des Continents, möchte sehr zu bezweifeln. Jahrzehnte werden vergehen müssen, ehe es sich von den Schrecken des letzten Jahres erholt, ehe Frankreich im Stande ist, aus dem Schutt und der Asche von heute die einstigen Prachtbauten wieder herzustellen Die Stadt Paris seufzte bereits vor dem Kriege unter schwerer Schuldenlast. Am Sonntag Abends lind am Montag früh sind die letzten, bewaffneten Widerstand leistenden Reste der Insurgenten au der En- ccinte hinter dein Lors bmollaiss aufgericben worden und im Be wußtsein der völligen Hoffnungslosigkeit fernere» Kampfes hat das letzte Häuflein der Empörer die Waffen gestreckt. Damit ist also einer >er blutigsten und gräuelvollsten Bürgerkriege, von dem Frankreich 11 Taaen beendet, und die siebentägige Schlacht innerhalb der Mauern von Paris entschieden. Ueber die Fülle von Schrecken und Entsetzen, welche mit dem Bürgerkriege, namentlich aber mit der gräßlichen Schluß-Katastrophe über Paris hereingebrochen, wird man sich erst bei ruhigerer Ueberlegung genauere Rechenschaft zu geben vermögen; doch geht fchon aus den bisherigen kurzen und fragmentarischen Mitlheilungen über die Vorgänge in Paris hervor, daß diese leicht sinnige, verblendete Brutstätte permanenter Revolutionen diesmal von einem Strafgericht heimgesucht worden ist, neben welchem die Juli schlacht von 1848 sich beinahe wie ein Fastnachtsscherz ausnimmt. Stellt sich auch der durch das Feuer verursachte Schaden nachträglich nicht als so ungeheuer -und unersetzlich heraus, als man nach den ersten Nachrichten annehmen mußte, so erreicht die Verwüstung doch immerhin einen Umfang, der eine Parallele kaum zulaßt lind die Opfer an Menschenleben, wenn deren Zahl überhaupt je genau be kannt werden wird, müssen gleichfalls eine Höhe erreichen, neben der die Verluste des blutigsten Feldzuges sich sehr geringfügig ausnehmcn. Die RcgieruugStruppen sollen nach officiellcr Versicherung allerdings nur 1200 Mann verloren haben, aber erstlich möchten wir diese An gabe keineswegs für unfehlbar halten, und dann muß auch die Ein buße der Truppen viel geringer sein als die der bürgerlichen Be völkerung, in deren Mitte selbst es am Ende zu förmlichen Massen schlächtereien gekommen zu sein scheint. Wie viele Unschuldige mögen außer den feige hingemordetcn Geißeln durch den Fanatismus des wahnsinnigen Pöbels geschlachtet worden sein! ThierS und Jules Favre haben telegraphisch an die Negierungen von Deutschland, Belgien, Italien und der Schweiz das Ersuchen gerichtet, an der Grenze hilfreiche Hand zu bieten, damit die „Mord brenner" der Pariser Commune festgenommen werden können, wenn sie flüchten. Allen Hafenstädten Frankreichs ist von der Negierung in Versailles eine gemessene Ordre derselben Tendenz erthcilt worden. Dresden, 30 Mai. Nach einer Korrespondenz des „Dresd. Jouru." aus Leipzig hat die gestern dort zusammengelreteue ständige Deputation des Jurislentags beschlossen, den diesjährigen Juristentäg zum 28. August »ach Stuttgart einzuberufcn. Große Regsamkeit wird jetzt auf dem Bauplatze wahrgenommeu, der dem neuen Höflheatcr in Dresden gewidmet ist. Dabei hat sich in neuerer Zeit eine Schwierigkeit hcrausgestellt, die nicht nur uner wartet kam, sondern auch den Bauanschlag noch um eine Summe von 27,000 Thalern vergrößert. Es betrifft die Hinwegräumung der Reste einer ehemaligen Bastion, welche sich in wahrhaft stahlfesten Mauerwerken und Gewölben quer durch den Boden ziehen, der in folge dessen an vielen Sülle» 15 Elle» tief ausgcgrabe» werden muß. Obgleich -das Heraufschaffen und Fortfahren eines mit Schutt und Erde beladene» Karrens bis zu einer gewissen Abladestelle noch nicht ganz 3 Psennige beträgt, erfordert die Beseitigung mit dem feriiweite» Abfahren doch täglich die Summe von 70 Thalern. Dreimal täglich wird diese unverwüstliche Steimnasse mit Pulver ge sprengt, wo der Mörtel, »ach Aussage Sachverständiger, fast dreifach de» Stein an Härte und Konsistenz übersteigt. Infolge dieser An strengungen dürfte nach dem Ausspruch der Baumeister unter vier Jahren keine volle Beendigung zu erwarte» sein. — Während des Psingnfestes haben die Linie Dresden-Boden bach ungefähr 22,000 Personen benutzt; auf der Linie Dresden- Khemuitz fuhren ca. 27,000 Personen (im Ganze» etwa 15,000 Per sonen mehr als 1870). Auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn sind außer den-fahrplanmäßig aiigekommcuen sehr stark besetzt gewesenen Personenzüge» 8 Exirazuge (darunter 2 von Berlin) mit etwa 6000 Personen in Dresden angelangt, während etwa 3000 Personen mittelst Extrazügen von Dresden weiter befördert wurden. Bei der sächsisch-böhmische» Dampsschifffahrtsgesellschaft hat eine so bedeu tende Frequenz staltgefmiden wie noch nie; es haben mindestens 70,000 Menschen die Schiffe benutzt. Die sächsische Regierung ruft jetzt die im Jahre 1855 auSgege- bcnen Kassenbillets zum Umtausch gegen die im Jahre 1867 cretirten ei». Der Umtausch, beziehentlich die Baarcmlösung der alten Kassen- billetS erfolgt iu der Zeit vom I. September 1870 bis 31. August 1871, nur bis dahin werden dieselben bei den sächsischen Staats kassen noch als Zahlung zugclaffc», später werden sie einzig und allein bei der Finanzhauptkasse in Dresden umgetauscht, beziehentlich cingelöst. Ueberselig fühlte sich dieser Tage ein Barbier in Meißen, als er auf der Straße eine sehr dickbäuchige Brieftasche fand. Er träumte schon von den Schätzen, die er entdecken würde. In dem Etui lag aber nur ein einfacher Zettel mit den wenig trostreichen Worten: „In dieser Brieftasche lagen vor Kurzem »och 1200 Thlr." Berlin, 26. Mai. Die „Spencrsche Ztg." berichtet: Der Ein zug der Garden und Deputationen von der gcsammtcii deutschen Armee findet am 16. Juni statt, der Dankgottesdienst in allen Kirchen am 18. Juni. Aus Rom wird berichtet: Wie die große Mehrzahl der reni tenten Bischöfe auf dem Concil, so scheint auch jetzt der Pater Hyacinthe, der sich gegenwärtig in Nom aufhält, zu Kreuze kriechen zu wollen. Dieses hervorragende Kirchenlicht hat nämlich ein Schrei ben an den Cardinal Merode mit der Bitte gerichtet, ihm eine Audienz beim Papste erwirken zu wollen. Denn Wortlaut des Schrei bens, das die „Italic" veröffentlicht, entnehmm wir, daß Pater Hyacinthe vom Papste empfangen zu werden wünscht, um vor dem selben sein ganzes Herz auSschütte» zu können; das Herz habe viel gelitten, es gehöre aber zu jener Heerde, deren Obsorge dem Papste vom obersten Hirten anvcrtraut worden sei; mit diesem Rechtsanspruch