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3 derVergkirche fließt ein Thränenbrunnen der schmerzensreichen heiligen Ottilie, wie jenseits ein zweiter in der stillen Thalbucht bei Freiburg. Ueberall tummelte sich in dem lustigen Ländchen deutscher Humor, deutsche Laune und Lebenslust. Der Graf von Rappoltstein war König aller Sänger und fahrenden Leute des heiligen Reichs, berief alljährlich die meisterliche Schelmenzunft zu einem ausgelassenen Pfeiferlandtage. Auf dem Rathhause zu Mühlhausen bewahrt man noch den Klapperstein, der keifenden Weibern umgehängt wurde. Ohne den goldenen Wein von Rangen stiege der zierliche Thurm der Theoboldskirchc zu Tann nimmermehr so kühn in die Lüste; es war ein gesegnetes Weinjahr, da kamen die Winzer dem verzweifelten Baumeister zu Hülfe, mischten den Kalk mit edlem Moste, daß die Fugen des luftigen Baues auch hielten. In der älteren Geschichte deutscher Kunst hat das Elsaß immer einen ehrenvollen Platz behauptet; seit jener Gottfried vor tausend Jahren in der Weißenburger Klosterzelle seinen Keist dichtete — das älteste große Denkmal alldeutscher Dichtung, das uns geblieben — seit Gottsried von Straßburg das liebeglühcnde Lied von Tristen und Jsolda sang und Walther von der Pegelweide das Dichtcrlob Reimcar's von Hagenau verkündete; seit in Tann und Straßburg jene Wunderwerke gothischer Baukunst sich erhoben, und Martin Schangcner für die gute Stadt Colmar seine treuherzigen Bilder malte. Vornehmlich die Schelmerei, das neckische Spiel des Witzes blieb den leichtlebigen Söhnen unsrer Grenze immer eine Freude. Fast alle namhaften Humoristen unserer älteren Literatur waren El sässer oder doch der Landschaft gesellig verbunden. In Straßburg schrieb der srcidenkende, liebenswürdige Schalk Sebastian Brand sein Narrenschiff, Thomas Mürner die boshaften Salyren wider die Lutheraner. Georg Wickram, der in seinem Rollwagen die lustigsten Schwänke unserer Altvorderen sammelte, war ein Colmarer Kind, und in dem lothringischen Fvrbach lebte Fischart — der Gewaltigste unter den wenigen Deutschen, die in der komischen Dichtung geniale Kraft offenbarten. — Und welches Gewirr politischer Kräfte, welche Macht und Kühnheit deutschen Bürgerthums sammelte sich in dem kleinen Lande, als noch die Löwen der Hohenstaufen von der Hoch- königSburg herrschend niederschaulen: elf freie Städte des Reichs, darunter Hagenau, die Lieblingsstadt Friedrich Barbarossas, der er die Neichskleinodien anvcrtraute, und, alle überstrahlend, Straßburg. Was hat die Hauptstadt des Departements Nieder-Rhein (Lu.8- lUioin) gethan und erlebt, das sich auch nur vergleichen ließe mit der uralten, in ihrer Kleinheit großen, in ihrer Bescheidenheit stolzen Geschichte der deutschen Reichsstadt? Ihr Bisthnin hieß das edelste unter den neun großen Stiften, die sich die Pfaffengasse des Rheins entlang zogen; von der alldeutschen Redlichkeit und Tapferkeit ihrer Bürger ging allezeit großes Gerücht im Reiche. So theilte sie ge treulich alle Schicksale der rheinischen Städte, auch die Krankheiten, die Leiö und Seele unseres Bürgcrthums heimsuchten — den schwarzen Tod und seinen Genossen, den Judenbrand. Sie stand fest zu der rheinischen Hansa, rang wie Köln in harten Fehden mit ihre»! Bi schof, sah die großen Häuser der Zorn und Müllecheim um die Ober hand kämpsen, wie Köln seine Weisen und Oberstolzen, sah die Zünftler wider die Geschlechter sich erheben, bis endlich nach dem Siege der Zünfte in dem gemeinen Stadtbuch jene treffliche Verfassung ausgezeichnet wurde, die Erasmus als ein lebendig Spiel wohlbc- stelltcn Regiments mit dem Staate von Mastilia verglich. Die Grenzstadt ließ sich gern des Reiches starke Vormauer nennen, ihre Bürgerschaft sah mit tiefem Hasse auf die wälschen Nachbarn, zog mit den Schweizern vereint wider die Burgunder in's Feld, enthaup tete den Landvogt Karls des Kühnen zu Colmar. Glückliche Tage, da der feste Psennigthurm den Schatz der reichen Stadt kaum fassen konnte, und Guttenberg hier seinen ersten Versuch wagte, da der Ruhm der Straßburger Mcistcrsünger weithin durch's Reich flog und die Bauhütte des Münsters bis nach Thüringen und Sachsen hinein Gericht hielt über die Zunftgenvsseu, da die befreundeten Züricher auf ihrem glückhaften Schiffe den heißen Brcitopf zu Thal führten und Bischof Wilhelm von Hohenstein jenen prunkenden Eintritt hielt, den die feine Feder Sebastian Brand's uns so köstlich geschildert hat. (Schluß folgt.) Vermischtes. * Eine grauenvolle That ist dieser Tage in dem etwa zwei Stunden von Hannover entfernten Neu-Warmbüchsen entdeckt. Nach dem der Sohn des dortigen Schneiders Denecke der Ableistung der Militärpflicht durch Flucht sich entzogen, wurde auch der Vater selbst vor einigen Monaten unsichtbar, und glaubte man nach Aeußerungen der Frau, daß auch er sich fortbcgeben habe. Vor einigen Tagen stieg Verdacht auf wegen des abwesend geglaubten Sohnes, und bei der stattgehabten Haussuchung fand man In einem Salle die zerhackte Leiche (mit^ Ausnahme des Kopfes) des alten Denecke vergraben. Auch der Sohu wurde im Hause versteckt aufgefunden, und wurde dieser mit seiner Mutter vorgestern bei der seitens der Kronanwalt schaft zu Celle stattgehabten Aufnahme des Thatbestandes verhaftet. Wie es heißt, sollen beide geständig sein, den Mord gemeinschaftlich ausgeführt zu haben. ^Jm Orte hatte man bis dahin keine Ahnung von der schrecklichen That, wenn auch nicht unbekannt war, daß in der Denecke'schcn Familie vielfach Streitigkeiten vorgefallcn waren. Die Bevölkerung des deutschen Reichs beträgt in runder Zahl 40 Millionen. Die confessionellen Verhältnisse stellen sich folgendek- maßcn: 24,253,000 Protestanten, 14,551,000 Katholiken, 1,327,000 Israeliten, Dissidenten rc. Aus dem Feldpostbrief eines Einjährig-Freiwilligen Artilleristen vor Paris (26. Mai) theilen wir Einiges mit, was durch Zeitungen noch nicht überholt ist. „Ihr macht Euch daheim einen falschen Be griff von den Zuständen hier. Während man in Paris wüthend schoß, Tausende todt oder verwundet in den Straßen lagen und ein Feuermeer wüthete, gingen die Neugierigen vor den Thoren (100 Schritte davon) spazieren und die Leute arbeiteten auf dem Felde, als wäre nichts geschehen. Einige 100 Schritte weiter spielte ein Musikcorps in einem Garten, um den Offizieren auf Vorposten die Zeit zu vertreiben und oben beim Fort Nomainville herrschte lebhafter Handel zwischen den Infanteristen und Cognacweibern. Man hört die Granaten, ja sogar die Chassepotkugeln deutlich pfeifen, das hindert aber den Wirth, des ausgezeignetes Bier verkauft, nicht, glänzende Geschäfte zu machen. Während sich die Franzosen die Köpfe einschlageu, sieht man an verschiedenen Orten zwei „Erbfeinde", gewöhnlich eine französische Grazie mit einem Prussicn friedlich Arm in Arm spazieren gehen, und Mangel an Kcnntniß der Sprache bietet kein Hindernis! zur Unterhaltung. Eben begegnete mir ein Wagen, in welchem eine anständige junge Dame zur Seite eines deutschen In fanteristen saß, welcher die Führung des Streitrosses mit kundiger Hand übernommen halte. Die antipreußische Verschwörung will durchaus nicht gedeihen. — So ruhig und anscheinend durcheinander auch Alles hier sich hcrnmtrcibt, so schnell ist auch Alles bei dec Hand, sobald allarmirt wird, es dauerte keine Viertelstunde gestern, als Noish (bis auf die Wachen) vollständig vom Militär geräumt war. Bei der Rückkehr der Soldaten sah ich, wie man denselben aus vielen Häusern enlgegcnwinkte, wozu sich wohl vor V» Jahre kein Franzose hcrgcgcben hätte. — Die Hitze, die wirklich drückend war, hat seit heute früh nachgelassen, wir haben einen recht schönen, langsamen Regen bekommen. Donner und Blitz zu diesem Regen liefert Paris. Es wäre aber nun doch Zeit, daß die Geschichte zu Ende ginge; denn bei der jetzigen Allarmbereitschaft bekommen wir am Sonntag keinen Urlaub nach G. Wir sind nämlich zu Pfingsten zu unserm früheren Qnartiergeber zu Tisch geladen, der freundliche Franzose ließ uns durch den Fleischermcister sagen: wir arme Garcons müßten doch zu den Feiertagen einen guten Braten zu essen bekommen." * Ueber Elberfelds Bonn rc. zog am Abend des 27. v. M. ein schweres Gewitter, das mehreren Menschen tödtlich wurde. Auf der Hardtstraße wurden 2 Elberfelder Bürger vom Blitz getroffen und augenblicklich getödtet. Gewalt und Schnelligkeit vereinigten sich sicht bar, denn der Strahl traf beide mit aufgespannten Regenschirmen nebenher gehende Männer zu gleicher Zeit und schleuderte sie nach zwei Seiten hin. Um dieselbe Zeit wurde unweit Bonn ein Mädchen und an einem andern Ort desselben Kreises ein Bauer auf dem Felde erschlagen. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 1. Trinitatis-Sonntag Vormittags predigt: Herr Pastor Schmidt. Nachmittags predigt: Herr Diaconus Ficker. V28 Uhr Beichte. Im Monat Mai 1871 Getauft: Georg Franz Hugo, Hrn. vr. moä. Kurt Hugo Ferdinand Fiedlers, ans. Bürgers, Arzt's, königl. Gerichtswuudarzt's und Ritters des Groscherzogl. Mecklen burg. Hausordens der Wendischen Krone hier, Sohn; — Heinrich Otto, Hrn. Jo hann Karl Theodor Nitthausens, ans. B. u. Kaufmanns hier, Sohn; — Albert Oskar, Karl Heinrich Paniers, Bicrverlegers u. EiMv. hier, Sohn; — Ida Clara, Hrn. Joh. Christoph Heinrich Beck's, Rectors u. 1. Knabenlehrers hier, Tochter; — ein unehel. Sohn u. eine unehcl. Tochter hier. Getraut: ckuv. Karl Gotthold Hofmann, Drechsler hier, mit Amalie Auguste geb. Fuchs hier; — ckuv. Ernst Robert Angermann, Kutscher in Dresden, mit Clara Bertha geb. Beugelt aus Niedergrumbach. Beerdigt: Frau Johanne Regina Knobloch, geb. Grosche aus Sachsdorf, weil. Mstr. Joh. Gottlob Knoblochs, ans. B., Schlossers u. Wirthschaftsbes. hier, nachgel. Wittwe, 57 I. 8 M. 14 T. alt;— Hermann Gustav, Joh. Chr. Stoppra's, genannt Strohdachs, B. u. Handarb, hier, jüng. Kind, 4 M. 13 T. alt; — Frau Johanne Christiane Richter, geb. Galsch aus Ncumannsdorf bei Döbeln, wohnh. hier, wKl. Fried. Aug. Richters, Wirthschaftsbes. in Haida bei Döbeln, nachgel. Mittwe, 69 I. 3 M. 10 T. alt; — Bertha Alma, Hrn. Karl Christoph Morih Patzigs, ans. B. u. Klempner meisters hier, jüng. Kind, 4 M. 17 T. alt; — ein todtgeb. Söhnl. des Peter Theod. Andersens, B. u. Barbiers hier;— Friedr. August Schönstein, ans. B.u. Cavillerci- besitzer hier, 68 I. 5 M. I T. alt; — Richard Hermann, Karl Heinrich Paniers, Bierverlegers hier, 3. Sohn, 2 I. 9 M. 14 T. alt. Da ich von meiner jetzigen Frau durch dritte Personen in Wilsdruff als der allerschlechteste Kerl dargestellt worden bin, so fordere ich alle diejenigen auf, mir vor Gericht be weisen zu wollen, was mir Schlechtes nachgewiesen werden kann, da ich früher und auch bis jetzt als reeller Burger und Meister, und als guter Familienvater dastehe; es mögen sich daher diejenigen Unruhestifter iu meiner Ehe persönlich melden, widrigenfalls ich dieselben als elende Lumpe benenne. Anton Zenker. Aeue Wahes - Keringe empfiehlt bestens 6. U. ünZölmuun.