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Vor einigen Tagen erhielt in Sönitz bei Meißen ein Knecht von der Deichsel eines bergabrollenden leeren Erntewagen einen so starken Prellschlag an den Kopf, daß er sofort seinen Geist aufgab. Aus Altenburg berichtet das „L. T.": Ein betrübender Vorfall beschäftigt daß Publikum um so mehr, je verschiedener er erzählt und von beiden Seilen ausgebeutet wird. Nur das Factum steht fest, daß eine Schildwache im Schloßhose in der Nacht von dem die Ronde habenden Lieutenant D. mit dem Degen verwundet und ins Lazareth gebracht worden und dort von dem gerade auf kurze Zeit anwesenden Herzog vor seiner Abreise nach Hummelshain besucht worden ist. Allgemein herrscht in der Stadt die Ansicht, daß der Posten, weil er auf dreimaligen Anruf keine Antwort erhalten und demzufolge das Gewehr gefällt hat, im Rechte war, aber erst die Untersuchung wird es ergeben, ob die an und für sich brutal erscheinende Handlung des Lieutenants zu Vertheidigen ist. Berlin. Im Hinblick auf die hiesige Wohnungsnot!), die zum I. October in verstärktem Grade eiutretcn könnte, da viele kleine Micthcr der außererdentlich großen Miethspreise wegen ziehen müssen, hat der Vorstand des Vereins des 139. Stadtbezirks folgende Peti tion an den Magistrat gerichtet: „Es ist mit dem besten Willen nicht möglich, Wohnungen zu finden, da der Mangel solcher eine nie geahnte Höhe erreicht Hal! Unter diesen Familien befinden sich viele, deren Häupter den letzten blutigen Feldzug mitgemacht, und denen, weil sie die entstandenen Miethsreste bis zum 1. Juli d. I. nicht herbcischaffen konnten, nicht allein die Wohnungen gekündigt, sondern die auch noch zu gewärtigen haben, daß ihnen ihre Wirthschastsge- genstände theilwcise oder ganz von den Wirthcn inne behalten wer den. Diese traurigen Zustände dürften nicht allein in unserer Ge gend, sondern durch die ganze Stadt eintreten und wir halten es ^ür unsere eben so dringende als heilige Pflicht, an den Wohllöb lichen Magistrat die Bitte zu richten: sofort die geeigneten Maßre geln zur Unterbringung der am 1. October d. I. obdachlos werden den Familien zu treffen. Das Arbeitshaus reicht bestimmt nicht aus, die große Menge derselben aufzunehmcu, wodurch ein großer Theil dieser unserer, in solche unglückliche Lage kommenden Mitbürger der Gefahr cntgcgcngehen, init ihren Familien unter freiem Himmel, in Ställen oder sonstigen ungesunden Orten campiren zu müssen, wo durch ohne ihre Schuld Krankheiten eiutreten könnten, die die Bei hilfe des Stadlsäckels erforderlich machen würden." — Die „Kreuzztg." meint, es verdiene als ein Zeichen der Zeit rwtirt zu werden, daß in den untern Schichten der Bevölkerung all gemein der Glaube verbreitet ist, der diesjährige Michaelis-Umzug werde für Berlin einen großen Krawall bringen. Sogar die Schul kinder sähen es als so zu sagen schon feststehend an, daß es zum 1. October „lvsgche." Jedenfalls ein Beweis, daß die Gespanntheit und die Erregung der Gemüther einen Grad erreicht habe, dcir man gut thun werde, nicht als unbedenklich anzuschen. Der lange befürchtete Strike der Berliner Tischler ist leider zum Ausbruch gekommen. Nachdem am Sonntag Vormittag 8 Uhr im Saale des Handwerkervereins eine Delegirtenvcrsammlnng der Tischler, zu welcher sämmtliche Fabriken rc. Abgeordnete geschickt hatten, die Frage vorbcrathen, wurde darüber in der Hauptver sammlung, zu der wohl mehr als 6000 Personen erschienen waren, beschlossen. Der Referent, Herr Schmitz, beantragte nach ausführ licher Darlegung aller vorbereiteten Schritte und Versuche zu einer gütlichen Einigung Namens der Delegirtenversammlung rind der Strikecommissiow, die Arbeit am 21. August cinzustellcn. Außerdem ermahnte er zur festen Ausdauer während der Arbeitseinstellung, zum Festhalten an den Forderungen und zu einem streng gesetzlichen Verhalten. Die Versammlung nahm schließlich einstimmig nachstehende Resolution an: „Die heutige ca. 6000 Mann zählende General versammlung erklärt sich mit dem Beschluß der Delegirten einver standen, daß am 21. August die Arbeit eingestellt wird und mit aller Energie darnach zu streben ist, daß dieselbe nicht wieder ausge nommen wird, bis die Forderungen von 25 Procent Lohnerhöhungen und 9^2 Stunde Arbeitszeit bewilligt sind. Nach den in der Ver- sanunlung gemachten Mittheilungen hat ein Theil der Meister die Forderungen bereits am Sonnabend bewilligt. Bei diesen Meistern wird weiter gearbeitet werden, ebenso in den Pianofortewerkstätten. Die daselbst beschäftigten Arbeiter wollen die Sinkenden nach allen Kräften unterstützen. In der Woche vom II.—18. August sind in Königsberg 130 Personen an der Cholera gestorben, darunter 51 Kinder unter 14 Jahren. Zur Feier des Geburtstages (18. Aug.) des Kaisers von Oester reich gab der Kaiser Wilhelm in Gastein ein Fcstdiner, zu dem außer den Reichskanzlern Bismarck und Beust noch andere Notabili- tüten geladen waren. Kaiser Wilhelm brachte einen Trinkfpruch auf den Kaiser von Oesterreich aus und Graf Beust erwiderte ihu im Auftrage des Kaisers. Aus Landau vom 18. August wird berichtet: Ein hier cousti- tuirtcs Kriegsgericht verurtheilte den bayrischen Unterlieutenant von Waldenfcls wegen Desertation vor dem Feinde und Feigheit zu dem Tode. Die französische Regierung soll sich, um die baldige Räumung der Pariser Forts zu bewirken, zu den von dem deutschen Kaiser geforderten Zugeständnissen in Betreff der Zollverhältnisse Elsaß- Lothringcns bequemt haben, womit zugleich ein wesentliches Hinder- niß für den Abschluß des Frankfurter Friedens hinweggeräumt sei. Der franz. Finanzminister ist kein Freund von diplomatischen Noten und Depeschen. Er hat sich darum selbst auf den Weg ge macht und gedenkt in Gastein mit den Fürsten Bismarck die Schwierigkeiten zu heben, die sich der Räumung der Pariser Forts .entgegengestellt haben. Es bestätigt sich, daß der Fürst Bismarck die langsichtigen Wechsel zurückgewiesen hat. In der französischen Nationalversammlung hat General Chanzy den Comissionsbericht über den neuen Armeegesetzentwurf vorge- tragcir. Der Militärdienst wird vom 20.—40. Lebensjahr obligato risch gemacht, die Stellvertretung fällt ab, die unter der Fahne be findliche Mannschaft hat kein Stimmrecht und die Nationalgarde wird aufgelöst. Die Majorität der Versammlung wünscht die sofortige Auflösung der Nationalgarde. Am Napoleonstage hat der Papst dem Exkaiser Napoleon und feiner Familie durch den Cardinal Bonaparte seinen päpstlichen Se gen überbringen lassen. Es sind ferndr Beglückwünschungstelegramme eingegangen vom Prinzen von Wales, von den Königen von Schwe den und Portugal, von den Kaisern von Rußland lind Oesterreich, von dem Fürsten von Hohcnzollern und von der Königin der Nieder lande. Garibaldi sieht stündlich seinem Ende entgegen. Er hat seine Söhne telegraphisch an sein Sterbebett rufen lassen. Aus Petersburg vom 16. August wird berichtet: Die Brand schäden haben sich in diesem Jahre in wahrhaft erschreckender Weife vermehrt. Kaurn ein Blatt unserer Zeitungen erscheint, ohne von neuen Unglücksfällen zu melden, und oft kommen darunter ganz ent setzliche Katastrophen vor. So brannten in dem Städtchen Polotzk (Provinz Witebsk) an 500 Häuser ab, etwa die Hälfte des ganzen Ortes. — Aus Iwanowo wird der „Petersburger (Acadcmic) Zeitung" geschrieben, das in einer Woche die Dörfer Pritikino und Popowskoe bis auf den Grund ausgebrannt sind, und im Umkreise von mehr als rcsp. 10 Werst die Wälder und Torfmoore in Flammen stehen. — Die „Moskau'sche Zeitung" vom 12. d. giebt ein ganzes Register von Brandschäden, die an den verschiedensten Orten des Reiches stattgefunden haben, so unter anderen in der Provinz Tula, wo in vierzehn Tagen 56 Brände vorgekommen sind, von denen einige auch wiederum ganze Dörfer vernichtet haben. Was nicht wenig dazu beiträgt, die Dimensionen jedes ausbrechenden Feuers zu ver größern, sind die sehr mangelhaften Löschanstalten und die ebenso mangelhaften Anordnungen, welche die localen, sowohl städtischen als ländlichen Polizeiverwaltungen im Augenblicke der Gefahr treffen. Von dem Lärmen, dem Hin- und Wiederkäufen, dem Ordre und Contreordre geben, wie solches bei einem Feuerschaden im Dorfe oder in unsern kleinen Städten vorkommt, kann man sich kaum eine Vorstellung machen, wenn man cs nicht selbst angesehen Hal. In dem letzten Halbjahr hat der'Finanzminister derVcreinig- ten Staaten von Nordamerika wieder 91 Mill. Dollars erspart, die von der Staatsschuld abbezahlt worden sind. . Der sozialdemokratische Parteicongreß zu Dresden. Am 12., 13., 14. und 15. August tagten zu Dresden 36 Ver treter der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, um sich über ihre Parteiaugelegeuheitcn und ihre Parteibcstrebnugen zu berathen. 36 Vertreter! Und seit Monaten war von Hunderten gesprochen worden, welche aus allen Theilen Deutschlands zu dem sozialdemokratischen Parteicongreß herbcieilen würden. Ohne Zweifel hat die Partei mit dieser Kundgebung ihrer Bedeutung eine Schlappe erlitten, aber trotzdem wäre cs verfehlt, sie darum für ohnmächtig zu halten. Die Versammlungen an den bezeichneten Tagen waren theils abgeschlossene, theils öffentliche. In den ersteren wurde über die Parteiorganisation, die Parteizcitungen u. dergl. verhandelt, in den letzteren gelangten die Parteizicle zur Besprechung. Es sanden nur zwei öffentliche Versammlungen statt, allein diese genügten voll ständig zur Kenntniß des socialdemokratischen Treibens im ucubc- gründeten Kaiserreich deutscher Nation. Die 36 Vertreter der Partei gehörten so ziemlich allen deutschen Staaten an, wenngleich sie kein Recht aufweisen konnten, alle gleichmäßig zu vertreten, da wnndcr- barerwcise die Mehrzahl ihren Wohnsitz in Sachsen aufgcschlagen hat. Es sind aber nur, um sic dennoch nach Staaten und Stämmen zu bezeichnen, die Hauptführer Bebel aus Rheinpreußcn, Bracke aus Braunschweig, Hepner aus Schlesien, Moteller aus Württemberg, Most aus Bayern, Porl aus Hamburg, Metzner aus Brandenburg, Liebknecht (der seine Abwesenheit entschuldigt hatte) aus Hessen- Darmstadt n. s. w. und nur der Redacteur des Dresdner Volksboten, Otto-Walster, aus Sachsen. Doch gehören noch einige untergeord nete Persönlichkeiten diesem Lande au. Es war daher auch wieder nur ein sächsisches Selbstlob, als Otto-Walster in seiner Begrüßungs rede, in der er die Anwesenden in der öffentlichen Versammlung vom 12. willkommen hieß, von dem hohen Cnlturstandpunkt Sachsens sprach, dem entsprechend sich auch die größte Zahl der Sozialdemo kraten in demselben befinde. Bebel setzte einen Dämpfer ans dieses Selbstlob, indem er betonte, daß die Sozialdemokraten in Sachsen aber auch am meisten verfolgt würden. Doch muß cs wohl so arg damit nicht sein, sonst könnten nicht vier sozialdemokratische Blätter allein daselbst erscheinen. Man hat wohl hin und wieder die socialdcmokratischen Bestre bungen als solche bezeichnet, welche mit den der internationalen Ar beiter-Association nichts gemein haben. Dieser Jrrthum wird nun mehr, nach den Verhandlungen gedachten Parteicongresscs, nicht mehr aufkommcn können. Doch vielleicht in einem Punkte gehen