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Chatillon erschossen worden sein. Zwischen der Redoute von Cha- tillon und den Insurgenten, welche die Forts Jssy, Vanvres und Montrouge besetzte», wird der Artilleriekampf fortgesetzt. Außer hier findet nirgends mehr ein Kampf statt. Thiers, in der National versammlung über die Haltung der Truppen interpellirt, erklärte, die Truppen seien jetzt auf der Höhe ihrer Mission. Versailles, 4. April,Nachmittags. Die gestrigen Operationen wurden heute Morgen energisch beendigt. Die Brigade Rojat und die Diviston'Pelle erstürmten die Redoute von Chatillon ohne das Eingreifen der Artillerie abzuwarten. Die Jnsurgentengenerale Duval und Neury sind todt. Mehr als 2000 Gefangene wurden nach Versailles gebracht, wo sie nur mit Mühe gegen die Erbitterung des Volkes geschützt werden konnten. Das Pariser Centralcomitee und dessen Anhänger sind in vollster Cemsternalion, 22 Mitglieder der Commune gaben ihre Demission. In Marseille haben die Truppen heute Morgen den Bahnhof genommen und marschiren gegen die Präfectur. Zwei Finger. Kriminalnovelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) „Sprechen Sic nur ungenirtl" wandte sich der Assessor ermu- thigend an die kleine Frau. „Ich werde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie Etwas zur Aufhellung der Sache beitragen können'" „O ich bitte!" entgegnete die Wirthin mit bäurischer Geziertheit. „Wie lange waren die Händler bei Ihnen?" fragte der Assessor. „Eine reichliche Stunde etwa!" war die Antwort. „Waren viel Gäste in der Stube und darunter vielleicht einige verdächtige Subjecte?" „Subjecte? O nein, Herr Assessor, keine Subjecte!" Die Wirthin sprach dies Wort mit einer Sicherheit aus, die zei gen sollte, daß sie es verstanden. „Wem haben die Händler hier verkauft? Wissen Sie das viel leicht?" Ueber ihre Bekanntschaft mit dem Worte „Subject" und die demnach der Beweis ihrer Bildung war, thaute die kleine Scholzen- frau auf. Ihr blödes Schweigen ging in die grenzenloseste Geschwätzig keit über. „Alles hab' ich gesehen!" begann sie geschäftig. „Zu erst haben sie dem lahmen Fleischer zwei verkauft, dann dem schwar zen Krause eins, dem Flachsbirnbauer zwei! Sie haben ein schönes Geld gemarktet, und wie war ihre Geldkatze voll! Aber aus dem Dorfe ist's Niemand! Wir sind alle ehrliche Leute! Hier giebt's gar keine Subjecte!" Der Assessor horchte verwundert auf den jetzt entfesselten Rede strom der jungen Frau und fragte: „Sie hatten einen Treiber mit, wie Ihr Mann sagte?" „Gewiß! begann wieder die Frau. „Nichtig, richtig! Der ist ihnen eilig nachgelaufen und hat die Doppelflinte mitgenommen! Rich tig,, die Doppelflinte, die sie vergessen hatten, weil sie etwas trun ken waren! Eine Doppelflinte war's! Und zwei sind erschossen worden! Na, ich hab's dem Kerl doch gleich angesehen! Mein Vetter sagte es auch!" „Weib, bist Du verrückt?" rief ihr Mann dazwischen. „Weißt Du nicht, der Verdacht ist des Teufels!" „Ich weiß Alles!" entgegnete die Frau wichtigthucnd und auf die Warnung ihres Mannes nicht achtend. „Ich weiß noch mehr!" fuhr sie fort. „Wenn ich nur reden dürfte!" „Sprechen Sie ungehindert!" entgegnete der Assessor freudig zu stimmend. „Doch bevor beantworten Sie mir noch folgende Fragen! Wann fuhren die Händler fort?" „Nachmittags 1 Uhr —" „Woher wissen Sie das so genau?" „Ich trug gerade für uns Essen auf, als sie zum Thore hinaus fuhren; wir essen erst um 1 Uhr, wenn wir Gäste haben, aber wir essen pünktlich und ich sah vorher nach der Uhr." „Wann folgte ihnen der Treiber" „In der halben Stunde, denn so lange essen wir; und wir waren gerade fertig, als er sich die Flinte aus den Rücken hing und Hinauslies. —" „Und eine Stunde darauf ist schon die Anzeige des Mordes ge kommen?" „Es muß wohl später gewesen sein!" entgegnete die Frau, die einmal im Zuge und glücklich war, Etwas erzählen zu können. Sie fuhr daher eifrig fort: „Aber ich weiß noch mehr! Wie die Händler heute Morgen ankamen, da hat der junge Treiber mit einem Manne hinten an der Hosthür gestanden und leise mit ihm gesprochen. Der andere Kerl hatte einen großen, schwarzen Bart und sah wild aus. Als er mich sah, da duckte er sich, aber ich hatte ihn schon gesehen, und das Gesicht kam mir bekannt vor; ich wußte nur nicht, wohin ich's thun sollte. Ich ging dann wieder in die Stube und wußte genug!" „Und Sie vermögen sich nicht zu besinnen, wer der wohl ge wesen sein könnte?" „Nein!" entgegnete die Frau. „Ich erblickte das Gesicht nur einen Augenblick, aber ich muß es schon früher gesehen haben!" Die Wissenschaft der redseligen Frau war nun erschöpft. Aber immer dichter zogen sich schon die Wolken um daS Haupt des pol nischen Burschen. Das Nachgehen mit der Doppelflinte, seine Be stürzung beim Finden der Dose lind die heimliche Unterredung mit dein Fremden — das waren Momente, die wenigstens seine Mit schuld an dem Verbrechen dem Inquirenten entschieden zweifellos machten. Der Assessor ließ ihn noch einmal vorkommen und fragte ihn, mit wem er heute früh heimlich am Hofthor gesprochen. Stanislaus schien jetzt gefaßter und vorsichtiger zu werden, seit dem er fühlte, daß sich der fürchterliche Verdacht des Mordes auf ihn selbst lenkte. Er entgegnete: „Kenne nicht alle — habe viel gesprochen mit Bauern wegen Handel!" — „Da steckt man doch nicht die Köpfe zusammen und spricht ganz heimlich?" warf der Assessor ein. „Doch, gnädiger Herr! Erst ganz leise und freundlich, dann wird Zank und wieder freundlich. „Aber den Kerl mit dem schwarzen Bart hast Du doch gekannt? Gesteh' es nur, die Wirthin hat Dich mit ihm sprechen sehen!" „Weiß ich nicht!" entgegnete der Bursche hartnäckig. „Siehst Du, Bursche, ich wollte nur Deine Offenherzigkeit auf die Probe stellen! Die Wirthin hat Deinen Spießgefährten voll kommen erkannt! Es ist ja —" Ohne sich einschüchtern zu lassen, blickten die Hellen Augen des Burschen auf das breite, runde Gesicht der Scholzenfrau. Er las dort augenblicklich deren Unwissenheit. Ein fast tückisches Lächeln glitt jetzt entstellend über sein hübsches Gesicht. Als wartete er auf Nennung des Namens, sah er dem Assessor ruhig in's Antlitz. Dieser war ebenso erstaunt als erfreut über die Verschmitztheit, die jetzt der junge Bursche entwickelte. Denn sie bestätigte seinen rasch in ihm erwachten Verdacht bis zur Evidenz — der Bursche war an dem Doppelmord betheiligt. — (Fortsetzung folgt.) 's ist Charfreitag! Komm' ans Kreuz und wein'! Stirbt ein König, der zu seinem Volke Treu im Leid, wie in der Freude stand, Lagert sich der Wehmuth Trauerwolke Auf der Seinen Häupter rings im Land, Und die Liebe weint ihr Opfer nach Dem getreuen Herzen, das da brach. Spürst du nichts heut von dem Wolkenschleier, Drein die Wehmuth Herz und Seele hüllt; Nichts von jener ernsten Todtenfeier, Die mit Thränenthau das Auge füllt? Oder war, der heut im Tod erbleicht, Dir kein König, der dem andern gleicht? Helle Diamanten freilich glänzen Von der Stirn ihm nicht aufs Angesicht, Und sein still sich neigend Haupt bekränzen Blätter von dem grünen Lorbeer nicht; Keine handbreit Erde nannt' er sein. Und vor Juda's Großen war er klein. Und doch war er König, über alle Groß an Stärke, groß an Herrlichkeit. Sein Palast, die weite Himmelshalle, Sie verwittert nicht im Sturm der Zeit; Seine Heere sind die Seraphim, Und sie dienen ohne Murren ihm. Durch die blutgetränkte Dornenkrone Glänzt das himmelhelle Diadem, Das der Vater dem geliebten Sohne Gab im Sterne über Bethlehem, Und selbst der Verblendung bittrer Spott Schmälert nicht die Majestät aus Gott. Und stand nicht er unter seinen Kindern Auch das größte, beste Königsherz? Sah er jemals, ohne ihn zu lindern, Einen Jammer, einen Seelenschmerz? Frieden allen, Frieden, Frieden viel, War des großen Königs Lebensziel. Und der stirbt, und nicht im Arm der Liebe, Nein, gemordet von der Bosheit Streich. Macht's da nicht die Trauerwolke trübe Ueberall in seinem Königreich? Wehe, wer zum Kreuz auf Golgatha Nie mit Wehmuth tief im Herzen sah! Kannst du das nicht, kannst du auch nicht lieben Ihn, der stirbt für dich und eine Welt, Und von Gott wird dir nicht gutgeschricben Christi Blut, das thcure Lösegeld. Nur die Liebe und der Liebe Leid Bringen Leben dir und Seligkeit. Jst's so schwer, ein treues Herz zu lieben, Weinst du nicht, wenn es sein Auge schließt? Muß es nicht sein Innerstes betrüben, Wenn ihm keine Dankesthrüne fließt? — 's ist Charfreitag! Komm' ans Kreuz und wein': , Freund der Freunde, Heiland, ich bin dein! 1 (Chcmn. Tgbl.) L. 6r. i