Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sicbculch» und die Umgcgcndc». Umisölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 27. Dienstag den 4. April 1871. Tagesgeschichte. Potschappel. Wie wir hören, ist nun das Niesenrechnungs- werk, welches die den Hinterlassenen der am 2. August 1869 im Se gen-Gottes- und Hoffnungsschachte verunglückten Bergarbeiter zu ge währende Unterstützung feststellt, beendet, und ist in der letzten des halb stattgesundcnen Sitzung des Central-HilsS-Comitees, in welcher auch die königl. Kreisdirection durch Herrn Regierungsrath Königs heim und die königl. Altcrsrentcnbank durch Herrn Commissionsrath Leonhardi vertreten war, die Einheit mit 60 Thlr. normirt worden. Eingcgaugcn waren: bei der k. Kreisdirection in Dresden 70194 Thlr. 14 Ngr. — Pf. bei Hrn. Bankdireclor Köhne in Dresden 217826 - 29 - 8 - bei Hrn. Director Grahl in Dohlen 153238 - — - 4 - Sumina 441259 Thlr. 14 Ngr. 2 Pf. und parlicipircn an diesem Vermögen über 1100 Personen derartig, daß auf Lebenszeit die Beamtenwütwen IO Thlr., die Arbeitcrwittweu sowie die Eltern und Großeltern der Verunglückten, beide letztere je doch erst von ihrem 65. Allersjahre ab, S Thlr., die Beamlcnkinder bis zum 14. Lebensjahre 5 Thlr., vom 14. bis 16. Jahre 2'/r Thlr., die Arbeiterkinder bis znm 14. Jahre 2hl, Thlr., vom 14. bis 16. Jahre 1V. Thlr., Doppelwaisen bis zum 14. Jahre 3 Thlr., vom 14. bis 16. Jahre 1Tblr. monatlich erhallen. Ferner wird den Kindern bei Erreichung des 14. Lebensjahres eine kleine Aussteuer mit 20 Thlr. und bei Erreichung des 21. Lebensjahres eine große Aussteuer mit 90 Thlr., sowie denjenigen Eltern, deren verunglückten Söhne nnverheirachct waren und keine Descendenlen halten, außer der ihnen vom 65. Jahre ab zustehenden Rente, eine Entschädigung von 90 Thlr. gewährt. — Welche erhebliche Summe nach diesen Nor men jährlich absorbirt wird, dürfte am deutlichsten daraus hcrvor- gehen, daß die zu zahlenden Unterstützungen bis Ende März d. I. allein die Höhe von 62,696 Thlr. 7 Ngr. 5 Pf. erreichen. Königl. Sächs. Cassenbillets vom Jahre 1855 werden eingczogen und sind bis zum 31. Anglist 1871 bei der Finanz-Haupt-Casse zu Dresden gegen neue Billets umzutauschen oder zu realisircn. Bis zum 31. Mai können dieselben bei allen Staats-Lassen verwendet, dagegen während der Monate Juni, Juli und August nur noch bei der vorgenannten Lasse zum Umtausch präsentirt werden. Die Fest setzung eines Praclusiv-Ternüncs, von welchem ab die Casseuscheine gänzlich werthlos werden, wird Vorbehalten. Dresden, 31. März. Heule Abend ö'/s Uhr traf das Be satzungs-Bataillon Nr. 1 aus Frankreich auf dem hiesigen Leipziger Bahnhofe ein, wo es von einer unübersehbaren Menschenmenge mit freudigen Hochs begrüßt wurde. Ein officieller Empfang fand nicht statt; derselbe ist bis nach Rückkehr sammtlicher Truppen verschoben, wobei dann die verschiedenen Regimenter durch Deputationen be- theiligt sein werden. Nachdem sich das Bataillon auf dem Perron formirt hatte, hielt es einen wahren Triumphzug durch die festlich geschmückte Leipziger Straße, über den Palaisplatz, die Heinrichstraßc, Marienbrücke, Augustusstraße bis auf den Ncumarkt, wo die Mann schaften in Masscnquartiere vcrtheilt wurden. Aus allen Fenstern, au denen die Truppen vorbei passirten, wehten weiße Tücher und regneten Blumen auf dieselben hernieder. Ein Militär-Musikchor holte sie auf dem Leipziger Bahnhofe ab und begleitete sie nach dem Ncumarkt. Das Aussehen der rückkehrenden Krieger war ganz vor trefflich, wozu allerdings viel beitrug, daß aus allen Augen die Freude über die Heimkehr strahlte. Die Zahl der in und bei Dresden untergebrachtcn Franzosen beträgt noch immer 13,300 Mann. Der reiche Herr v. Schroder in Hamburg hat einen Beitrag von 50,500 Thalern zur deutschen Wilhelmsstiftung übersendet. Nach dem Vorschläge des Reichskanzleramts sollen in Berlin Goldstücke zu 5 und 10 Thalern ausgeprägt werden. Wiederum ist es ein Demscher, der gelehrte und geistvolle Stiftsprobst v. Döllinger in München, der seines Gewissens halber der herrschsüchtigen römischen Hierarchie furchtlos den Fehdehand schuh hinwirft. Auf die wiederholte Aufforderung des Erzbischofs, ' sich dem neuen Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes zu unter werfen, hat er schriftlich geantwortet: Als Christ, Theologe, Ge schichtskundiger und Staatsbürger kann ich diese Lehre nicht an- uehme». Vor den gcsammten 'deutschen Bischöfen in Fulda oder vor angesehenen Theologen in München will ich beweisen, daß die Lehre von der Unfehlbarkeit mit der heiligen Schrift und mit der Ueber- lieferung des ersten Jahrtausends der christlichen Kirche in Wider spruch steht und nur durch Fälschungen allmälig in die Kirche hinein gekommen ist. — Der tapfere Mann Gottes schließt: Ich kann mir nicht verbergen, daß diese Lehren, an deren Folgen das alte deutsche Reich zu Grunde gegangen ist, auch in das neue deutsche Reich den Keim des Siechthums verpflanzen werden, wenn sie unter den deutschen Katholiken anerkannt und herrschend werden. Die zwischen Thiers und dem Fürsten Bismarck in Versailles abgeschlossenen Friedenspräliminarien legten bekanntlich den Franzose» die Pflicht auf, in Paris, resp. im ganzen Seinedepartement keine höhere Garnison als 40,000 Mann zu unterhalten. Bei der gegen wärtigen Rebellion in der Hauptstadt erscheinen aber diese angeblich in der Gegend von Versailles vorhandenen Truppen der Regierung in Versailles nicht genügend, um mit denselben die Unterdrückung der Revolte herbeizusühren. Deshalb hat sich denn auch Thiers dazu ent schlossen, ein Paar Bevollmächtigte nach Rouen zu senden, um bei dem sächsischen Generalleutnant von Fabrice die Erlaubnis; der Er höhung der Garnison auszuwirken. Der „Times" wird aus Ver sailles gemeldet: Fabrice gestand die Erhöhung der Garnison von Paris auf 80,000 Mann zu. Aus diesem Schritte der Versailler Regierung scheint hervorzugeben, daß sie doch endlich an Niederwerf ung der Rebellion in Paris denkt, ob es von Erfolg sein wird, steht freilich dahin. Eine Depesche der „Times" meldet: In Paris sieht man de» Verzweiflungstampf voraus. Der „Vengeur" droht mit der gewalt- thätigen Austreibung der Nationalversammlung in Versailles. Die Aufständischen glauben, die Truppen werden der Commune nicht Widerstand leisten. Eine weitere Depesche der „Times" erwähnt verschiedener Projekte zur Verbesserung der Finanzlage. Das Schloß von Versailles soll an eine anglo-amcrikauische Gesellschaft für 1000, St. Cloud anderweitig für 800, Fontainebleau für 500 Millionen Francs verkauft werden. Einem Telegramm des „Daily News" zufolge beabsichtigt die Regierung in Versailles die Zufuhr von Schlachtvieh und Pferden nach Paris zu verhindern. Eine Depesche des „Daily Telegraph" vom 31. März meldet: Das 13. Linieuregiment deserlirtc von Versailles insgesammt nach Paris. Eine Depesche des „Daili News" vom 31. März meldet aus Paris: Die Commune erpreßte eine Geldanleihe von fünf Ver sicherungsgesellschaften. Die englische Pvstverbindung nach Paris ist eingestellt. In den Mittheilungcn, welche wir über die Zustände in Paris und Versailles gebracht haben, war es wiederholt bezweifelt worden, daß die bei Versailles von der dortigen Regierung zur Bekämpfung der Revolte gesammelten Truppen sich als zuverlässig erweisen dürften, und es war beigefügt, daß dieselben wahrschcinlicherweise zum großen Theile wie die frühere Pariser Garnison bei der ersten Gelegenheit descrtircn würden, um dort ihre Dienste anzubieten, woselbst ihnen die Verbesserung ihrer materiellen Lage in Aussicht gestellt wird. Diese Befürchtungen haben sich nur zu wahr erwiesen, denn ein heutiges Londoner Telegramm meldet uns, das in dec Kriegsge schichte nicht gerade häufig sich ereignende Factum, daß ein ganzes Regiment Liniensoldaten, vermuthlich vorher von den Emissären der rochen Republik durch Versprechungen gehörig bearbeitet, Versailles den Rücken gekehrt Hal und mit Sack und Pack ins feindliche Lager nach Paris übergegangcn ist. An und für sich hätte die Fahnenflucht eines einzelnen Regimentes bei einer Gesammt-Truppenmaffe von 80,000 Mann, die ja der Versailler Negierung zur Verfügung stehen sollen, nicht sehr viel zu bedeuten, weil die numerische Schwächung der Armee der blauen Republik nicht groß ist, aber die moralische Bedeutung muß man als ganz ungeheuer anschlagen. Es steht zu befürchten, daß die anderen Regimenter diesem Beispiele folgen und