Volltext Seite (XML)
Wilsdruff, Tharandt, Reffen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsölalt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. V 3!. Freitag den 21. April 1871. Nachdem Frau Johanne Dorothee verw. Schnee in Wilsdruff allhier angezeigt hat, daß sie im hiesigen Orte eine Dienstnachweisungsstelle errichten wolle, derselben auch hierüber vorschriftsgemäß Empfangsbekenntniß ausgestellt worden ist, so wird Solches hierdurch bekannt gemacht. Kömgl. Gerichtsaint Wilsdruff, am 19. AM 1871. Leonhardi. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 20. April 1871. Die Felder der Umgegend werden im heurigen Jahre von den Mäusen, die in schrecklicher Anzahl sich vermehrt, arg geplagt, das ausgehende junge Getreide wird von denselben abgenagt, so daß hier und da nicht unbedeutende Schaden verursacht worden sind. Die Landwirthe bedienen sich zur Vertilgung dieses Ungeziefers ver schiedener Mittel, die Anwendung von Giftpillen erscheint, da die Mäuse verzehrenden anderen Thiere z. B. Katzen, Krähen, Füchse u. s. W. durch den Genuß der vergifteten Mäuse crepiren, nicht em- pfehlcnswerth, vielmehr dünkt das Vertilgungssystem, welches Herr Gutsbesitzer Müller hier anwcndet, probat zu sein. Derselbe hat sich kleine, einfache Fallen machen lassen, die er mittelst Zwirnsaden auf- stelll und in die Mauselöcher einlegt; von Zeit zu Zeit revidirt er die Fallen und nimmt die erwürgten Mäuse heraus, stellt die Fallen wieder ans und hat bis jetzt dadurch bereits 85 Mäuse getödtet. Die Krähen, welche die Mäuse begierig verschlingen, kennen Herrn Müller ganz gut, er darf sich nur auf dem Felde sehen lassen, da kommen sie herbei und nehmen das beliebte Futter freude-krächzend in Empfang. Lian sollte glauben, daß dieses einfache Mittel weitere Nach ahmung finden werde. In Bezug auf die „Kohlennoth" bringt das „Dr. Journ." vom 18. April einen interessanten Bericht des Herrn BerginspccwrS Köttig über die Steinkohlenwerke im Planenschen Grunde, welcher nach weist, daß daselbst noch 4öl>2 Acker Kohlenfeld unabgcbaut sind, unter denen über 870 Millionen Scheffel Kohlen lagern, deren Abbau bei einer jährlichen Produelion von 6 Millionen Scheffeln also ein Zeitraum von 145 Jahren in Anspruch nehmen würde. Dresden. Die neuen deutschen Provinzen in Frankreich treten nach und nach schon in rege Geschäftsverbindung mit den Bewohnern diesseits des Nheines und selbst schon mit Sachsen. So hat unter Anderen ein Kaufmann am Klebcrplatz in Straßburg bei einem hie sigen Export-Geschäft größere Bestellungen auf Schreibmaterialien, Dinte re. gemacht, welche großen Beifall finden, indem außer dem Gouverneur Grasen Bismarck, dem Ofsiziercorps rc. auch sämmtliche Steuereinnehmer, sowie die Feldwebel des 105. (sächsischen) Regi ments das deutsche Fabrikat benützen. Der Bestellbrief enthält über- dicß die nicht uninteressante Notiz, daß seit den Pariser Unruhen die Straßburgcr'Bürger froh sind, von deutschen Soldaten geschützt zu sein und nur das Gesindel noch Haß gegen die Deutschen habe. — Täglich eingehende Feldpostbriefe sächsischer Soldaten be stätigen die Klagen über deren unzureichende Ernährung in den fran zösischen Cantonnement-; aber auch ans den Reihen der preußischen Armeecorps in Frankreich erschallen dieselben Klagen, deren Wort laut leider nur sehr abgeschwächt wiedergegcben werden kann. So schreibt ein'Brandenburger vom 8. Inf.-Reg. aus Brevannes an seine hiesigen Verwandten, daß das Leben dort ein trauriges sei; der Friede verbiete den Soldaten, zu nehmen, was sie brauchen, und gutwillig rücke der Bauer nichts heraus; die Vvrgeschricbene Nation sei knapp und werde in den wenigsten Fällen voll geliefert; sie be stehe aus täglich 2 Loth Fleisch und etwas wenigem Neis, Kaffee und Salz, wovon ein deutscher Soldat nicht leben könne! Der König von Baiern hat mittelst eines eigenhändigen Schreibens dem Kronprinzen von Sachsen das Großkreuz des Militär-Mar- Josephs-Ordens verliehen. Was das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes auf sich hat, das sprechen jetzt ungcscheut die Jesuitcnblätter ans: Der Papst ist oberster Richter der bürgerlichen Gesetze. In ihm lausen die beiden ! Gewalten, die geistliche und weltliche wie in ihrer Spitze zusammen; , denn er ist Stellvertreter Christi/ welcher nicht nur ewiger Priester, sondern auch König der Könige und Herr der Heerschaaren ist. Der Papst ist kraft seiner hohen Würde auf dem Gipfel beider Gewalten. Die deutsche Schweiz hat auch ihren Döllinger; es ist der Pfarrer Egli in Luzern. , Von der Kanzel seiner Kirche herunter pro- testirte er wider das neue unchristliche Dogma der päpstlichen Unfehl barkeit und legte seiner Gemeinde klar und ruhig dar, warum dieses Jesuiten-Dogma nichtig sei. In meinem ganzen Leben, schloß er, bin ich meinen Grundsätzen nie untreu geworden und will diese meine Ehre und mein gutes Gewissen mit mir in das Grab nehmen. Um meines Gewissens willen proteftire ich. —- Seinem Bischof machte er sofort von seiner Protestation Anzeige. Der Bischof sprach sofort den Kirchenbann über ihn aus und gebot der Negierung, ihn von seinem Amte zu entfernen. Die Negierung antwortete: Wir werden gegen einen Geistlichen, der weiter nichts gethan hat, als daß er gegen eine neue Lehre ehrlich und muthig protestirt, welche zur Zeit seiner Ordination und Anstellung kein Glaubenssatz der katholischen Kirche war. Eine öffentliche Versammlung, der sich die höchsten Be amten des Staates anschlvssen, protestirte energisch wider die neue Lehre, die eine Zerrüttung der Kirche und des Staates herbeizufüh ren drohe. Der Neuen Freien Presse berichtet man eine Acußerung, welche Jules Favre im Gespräch mit General Fabrice jüngst in Rouen gethan haben soll, und welche sehr bezeichnend für die Enttäuschung der Männer in Frankreich ist, deren ganze Wirksamkeit der Verlhei- digung der demokratischen Ideen gewidmet war. „Mein ganzes Le ben" sagte Jules Favre zu dem deutschen General, „war dem Kampfe für die Principien der Demokratie und für die republikanische Sache geweiht, und nun ich in diesem Kämpfe ergraut bin, muß ich mit gebrochenem Herzen eingestehen, daß diejenigen recht haben, welche behaupten, daß das französische Voll noch lange nicht reif ist für die Freiheit. Noch immer verharren die Meldungen der Versailler Negierung und der Commune über die militärischen Vorgänge vor Paris in einem stellenweise geradezu unlöslichen Widerspruch. Was von Paris aus als entscheidende Action gemeldet wird, gilt in Versailles als unbedeutender Zwischenfall und umgekehrt. So viel ist nur klar, daß eine entgiltige Entscheidung durch die Waffen kaum in naher Aussicht steht. Wenn es freilich feslsteht, daß der Ausstand in Paris durch die Jsolirung, in der er sich befindet, durch die Gewaltmittel, zu denen er zu greisen gcnöthigt wird, und durch die massenhafte Auswanderung einerseits, wie durch die mangelnde Zufuhr andrer seits feine Kräfte, ohne Hoffnung auf Ersatz, bald verzehren muß, so darf man doch auch nicht verkennen, daß die Regierung von Ver sailles noch immer nicht auf die große Blasse ihrer Soldaten zählen kann. Wie wir schon früher hervorgehobcn haben, sind die Gendarmen, die ehemaligen Polizeidiener und Lie von clericalcn Einflüssen blind beherrschlcn päpstlichen Zuaven und Bretonen die einzigen Truppen körper, die zuverlässig sind und darum auch beinahe ausschließlich in erster Linie verwendet werden. Erst wenn die von Ducrot und Clinchant in Rennes und Lille organisirten Corps der aus der Ge fangenschaft heimkehrendcn Soldaten vor Paris eingetroffeu sein werden, kann von einer energischen und nachhaltigen Action gegen die Insurgenten die Rede sein kann. Allein cs ist dann sehr die Frage, ob der Erfolg, den die zum größten Theile aus Gardesvldateu des Ex kaisers gebildeten neuen Regimenter davontragen, der Republik zu gute kommen werde. Bis jetzt sind die Liuiensoldaten, über welche die Nationalversammlung verfügt, nicht leicht ins Feuer zu bringen. Ein Ordvnnanzosiicier des am 7. bei Neuilly gefallenen Generals Bessons erzählt, daß der General, um seine schwankenden Truppen gegen die Barricade zu führen, mit einem Gewehr fit der Hand