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1871. ^7 2«. Freitag de» 10. März TaUsgeschichte. Dresden, 8. März> Das „Dresdner Journal" veröffentlicht das Resultat der Reichstagswahlen aus 22 sächsischen Wahlkreisen (der 20. fehlt). Gewählt wurden: 3 Conservative (Ackermann, Gün ther, Schwarze), sechs Nationalliberale (Birnbaum, Böhme, Georgi, Mosig von Aehrenfeld, Pfeiffer, Stephani), sechs dec Fortschritts partei Angehörige (Eysold, Hirschberg, Ludwig, Minckwitz, Oemichen, Schaffrath), zwei Socialdemokraten (Bebel und Schraps), in 5 Be zirken sind Stichwahlen erforderlich. Dresden, 8. März. Se. Majestät der König hat nach dem Dr. I, von dem commandircnden General des k. sächsischen (12.) Armeecorps, Prinzen Georg k. H., die nachstehenden Telegramme er halten: Le Bert-galant, 6..März, Abends. Das Armcecorps wird in nächster Zeit zur Besetzung des Aisne-Departements und des Ar dennen-Departements abmarschiren. Das 6. Infanterieregiment Nr. 105 geht nach Straßburg, die Festungsartilleriecompaguie noch Metz. Die Besetzungstruppen kehren möglichst bald in die Heimath zurück. Der commandirende General Georg, Herzog zu Sachsen. — Le Bert-galant, 7. März, Nachmittags. Heute'Mittag hielt Se. Maj. der Kaiser und König auf dem Schlachtfelde von Villiers Revue über das I. bähetsche Corps, dse württembergische Division und das königl. sächsische (12.) Armeecorps unter dem Oberbefehle Sr. k. H. des Kronprinzen. Die Gesammtstärke betrug 40,000 Wann, davon 18,000 Sachsen. Das 12. Armeccorps marschirt am 11. März von hier ab, kleinere Detachements schon am, 9., die Cavaleriedivisivn am 10. d. M, Der commandirende General Georg,. Herzog zu Sächscn. Dresden, 6, März. Gest.ern feierten wir ein Fest, heute die Franzosen, denn allen Gefangenen, welche hie Mittel zur Heimreise auf eigene Kosten besitzen, wurde die Rückkehr nach Frankreich gestat tet. Infolge dieser Erlaubniß wimmelte heut gegen Abend der Leip ziger Bahnhof voll Franzosen, die sämMlich freudestrahlenden Ge sichts die Heimreise antraten. „Die Letzten werden die Ersten sein" — galt auch von ihnen, denn erst die später unter der Republik ge fangen genommenen Mobilgardcn, Franctireurs rc. waren so situirt, daß sie bei dieser Gelegenheit ihren kaiserlichen Kameraden den Vor rang streitig machen konnten. Der Fall ist notorisch, daß vor eini ger Zeit ein hiesiger Bankier sich einen Mobilgardisten aufsuchte, um ihm mitzuthcilen , er sei zu unbeschränktem Credit ermächtigt und brin ge vorläufig, 20,000 Frcs. Der Gefangene erwiderte, er bedürfe au genblicklich keines Geldes, da er noch 40,000 Frcs. bei sich führe. Dresden, 7. März. Nach dem „Dr. Jour," sind hier Vertre ter der deutschen Eisenbahnverwaltungen versammelt, um die Grund sätze sür die Liquidirung der außerordentlichen Eisenbahnleistnngen während des Krieges sestzustellen. Leipzig, 8. März. In ihrer Wohnung in der Ulrichsgassc ist heute früh eine ganze, aus der verwitlweten Mutter, einer 21 Jahre allen Tochter mit ihrem 6, Monate alten Kind, einem 12jährigen Sohne und einer 9 Jahre alten Tochter bestehende Handarbciters- familie b'is auf die jüngste Tochter in Folge von Erstickung durch Kohlendämpfe todt aufgefunden worden. Das 9jährige Mädchen zeigte noch Spuren von Leben und wurde ins Hospital geschafft. Aus Berlin verlautet, daß für Bismarck, Moltke, Werder und die kommandixenden Generale Dotationen verlangt werden würden. Die Leute und die Zeitungen werfen jetzt mit Milliarden um sich, wie sonst mit Rechenpfennigen. Von den 5 Milliarden, welche Frankreich an Deutschland zahlen muß, soll übrigens schließlich eine halbe Milliarde in Abzug kommen. So hoch wird nämlich der An theil berechnet, den Elsaß und Deutsch-Lothringen au den franzö sischen Staatsschulden haben. Auch der Werth der Ostbahn soll in Abrechnung kommen. Die Franzosen selber berechnen ihren Kriegs schaden, abgesehen von der Contribution, auf 3—4 Milliarden. Kaiser Napoleon soll Wilhelmshöhe mit Sack und Pack ver laßen haben. Frankreich hat ihn abgesetzt, Deutschland läßt ihn laufen. Kaiser Wilhelm zeigt überall, daß er weiß, was er dem Grafen Moltke verdankt. Als er nach Unterzeichnung der Friedens präliminarien dem König von Württemberg zu Ehren große Hoftafel gab, suchte er unter allen versammelten Gästen den Grafen Moltke auf und umarmte ihn unter Thränen. Wohl niemals, sagt die Wescrzcitung, ist ein so großartiger Erfolg mit weniger Ueberhebung eingeerndtet worden. In Bezug auf die aus Paris ausgewiesenen Deutschen meldet das Berliner Comitö zur Wahrung der Rechte derselben, daß laut einer vom Reichskanzler eingegangenen Weisung deren Rückkehr nach Paris augenblicklich der Umstände halber nicht thunlich sei. Die Entschädigung sei in der Kricgscontribution der 5 Milliarden mijt inbegriffen, doch bleibe die. Festsetzung der Summe und des Ver- theilungsmodus derBerathung des Reichsraths und der Genehmigung des Reichstages Vorbehalten. Diese Mittheilung wird Tausenden die Aussichten in die Zukunft erleichtern. Von dem denkwürdigen Einzuge der deutschen Truppen in Paris am l.März müssen die Geschichtsbücher reden, wieviel mehr die Zeitungen. Die einzichendcn Truppen marschirten auf der großen Rennbahn Longchamps vor Paris auf, auf, demselben Platze, auf welchem 1867 Kaiser Napoleon seinen Gästen, dem König Wilhelm und dem Kaiser Alexander, seine Garden vorführte. Auf demselben Platze ließ Kaiser Wilhelm am l.März die Truppen an sich vorbei- marschiren; es waren 10,000 Mann vom 6. Corps (Tümpling), 10,000 Mann vom 11. Corps (Schachtmeyer) und 8000 Mann vom 2. bayer. Corps (Harimann). Nach zehn Uhr kam Kaiser Wilhelm in Generalsuniform im Vierspänner angcfahren und bestieg die Trsbüne, um 11 Uhr setzte er sich zu Pferde und galoppirte, von 500 Offizieren des GcncrMabs gefolgt, zur Windmühle, wo ihn der Kronprinz empfing.. Sämmtliche Musikchöre stimmten das „Heil Dir im Siegerkranz" an und der Kaiser, seinen Sohn an der Seite, galoppirte die Front entlang. Der Enthusiasmus war ungeheuer und steckte sogar die fischblütigen Engländer an-. Das Hurrah der Deutschen war tief und dem Donner ähnlich, aber nicht ein Bajonnet zitterte in den Reihen. Die Augen blitzten auf und füllten sich mit Thränen, so berichten die Engländer, — die Lippen zitterten, als sie von dem „historischen Tage" sprachen, aber es war keine aus gelassene Freude oder äußerliches Frohlocken,. Der Kronprinz führte die Truppen und zuletzt seine Dragonerschwadronen dem Kaiser vor. Um 12 Uhr war die Heerschau aus und alle Truppen auf dem Wege nach Paris; der Kaiser, der Kronprinz rc. waren nach Ver sailles zurückgekehrt. Die deutsche Avantgarde, etwa 2000 Mann, war schon Morgens 8 Uhr ei.n.gerückt Der erste Deutsche, den die Pariser zu Gesicht bekamen, war der Husarenlieutenant Bernhardt) (von den Hern). Dem hübschen jungen Mann folgten ein halbes Dutzend Husaren, kräftige, gebräunte Veteranen, sie sahen so ruhig und un bekümmert darein, als wären sie auf der Parade in Potsdam. Und doch standen zu beiden Seiten dickte Gruppen von Franzosen und sahen aus, als wollten sie ihnen den Eingang zum Triumph bogen versperren, Bernhardt) reitet gerade auf sie los, sprengt sie auseinander, setzt mit seinen Husaren über die Trümmer vor dem Thore weg und reitet kaltblütig nach Paris binein. So wurde Paris von einer Hand voll Deutscher genommen. Den paar Husaren folgten bald Rittmeister v. Colomb, der die Schwadron kommändirtc, und endlich General Kamcke, der Commandirende der Occupalions- armec. Um 11 Uhr waren die Quartiermacher im Gange, um ihre Leute unterzubringen. Eine Stunde nachher saßen vor jedem Hause Husaren zn zweien und dreien, plauderten, schmauchten ihre Pfeifchen und waren bereit, mit jedem Franzosen und jeder Französin sich in ein Gespräch cinzulassen. Gruppen von Franzosen sammelten sich um sie, und Hans und Fritz waren der Mittelpunkt aller Gespräche. Auf einzelne Schimpfreden achteten sie nicht, bewegten sich frei und unbekümmert und behandelten die Sache als ob sic sich von selbst verstände. So die englischen Berichte. ochenblatt für ilsdrnff, Tharandt, Rossen, Siebentel)» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst.