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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbciileh» und dic Uiugcgciidc». Umtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 18. Areilag den 4. März 1870. Tag csgeschichte. Das „Dr. I." veröffentlicht oas Gesetz, einige Zusätze zu den Personal- und Gewerbesteuer-Gesetzen betreffend, in welchem zunächst die Gewerbe im Umherzichen dahin regulirt werden, daß Personen, welche außerhalb ihres Wohnortes und ohne Begründung einer ge werblichen Niederlassung auch ohne vorherige Bestellung Waaren feil bieten, jährlich 2 bis 40 Thaler, je nach der Größe ihres Gewerbes, entrichten und ferner solche Personen, welche außerhalb ihres Wohn ortes Waaren aufkausen oder außerhalb ihres Wohnortes Waarcn- bestellungen aufsuchen, jährlich 2 bis 20 Thlr., je nach Umfang ihres Geschäfts, zu zahlen haben. Umherziehende Scheerenschleifer, Kessel sticker rc. zahlen I bis 4 Thlr. jährlich, während Personen, welche im Umherziehen gewerbliche und künstlerische Leistungen, Schaustell ungen rc. bieten, jährlich 4 bis 50 Thlr. zahlen.— Laut einer dem Gesetze beigedruckten Uebereinkunft zwischen Sachsen und Preußen wegen Befestigung der doppelten Besteuerung der beiderseitigen Staatsangehörigen sind letztere künftighin nur in demjenigen Staate zu den directen Staatssteuern heranzuziehen, welchem sie als Untcr- than angehören. Nimmt jedoch ein Unterthan des einen Staates in dem andern Staate seinen dauernden Wohnsitz und Aufenthalt, ohne die Staatsangehörigkeit daselbst zu erwerben, so geht nach Ab lauf von 5 Jahren seit Begründung des Wohnsitzes die Berechtigung zur Besteuerung in vollem Umfange auf diesen Staat über. Steuern von Grundbesitz, sowie vom Betriebe eines stehenden Gewerbes (von gewerblichen oder Handklsanlage») nnd von dem aus diesen Quellen yerrührenden Einkommen werden nur in dem Staate bezahlt, in wel chem diese Liegenschaften sich befinden, oder in welchem dieses Ge werbe ausgeeüvt wird. Bei der Besteuerung des ganzen Einkommens in dem vorerwähnten berechtigten Staate ist das Einkommen aus diesen Quellen, soweit es demgemäß bereits in dem andern Staate mit Steuern belegt ist, zu verschonen, beziehentlich die von solchen Quellen in dem andern Staate nachweislich erhobenen Steuern von dem im Ganzen ausgeworsenen Einkommensteuerbetrage in Abzug zu bringen. Der geniale Schöpfer des abgebrannten Dresdner Hoftheaters, Professor Semper, ist vorigen Donnerstag von Wien in Dresden eingetroffen. Die Hoffnung, unter seiner Aegide einen neuen Kunst tempel erstehen zu sehen, dürfte durch diesen Besuch einen wesent lichen Stützpunkt erhalten und hören die Dr. N., daß Professor Sem per bereits eine längere Unterredung mit dem Herrn Staatsminister v. Friesen gehabt hat. Meißen, 26. Februar. Heute Vormittag hat sich abermals ein Soldat der 4. Comp. des hiesigen Jägerbataillons in der Kaserne mit seinem Dienstgewehr erschossen. — In einem Hause au der Elbe hatte man gestern eine mit Wasser gefüllte kupferne Wärmflasche in den geheizten Ofen gestellt, aber dabei vergessen, die Schraube aus der Oeffnung derselben zu nehmen. Plötzlich explodirt die Flasche mit donnerühnlichcm Gekrach und zertrümmerte den Ofen sowie dic im Zimmer befindlichen Geräthschasten vollständig. Zum Glück ist Niemand dabei verletzt worden. Am 22. Februar verbreitete sich in Ernstthal das Gerücht, daß eine schon in den siebziger Jahren stehende Tiscklersfran ihren 82 Jahr alten Mann erschlagen. Dieses Gerücht hat sich insoweit bestätigt, daß wirklich diese Frau ihreu alten gebrechlichen Mann beim Aufstehen aus dem Bett heimlich aufgelauert und demselben mit einem Hammer 4 Schlüge in den Nacken versetzt hat, infolge dessen der Greis zusammengebrochen und, wie gesagt wurde, an seinem Auf kommen noch gezweifelt wird. Die Frau ist verhaftet. Specielle Motive der That sind noch unbekannt, doch wird der Charakter der Frau als ein nicht verträglicher geschildert. Laut Bekanntmachung des Directoriums des Pensions-Vereins für Wittwcn und Waisen fächs. Beamten ist die erste Hälfte der Jahresbeiträge vom 1. bis 15. März an die Kasse eittzuzahlen. Im Reichstage in Berlin hat's ein Gewitter gegeben, der Bundeskanzler Graf Bismarck hat als,Jupiter gewaltig geblitzt und gedonnert und der Abg. Lasker war es, der das Gewitter heraufbe schworen hat. Er meinte, das Eis im Main breche und es sei Zeit, daß der Nordbund die Mainlinie überschreite. ES lag nämlich dem Reichstage ein Rechtshülfevertrag mit Baden zur Bestätigung vor Lasker beantragte, den Badensern nicht nur Dank für ihre ausdau ernde nationale Haltung, sondern auch die Erwartung auszusprechen, daß sie ungesäumt in den Nvrdbund eintreten würden. Mit der Anerkennung der Badenser war der Bundeskanzler einver standen, jede Art Einladung aber, daß sie in den Nordbund eintre ten, bekämpfte er mit schneidender Schärfe. Er behauptete, Baden leiste der nationalen Sache in Süddeutschland bessere Dienste, wenn es außerhalb, als wenn cs innerhalb des Nordbundes stehe, Bayern werde auf Jahre hinaus zurückgewörfen, wenn Baden in den Bund eintrete. „Wir thun nicht gut, den Milchtopf ausznsahnen und die Milch sauer werden zu lassen. Wenn Vaden den Antrag stellt, in den Bund einzutreten, werde ich ihn abweisen und antworten, ich selber werde die Zeit angeben, wenn die Aufnahme in unserem In teresse ist. Sie meinen, es müsse wieder einmal etwas geschehen? Haben wir nicht den gesicherten Oberbefehl über das deutsche Heer? Wann ist seit den Hohenstaufen ein unbestrittener O berbefehl in Deutschland gewesen? Das Haupt des Nmdbundes hat in Süddeutsch land eine Stellung, wie sie seit Kaiser Rothbart nicht da war. Ge nießen Sie doch einen Augenblick froh, was Ihnen beschicken! (Hei terkeit.) Was die Vorredner (Lasker und Micquel) unter Volkspolitik verstehen, welche den Eintritt Badens verlange, weiß ich nicht. Mei nen sie etwa damit die Adressenpolitik im Jahre 1806 gegen den Krieg? (Heiterkeit). Der Erfolg hat gezeigt, daß wir es damals besser verstanden als Sie. Ueber die feste Einigung ganz Deutsch lands sind wir einig, nur nicht über die Mittel (und die Zeil). Die Herren sind der Meinung, daß sie die Auswahl der Mittel besser Verstehen als ich, und ich bin der Meinung, daß ich es bester ver stehe als Sie. So lange ich aber der Leiter der Politik bin, wer den Sie es sich gefallen lassen müssen, daß es nach meiner Ansicht geht. Verstehen Sie dic Sache besser als ich, so müssen Sie Bun deskanzler werden und ich setze mich auf Ihren Platz und übe die Kritik, die mir eine 20jährige Erfahrung an die Hand gicbt.— Wir kommen mit Verträgen soweit wie mit den Eintritt. Uebrigens bin ich überzeugt, daß wir in jedem Kriege auf volle Hülfe aller unserer süddeutschen Bundesgenossen rechnen dürfen." Unter Blitzen und Donnern verlief die Verhandlung, welcher als bedeutungsvoller Staatsaffaire alle Diplomaten und Gesandten in ihren Lögen heige- wohnt haben. Lasker zog seinen Antrag zurück und Jeder ging niit Gedanken und Zweifeln heim, was das bedeute, was er gehört hätte. Nur eius schien klar, das dem Bundeskanzler die Ueberschreituüg des Mains sehr unzeitgemäß erscheine. Abgethan ist die Sache da mit schwerlich. Die Entscheidung des Reichstages des Norddeutschen Bundes, auf welche man allseitig mit großer Spannung, namentlich auch in unserem engeren Vaterlande Sachsen, hinblickte, ist nun gefallen, und zwar so gefallen, wie wir und gewiß sehr viele mit uns sie ge wünscht, obschon so kaum gehofft hatten. Die Streichung der Todesstrafe aus dem Strasgesetzentwurf für den Bund ist mit ziemlich ahnsehnlicher Majorität — 118 gegen 81 Stimmen! — be schlossen worden. Der norddeutsche Reichstag des Jahres 1870 hat sich damit dem Frankfurter Parlament und der preußischen National versammlung vom Jahre 1848 angeschlossen und hat zugleich düs im gleichen Sinne in mehrern Bundesstaaten von den gesetzgebenden Gewalten bereits Beschlossene und Vollführte, die Aufhebung der Todesstrafe, bekräftigt. Was die Bundesregierungen nun thun werden, bleibt abzu- warten. Eine offizielle Erklärung darüber im Laufe der VechäM lungen ist nicht erfolgt. Sie können den ganzen Entwurf zurückziH ' aber sie können nicht dem Entwürfe mit der Todesstrafe GeseMhxäft verleihen. Zahl und Zusammensetzung der Mehrheit in der höhen Versammlung, welche sich gegen dic Todesstrafe erklärt hüt, dürfte dabei Wohl nicht ohne Beachtung bleiben; sie macht es mindestens mehr als unwahrscheinlich, daß diese Majorität durch die Drohung der Zurücknahme in eine Minorität verwandelt werden könnte. Wir begrüßen das Resultat dieser Abstimmung mit Freuden und wünschen dem Reichstage Glück zu dem ruhmvollen Beispiele, daß er andern gesetzgebenden Versammlungen gegeben. Die Forschrittspartei hat mm, so berichtet die „Trib.", ihren Antrag aus Diäten und Reisekosten für die Neichstagsabgeordneten