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WschcMM für Wilsdruff, Tharandt, Stoffen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 11. Dienstag den 8. Ieöruar 1870. Tag esgeschichte. Wilsdruff, den 7. Februar 1870. Heute Morgen in der neunten Stunde ertönte der Ruf Feuer! durch die Straßen der Stadt; es brannte im hiesigen Schlosse, dem Herrn von Schönberg auf Rothschönberg gehörig, und zwar unter den Dielen des Bodenraumes; das Feuer wurde jedoch durch schnelle Hilfe, obgleich die Helle Flamme bereits durch das Dach brannte, gelöscht. "Uebcr die Entstehung des Feuers hören wir: In dem Flügel des Schlosses, wo cs brannte, befindet sich die Kinderstube des Hrn. Rittmeister v. Ziegesar, in welcher gefeuert wurde. Von diesem Ofen geht ein Rohr durch die Wand und führt von da weiter in einer Schleppesse in die Hauptesse. Ta nun, wo das Rohr durch die Wand in die Schleppesse führt, ist ohnwcit des durch die Wand gehenden Rohres eine Holzfäule in der Waud durch das Feuer im Ofen der Kinderstube angekohlt und nun förmlich an- und weiterge brannt. Als Beweis dafür, daß nur durch Anglimmeu gedachter Säule das Feuer entstanden, ist maßgebend, daß diefe Säule von dem Rohre aus bis zur Decke herauf sowie auch unterhalb des Roh res gänzlich verkohlt war. Ein großes Glück war es auch hier, daß dieser Brand nicht inmitten der Rächt entstand, wo nicht allein die Familie des Herrn v. Ziegesar, sondern auch ein Theil unserer Stadt in großer Gefahr geschwebt hätte, dein: bei der jetzigen Kälte würde bald Wassermangel eingetreteu und auch menschliche Hilfe nicht so schnell zur Han) gewesen sein. Freiberg, 2. Februar. Ucber die Entscheidung der zweiten Kammer in Betreff der Eisenbahn von hier nach Nossen ist man hier sehr erfreut, da inan hoffen kann, sie bedeutend schneller ausgeführt zu sehen, als wenn der Staat sie bauen sollte, was der Regierung das Liebste gewesen wäre. Den Verdiensten, w-llche sich unser Ab geordneter Sachße bei dieser Verhandlung erw ven hat, läßt man allgemeine Anerkennung widerfahren, währen! man im Ucbrigcn sein ständisches Wirken durchaus nicht billigen will. Aus allen Gegenden Deutschlands, selbst aus Rußland und Ame rika, sind infolge des vom pädagogischen Verein des Plaucnschen Grundes, „An Deutschlands Lehrer" erlassenen Aufrufs, durch die be zügliche Pfennig- lind Krcuzcrsammlung in Schulen etwas über 1400 Thlr., in die Hände deS Centralcomitees aber gegen 200 Thlr. gelangt, so daß der Gesammtbetrag dieser Sammlung sich in runder Summe auf 1600 Thlr. beläuft. Hiervon ist zunächst 229 Kindern, und zwar schulfähigen Waisen der verunglückten Burgker Bergarbei ter ein Weihnachten bereitet worden, und hat dabei jedes dieser Kin der Kleidungsstücke im Werth bis zu 3 Thlrn. erhalten. Für das übrige Geld werden den Kindern nach und nach die nöthigen Schul bücher angekauft. Hähnichen, 5. Februar. Gestern hat sich ganz in der Nähe unserer Stadt ein bedauerlicher Unfall zugctrageu. Ein Herr D. aus Mittweida war im Begriff mit seinem Geschirr in die Stadt ciuzufahrcn, als unmittelbar au der Straße ein heftiger Schuß er tönte und ein Stein das eine der Pferde au dein Beine traf. Man hatte eben beim Baue eines neuen Weges ein Stück Felsen gesprengt. Die Pferde hierdurch scheu gemacht, gingen sofort durch, rasten die Straße entlang und überfuhren unglücklicherweise einen Kinderwagen, Wobei das in demselben befindliche Kind, ein Knabe von IV2 Jah- rcn, durch den Hufschlag eines Pferdes so erheblich am Kopfe ver letzt wurde, daß es unter den Augen der sofort herbcigceiitcn Aerzte verschied. Der Knabe war das einzige Kind junger, wohl situirter Eheleute. Die Insassen kamen mit dem Schreck davon, da die Pferde alsbald aufgehalten wurden. Oelsnitz, 30. Januar. Heute fand man ein Schulmädchen aus Schönbrunn, die aus dem Confirmationsuntcrrichte aus der Stadt Oelsnitz zurückkchren wollte, dabei aber den entgegengesetzten Weg nach Raasbcrg cingcschlagen hatte, unsern dieses Dorfes er froren. Stollberg, 30. Jan. Das Königs. Gcrichtsamt Stollberg er läßt im dortigen Amtsblatte eine Polizeiverordrnuug, die allgemeines Staunen erregt. Nach 11 Uhr darf sich niemand in einem öffent- licben Local aufhallen; Wirth und Gäste, welche zuwiderhandeln, Versalien in eine Strafe von 5 Thlr., eventuell 14 Tage Gefängniß. Der Wirth wird im Wiederholungsfälle mit 10 Thlr., später mit Entziehung der Concesfion bestraft. Wir wollen nicht verkennen, daß eine jVcschränkung der Branntweinhöllen in dem Kohlenreviere ihr Nützliches hat, allein die Verordnung geht enschieden zu weit und greift zu tief in die persönliche Freiheit ein. Das Bürgermeisteramt in Altenberg ist infolge eingetretenen Todesfalles erledigt. In der Stadt Leisnig und den umliegenden Dörfern sind die Masern epidemisch aufgetreten. Die allgemeine Volkszählung innerhalb des Gebietes des Zoll vereins wird bekanntlich, nachdem die letzte im Jahre 1867 ge schehen, in diesem Jahre wiederholt werden. Als Zählungstag ist der 1. Dcccmbcr festgesetzt worden, und werden die hierzu erforder lichen Drucksachen bereits angefcrtigt. Es wird diesmal das System der Zählblättchen vollständig durchgeführt, und zwar einem jeden Haushaltungsvorsteher neben einer Anzahl von Zähllisten auch ein Zählblatt für die abwesenden Familieug'.ieder, ein Zählolatt für die anwesenden fremden, nicht zur Familie' gehörigen Personen und ein Doppelblatt mit der Anweisung, wie die Ausfüllung der einzelnen Zählblättchen erfolgen solle, mbersendet. Die Uebersendung erfolgt in einem Couvert, auf welchem genau der Zweck der Zählung und der übersendeten Zählinstrumcnte verzeichnet ist, außerdem wird gleichzeitig auf dem Couvert an den Haushaltuugsvorsteher die Bitte ausgesprochen, die übersendeten Zählblättchen möglichst genau auszu füllen, oder Falls derselbe wünschen sollte, daß ein Mitglied der Bezirks-Zähluugs-Commission dies thun solle, dann dies durch einen auf dem Couvert auszufüllenden Vermerk kund zu geben. In dem umgearbeiteten Entwurf deS norddeutschen Strafge setzbuchs ist die Todesstrafe beibehalten für folgende drei Fälle : 1) Wer es unternimmt, einen Bundesfürsten zu tödten, gefangen zu nehmen, in Feindesgewalt zu liefern oder zur Negierung unfähig zu machen; 2) wer einer Thätlichkeit gegen seinen Landesherrn oder während seines Aufenthaltes in einem Bundesstaate einer Thätlich keit gegen den Landesherrn dieses Staates sich schuldig macht; 3) für den Fall des Mordes. Die frühere Bestimmung: „die Vollstreckung der Todesstrafe soll in einem umschlossenen Raume stattsinden," ist in dem neuen Entwürfe nicht mit ausgenommen. In Bayern platzen die Geister gewaltig auf einander. Der Kampf um die bayerische Selbstständigkeit und zunächst wider und für den Fürsten Hohenlohe hat sich aus der Kammer der Neichs- räthe in die Kammer der Abgeordneten, von da ins ganze Land und bis in das Schloß des Königs ausgebreitct. Der Reichsrath wollte sein Mißtrauensvotum dem König überbringen. Die Deputation bestand aus beiden Präsidenten und aus Fürsten und Grafen, der König nahm sie nicht an. Drei Prinzen seines HauseS, die dem Mißtrauensvotum beigesiimmt hatten, crtheilte er einen Verweis und verbot ihnen den Besuch des Hofes. — In der 2tcn Kammer ist der Kampf lichterloh entbrannt. Die Patrioten überschütten den Fürsten Hohenlohe mit Anklagen und Gefühlscrgüssen; er antwortet: Bringen Sie mir Thatsachen, welche zeigen, daß ich kein Vertrauen verdiene! Patriot Greil rief: Wohlan, eine Thatsache! Sie haben Güter in Preußen und können deshalb keine besondere Anhänglich keit an Bayern haben. — Hohenlohe: Ich habe keine Güter in Preußen, leider keine! — Patriot Schleich will kein militärisches Concordat, wenigstens nicht mit Preußen. „Warum schweigt die Thronrede über Oesterreich?" „Oesterreich existirt noch und ist der Grundstein der europäischen Ordnung." „Süddeutschland kann nur verlheidigt werden im Einvernehmen mit Oesterreich." (Taran ist etwas und Preußen, Bayern und Oesterreich mögen sich einigen.) Völderndorff: Ein Südbund ist unmöglich, ich weiß es aus bitt rer Praxis; der Diplomat, der Bayern, Württemberg und Baden unter einen Hut bringen will, gleicht dem alten SisyphüS, den die Götter dazu verdammten, den Felsblock den Berg binauf zu wälzen, der Block rollte immer wieder abwärts. Sepp zitirt eine Zeit, wo Bayern vom adriatischen Meer bis an die Nordsee gereicht haben soll. Völk antwortet: Wenn diese Zeit Wiederkehr!, dann werde ich auch bayrischer Partikularist und kleide mich blauweiß vom Kopf bis zu den Füßen; denn auf den Namen und die Farbe kommt es nicht an, nur auf ein großes, mächtiges, einiges Vaterland." Sepp: Lieber die 1849er Frankfurter RncbSverfassung sammt Grundrechten als den Anschluß an Preußen (Rordbund), das vor 200 Jahren noch halb slavisch war. Völk: Warum habt Ihr Herren 1849 ni ht