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inänteln der Vergehen jüngerer Geschwister führt. Der geschilderte Widerstreit in den Ansichten und Grundsätzen kommt nur zu häufig vor. Oft verbietet der Vater dem Kinde mit Strenge Etwas, was die Mutter wenige Augenblicke später doch erlaubt, sei cs durch ihr Schweigen und Gewährenlassen, sei es durch eine ausdrücklich abge gebene Erklärung. Eben so oft kommt es vor, daß die Mutter ge wisse Handlungen ge- oder verbietet, und das Kind je nach seinem Verhalten in Bezug auf den erhaltenen Befehl entweder belobt oder bestraft, während der Vater sich dabei ganz gleichgiltig verhält. Wie häufig bringt man ferner in Erfahrung, daß der Vater da lobt, wo die Mutter straft, daß z. B. der Vater in Gegenwart des Kindes eine gewisse That desselben für ein Zeichen von Muth und Festigkeit des Characters erklärt, welches die Mutter kurz vorher als offenkun digen Ungehorsam und als Aeußerung des Trotzes bestraft hat, oder im Gegentheile dazu, daß die Mutter das als ein bloßes Versehen, als eine Unachtsamkeit entschuldigt, was der Vater als sträflichen Leichtsinn, oder als Verlogenheit behandelt wissen will. In allen den angeführten Fällen ist aber eine Einheit der ergriffenen Erziehungs maßregeln nicht wahrzunehmen. Ja, wenn dieselbe nur wenigstens in den einzelnen erziehlichen Thätigkeiten des Vaters, der Mutter rc. als Folgerichtigkeit vorhanden wäre. Die Beobachtung der Wirklich keit lehrt jedoch, daß in gar vielen Fällen der häuslichen Erziehung auch die Consequenz fehlt. - Zu der einen Zeit beschäftiget sich der Vater oft und gern mit seinem Kinde und hält es mit Eifer zu allem Guten an, von allem Schlechten ab; zu einer andern Zeit kümmert er sich vielleicht gar nicht um dasselbe und will im Häuslichen von allem Aerger möglichst verschont bleiben. Dann läßt er auch, was er früher streng bestrafte, ungeahndet. Mütter strafen und loben nicht selten in einem Athem- zuge, sprechen in der Regel eine Menge Befehle aus, aber lassen es meistens auch bei dem blosen Aussprechen bewenden. Selten achten sie sorgfältig darauf, daß dem Befehle jederzeit genau nachgekommen werde und noch seltener führen sie die ausgesprochenen Strafandroh ungen aus. Der Nachtheil, welcher durch den Mangel einer einheit lichen und consequenten Hauserziehung erwächst, liegt auf der Hand. Das Kind entdeckt sehr leicht diese Schwächen im Hausregimente und lernt sehr bald dieselben benutzen. Es legt den Geboten, auf deren Erfüllung nur gelegentlich gedrungen wird, wenig Werth bei und versucht, einmal oder öfter der angedrohten Strafe entschlüpft, immer dreister die ersteren zu umgehen. An Stelle der treuen Pflichterfüll ung und des Ehrgefühles wird sich dann immer gefahrdrohender Un gehorsam, Nachlässigkeit und Schamlosigkeit, an Stelle der Wahr haftigkeit und der Thatkräftigkeit aber Verlegenheit und Willens- schwäche einstellen. (Fortsetzung folgt.) Tngesgeschichte. Wilsdruff, am 4. November 1872. Die durch die warme Witterung im heurigen Herbste hervorge brachte besondere Fruchtbarkeit hat auch in unserer Gegend sclkne Erscheinungen erzeugt. So hat Herr Schmiedemcister Raabe in Lampersdorf Rettige im Gewicht von 13 und 9 Pfund erbaut und liegt ein dergleichen Exemplar in der Größe eines ZuckerhuleS auf hiesigem Postamt zur Ansicht aus. Ferner hat Herr Gutsbesitzer Händel allhier reife Erdbeeren, Herr Bibliothekar Fritzsche reife Him beeren gewonnen, Herr Wachtmeister Pause hat blühende Veilchen gepflückt und bei Frau verw. Holfert sind 7 Stück junge Franzosen angekommen. - Die Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie hat nun auch Da- men-CoupoS dritter Classe eingerichtet, sowie auch die Wärmung der Waggons dritter Llaffe fest beschlossen und dadurch den Beweis ge liefert, dem Fortschritt zu huldigen und allen humanen Ansprüchen zu genüg ein Dresden, 2. November. Die erste Kammer hat heute den Depntationsbericht über die revidirte Slädteordmmg berathen und die W. 51 bis 100 des Entwurfs im Wesentlichen nach den Vor schlägen der Deputation angenommen. Die 2. Kammer erledigte in einer kurzen Sitzung die Berathung des Entwurfs einer Städteordnung für mittlere und kleinere Städte (Referent v. Könneritz), welcher mit unwesentlichen Aenderungen nach den Deputationsanträgen Annahme fand. Das „Dresdn. Journ." veröffentlicht das officielle Programm für die Hoffestlichkeiten bei dem goldenen Ehejubiläum unserer könig lichen Majestäten. Dasselbe bestätigt, daß am 7. u. 8. November bereits der Empfang der Hofstaaten, der Minister, die Präsidien der Kammern, das diplomatische Corps und der verschiedenen, sehr zahl reich angemeldeten Beglückwunschdeputationen bei Ihren Majestäten stattfiuden wird. Am 8. November Nackmittags sind die Vorstände der empfangenen Deputationen aus dem Lande zur königl. Tafel geladen. Am 9. November (zu welchem Tage die kaiserlichen Majestäten aus Ber lin eintrcffen) finden weder Audienzen noch Receptionen statt. Am 10. November Vormittags 10 Uhr findet im Eckparadesaale der 2. Etage des k. Schlosses die kirchliche Einsegnung königl. Jubelehepaares statt, wo rauf dasselbe sich mit der königl. Familie nach der katholischen Kirche be- giebt, wo der Ambrosianische Lobgesang unter Glockengeläut« und Geschützdonner abgesuugen wird. Um 4 Uhr Nachmittags ist große königliche Tafel, Abends Festvorstelluug im Hoftheater (zu welcher das Oberhofmarschallamt die Billets vertheilt). Am 11. Abends 8 Uhr findet ein großer Hofball statt, zu welchem alle bei Hofe vorge- stellten Damen u. Herren ohne besondere Einladung erscheinen können. 29. Oktober. Es sind hier in letzter Woche zwei Unglückssälle zu beklagen gewesen. Am Mittwoch stürzte der hiesige Schlossermeister Böhm von einer im Bau befindlichen Dampfesse ca. 40 Ellen hoch herab, wodurch er sich außer verschiedenen anderen Beschädigungen mehrere Rippcnbrüche zuzog, welche aber wunderbarer Weise nicht lebensgefährlich sind. — Gestern Nacht stürzte der 35 jährige Briefträger Robert Kämpf, bei der herrschenden Dunkelheit vom rechten Wege abgekvmmen, in einen unweit seiner Wohnung ge legenen Kalksteinbruch, wodurch sein augenblicklicher Tod herbeige führt worden ist. Er hinterläßt eine Wittwe und 2 Kinder. Bellin, 31. October. Das Herrenhaus lehnte die Kreisordnungs- Vorlage in der Schlußabstimmung mit 147 gegen 18 Stimmen ab, nachdem der Minister des Innern erklärt hatte, daß das Ministerium nach Ablehnung der Vorlage die Session schließen, sofort die neue Session eröffnen und die Kreisordnungsvorlage mit allen gesetzlichen Mitteln durchsetzen werde. Die Rede des Ministers von Eulenburg vor der Abstimmung lautet ausführlich wie folgt: Sie haben jetzt darüber zu beschließen, ob die Gesetzvorlage für diese Session be seitigt sein soll. Wenn Sie dieselbe im Ganzen verwerfen, dann ist sie für diese Session beseitigt. Fällt der Beschluß so, so würde unter anderen Verhältnissen vielleicht die Demission des Ministeriums oder speciell des Ministers, der mit der Führung der Angelegenheit betraut ist, die Folge sein. Sie werden uns zutrauen, daß wir, sähen wir darin eine Förderung des Werkes, keinen Augenblick Anstand nehmen würden, unsere Demission zu den Füßen Sr. Majestät niederzulegen; allein die Sache steht in diesem Augenblick anders. Se. Majestät haben die Ueberzeugung, daß das Zustandekommen einer auf den Prinzipien der Regierungsvorlage beruhenden Kreisordnung noth wendig sei, in dieser Ueberzeugung müssen Sie jedem Minister gleiche Aufgabe wie uns stellen. Wenn Sie die Ablehnung beschließen, so wird die Session geschlossen und eine neue einberufen werden, worin die Krcisordnung zur ersten Vorlage gehören wird. Wir sind von der Nolhwendigkcit ihrer Durchführung im Einverständniß und mit voller Zustimmung Sr. Majestät so überzeugt, daß wir die Aufgabe nicht fallen lassen, die Erreichung suchen werden mit allen Mitteln, welche die Verfassung gewährt. Nach der Rede des Ministers for derte Kleist v. Retzow zur Ablehnung auf. Graf Münster (Hanno ver) erklärt für seine Freunde, die Ablehnung sei jetzt eine moralische Nolhwendigkcit. Berlin, 1. Nov. Der Staatsanzeiger veröffentlicht die königl. Verordnung, durch welche beide Häuser des Landtages auf den 12. November zur neuen Session einbcrufen werden. Die S. Weimar. Kassenanweisungen vom 1. November 1869 müssen bis 30. April 1878 umgetauscht werden, weil sie vom genannten Tage an werthlos werden. Bericht über die am 28. September d. I. abgehaltene Sitzung des Stadtverordneten - Collegiums. Anwesend: die Stadtverordneten Otto Loßner, Louis Bret schneider, Gerlach, Böhmer, Junge, Partzsch, Springsklee und der Unterzeichnete. Wühlend der Sitzung entschuldigt Stadtverordneter Heinrich Funke. Das Collegium lehnte 1. mit 6 gegen 2 Stimmen den Beitritt zu dem Beschlusse des Stadtrathes, Herrn Bürgermeister Kretzschmar eine Gehaltserhöhung von 100 Thlr. —- —- jährlich anzutragen, ab, beschloß dagegen einstimmig, dabei ausdrücklich zu erklären, daß man bedauern würde, wenn Herr Bürgermeister Kretzschmar, dessen Qualification zu seiner Stellung man keineswegs verkenne, dieselbe definitiv aufgeben sollte, und den Stadtrath zu ersuchen, dem Herrn Bürgermeister Kretzschmar dies mit dem Beifügen auszudrücken, daß das Collegium bereit sein werde, einer entsprechenden Erhöhung seines Gehaltes sofort seine Zustimmung zu geben, wenn, wie wohl in Bälde zu erwarten, seine Thätigkcil als Bürgermeister in höherem Grade als bisher in Anspruch genommen werden werde; beschloß den Stadtrath zu ersuchen 2. wenn, wie es den Anschein habe die Verlegung des hiesigen sogenannten Weihnachtsmarktes trotz der vom diesseitigen Collegio ergangenen bezüglichen Aufforderung immer noch nicht in entsprechender Weise öffentlich bekannt gemacht worden sei, dies nunmehr schleunigst zu bewirken; ebenso 3. die nölhigcn Schritte zu thun, daß in Wilsdruff eine Tele graphen-Station errichtet werde; und endlich 4. die in hiesiger Bürgerschaft schon wiederholt angeregte Ver schönerung der äußeren Freiberger Straße, sei es durch völlige oder theilweise Beseitigung der dortigen Gärten oder Vornahme anderer Veränderungen in Aussicht zu nehmen und dem diesseitigen Collegio seiner Zeit entsprechende Vorlagen hierüber zugehen zu lassen. Wilsdruff, am 11. October 1872. Das Stadtverordneten-Collegium durch Adv. Ernst Sommer, d. Z. Vorsitzender. Wilsdruff, 4. Nov., Abends 6 Uhr. Beim Schluffe unseres Blattes hören wir plötzlich den Ruf der Rathhausglocke, welche ein Feuer im benachbarten Limbach signali- sirt. Wie wir von dort kommenden Reisenden hören, brennt ein zur dortigen Brauerei gehöriges Gebäude, die hiesige Spritze geht eben dahin ab. Die Gefahr des Weiterbrennens soll so ziemlich beseitigt sein.