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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn nnd die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 76. Freitag den 27. September 1872. Bekanntmachung. Der Mühlenbesitzer Herr Herrmann Eduard Bretschneider in Alttanneberg beabsichtigt auf seine in Groitzscher Flur gelegener Parzellen Nr. 93, 114, 115, 116 des dasigen-Flurbuchs eine neue Ziegelei zu errichten. In Gemäßheit 8 26 des Gewerbegesetzes vom 15. October 1861 macht man dies mit der Aufforderung bekannt, et waige Einwendungen hiergegen, soweit sie nicht auf Privatrechtstiteln beruhen, bei deren Verlust binnen 4 Wochen und längstens bis zum 29. Oktober 1872 allhier anzubringen. Wilsdruff, am 26. September 1872. Das Königliche Gerichtsamt. Die Auszahlung der Vergntunqsgelder für die Kriegsleistungen aus der Zeit vom 16. Juli 1870 bis zur Demo- bilisirung der Armee erfolgt durch die Stadtkämmerei in den Tagen Mittwoch den 2., Donnerstag den 3. und Sonnabend den 5. October während der Vormittagsstunden von 8 bis 12 Uhr und der Nachmittagsstunden von 1 bis 4 Uhr. Hierbei wird bemerkt, daß die nach dem Gesetz vom 28. März 1872 zu vergütenden Servisgelder noch nicht hier eingegangen sind, weshalb diese Gelder erst später zur Auszahlung gelangen können. Rath zu Wilsdruff, am 26. Septbr. 1872. Kretzschmar, Bürgermeister. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 26. September 1872. Wie wir heute bestimmt wissen, steht unserer Stadtgemeindever tretung die Ausschreibung zweier städtischen Aemter bevor, und zwar die Wahl eines Bürgermeisters und eines Stadtmustkdircctors. Herr Bürgermeister Kretzschmar hat bereits vor 14 Tagen und Herr Musik director Günther vorgestern so zu sagen gekündigt. Wie wir hören, gedenkt der Herr Bürgermeister Kretzschmar in Staatsdienst überzutreten; bei unserm Günther aber können wir wohl sagen: die Gründe seines Abganges kennen wir und billigen sie. Aus Interesse für unsere Stadt aber sprechen wir noch den Wunsch aus: Mögen diese beiden Wahlen — und ganz besonders die erstere — recht glückliche sein. — Wir wollen nicht unterlassen, heute nochmals auf die nächsten Sonntag Nachmittag 2 Uhr in Rothschönberg stattfindende Jahres feier des Wilsdruffer Zweigvereins der Gustav-Adolph-Stiftung auf merksam zu machen. — Wie aus den heutigen kirchlichen Nachrichten zu ersehen, be ginnt mit nächstem Sonntag der Vormittagsgottesdienst '/r9 Uhr. — Auf das in heutiger Nummer unseres Blattes befindliche Programm zur Weihe des eisernen Kreuzes, worauf wir schon in No. 74 aufmerksam machten, wollen wir hiermit unsere geehrten Leser ganz besonders verweisen und daran erinnern, wie erhebend die vorjährige Weihe der Gedenktafeln war; damit nun auch die bevorstehende Weihe des eisernen Kreuzes eine recht würdige werde, hat, wie man ans dem Programm ersieht, der sich gebildete Aus schuß zur Beschaffung des Kreuzes sich in den meisten Punkten nach dem vorjährigen Programm gerichtet und erwartet folglich auch eine gleiche zahlreiche Betheiligung, welche wir ihm für seine vielen Mühen und Opfer, welche er bei Beschaffung des eisernen Kreuzes gehabt, von Herzen wünschen. Und gewiß, der Patriotismus für die Sache ist bei unserer Bevölkerung noch so frisch, daß eine zahl reiche Betheiligung bestimmt zu erwarten ist. Dresden, 25. September. Das „Dresdn. Journ." bestätigt, daß der sächsische Landtag zum 28. October wieder einberufen werden soll. — Der heutigen Verhandlung des ersten allgemeinen deutschen Handwerkertags haben die Staatsminister des Innern und der Justiz, v. Nostitz-Wallwitz und Abeken, beigewohnt. — Heute Mittag 1 Uhr hat unter Theilnahme der Spitzen der Behörden die feierliche Eröffnung der Pferdecisenbahn Dresden-Blasewitz stattgefunden. Die deutsche Reichspostverwaltung beabsichtigt, der nützlichen Einrichtung der Correspondenzkarten eine weitere Ausdehnung und Vervollkommnung dadurch zu geben, daß die Karten mit der darauf geschriebenen Antwort vom Empfänger wieder an den ursprünglichen Absender zurückgesandt werden können. Eine Erhöhung des Portos für solche Correspondenzkarten soll nicht eintreten. Berlin. Besten Vernehmens sind die 500 Millionen Francs, welche Frankreich an Deutschland zu zahlen hatte, unter pünktlicher Innehaltung der Termine jetzt vollständig in Straßburg der General staatskasse cingegangen, so daß dieser Tage der Reichskanzler die Reichsmilitär-Verwaltung auffordern konnte, ungesäumt das Erfor derliche zu veranlassen, um diejenigen Departements zu räumen, welche laut Vertrag nach Zalung der 500 Millionen-Rate der französischen Verwaltung zurückfallen. Vor der sechsten Kriminal-Deputation des Stadtgerichts zuBerlin kam am 14. folgende Sache zur Entscheidung: Auf dem Hamburger Bahnhofe besteht die Vorschrift, daß bei Abgang und Ankunft der Züge die dem Publikum überlassene Freitreppe durch Wagen nicht behindert werden darf. Der zur Aufrechterhaltung der Ordnung be stellte Schutzmann Piper bemerkte nun am 20. Januar d. I. nach Ankunft des Zuges gerade vor der Freitreppe einen mit mehreren Damen besetzten Wagen, dessen Insassen in eifriger Unterhaltung mit einem am Schlag lehnenden Offizier, dem Angeklagten Frhrn. v. Meck lenburg, Reserve-Prcmicr-Lieuteuant des Garde-Kürassir-Negiments, begriffen waren. Piper wollte seiner Instruction gemäß auf Frei halten der Passage dringen, kam jedoch bei dem Herrn Lieutenant übel an, denn dieser fuhr ihn mit folgenden Worten an: „Was wollen Sie? Ich lasse unter allen Umständen vorfahren und wenn Sie es zehnmal verbieten, sagen Sie das dem Präsidenten." Und mit graziöser Handbewegung winkte er seinem Kutscher zu: „Kutscher, Vorfahren!" Piper kannte seinen Dienst. Er setzte sich in Positur, um die Pferde zurückzuhalten, erhielt jedoch plötzlich von dem Lieute nant einen solchen Stoß in den Rücken, daß er sofort zu Boden stürzte und infolge bedeutender Verletzungen am Schienbein 3 Wochen dienstunfähig wurde. Dem beleidigten Selbstgefühl des Hrn. v. Meck lenburg war damit aber noch nicht Genüge geschehen ; er machte dem Gouvernement Anzeige von dem Vorfall und forderte kategorisch eine Zurechtweisung des Schutzmannes, mußte aber erfahren, daß Letzterer vollständig korrekt gehandelt habe. Mittlerweile erhielt Hr. Baron v. Mecklenburg seinen Abschied und der Fall gehörte nun vor da»