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1872 Dienstag den 27. August Aus Dresden wird gemeldet, das; daselbst wiederholt in die Arbeitslocalitäten des Instrumentenmachers Nöuisch während der Ar beitszeit mit Bleikugeln geschossen worden sei. Das Direktorium des deutschen Cigarrenfabrikanten-Vcreins macht bekannt, daß die Eigarrcnarbeiter Berlins, nachdem dieselben vier Monate lang die Arbeit eingestellt haben, ohne Ausnahme unter den früheren Bedingungen die Arbeit ausgenommen haben. Berlin. Der „Neichsanzeiger" meldet: Sämmtlichc Bczirksrc- gierungen sind angeregt worden, der beabsichtigten Nationalfcier am 2. September ihre Theilnahme zuzuwenden. Die Regierungen ord neten deshalb das Ausfallen des Unterrichts in den der Staatsauf sicht unterstellten Schulen am 2. September an. Empfohlen wurde von ihnen eine besondere Schulfeier, die übrigen Feierlichkeiten wur den dem Ermessen der Lehrer und der Behörden überlassen. Die „Magdeb. Blätter" melden folgendes Programm für die Feier des Tages von Sedan: I. am Abend des 1. September 8 Uhr als Vorfeier, Geläut mit sämmllichen Glocken, 2. am Festtage selbst: Decoration des Rathhauses und möglichst reicher Fahnenschmuck der Häuser, Morgens: Schulfeierlichkeiten, um 10 Uhr: FestgotteSdienst in der St. Jvhanniskirche, um 12 Uhr: Vortrag patriotischer Lieder der hiesigen Mannergesangvereine auf dem alten Markle, Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, zum Schluß „Nun danket alle Gott", von sämmllichen Anwesenden unter Geläut der Glocken und Kanonendonner gesungen. Nachmittags von 3 Uhr ab: Volksfest auf den Wiesen beim Hcrrrenkruge mit Doppelvrchester, Vorträgen der Gesangvereine, Illumination und Feuerwerk. Schluß des Festes: Erleuchtung der Domthürme. Wie im Großherzogthum S. Weimar, so ist auch in dem Her- zogthum S. Meiningen eine kirchliche Gedenkfeier auf den 2. Sep tember angevrdnet worden. Nachmittags soll in allen Gemeinden den Schulkindern eine Freude bereitet werden. Aus allen deutschen Universitäten vermindert sich die Zahl der Studirendcn der evangelischen Theologie von Jahr zu Jahr. Es ist aber auch kein Wunder, da die geistlichen Stellen nicht auf- gebessert werden, sondern bleibe» wie sie vor hundert Jahren ge wesen sind, höchstens daß man die Vesvldungsschraube ansctzt und die Besoldungen ans dem Papier erhöht. Kaiser Wilhelm hat von Gastein aus eigenhändig an Kaiser Franz Joseph geschrieben, es sei ihm Herzensbedürimß, das schöne, gastliche Oesterreich nicht zu verlassen, ohne seinen Kaiser und seine Kaiserin persönlich begrüßt zu haben. Kaiser Franz Joseph antwor tete umgehend und lud den Kaiser zu sich und der Kaiserin nach Ischl ein. In dec Pfalz klagt man über das Ueberhandnehmcn der Feld mäuse. Sie haben schon dem Getreide, das nun ihren Zähnen ent rückt ist, großen Schaden gethan, jetzt machen sie sich über die Kar toffel-, Klee- und Rübenäcker. Die Saarbrücker Kohlengruben geben ungeheure Ausbeute. Im Durchschnitt belief sich die monatliche Förderung der Grnben im Jahr 1872 bis jetzt ans 6,584,300 Centncr. Im Monat Juli aber ergab Ler Ertrag 6,674,640 Centner. Mit der Förderung hielt der Absatz gleichen Schritt. Von allen den Zeitungen, die die Drei-Kaiser-Zusammen kunft zum Thema ihrer Leitartikel genommen, hat die Auslassung der Katkow'schen Moskauer-Zeitung, die bekanntlich bis vor Kurzem noch ihren Haß gegen Preußen und alles, was deutsch war, in de monstrativer Weise geoffenbart, die meiste Aufmerksamkeit erregt. Die Zusammenkunft wird jetzt von dem erwähnten Blatte als ein ernstes Unterpfand des europäischen Friedens, als eine feste Bürg schaft für den Fortschritt, als ein hochwichtiges politisches Ereignis;, Eine Quantität Butter, welche am letzten Wochenmarkte hier confiscirt worden ist, wird nächsten Donnerstag, den 29. August 1872, Nachmittags 4 Uhr im Rathssesfionszimmer öffentlich versteigert. Rath zu Wilsdruff, am 26. August 18/2. Kretzschmar. Tagesgeschichte. Die „H. Drsz." bringt in ihrer neuesten Nummer eine kurze Antwort auf die Klage über Dienstboten, welche wir in unserer letzten Freitagsnummer des allgemeinen Interesses halber abgedruckt haben, heute lassen wir nun auch die Antwort folgen. Dieselbe lautet: „Wir stimmen mit Ihnen überein: Dienstzcugnisse sind zwar nicht zuverlässig, aber trotzdem nützlich — wenn auch die Dienst bücher abgeschafft sind, so braucht doch kein Herr einen Dienstboten ohne Zeugniß der früheren Herrschaft anzunchmcn. Hat man aber einmal gemielhet, so lasse man den Dienstboten merke», daß es sein eigener Vortheil ist, wenn er ordentlich dient. Bou allem Vergnügen kann man das junge Volk nicht absperre»; der Dichter sagt: Saure Wochen, frohe Feste; Tages Arbeit — Abends Gäste. Ferner wird ost den Dienstboten auch zu viel zugcmulhet, jeder Herr muß Geduld haben und ei» halbes Jahr kostet es, sich einen Knecht oder Magd fürs Hauswesen nach Wunsch cinznrichtem Dann ist auch ein wahres Sprüchwort: Wie der Herr so der Knecht, wie die Frau so die Magd! Ein rechter Hausvater behandelt sein Gesinde wie Familicnglieder, da wirds den Leuten wohl und sie arbeiten gern und so, wie es die Herrschaft ihnen selbst vormacht. Ein thätiger ordentlicher Wirth kann, das ist Erfahrung, selbst aus einem ungezogene» u»d verwil derten Burschen sich einen brauchbaren Knecht heränziehcn. Gegen Lontractbruch schütze» übrigens die Gesetze, nöthigcnfalls wird eingesperit und das hilft schon. Ich meine nicht, daß der Reichstag gerade deswegen neue Paragraphen zu machen braucht. Es thuts schon eine ordentliche Polizei Und das aufsichtführende Landralhsamt. Daß die Lohnsätze höher sind als ehedem, ist kein Wunder bei der Entwerthung des Geldes und bei der Entwickelung der Industrie, welche allenthalben Kräfte braucht. Dafür kann das Gesinde nicht, daß die Preise der landwirthschaftlichc» Erzeugnisse nicht in gleichem Grade gestiegen sind. Es muß eben dcr Landwirlh auch mit Maschinen arbeite», sonst kann er nicht concurriren. — Wie endlich der Kindergarten gute Dienstboten schaffen soll, das ist wohl gut gemeint, aber — Lustschloß auf Staatskosten! Ich denke, gute Schule», regelmäßig besucht, thim mehr, als ein Spielgärtlein für 2—5jährige! Die Rohheit ist da »och nicht gefährlich; allerdings Kinder auf dem Lande können schon recht gut mit dem 6. Jahr in die Elementarklasse komme», denn sie sind allemal entwickelter, als Stadtkindes und haben auch weniger Lehrstunden. Sv viel ist sicher, eine gwe L>chulbildu»g schadet auch dem Dienstboten nicht, zumal wenn die Herrschaft dies zu würdigen weiß!" Die langesuchte Anna Böckler wäre, nunmehr in Karlvwitz ausfindig gemacht-worden. Der Finder ist ein Militär-Urlauber. Derselbe hatte aus dem Aufenthalte einer größeren Zigcunerbande, die in einem Walde bei Karlowitz ei» förmliches Lager aufgeschlagcn hatte, die Muthmaßung geschöpft, die ihn auch richtig zum erwünsch ten Ziele führte. Er begab sich mit zwei Man» i» daS Lager, »nd bemerkte in Gesellschaft einer kauernden Zigeunertruppe ei» Kind, welches nach der ausgegebcnc» Beschreibung auf Anna Böckler schließen ließ. Rasch heranschreitend, richtete er an das Kind die Frage, ob es zu seinem Vater wolle. Mit unbeschreiblicher Freude stürzte aus die deutsche Anfrage daS Kind in die Arme des Urlaubers, nackt einigen Fragen konnte ein längerer Zweifel über Lie Judenlüät der Gesundenen nicht mehr obwalten. Zwei von den Zigeuner» wurde» festgenommen, de» klebrigen gelang es, sich auf die Flucht zu begeben. Der „Tagesbvte aus Böhmen", dem wir diese Notiz entnehmen, will sie aus verläßlicher Quelle geschöpft haben, ohne jedoch eine volle Garantie bieten zu wollen. ^7 «7 WochcnblaU Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsölait für dasKönigliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst