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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerrchtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. ^7 68. Freitag den 30. August 1872. Tagesgeschichte. Das sächsische Cultus-Ministerium hat unterm 26. d. M. nachstehende amtliche Bekanntmachung erlassen: „Zum Zwecke der Herbeiführung einer Einigung über ein der Erinnerung an die großen Ereignisse der Jahre 1870 und 1871 gewidmetes allgemeines deutsches Natioualfest hat die Königl. Sächsische Regierung schvu vor Monaten entsprechende Verhandlungen eingeleitet. Zur Zeit haben diese jedoch ein bestimmtes Ergebniß noch nicht zur Folge gehabt. Da inzwischen von verschiedenen Seiten der Wunsch ausgesprochen wird, eine solche Feier schon am 2. September zu veranstalten, so steht das unterzeichnete Ministerium, unter Vorbehalt einer künftigen ans allgemeiner Vereinbarung beruhenden Regulirung nicht an, dieser Anregung durch eine vorläufige Anordnung entgegen zu kommen, in dem es hierdurch sämmtliche Geistliche des Landes ermächtigt, am ge dachten Tage, wenn die Gemeinde dies wünscht, eine kirchliche Feier einzurichteu und nicht minder sämmtliche Schulvorstände und Lehrer anweist, die Schule in angemessener Weise am Feste zu betheiligen." lieber die Feier des zweiten September entnehmen wir der Weißeritz-Zeitung Folgendes: „Wir verzichten auf eine Wiedcrlegung der doktrinären Gründe, welche gegen die Wahl des 2. September ins Feld geführt worden find; aber zwei Fragen möchten wir an die Gegner richten. Wie kam es, daß alljährlich am Abend des 18. October, dem Tage der Schlacht von Leipzig, Freudenfener auf den Bergen in allen Gauen Deutschlands erglänzten, und warum hat Niemand den Pariser Frie den gefeiert? Wie kommt es, daß wir in der evangelischen Kirche gerade die erste geistige Waffcnthat Luthers, das Anschlägen der 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg am 31. October, und nicht die Uebergabe der Augsburgischcu Consession oder den Tag des Re ligionsfriedens feiern? Darum drauf und dran! Lasse sich keine Gemeinde, die beschlossen hat, den Tag von Sedan zu feiern, irrc- führen durch andere Stimmen. Allmählich wird sich doch dieser Tag zu einem nationalen Feiertage gestalten." Aehnlich denkt man in sehr vielen Städten Deutschlands und so dürfte eS sich denn auch empfehlen, daß sich in Betreff per Feier eines Natioualfestes entschlösse, den 2. Sep tember hierzu zu wählen. Bei der vorgerückten Zeit wird sich dieses Mal eine größere Feier kaum arrangiren lassen, allein möglich ist noch, allenthalben und besonders bei der Feier des auf diesen Tag verlegten Lluclsr- ksskss auf die Bedeutung des Tages aufmerksam zu machen, und die Stadt wenigstens mit Flaggen zu schmücken. Wir werden, das sind wir überzeugt, später bedauern, diesen Tag nicht wie anderwärts festlicher begangen zu haben, allein wir werden es uns gewiß als Mahnung dienen lassen, künftiges Jahr nicht m dieser Richtung hinter anderen Städten zurückzustehen. Das Chemnitzer Tageblatt berichtet aus Chemnitz vom 24. Ang.: „Wir haben in Erfahrung gebracht, daß auf Anordnung der städtischen Behörden in den hiesigen städtischen Schulen der 2. September als Ekinnerungstag. an die Ereignisse der Jahre 1870—71 festlich began gen werden soll. Zu diesem Zwecke werden an gedachtem Tage in den einzelnen Schulanstalten feierliche Schulacte stattfindcn, während am übrigen Theile des Tags der Unterricht ausgesetzt bleibt. Dresden, 29. August. Ein gräßliches Unglück hat sich vorgestern Abend in der 8. Stunde am Dammwege bei der Oppelstrasse ereignet. , Drei junge Burschen, ein 17jühriger Stcinguldreh^ Friedrich Richard Hickmann und zwei 13jährige Schulkuaben, Julius Hermann Petzold, Sohn eines Schlossers und Ernst Arthur Nake, Sohn eines Wagenwärters, waren auf noch unermittclte Weise, vermuthlich aber durch unerlaubtes Suchen nach Geschossen auf dem Artillerieschießplatz am Heller, in den Besitz dreier Granaten gelangt, welche sie zu obenerwähnter Zeit an dem angeführten Orte thörichter Weise mittelst eines Meisels und eines Hammers zu öffnen versuchten. Als nun gerade Petzold eine der Granaten in beiden Händen hielt und seine zwei Gefährten um ihn standen und mit Meisel und Hammer an dem Geschosse herumpochten, explodirte dasselbe und die drei Burschen wurden mehr oder minder schwer von den umhcrfliegcnden Stücken verwundet. Dem Knaben Petzold, welcher die Kugel gehalten hatte, wurden beide Hände abgerissen, Hickmann erlitt schwere Verletzungen am Kopfe und rechten Oberschenkel, Nake dagegen kam mit einer starken Fleischwunde im Gesichte davon, weshalb er auch seinen Eltern zur Pflege überlassen werden konnte, während die beiden Andern nach der Diaconisscn - Anstalt geswafft werden mußten. Dort sind dann dem Knaben Petzold die Armstümpfen ampulirt worden. (Dr. Nachr.) Zittau im August. Nachdem die hiesige Handels- und Ge werbekammer auf den Antrag des Vorsitzenden der Gewerbeabtheil- ung, Herrn Rudolph vou Eichgraben, die königl. Staatsregierung um Befürwortung der Wiedereinführung des Halbgroschen-Briefportos für kurze Entfernungen ersucht hatte (wobei darauf hingewiesen wor den war, daß die Ermäßigung des Briefporto's für weitere Entfern ungen, so dankenswerth sie auch au sich sei, doch hauptsächlich nur dem größeren Verkehr zu Gute komme, während die gleichzeitige Er höhung des Porto's für kleine Entfernungen nicht ganz mit Unrecht als ein Opfer des Kleinverkehres zu Gunsten des Großvcrkehrcs an gesehen werde, sowie daß die Ermäßigung des Porto's für Postkarten aus '/r Groschen einestheils wegen der Beschränktheit der Schreib- flächc, anderulheils wegen der Ocffeutlichkeit dieser Correspondenzart dem Bedürfnisse noch nicht völlig abhelfe), ist Seiten des hohen kgl. Ministerium des Innern der Bescheid zurückerflossen, „daß Seiten der kgl. Staatsregierung die gewünschte Wiedereinführung des früheren Briefportosatzes von '/, Groschen für kurze Entfernungen stets im Auge behalten und wiederholt angeregt worden sei, sowie daß man dies auch ferner thun werde. Mit dem Wachsen der Posteinnahme steige auch die Hoffnung auf Erfolg." Leipzig, 21. August. Der Laudesvereiu der Kaiser-Wilhelm- Stiftung für das Königreich Sachsen, welcher unter Vorsitz der Herren 'Generalstaatsanwalt vr. Schwarze, Bankier Bernhard Keil und Generalmajor v. Prenzel seit sechs Jahren besteht, hat soeben einen Bericht über seine Wirksamkeit veröffentlicht. Wir entnehmen demselben Folgendes: Unter dem Namen „Sächsischer Militärhülfs- verein" hatte der Verein sich zunächst die Aufgabe gestellt, Invaliden der sächsischen Armee aus dem Kriege des Jahres 1866 und die Wittwen und Waisen der in jenem Kriege Gefallenen zu unterstützen. Es wurde ein Kapital von 75000 Thalern zusammengebracht, und da die Dauer der Thätigkeit des Vereins auf 25 Jahre berechnet ist, so soll in jedem Jahre dieses Zeitraums außer den Zinsen auch ein Theil des Kapitales selbst zur Verwendung kommen, sodaß es sich nach und nach aufzchrt. In jedem Jahre seit dem genannten Kriege sind seither über 6000 Thaler zu baaren Unterstützungen verwendet worden; außerdem aber hat sich der Verein bemüht, seinen Schütz lingen Arbeit und Verdienst zu schaffen. Alsbald nach Ausbruch des Krieges von 1870 beschloß der Verein, seine Thätigkeit auch auf die Gefallenen und Hinterbliebenen aus diesem Feldzuge zu erstrecken, und zwar nicht btvs des sächsischen .Armeecorps, sondern aller deut schen Armeen, vorausgesetzt, daß die HülfSbedürftigen ihren wesent lichen Aufenthalt im Königreiche Sachsen haben. Infolge dessen schloß sich der Verein unter dem Namen LandeShülfsvcrein derKaiser- Wilhelm-Stiftung an. Neue Sammlungen, Verlosungen rc. gaben neue reichliche Ertrüge und so konnte der Verein im Jahre 1871 8600 Thlr. außerordentliche Unterstützungen, 3550 Thlr. fortlaufende Unterstützungen, 1500 Thlr. für Verpflegung in Bädern verausgaben, außerdem auch noch Mittel zur Beschaffung künstlicher Gliedmassen rc. zu gewähren. In Leipzig allein empfangen gegenwärtig 120 Par teien (Invaliden, Wittwen, Waisen und Ellern gefallener Soldaten) jährlich gegen 2400 Thlr. Zur Zeit verfügt der Verein noch über einen Kapilaibestand von nahezu 150000 Thlru.-; da er aber seine - Thätigkeit bis zum Jahre 1896 ansdehueu will, so ist ihm fernere Unterstützung dringend zu wünschen. Besonders namhafte Betrüge gehen ihm bisjetzt namentlich aus Leipzig und Dresden zu. Johanngeorgenstadt, 27. August. Die feierliche Einweihung der nach dein großen Brande neu erbauten Kirche hat am heutigen Tage unter sehr großem Andrang von vielen aus den benachbarten