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für Wilsdruff/ Tharandt, Rossen, Titbculchn und die Umgtgcudcn. AmisLkalt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 59. Dienstag den 30. Juli 1872. Tagesgeschichte. Das k. Ministerium des Innern erläßt jetzt folgende Verordnung: die Erklärung der Elsaß-Lothringer für die französische Nationalität betreffend: Nach Art. 2 des Frankfurter Friedeusvertrags vom 10. Mai 1871 (Reichsgesetzblatt vom Jahre 1871. S. 225.) haben diejenigen Elsaß-Lothringer, welche beabsichtigen, die französische Nationalität zu behalten, noch vor dem 1. October dieses Jahres eine hierauf bezügliche Erklärung bei der zuständigen Behörde abzugeben. Als diejenigen Behörden, vor welchen solche Erklärungen innerhalb des Königreichs Sachsen niedergelegt werden können, werden hier mit die Gerichtsämter und Stadträthe bestimmt und erhalten diese Verwaltungsbehörden hierdurch Anweisung, diese Erklärungen, welche sich darauf zu beschränken haben, daß der Erklärende unter genauer Angabe seiner Personalverhältnisse, ins besondere des Tages und Jahres, sowie des Orts seiner Geburt und seines vollständigen Na mens protecollarisch auslpreche, daß er sich für die französische Na tionalität entscheide, entgegenzunehmen und nach Ablauf der obenge- dachten Optiousfrist im Originale anher unmittelbar einzusenven. DaS „Sachs. Wochenbl." schreibt: I» der Leipziger Gegend hat man an den Kornfeldern wieder auffallend viel Mutterkorn bemerkt. Da die Ernte beginnt, scheint es angemessen, wenn wir die sorgfältige Reinigung des neuen Roggens dringend anempfehlen und an die be stehende Vorschrift erinnern, daß vom Mutterkorn nicht gereinigtes Getreide, sowie aus solchem bereitetes Mehl oder Brod bei Strafe weder in Handel gebracht, noch überhaupt nur dergleichen Getreide in den Mühlen zu irgend einem Behufe, also auch nicht zum Brannt weinbrennen, verschroten oder vermahlen werden darf. Gleichzeitig fei noch darauf aufmerksam gemacht, daß das Mutterkorn zu medici- nischen und technischen Zweien verwendbar ist, deshalb von Apothe kern und Droguisten gern gekauft wird, und das Auslesen und Sam meln desselben somit für Jung uud Alt einen leichten und lohnenden Erwerb darbietet. Auf dem Niltergute Kricb stein bei Waldheim verweigerten am Donnerstag früh die daselbst befindlichen 6 Knechte die Arbeit anzu treten und gaben als Grund hierzu an, daß sie dem neuen Pachter nicht nothwendig hätten ihr Dienstverhältniß fortzusetzen, verlangten cveut. bessere Kvst und eine Stunde späteres Aufstehen. In dieser Angelegenheit wendeten sie sich an das WaldHeimer König!. Gerichts- aml, woselbst sie indeß auf das Ungehörige ihres ThunS und auf die hieraus für sie erwachsenden Nachtheile aufmerksam gemacht wurden, so daß zwei im Laufe des Nachmittags und die andern vier, welche einen Spaziergang nach Mittweida unternommen hatten, am andern Morgen ihre Arbeit wieder aufnahmen. — Auch in Nudelsdorf haben zwei Knechte des Gutsbesitzer Striegler die Arbeit verlassen und versucht, die Dienstleute der umliegenden Güter aufzuwiegeln; sind indeß, da sie unter selben nur wenig geeigneten Boden für ihre Agi tation gefunden, ebenfalls zur Arbeit zurückgckehrt. Aus Lugau vom 23. April berichtet man dem „CH. T": Am gestrigen Morgen wurden auf hiesigem Gottesacker die wieder aufge- fundeneu Gebeine der ehemals verschütteten Bergleute, ebenfalls unter einfacher Feierlichkeit, in die für sic bestimmte große Gruft beerdigt. Bereits Hal nun dieses große Grab die Ueberreste von 100 Verschüt teten ausgenommen und hat somit nur noch einen einzigen aufzuneh- men, dessen Zutagcsörderung man aber noch erwartet. In einer Steingutfabrik in Colditz ereignete sich der schreckliche Fall, daß ein Handarbeiter in eine große Pfanne stürzte, in welcher die Thonmasse gekocht wird. Trotz der hierbei erlittenen Brandwun den lebte der Unglückliche noch volle 15 Tage. Der geschüfisführcnde Ausschuß des deutschen Lehrcrvereins hat neuerdings einen Aufruf an die deutschen Volksschullehrer gerich tet, worin dieselben aufgefordert werden, sich dem genannten Verein anzuschließen. Nach dem beigefügten Statut besteht der Zweck des Vereins in Folgendem: Der deutsche Lehrerverein bezweckt die För derung der Volksbildung durch Hebung der Volksschule und erstrebt im Einzelnen: 1. eine der Wichtigkeit der Schule eutsprecheude Stell ung derselben im Staate; 2. die Hebung der Bildung des Lehrer standeS; 3. eine dem jetzigen Stande der Pädagogik entsprechende Organisation des Unterrichtes; 4. eine zweckmäßige Ausstattung der Schulen; 5. eine Besoldung des Lehrers, welche mit der Bedeutung seines Berufes im Einklänge steht; 0. die Leitung und Beaufsichtigung der Schulen durch Fachmänner. Diesen Zweck sucht der Verein zu erreichen: 1. durch eine stetige Bilduugsarbeit der Lehrer an sich selbst im kleineren uud größeren Wirkungskreise, namentlich auch in Svecial- vereinen; 2. durch Belheiliguug an der Thäiigkcil der bestehenden und an der Gründung neuer VolkSdilduugs-Vereiue, sowie durch Ver breitung richtiger Anschauungen von dem Wesen und der Aufgabe der deutschen Volksschule vermittelst der Presse; 3. durch Einwirkung auf die Verwaltungs-Behörden und die gesetzgebenden Factoren. Der Vorschlag, künftig alle Jahre am 2. September ein deut sches Nationalfest zu feiern, findet nicht überall Billigung, nament lich deshalb, weil in Süddcutschland dieser Tag in die Ferienzeit fällt; so daß dort eine Schulfeier nicht möglich wäre. Würde dagegen der 10. Mai zum Frieden-fest erwählt, so ließe sich diese Feier zu gleich mit den an vielen Orten bestehenden Maifesten vereinigen. Wenn unsere So eia listen von „Revolution" reden, schreibt die „N. A.-Z.", daun verstehen sie unter diesem Worte be kanntlich niemals jene Ereignisse, welche alle Welt unter jenem Worte zu verstehen pflegt; namentlich thut man diesen friedfertigen, ordnungs liebenden Leuten auf das Grausamste Unrecht, wenn man glaubt, sie dächten bei dem Worte „Revolution" an Anwendung von Gewalt. Selbst die feindlichen Linien der Socialdemokraten sind in dieser Beziehung einig. Im Proceß gegen den Braunschweiger Ausschuß, im Leipziger Hochverrathsproceß konnte man dieselbe friedliche Er klärung deS Begriffs „Revolution" vernehmen, welche man im „Neuen Socialdemokral" lesen konnte. Um nun den Charakter der socialdemokratischen Agitation scstzustelle», ist es von nicht unerheb lichem Interesse, zu wissen, wie sich die Sendliuge dec Socialdemokratie auf ihren Agitalionsreisen vernehmen lassen, und insofern hat die „Psälz. Post" unsere Wissenschaft von der Socialdemokratie in an- erkennenswerther Weise dadurch bereichert, daß sie die Reden zweier norddeutschen Socialdemvkraten, welche im vorigen Monat in Lam brecht vor einer Versammlung sinkender Arbeiter gehalten sind, durch den Druck verewigt hat. Der Eine dieser Agitatoren, Herr Hartmann aus Hamburg, erklärte zuvörderst, „Ochse uud Pferd des Fabrikanten stünden weit über dem Arbeiter; auch die Sklaverei sei Gold gegen die heutige Freiheit der Arbeit." Den Schluß der Rede giebt die von uns genannte Zeitung folgendermaßen wieder: „Unsere Aufgabe ist es, Euch aufzullärcu, wir kommen aus dem Norden, um Euch süd deutschen Brüdern zu helfen; wir sind die Agitatoren für eine große Sache; Ihr müßt einsehen lernen, daß wir Menschen sind; "wenn man Euch Euer Menschenrecht nicht gutwillig giebt, so nehmen wir es mit Gewalt. Wir sind die stärksten, wenn wir einig sind. Die deutsche Kaisermacht ist eine Null, wenn die Arbeiter aufsteheu uud losschlagen. Dumm will man Euch halten, denn da läßt sich gut regieren. 1848 hat man das Volk betrogen, es läßt sich nicht zum zweiten Mal betrügen. Unser hochverehrter Ferd. Lassalle hat uns wach gerusen, er ist der Begründer unseres zukünftigen Glückes, er hat uns den Weg gezeigt; ein einiges Band muß die ganze Arbeiter familie aller Länder umschlingen. Die bestehenden Verhältnisse müssen gestürzt werden, sie sind nicht eines Menschen würdig; lieber noch in der Türkei leben, als hier unter diesen Tyrannen schmachten. Die Arbeit ist die Lehrertheorie (?) der Erde und die Arbeiter müssen die Herrscher werden." Der andere Agitator, Herr Froyme, stellte folgenden angenehmen Satz auf: „In dem Hasse deS Arbeiters gegen den Fabrikanten blüht seine schönste Sittlichkeit." Bezüglich des allgemeinen Wahlrechts zum Reichstage hat besagter Agitator die gewiß neue Entdeckung gemacht, „die Agitation der Abeiter habe dieses Wahl recht erwirkt;" in Betreff des Natioualbewußtseins dieses Reisenden in Socialismus verzeichnen wir Folgendes: „Uns kann eS gleichgiltig sein, ob wir als französische oder deutsche Esel geritten werden, wenn wir einmal Esel sind." Der Schluß der Rede dieses Vier- füßlers lautet: „Es giebt keinen Na^enkampf mehr, aber dafür ent brennt der Klassenkampf. Der jetzige Staat ist eine Lüge, er muß gestürzt werden und ein neues Staatensystem muß an dessen Stelle