Volltext Seite (XML)
ochcnbl alt fur^as Königliche GerichtsamL Wilsdruff und den Studtrath daselbst 30 Dienstag den 16. April 1872 Deutschland seit den letzten fünf Jahren. Noch giebt cs in Deutschland viele Leute, welche die Meinung äußern, der Krieg von 1866 sei ein Bruderkrieg, deshalb grausam und unverantwortlich gewesen. Gewiß ist Beides unleugbar, gleich wohl aber war dieser Krieg eine historische Nothwendigkcit, denn wie hätte wohl Deutschland auf seine jetzige Höhe kommen können, wenn nicht ein solches Ereigniß den Weg dazu gebahnt? Es handelte sich bekanntlich darum in Deutschland, ob Oesterreich oder Preußen berufen und befähigt sei an der Spitze der kleinen deutschen Staaten zu schreiten. Jedermann, der nur einigermaßen die deutsche Geschichte kennt, weiß, daß Oesterreich und Preußen jederzeit bestrebt waren, jedes für sich, die Oberherrschaft in Deutsch land zu gewinnen, infolgedessen ein unaufhörliches Hin- und Her- zerrcn staltfand und Deutschland namentlich nach außen eine fast er bärmliche Nolle spielte. Man beschuldige uns durchaus nicht der Parteilichkeit, wenn wir die Behauptung aufstellen, daß Preußen, nimmermehr aber Oesterreich, dazu bestimmt und fähig war das große deutsche Vaterland einer Einheit entgegcnzuführen. Daß von Oesterreich weder in politischer, socialer noch religiöser Hinsicht etwas Ersprießliches zu erwarten war, sah wohl Mancher ein, auch wohl das, daß von Seiten Preußens, welches jederzeit als ein wohlge ordneter, strammer Staal dastand, bedeutend mehr geboten würde, allein ein natürlicher Widerwille gegen Alles, was Preußisch hieß, der wohl seine Entstehung dem Jahre 1815, an dem Sachsen ge- theilt ward, in der Hauptsache verdankte, ließ denselben Oesterreich, wenn auch gegen die bessere Uebcrzeugung, als Hort und Vorkämpfer Deutschlands erscheinen. Den Hauptgrund zum Kriege von 1866 gaben die Herzogthümcr Schleswig-Holstein ab; Preußen begehrte die Herzogthümcr als alleinigen Besitz, was cs auch durchsetzte. Bemerkt sei hierbei, daß sowohl Preußen, als auch Oesterreich gegen den Beschluß des da maligen Bundestages handelten. Letzterer hatte nur Execulion gegen Dänemark beschlossen, die beiden deutschen Großmächte hingegen er oberten auf eigene Faust die Herzogthümer und wurden zuletzt selbst über die eroberten deutschen Landesthcile uneinig. Jetzt warf sich Oesterreich in die Arme des selbst der Hülfe bedürfenden Bundestages, besten Beschluß cs erst eben so wenig als Preußen beachtet halte, was es nicht gethan, falls Preußen auf eineTheilung dieser Landes theile eingegangen wäre. Wenige Jahre darauf entstand der Krieg von 1866, nach dessen Beendigung durch den Nikolsburger Frieden Oesterreich aus Deutschland ausschied und der Norddeutsche Bund in's Leben trat. , , Herzblute, in allen Schlachten und Gefechten und vereinigte Elsaß und Lothringen, jene kerndeutschen LandcStheilc, welche Ludwig XIV. mitten im Frieden einst geraubt, wieder mit Deutschland. Aus diesem Kriege, welcher der gewaltigste und blutigste ist, den die Geschichte kennt, erwuchs für Deutschland seine jetzige noch keineswegs abgeschlossene Einheit. König Wilhelm I. von Preußen, welcher trotz seines Greisenalters den Hcldenthaten der deutschen Söhne beiwohnte und dessen 75. Geburtstag am vcrfloßnen 22. März in ganz Deutschland gefeiert worden, ward auf Wunsch der deutschen Fürsten und Völker zum Kaiser ausgcrnfen. Seit der Besiegung aber jenes übermüthigcn Volkes baut sich Deutschland in gewohnter ruhiger Weise ohne jede Selbstüberhebung, als ob gar Nichts geschehen im Innern aus, und hat in jüngster Zeit unter Leitung des größten Staatsmannes unseres Jahrhunderts, ohne dessen Genie und Energie eine Einigung Deutschlands schwerlich zu Stande gekommen und dasselbe früher oder später eine Bente wie einst Polen seiner gierigen Nachbarn geworden sein würde, auch den Kampf gegen die inneren Feinde des deutschen Reiches, gegen die im Finstern schleichenden Ullramontancn, welche das Volk ihres eigenen Vorthcils halber in möglichster Dummheit erhalten sehen möchten, durch Einführung des preußischen Schnlaufsichtsge- setzes glänzend bestanden. Zerknirscht liegt jetzt jene Gesellschaft am Boden, auf neue Ränke sinnend, mit denen sie ebensowenig aus- richten wird. Bismarck noch vor sechs Jahren der verhaßteste Mann Deutschlands, ja selbst Preußens, ist jetzt der populärste, seitdem man begriffen, daß nur Er berufen und befähigt war, Deutschland unter einen Hut zu bringen. Er Ivar der Hercules, welcher den Augiasstall zu reinigen vermochte. Fordert auch der Ausbau des deutschen Reiches, um auf Vollständigkeit Anspruch zu machen, noch manchen Baustein, so ist auch Dies nur noch eine Frage dcr Zeit. Mit Recht aber können wir schon jetzt mit Stolz darauf blicken, die erste Macht Eurvpa's wenn nicht des Erdball's sowohl in poli tischer als ganz besonders in geistiger Hinsicht zu sein, auf welcher Höhe Deutschland freilich schon längst hätte stehen können! Was den geistigen Höhepunkt betrifft, so ist zu bemerken — Pius IX. und sein Anhang die Jesuiten wissen es recht gut — daß gerade Deutschland cs ist, welches durch seine rastlos fortschreitende Auf klärung und Wissenschaft den römischen Finsterlingen einen unüber- steiglichen Damm entgegensetzt. Betrachten wir so die innere Frage Deutschlands, so leuchtet uns ein, daß deren Lösung von Preußen, nimmermehr aber von Oesterreich ansgehcn konnte', dessen innere Entwickelung, obwohl es ein von Natur so reich bedachtes Land, noch gegenwärtig unter dcr Unzufriedenheit dcr Nationalitäten und dem Eigennutze der Pfaffen, welche Letztere jeder wahren Bildung entgegenarbeiten, wesentlich leidet. Wünschen wir endlich auch unseren Nacbbarn jenseits des Was gaues eine friedliche Entwickelung ihrer Verhältnisse, denn dieselben verdienen mehr Mitleid als Haß, wenn man erwägt, was Regier ungen und Geistlichkeit dadurch an diesem Volke verbrochen, daß sie demselben seit Generationen den Volksunterricht geradezu entzogen haben. Auf gesundem Volksunterrichte aber nur beruht das geistige und leibliche Wohl der Völker. Onstuv ^äpkar. Tagesgcschichte. Wilsdruff, am 15. April 1872. Am 12. d. M. verunglückte in Kesselsdorf der 2'/- Jahre alte Knabe des Bäckermeisters Sauer daselbst durch Ertrinken in einem an der Straße gelegenen Wassertümpel. Gegend von Freiberg, 12. April. Gestern Nachmittag ist in Mittclsaida das Gericht und die dazu gehörige Schünke abge brannt, nachdem am Vormittag in dem benachbarten Großwalters- dorf zwei Bauerngüter dasselbe Schicksal betroffen. In dem oben genannten Gerichte war die Versicherung am 10. v. M. erst abge laufen und noch nicht wieder erneuert. Bedeutende Vorräthe sollen Der Norddeutsche Bund, von Preußen in's Leben gerufen, be stand vier Jahre und bildete die Grundfeste zum jetzigen deutschen Reiche. Unter demselben vollzog sich ein namhafter Theil der inneren Einheit. Militär-, Post- und Telegraphenwesen nahm einheitliche Gestalt au, desgleichen entstand ein einheitliches Gesetzbuch. Preußen verstand es, schon damals dem deutschen Namen, was selbiger so lange vermißt, Ansehen und Geltung im Auslände zu verschaffen, und obwohl Baiern, Würtemberg und Baden noch nicht zum Bunde gehörten, denn mit einem Hiebe fällt man keinen Baum, so fühlte doch jeder ächte deutsche Mann, daß deren Eintritt nur noch eine Frage der Zeit sei. Dieser Eintritt und mithin die Einigung Ge- sammtdeutschlands sollte unverhofft erfolgen und zwar mit Hülse der Erbfeinde Deutschlands, den Franzosen, obwohl ihre Absicht gerade das Gegenthcil bezweckte. Milten im tiefsten Frieden, im Juli 1870, nachdem man kurz vorher in der tonangebenden Scinestadl den europäischen Frieden als einen „nie gesicherteren" hingestellt hatte, erklärte Frankreich aus purem Neide und Uebermuthe an Preußen den Krieg. Wie einst in Griechenland sich die cinzclnen Vvlksstämme zu- sammenschaarteu, wenn cs den gemeinsamen Feind, den Perser, zurückzuschlagen galt, so erhob sich Deutschland unter dcr umsichtigen und energischen Führung Preußens wie ein Mann von dec Nordsee bis zu den Alpen und von der Weichsel bis zum Rheine, schlug den bösen Nachbar, wenn auch unter schweren Opfern an deutschem ' Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Giebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt