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ochenblatt für Wilsdruff, Tl-arandt, Roffea, Sitbciilehu und die Umzegeuden. Wmtsötatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag den 12. April 2V. 1872. Von dein unterzeichneten Gerichtsamte soll den 13. Mai 1872 das dem Lohgerbermeister Friedrich Hermann Beßler in Wilsdruff zugehörige Haus- und Garten-Grundstück Nr. 133 des Katasters, Nr. 190 des Grund- und Hypothekenbuchs für Wilsdruff, welches Grundstück am 6. März 1872 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 13V5 Thlr. - Ngr. - Pf. gewürdert worden ist, an hiesiger Amtsstelle nothwendiger Weise versteigert werden, was unter Bezugnahme auf den hier aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Königl. Gerichtsamt Wilsdruff, den n.März 1872. Leonhardi. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am II. April 1872. Unsere königlichen Majestäten haben gestern früh von Dresden eine Reise angelretcn über Chemnitz, Eger, München und Inns bruck nach Niva am Gardasee, um dort für einige Wochen Aufent halt zu nehmen. Während der Abwesenheit des Königs ist der Kronprinz zu dessen Stellvertreter bezüglich der Negierungsgeschäfte bestellt. — Die Leipziger Ostermcsse hat sehr lebhaft und unter be deutendem Fremdenzufluß begonnen; auf der Dresdner Bahn sind die Fremden zu Tausenden und aber Tausenden angckommcn, auf den Zwischenstationen haben Viele mit den Zügen, zu welchen sie sich auf den Bahnhöfen eingefunden hatten, gar nicht mit fortbcfördcrt werden können, sondern haben die nächsten Züge abwarten müssen. Gegend von Freiberg, 9. Avril. Am Sonntag Nachmittag hat sich der seit Kurzem erst von Kleinbobritzsch nach Oberlangenau übergesiedelte Gutsbesitzer Neuber, ein Maun von 54 Jahren und Vater von 7 Kindern, in der Scheune des von ihm erkauften Gutes erhängt und zwar aus Schwermuth und in gestörtem geistigen Zu stande. Das „Dr. I." berichtet aus Dresden, 9. April: Heute früh ist auf dem Leipziger Bahnhofe hier der 14 Jahre alte Laufbursche eines Chemnitzer Handelsgeschäfts unter Umständen angehalten wor den, die den Verdacht gegen ihn rege machten, daß er sich irgend etwas habe zu Schulden kommen lassen. Dieser Verdacht hat sich auch alsbald bestätigt, denn man fand bei ihm eine bedeutende Summe Geldes (ca. 700 Thlr. nach den „Dr. N.") vor, die er, sei nem eigenen Geständnisse nach, auf den Namen seines Principals bei der Agentur einer quswärtigcn Bank zu Chemnitz gegen ein gefälsch tes Blanquet erhoben hatte. Der junge Mensch soll die Absicht aus gesprochen haben, mit dem Gelde nach Amerika zu gehen. In der Nacht des 6. April sind durch freche» Einbruchsdiebstahl aus dem Bezirksgerichtsgebäude in Borna 108 Thaler gestohlen worden. Chemnitz, den 8. April. Der erste heute Morgen auf der neueröffneten Linie nach Leipzig abgegangene Personenzug, gezogen von der mit Guirlanden und Kränzen reich geschmückten Locomotive „Wittgensdorf", war so stark besetzt, daß sich eine zweite Maschine zur Ueberwindung der Steigung bis Narsdorf nöthig machte. Auf allen Stationen wurde dem Zug ein begeisterter Empfang Seiten des zahlreich erschienenen Publikums zu Theil, in Wittgensdorf, Narsdorf, Geithain, Frohburg waren Musikchöre zur Begrüßung aufgestellt, während in Burgstädt eine gleiche mittelst Böllerschüsse stattfand. Wittgensdorf und Frohburg hatten den Bahnhof prächtig decorirt. Der Mittags gegen 1 Uhr von Limbach hier ankommende Personenzug, dessen Locomotive ebenfalls bekränzt war, hatten 446 Passagiere benutzt, um dem hiesigen Bahnhof einen Besuch abzustatten. Leider konnte der Aufenthalt nur ein kurzer sein, weil in Limbach selbst im Laufe des heutigen Tages weitere Festlichkeiten stattfinden werden. Berlin, 8. April. Die bei der heute stattgefundenen Eröffnung dcs Reichstages verlesene Thronrede kündigt Norlaaen, betreffend die Errichtung einer Oberrcchnungskammer, eines Militärstrafgesctz buches, ein Reichsbeamtengesetz, ein Brausteuergesetz an. Die Rede constatirt, daß in dem Reichsetat für 1873 die Einnahmen, was die gemeinschaftlichen Verbrauchsabgaben und den Uebcrschuß der Postverwaltung anlangt, höher auszubringen ermöglicht wurde, so daß trotz der verschiedentlichen Mehrerfordernisse eine Verminderung der Matricularbeiträge in Aussicht ist. Der Nachtragsetat pro 1872 wird die Mittel für das staatischc Amt aufbringen. Die Verwaltung pro 1871 ergab erhebliche finanzielle Neberschüsse bei den Steuern und der Postverwaltung. Ucber die Verwendung der selben und Verwendung sowie Vertheilung der französischen Kriegs entschädigung wird eine Vorlage angckündigt; desgleichen ein Rechen schaftsbericht über die Kriegsausgaben, sowie die Vorlage eines Handels- und Schifffahrtsvertrages mit Portugal. Eine Consular- convention mit Amerika und der Postvcrtrag mit Frankreich werden ebenfalls vorgelegt. Die Rede hebt das erwünschte Fortschreiten der Befestigung der Verhältnisse in Elsaß-Lothringen hervor, kündigt die Eröffnung der Universität Straßburg für den 1. Mai an, und schließt mit der Versicherung, daß cs der kaiserlichen Politik gelungen sei, bei allen auswärtigen Negierungen das Vertrauen zu erhalten und zu befestigen, so daß die Macht des geeinigten Deutschlands nicht nur dem Vaterlande eine sichere Schutzwchr, sondern auch dem Frieden Europas eine sichere Bürgschaft gewährt. Die „Norvd. Allg. Z." berichtet aus Oberschlesien das Factum, daß in manchen Dörfern die Bauern und Bäuerinnen sich den Geistlichen gegenüber schriftlich verpflichten, um ihres Seelenheils willen allmonatlich eine bestimmte SuMme als Petcrspfcnnig zu zahlen und giebt diese Summe beispielsweise in einem einzigen Dorfe auf jährlich sechshundert Thaler an. Sie knüpft daran ihre Be trachtung, ob die Verwendung dieser Gelder ohne jede Controls jederzeit im Sinne der Geber ausfalle. Es wäre von Werth, heißt cs, wenn die Behörde in den Stand gesetzt würde, Einblick in die betreffenden Listen zu nehmen und dadurch eine Controls des so eingezogenen Peterspfennigs angebahnt und ermöglicht würde. Wie ließen sich die drei Milliarden beschaffen, welche Frank reich an Deutschland zu zahlen hat? Dies ist eine Frage, mit der alle Finanzmänner der Welt sich und anderen Leuten den Kopf zer brechen. Pläne ohne Ende zur Lösung dieser Aufgabe wurden be reits in Versailles vorgelegt, Pläne von englischen, amerikanischen, deutschen, holländischen und möglicherweise auch von Hottentottischen Finanzgenies, Pläne in solch gewaltiger Zahl, daß ein witziger Kopf vor Kurzem den Gedanken aussprach, es ließen die gewünschten drei Milliarden sich am allereinfachsten dadurch auftreiben, daß die franz. Regierung jeden derartigen Plan mit einer Stempelsteuer von 10 Fr. belegte. Ein größer Thcil der im letzten Kriege erbeuteten franzö sischen Geschütze geht gegenwärtig einer Verwendung entgegen, von der man sich am Tage ihres Gusses in Bourges schwerlich et was hat träumen lassen. Der Kaiser hat nämlich zahlreichen Kirchcn- gcmeinden, deren Gotteshäuser seither der Glocken entbehrten, auf ihre Immediatgesuche das zum Glockenguß erforderliche Stückgut aus Bcutebeständen des Artilleriedepots Straßburg unentgeltlich ge währt. Auf diese Weise sind allein in den Rheinlandcn einige 20