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um uns kunstgerecht auszudrückcn, mußte sie aber bald an Leipzig abtreten, so daß diese jetzt um 400 Studenten voraus ist: Berlin zählt gegenwärtig nur 1900 (gegen 2600 im vorigen Halbjahr), Leipzig aber 2300 Musensöhne. Die Conccssion für die directe Eisenbahn von Berlin nach Dresden ist nunmehr vollzogen worden, man darf der Constituirung der Gesellschaft daher voraussichtlich in dieser Woche entgegensetzen. Ob die Abberufung des Preuß. Gesandten aus Nom die Ant wort auf des Papstes letzte Rede sein soll? Der alte Herr sängt nämlich noch an, in eigener Person staatsgefährlich zu werden. „Opponircn Sie, sagte er neulich zu den kathol. Deutschen in Nom, den Verfolgern der Kirche in Deutschland mit Beständigkeit und Muth, sowie durch Wort und Schrift." Also Empörung predigt der h. Vater! Als Haupturhebcr der lange verbreiteten Kirchcnver- folgung »pird natürlich „Deutschlands erster Minister" genannt. Er habe es ihm aber sagen lassen, erzählt der Papst, daß ein Triumph ohne Bescheidenheit ein vorübergehender, und gepaart mit dem vcr- folgungssüchtigcn Geiste gegen die Kirche, die größte Thorheit von der Welt sei. — Man hört dem geschwätzigen Greis deutlich das Wohlgefallen an, mit welchem er von seinem vermeintlichen Sieg über den „thöricbten" Reichskanzler spricht. Wir lassen es dahinge stellt, ob Fürst Bismarck sich die väterliche Lehre von der Bescheiden heit hinter» Ohr geschrieben, und ob er den schmeichelhaften Titel des „größten Thoren von der Welt" dankbar von Sr. Unfehlbar keit hingenommen hat. Wenn wir aber recht gehört haben, so hat in Varzin Jemand laut darüber gelacht. Berlin, 3. Juli, Nachmittags. Die „Prov.-Corresp." bespricht heute die jüngste Kundgebung des Papstes gegen den katholisch-deut schen Lesevercin und bemerkt dabei Folgendes: „Diese offene Aeußer- ung des Papstes crtheilt vor Allem ciuen neuen Fingerzeig für unsere Negierung, daß es sich bei den kirchlichen Fragen nicht um Meinungen und Handlungen einzelner Bischöfe, sondern um einen einheitlich ge leiteten Kampf handelt, daher auch die Abwehr nicht einen einzelnen Fall, sondern stets den großen Zusammenhang der antinationalen kirchlichen Bewegung im Auge behalten muß. Wir werden uns bei jedem weiteren Schritte bewußt bleiben müssen, daß der Wunsch un serer Gegner darauf gerichtet ist, dein mächtigen deutschen Reiche den Fuß zu zerschmettern. Frankreich und Deutschland rechnen sich die Zahl ihrer Sol daten vor. Deutschland hat 469 Bataillone, 465 Schwadronen, 267 Batterien; Frankreich dagegen 569 Bataillone, 377 Schwadronen, 285 Batterien, so daß Deutschland 100 Bataillone und 18 Batterien »pcnigcr hat lind nur in der Cavallerie um 88 Schwadronen über legen ist. So sieht es im Frieden aus. Im Fall eiucr Mobilmachung würden jedoch wenige Tage genügen, um die Franzosen an Stärke weit zu übertreffen. Elsaß. Der „N Z." schreibt man: Straßburg wimmelt jetzt von Fremden und die Geschäftstreibenden haben wohl selten bessere Geschäfte gemacht. Die Bevölkerungsziffer hebt sich überhaupt in solcher Weise, daß hier bereits ein fühlbarer Wohnungsmangel zu Tage tritt, trotzdem fast alle niedergeschossenen Häuser wieder auf- gebaut sind. Uebcrall werden, wie die „Karlsr. Ztg." meldet, im Augenblicke Klagen laut über den Mangel an Arbeitern. Nament lich" leidet die Landwirthschaft darunter. Durch die verschiedenen Fcstungs- und Eisenbahnbauten ist den Handarbeitern ein so hoher tvohn geboten, daß sie nicht mehr bei dem Bauer arbeiten wollen, der ihnen denselben Lohn kaum geben kann. Für die beginnende Heuernte hat sich dieser Mangel noch fühlbarer gemacht. Im Kreise Zabern und anderswo sind daher für die Primärsctznlen Ferien be willigt worden, mit der Einrichtung, daß jede Gemeinde sich die be stimmte Ferienzeit je nach eintretendem Bedürfniß wählen kann. Diese Einrichtung hat vielen Beisall gefunden. Die „Times" bringt die Hauptbestimmnngen des deutsch-fran zösischen Vertrags; danach erfolgt die Ratification binnen acht Tagen zwei Monate darauf wird eine Holbmilliarde gezahlt, vierzehn Tage darnach werden die Departements Marne und Haule-Marne geräumt. Die zweite Halbmilliardc ist am I. März 1873 zahlbar, ohne welche Räumung von Gebiet, eine Milliarde ist dann am 1. Marz 1874 zahlbar, »vorauf die Räumung des Vogesen- und Ardennen-Departe ments erfolgt. Die letzte Milliarde ist am l. März 1875 zahlbar, »vorauf die " Departements Mcurttze und Maas, sowie Belfort ge räumt werden. Frankreich darf in den geräumten Departements nur die zur Erhaltung der Ordnung nöthigen Truppen halten, vor Aus führung des Vertrages darf Frankreich FestungSbaulen oder Aus besserungen der Befestigungen in den geräumten Departements nicht vornehmen. Deutschland kann in den noch besetzten Departements die OccupationSlruPpen in der bisherigen Stärke belassen. Versailles, 1. Juli, Abends. In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung ersolgte durch den Minister des Auswärtigen die Vorlage des zwischen Deutschland und Frankreich abgeschlossenen Vertrages wegen Zahlung des Ziestes der Kriegsentschädigung und Räumung der occupirtcn Departements. Graf Nümusat erklärt, daß infolge dieses Vertrages die Befreiung deS Territoriums nur noch von dem Erfolge der Anleihe abhängc. Beiderseits sei anerkannt, daß die allmähliche Abzahlung und die Räumung des Gebiets Schritt halten müßten. Die Befreiung des Landes sei also eine Fiuanzfrage. Der Minister spricht die Hoffnung aus, daß die Departements der Vogesen und der Ardennen noch vor dem Frühjahre 1873 geräumt sein würden. Die dritte letzte Milliarde würde infolge von Verab redungen mit der Bank wahrscheinlich im Anfänge des Jahres 1874 bezahlt und das Territorium ganz geräumt werden können. Dies hänge ab von der Macht des Eredits, von der Ordnung der Finanzen, von der politischen Weisheit, dem Frieden Europas, der Mäßigungs- Politik aller Cabinete, sowie von der Herstellung der Ruhe und Ordnung in Frankreich. Graf Nomusat fahrt fort: „Die Wieder aufnahme der Arbeit, die Rückkehr des allgemeine»» Wohlstandes, die Solidität des Credits, endlich das Vertrauen des I»»- und Aus landes in die französische Negierung verschafft uns die Ueberzeugung von der günstigen Aufbringung der Anleihe. Die Welt wird in den opferfreudigen Bemühuirgen Frankreichs einen Beweis des friedlichen Geistes in Frankreich erblicken, den auch Deutschland gezeigt hat. Die Sicherung des Friedens war der Hauptgcgenstand der Mission des Wiederaufbaues, die Frankreich Ihnen anvcrtraute. Durch die Annahme der gegenwärtigen Vorlage werden Sie den Frieden be festigen und unsere Unabhängigkeit sichern." Vermischtes. Klein-Nadin eritz in der Lausitz, 28. Juni. Diesen Nach mittag V24 Uhr brach in dem Stellmacher-WerkstattSgcbäude des hiesigen Kleingärtners Johann Gottlieb Fiedler Feuer aus und eS brannte das Gebäude total darnieder. Leider ist hierbei daS Jahr alte Kind des Tagcarbeiters Haase, welcher in dem Hause wohnte, in den Flammen umgekommcn. lieber die Entstehung des Blandes ist Folgendes ermittelt worden: Die Kinder des Tagcarbeiters Haase sind mit der altersschwachen Großmutter allein gewesen. Der ältere vierjährige Knabe Haase's hat ein Flachsbündcl angezündet, dieses in den größeren Vorrath von Flachs geworfen und so das Unglück herbcigesührt. In Mildenan verunglückte am 30. v. M. die Witlwe Char lotte Lienert dadurch, daß ihr beiin Wasserschöpfen aus dem Dorf bache unwohl wurde, ste in denselben tzineinsiel und ertrank. * Berliner Blätter berichten: Am letzten Mittwoch verstarb in Berlin plötzlich am Gehirnfchlage der Pyrotechniker Gericke. Derselbe war Almvseucmpfänger und hatte durch die Güte der städtischen Baucommission die Erlaubnis; erhalten, unentgeldlich in dem Zieste deS noch in der Dorothcenstraße stehenden Gebäudes auf dem Bauplatze, wo man jetzt das Werder'sche Gymnasium zu erbauen beginnt, zu wohnen. Erst am Sonnabend erhielt die Armen- Commission durch die Polizei die Mittheilung von dem Tode des rc. Gericke und beeilte sich auch sofort, das Begräbniß zu veranlassen. Nachdem dies geschehen, begaben sich zwei Mitglieder der Armen- Commission in die Wohnung des Verstorbenen j um den Nachlaß aufzuzeichncn. Man fand daselbst ein wohl erhaltenes gutes Mobi liar. In der Kvmmode einen Beutel mit 300 harten Thalerstücken, die, obgleich auch allen Jahrgängen angehörig, auf die sorglichste Weise blank geputzt waren. Außerdem fand man AbrechnungSscbeine hiesiger Banquiers vor, aus welchen hervorgeht, daß der Verstorbene ein Vermögen von ca. 30,000 Thaler besessen. Bei diesem Rcich- thum ist eL um so auffallender, daß Gericke bei Lebzeiten noch bis in letzter Zeit Krankheit heuchelte und vom Armenvorstehcr dann wöchentlich zwei Thaler Krankengeld erhielt. Bis jetzt haben sich noch keine Nachkommen gemeldet und die Stadt Berlin dürste daher als lachender Erbe zu betrachten sein. * Ein entsetzliches Verbrechen ist in vergangenen Tagen in Bremen entdeckt worden: Ein etwa jehnjährigcr Knabe hat seine»» eigenen Vater vergiften wollen und ihm zu diesem Zwecke Phosphor, den er von Schweselhölzern abschabte, von Zeit zu Zeit in die Milch geschüttet. Der Vater kränkelte daran schon Monate lang, ohne daß der ihn behandelnde Arzt die Ursache der Krankheit zu ermitteln ver mochte. Bei Untersuchung der Milch fand man dem» endlich Phos phor in derselben, und weil der Knabe die Milch gewöhnlich zu holen pflegte, so stellte man ihn zur Rede. Er bekannte denn auch sofort ganz arglvs, daß er die Mitch vergiftet habe, und zwar auf Geheiß seiner Mutter, die gegenwärtig eine mehrjährige Zuchthausstrafe Wege»» Aleineids und Verleitung zu diesem Verbrechen in der Straf anstalt zu Vechta verbüßt. Als sie vor einigen Jahren nach dort abgeführt wurde, soll sie dem Kinde jene»» furchtbaren Auftrag crtheilt haben. Unter den europäische»» Höfen bezieht der englische Hof die kleinste Civilliste. Die Einkünfte voi» Großbritanien belaufen sich auf 423 Mill. Thaler, während für den Hof nur 3,300,000 Thaler vom Parlamente bewilligt worden sind. In Preuße»» bezieht der König 4,073,099 Thlr. und für Apanagen sind 430,319 Thlr. festgesetzt. Der König von Bayern erhält 3,146,082 Gulden, Württemberg 1,178,665 Gulden. In Baden belaufen sich die Kosten des Hofes auf 850,000 Gulden. Für den österreichischen Hof sind 5 Mill. Thlr. ausgesetzt. Der Kaiser verlangt aber jetzt 2 Mill. mehr. Napoleon III. bezog eine jährliche Civilliste von 10 Mill. Thlr. Ji» Spanien ist der Hof mit 3'/, Mill. Thlr. bedacht. Ji» Rußland erhält der Hof 11 Millionen Thlr. Bei einem Gärtner in Paris meldet sich ein Fremder, um den Hausherrn zu sprechen. „Ist Ihr Haus nicht während der Commune beraubt worden?" „Jawohl", seufzt der Gürtner. „Mein Herr, mich treiben Gewissensbisse hierher; auch ich habe Ihnen etwas genommen. Sehe»» Cie hier dieses silberne Medaillon." Dem Gürtner traten die Thrüncn ii» die Auge»», cs war das Andenken» seines einzige»» Kindes. „Nehmen Sic es, guter Mann," sagte der Fremde mit zitternder Stimme, „und gestatten Sie mir, daß ich zur Beruhigung meines Gewissens 100 Fr. hinzufüge." Er nimmt einen 500-Frankenschciu aus seinem Notizbuch, der Gürtner giebt ihm tiefbewegt 400 Franks zurück, und der Fremde geht. — Leider erwies sich der 500-Franken- schciu sehr bald als falsch.