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gleichsam eine erweiterte Gemeindevertretung, theils zur selbsteigcneu Verwaltung ge wisser, gemeinsamen Angelegenheiten des Bezirks (Armenanstalten, Bezirksstraßen re.) theils zur Mitwirkung bei der staatlichen Verwaltung des Bezirks. Die Deputation erblickt zunächst in der Herstellung einer organisirtcn Selbstverwaltung der Bezirke ein ebenso natürliches, als in seinen Wirkungen vielversprechendes Mittel, Anstalten, Einrichtungen, Unternehmungen, zu d-.nen die Kräfte einer einzelnen Gemeinde nicht ausrcichen, gleichwohl durch die eigene Selbstthätigkeit der Bevölkerungen ohne An rufung des Staates zu Stande zu bringen und zu unterhalten. Zugleich ist davon der nicht weniger hoch anzuschlagende moralische Erfolg zu erwarten, daß die Ener gie, das Selbstvertrauen, der Unabhängigkeitssinn der Bevölkerungen geweckt und gestärkt, damit aber jene unselige Gewöhnung, allen Anstoß und alle Hilfe immer nur vom Centrum aus, von der Regierung zu erwarten, wirksam entgegengearbeitet wird. Und endlich erblickt sie eben darin eine treffliche Anleitung zur Behandlung öffentlicher Angelegenheiten im rechten, practischen Geiste, die beste Vorschule für die größeren Verhältnisse des parlamentarischen Lebens. Nicht minder wichtig und wohlthätig aber erscheint jene andere Seite der Ver tretung der Bezirke, wonach dieselbe als ein ergänzendes und aus gleichendes Element zu der bureaukratischen Staatsverwaltung hinzutreten soll. Die Selbstständigkeit der Gemeinde erhält eine neue, werthvolle Bürgschaft, wenn in den meisten und wichtig sten der Fülle, wo die Staatsgewalt entweder Kraft ihres eigenen Oberaussichtsrech tes, oder auf Anrufen der Betheiligten im Wege Les Rekurses, in diese Selbstständig keit einzugreisen sich veranlaßt findet, ein solches Eingreifen — zum Beispiel die Ausübung des Bcstätigungsrechtes bei Gemeindewahlen, die Genehmigung von Orts- statutcn, die Entscheidung von Streitigkeiten innerhalb oer Gemeinde u. s. w. — nicht nach dem bloß administrativen Ermessen der Regierungsbehörde, sondern unter ent scheidender Mitwirkung eines aus dem Vertrauen der Gemeinden und der sonstigen Bezirksangehörigen selbst hervorgegangenen Vertretungskörpcr erfolgt. Und anderer seits wird die staatliche Verwaltung selbst in ihrem Bestreben, die Wohlfahrt der ihr anvertrauten Bezirksangehörigen zu fördern, sich wesentlich unterstützt sehen durch die, wenn auch nur begutachtende Thätigkeit eines solchen Bertretungskörpers, von dem anzunehmen ist, daß er die Verhältnisse und Bedürfnisse des Bezirks im Ganzen wie im Einzelnen am besten kennt. Den Bezirksangehörigen selbst wird freilich durch die Schaffung solcher Bezirksvertretungen ein nicht geringes Maaß von Anstrengungen von Opfern an Zeit, Kraft, auch Wohl an Geld angesonnen. Wenn man die sammt- lichen in die Bezirksversammlungen und Bezirksausschüsse zu wählenden Personen zusammcnrechnet, so mag leicht eine Zahl von nahezu 800 herauskommen; und die Summe der von ihnen auf ein solches Amt zu verwendenden Arbeitstage, sowie die Kosten für Reisen und Aufenthalt am fremden Orte wird eine entsprechend große sein. Doch ist der Preis des Opfers Werth. Die thätige Mitwirkung sowohl zur Förderung der Anstalten und Einrichtungen des Bezirks wie zur Aufsichtführung über die Gemeinden und zur staatlichen Bezirksverwaltung wird sicherlich dem Gemeinde- Wesen so viel Nutzen, und denen selbst, welche sich dieser Mühe unterziehen, so viel wahre innere Befriedigung bringen, daß dadurch jene Anstrengungen und Zeitver luste ausgewogen werden. Es wird daher auch an Solchen, welche aus wirklicher Neigung, nicht blos aus äußerlichem Zwange, sich zur Uebernahme derartiger Ehren ämter verstehen, hoffentlich nicht fehlen. Wir kommen nunmehr zu dem „besonderen Theile" des Berichts und damit zu den einzelnen Abändcrungsanträgen der Deputation. Doch dürste es sich empfehlen diese Spccialitäten für die Verhandlung selbst vorzubehaltcn. Mindestens würde später eine Wiederholung derselben sich nöthig machen. (Eh. Tgbl.) Tagesgeschichte. Am 14. d. M. hat das wachsame Auge der Dresdner Polizei auf den verschiedenen Marktplätzen der Stadt 292 Stückchen Butter entdeckt, die beim Nachwiegen Differenzen von 2 bis 25 Gramm unter Zollgcwicht ergaben und deshalb unnachsichtlich confiscirt worden sind. Freiberg, 15. Juni. Der „F. A." berichtet: Gestern Morgen erschoß sich in einem Massenquartier des Jägerbataillons der Unter offizier G. Furcht vor der Strafe wegen eines geringen Vergehens soll ihn zu der That verleitet haben. Auf dem Kirchhose zu Spremberg (N.-L.) endete am 12. d. M. durch einen Pistolenschuß sein Leben der Buchhalter Zitzling vom Eisenwerk Bernsdorf bei Kamenz. Der Unglückliche, ein Ehrenmann, der sehr erregter Natur war, hatte im letzten Kriege beide Söhne verloren und dies Ereigniß schnitt tief ein in sein Seelenleben und ließ ihn nicht Ruhe und Frieden finden. Las „L. T." berichtet aus Leipzig vom 15. Juni: Am gest rigen Abend gab es in der Westendhalle wieder einmal große Volks versammlung, zu welcher durch Straßenplacate eingeladen worden war. Es sollte der Abschied Liebknechts festlich begangen werden, und damit die Sache recht feierlich sei, so fehlten auch die Damcu nicht. Leider war aber Herrn Liebknecht, wie ein Redner mit großer Entrüstung mittheilte, von der Polizei ein Wink zngegangen, daß er sich von der beabsichtigten Feier fern halten möge, und Herr Lieb knecht hatte für zweckmäßig befunden, diesen Wink zu beachten. Zur Entschädigung für die ausgefallene Festlichkeit labte sich die Ver sammlung an Betrachtungen über die Verderble Bourgeoisprcsse. Liebknecht hat am 15. d. M. die ihm zuerkannte zweijährige Festungshaft auf Schloß Hubertusburg angctretcn. Aus Leipzig, 15. Juni, berichtet die „D. A. Z.": Auf der Pleiße in der Nähe des städtischen Freibades am Schleußiger Wege schlug gestern Abend eine mit sünf jungen Leuten besetzte Gondel um, sodaß sämmlliche fünf Insassen ins Wasser stürzten, vier retteten sich, der fünfte, ein achtzehnjähriger Schriftsetzer von hier, ertrank. Heute früh wurde seine Leiche aufgcfunden. Die Pleiße ist an der fraglichen Stelle 4 Meter tief. Obwohl die Zahl der an der Universität Leipzig Jnscribirten als noch nicht endgiltig fcstgestellt betrachtet werden darf, so dürfte doch solche mit der Ziffer 2300 als nicht zu hoch gegriffen erscheinen; so nach ist Wiederuin eine Steigerung gegen das letzte Verzcichniß zu constaliren. Es dürfte somit, da Zahl der die in Leipzig Stn- direnden auch die der Berliner Universität übersteigt, die Universität Leipzig die zahlreichst besuchte im deutschen Reiche geworden sein. .Hinsichtlich der Verhandlungen, welche zwischen der deut schen Regierung und Frankreich wegen weiterer Zahlung der noch rückständigen Kriegscontribution jetzt stattsinden, l emcrkt die heutige „Kr.-Ztg.": Berliner und Pariser Nachrichten stimmen darin überein, daß dem diesseitigen Botschafter in Paris, Grafen von Arnim, im Laufe der vorigen Woche Instruktionen zu weiteren Verhandlungen über die Zahlung der-französischen Kriegs contribution 'zugegangen sind und Laß demgemäß ein Fortgang der Verhandlungen zu erwarten steht. Der jetzige Plan soll nach einer Correspondenz der „Nat. Ztg." darin bestehen, Deutschland Abschlags zahlungen auf die schuldigen drei Milliarden anzubieten und dagegen eine entsprechende partielle Räumung der occupirten Provinzen zu er langen. In dieser Beziehung wurde schon unterm 23. Mai, als man die Absendung der französischen Vorschläge nach Berlin meldete, Fol gendes geschrieben: „Nach dem Wortlaut des Frankfurter Friedens vertrages muß die Zahlung der drei Milliarden am 4. Mürz 1874 beendet sein. Da nun aber die Zahlung einer solchen Summe un zweifelhaft einen großen Zeitraum erfordert, so liegt es auf der Hand, daß starke Abschlagszahlungen schon in den nächsten Monaten erfolgen müssen, wenn die französische Regierung sich nicht schlimmem Verdachte aussetzcn will. Der Frankfurter Fricdensvertrag stipulirl die Occupa tio» des sechsten Departements bis zur vollständig erfolgten Zahlung des Restes der Kriegsschuld, so daß also Deutschland nicht verpflich tet ist, auch nur ein Dors von dem besetzten Gebiete zu räumen, selbst wenn nur noch eine Million oder eine noch geringere Summe im Rückstand wäre. Demnach muß es also als eine bedeutende Con- cession angesehen werden, wenn die deutsche Regierung ihre Bereit willigkeit erklärt, mit der partiellen Räumung zu beginnen je nach entsprechenden Abschlagszahlungen der französischen Regierung." Die aus Paris in Berlin eingetroffene Bestätigung, daß Deutschland die Grundlage der französischen Eröffnung wegen parti eller Zahlungen und entsprechender Räumungen vorbehaltlich weiterer Erörterung angenommen habe, macht das größte Aufsehen und wird als eine Friedensaussicht angesehen, welche bonopartistische und andere Jntriguen nicht gefährden werden. Berlin. Die „Sp. Ztg." schreibt: Der hiesigen industriellen Welt steht mög licher Weise eine schwere Erschütterung durch «ine drohende Arbeitseinstellung sämmtlicher Maschinenbauer bevor, den Inhabern der Maschinenfabriken war ein von vier Personen unterzeichnetes Circular zugeganzen, welches achtstündige Arbeits zeit, erhebliche Lohnerhöhung und entsprechende Bestimmungen für die Akkordarbeit zur Bedingung stellt. Die Fabrikbesitzer sind sofort zusammen getreten, um ihr« Maßnahmen zu treffen, doch sind sie bereits darüber schlüssig, daß falls in einer einzigen Fabrik vor erfolgter Verständigung die Arbeit eingestellt wird, sämmlliche Fabriken gleichzeitig die Arbeiter entlassen werden. Bcrliu, 19. Juni. Nachcm der Reischtag heute in dritter Le sung das Jcsuitengesetz mit 181 gegen 93 Stimmen und den An trag Völck, betreffend die Einführung der obligatorischen Civilehe und Civilstaudsregister mit 151 gegen 100 Stimmen angenommen, wird die Reichstagssesfion durch den Präsidenten Delbrück in kaiserlichem Auftrage für geschloffen erklärt. Die Sitzung schließt mit dreimaligen Hochrufen auf den Kaiser. Aus Paris, 15. Juni, wird berichtet: Das officiöse „Bien Public" schreibt: „Es scheint gewiß zu sein, daß Preußen das Princip der Unterhandlungen auf der Basis der Räumung mittels der Bezahlung eines Theiles der drei Milliarden und der Garantie«» für den Ziest «»nimmt/- — Thiers ist heute nach Paris gekommen, um mit Arnim zu unterhandeln. Ferner schreibt man der „K. Z.": Die Antwort der deutschen Regierung aus die Vorschläge von Thiers Betreffs der Befreiung des Territoriums wurde gestern von zwei Botschafts-Sekretären nach Versailles gebracht. Herr Thiers und sein Sekre tär Bartholomy St. Hilaire waren in der Kammer und Herr Thiers empfing erst um 6 Uhr die Depesche. Die Antwort soll folgende sein: Deutschland nimmt im Princip die ihm gemachten Vorschläge an; es bleiben die Grundlagen, auf welchen die Zahlungen gemacht werden sollen, zu reguliren übrig. Frankreich hatte eine anticipirte Zahlung vorgeschlagen, aber es verlangte zugleich die anticipirts Räumung des Territoriums. — Gestern war der Minister des Innern, Lefranc, in der Commission, welche den Antrag des protestantischen Pfarrers de Pressensee betreffs der Amnestie zu prüfen hat. Der Minister theilte mit, daß, obgleich die Processe jetzt beinahe be endet seien, die Sache mit der Commune noch nicht abgethan sei, da eine Masse Denunciationen eingelausen, die neue Untersuchungen zur Folge gehabt hätten. Von den 32,414 Personen, welche vor, während und nach den Maitagen von 1871 verhaftet wurden, sind, wie der Minister ferner erklärte, 21,430 in Freiheit gesetzt worden, weil kein Grund zur weiteren Versolgung vorlag; 2075 wurden freige- sprochen und 7079 wurden definitiv verurtheilt. Die Nrtheile von 1124 sind noch nicht definitiv, weil ihre Revisions- und Cassationsgesuche noch nicht erledigt sind. Der Minister sprach sich gegen die Amnestie aus. In Frankreich wünschen die Bekenner der Augsburger Consesfion eine Ver einigung mit den Refvrmirten. In dem betreffenden Schriftstück heißt es: Die Zeit ist nicht mehr fern, da es nicht mehr Katholiken, Calvimsten oder Lutheraner, sondern nur Christen gibt. Weil den Freireligiösen noch etwas von Religion anhängt, "wollen die Sozialdemokraten nichts von ihnen wissen. Sie erklären sich für Heiden und zu gleich für Männer der Wissenschaft, welche erst mit der heutigen Gesellschaft auf- räumen wollen, um dann vielleicht zu sehen, ob sie noch eines Gottes bedürfen. Einstweilen haben diese Männer der Wissenschaft zu Chemnitz einen ihrer bisherigen Anhänger, weil er als Mitglied der freireligiösen Gemeinde daselbst gewagt hatte, in einer Versammlung den Bürger Most und seinen Anhang dec Aufwiegelei rc. zu bezüchtigen, feierlich aus der sozial-demokratischen Partei ausgeschlossen. Duldsam keit war nicht die Art der Pariser Commune, und sie ist auch nicht die Art ihrer Jünger im lieben deutschen Reiche. Lady Macbeth. Criminal-Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Hedwig lehnte sich, ohne alle Antwort, schmerzlich bewegt an die Brust des Grafen, bios wollte sie sagen: „nur Dein Schutz macht mich glücklich." Der Graf verstand sie. Leise ihr sammetweichcS, leider nur zu blondes Haar streichelnd, begann er von Neuem: „Hed wig, blicke mir ins Auge, sag' mir ob du Ewald liebst?" Die Pflegetochter folgte seinem Geheiß, sie erhob das Antlitz, das jetzt eine Flammenröthe bedeckte, ihre Brust schien stürmischer zu wogen, und mit feucht glänzende» Augen, als wäre sie glücklich, endlich die ses drückenden Geheimnisses ledig zu sein, entgegnete sie fest: „Ja, Vater, ich liebe ihn, so tief, so innig . . ." Sie hielt plötzlich inne; wie vor dem eigenen Bekenntniß erschreckend, bedeckte sie das Ant'