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Wochenblatt für ilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 47. Dienstag den 18. Juni 1872. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 18. Juni 1872. Wie aus einem Inserat in heutiger Nummer unseres Blattes zu ersehen, haben eine Anzahl hiesiger kaufmännischer Geschäfte sich ent schlossen, von morgen an Abends 9 Uhr zu schließen. — Unserer Stadt steht, wie wir nun bestimmt melden können, ein größeres turnerisches Fest bevor; es wird nämlich künftigen 14. Juli das sechste Gauturnfest der sächsischen Nicderelbe, bestehend aus den Städten Meißen, Riesa, Oschatz, Großenhain, Mügeln, Strehla, Dahlen und Wilsdruff, allhier abgehalten werden, wozu auch noch die Nachbarvereine, welche nicht zu dem Verbände gehören, eingcladcn werden. Voraussichtlich dürfte eine große Zahl von Turnern an diesem Tage in unsere Stadt cinziehen. Es wird sich in den nächsten Tagen ein größerer Festausschuß zu diesem Zwecke constituiren, welcher dann das Festprogramm und einen Aufruf an die geehrten Bewohner unserer Stadt in diesem Blatte erlassen wird. Hoffen und wünschen wir, daß sowohl der jetzt schön gelegene und gut eingerichtete Turnplatz, als auch dieses Fest dem Turnverein im mer mehr Mitglieder zuführe; wir brauchen wohl kaum zu erwähnen, wie nothwendig es ist, daß die jungen Leute turnen, um sich für den Militairstand', in welchen bekanntlich die größere Zahl derselben ein- zutrcten haben, vorzuberciten. Dresden, 13. Juni. Unser Wollmarkt war bereits im Lause des Vormittags so gut wie geräumt. Bei guter Wäsche wurden gute Preise, 10 bis 12 Thlr. pro Centnex höher als voriges Jahr, erzielt. Das eingebrachte Quantum war kaum dem des Vorjahres gleich. Schöneck, 10. Juni. In dem Dorfe Saalig traf vergangene Nacht ein Ge witter heftig auf; der Blitz erschlug bei dem Gutsbesitzer Höfer 2 Kühe i» dem am Wohnhaus eingebauten Kuhstall, richtete auch sonst an den Wänden Schäden an. Von den 9 iit der Wohnstube befindlichen Personen wurde nur ein 9jähriger Knabe etwas betäubt. Am 9. d. M., Nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr, zog über das zur Parochie Seelingstädt- gehörige Dors Wolframs dorf bei Werdau ein heftiges Gewitter. Ter Blitz schlug in den Giebel eines Hauses, fuhr von da herunter in eine Stube, in welcher ein Mädchen von 26 Jahren auf dem Sopha und ein 12 Wochen altes Kind in der Wiege lag, und erschlug Beide. Von hier aus fuhr der Blitz in die Ncbcnstube und betäubte zwei Frauen, von denen sich die eine bald erholte, die andere aber immer noch krank darniederliegt. Außerdem riß der Blitz die in beiden Stuben befindlichen Wanduhren herunter, in deren Schnüre die auf dem Sopha befindlich gewesene Erschlagene ganz verwickelt vorgefunden Wurde. Die Kleider der Erschlagenen, die zu brennen*angcsangen, wurden von herzugeeilten Nachbarn alsbald gelöscht. Borna, 11. Juni. Vorgestern Nachmittags wurde unsere Ge gend abermals, und zwar spcciell die Dörfer Flößbcrg, Trebisham, Prießnitz und Elbisbach von einem schweren Gewitter betroffen. In Folge des wolkenbruchartig nicderströmcnden Regens trat der Ehla- bach aus seinen Ufern und schwemmte große Massen Heu von den Wiesen mit weg. Der Blitz hat mehrmals in die Bäume einge schlagen. — Heute Vormittag stürzte der 44 Jahre alte Handarbeiter Ahnemüllcr aus eigener Unvorsichtigkeit in hiesiger Acticnbrauerei in einen sehr tiefen Keller. Der Unglückliche war sofort todt. Oschatz, 11. Juni. Zum dritten Male seit t! Wochen brach in der Nacht vom 8. zum 9. d. M. im Dorfe Schönnewitz Feusö aus, und wurden die Scheune mit Schuppen und die Hälfte des Seiten gebäudes des Gutsbesitzers Schneider in Asche gelegt. Halte man schon nach den crstdn beiden Bränden die Nachtwachen einige Tage verstärkt, so sollen von nun an stets 2 Mann wachen, da zweifellos Brandstiftung vorliegt. Der 22. Juni 1871 war jener für die aus dem Felde zurückkehrenden preußischen Soldaten so verhängnißvolle Tag, an welchem auf einer der nahe Leipzig gelegenen Stationen der Berlin-Anhalter Bahn, in der Nähe des Dorfes Zschortau das so entsetzliche Unglück vprsiel, daß die Lokomotive sich vom Zuge getrennt und dann mit großer Gewalt an denselben angeprallt, wodurch die ersten Wagen zertrümmert und viele Wchrleute theils schwer verwundet, theils getödtet wurden. Im Dorfe Zschortau wurden die letzteren feierlich beerdigt, und die Gemeinde und der Kreis beschloß, diesen Kriegern ein bleibendes Denkmal zu errichten. Se. Majestät der deutsche Kaiser hat zu diesem Unternehmen 6 französische bronzene Kanonen an die Gemeinde gesendet; aus diesem Material ist ein würdiges Monument gegossen worden, welches am Jahrestag des Unglückstages zum bevorstehenden 22. Juni Nachmittags 3 Uhr feierlich enthüllt werden soll. Die diesjährige allgemeine sächsische Lehrerversammlung wird in den Tagen ! om 7. bis 9. August in Leisnig abgehaltcn werden. Eine Neihs der angesehensten Männer aus allen Gauen Deutsch lands erlassen einen Aufruf, welcher schon jetzt, ehe einer jener Er- innernngstage des letzten Krieges wiederum gefeiert wird, den Ge danken an ein deutsches Nationalfest an einem und demselben Tage wieder in Anregung bringt, und als diesen Tag den 2. September, den Gedenktag von Sedan, vorschlägt. Es soll sich dieser Tag zu einer Denkfeier für die Thaten Gottes an unserm Volke, zu einem Freudentage für den Kaiser als Ausdruck der Treue des Volkes, zu einem Erinnerungstage an die gefallenen Helden, zu einem Ehrentage für die lebenden Sieger, zu einem Jubeltage für das ganze Volk und zu einem lebendigen, von Jahr zn Jahr in neuer Herrlichkeit erstehenden Denkmal der errungenen Einheit Alldeutschlands gestalten. Er ist zurückgekehrt aus Varzin, aber nicht Fürst Bismarck, sondern sein ge treuer Adjutant Wagener, der jetzt mit den Liberalen durch Dick und Dünn geht und den Conservativen den Rücken gekehrt hat. Das Jesuitengesetz hat er in der Tasche und ist beauftragt, es dem Reichstag vorzulegen, da es der Bundesrath gut gesunden hat. Jeder Reichstagsabgeordnete soll ein Exemplar dieses Gesetzes mit nach Hause bringen und an seine Hausthüre anschlagen. Wegen der Amtssuspension des katholischen Feldprobstes Namszanowski hat der Kriegsminister v. Roon eine ausführliche Verordnung an alle Militärgeist liche erlassen. Zugleich sind dem Feldpropst alle zu seinem Amte gehörigen In signien und das Kircheninventar abgenomnien und ihm nichts als seine Insignien als Bischof von Agatyopolis, Ning und Kreuz gelassen worden. Die Reichstagssession geht ihrem Schlüsse entgegen, schreibt die neueste „Prov.-Co rr.", und schon jetzt ist zu übersehen, daß dieselbe an Früchten der Gesetz gebung hinter ihren Vorgängerinnen kaum Zurückbleiben wird. Wenn es eins Zeit lang scheinen konnte, als sei Ne Kraft und die Freudigkeit gemeinsamen Schaffens im Reichstage etwas erlahmt, wenn die Besorgiüß entstand, daß gerade über die wichtigsten Vorlagen nicht wie früher eine vertrauensvolle Verständigung des Reichs tages mit den verbündeten Negierungen zu erreichen sein werde, so sind dagegen durch den parlamentarischen Verlauf der letzten Wochen fast durchweg günstige Aussichten für Las schließliche Ergebniß der Berathungen eröffnet. Mit einer aller dings bedauernswerthen Ausnahme dürften alle Vorlagen eine erwünschte Erledig ung finden. Die verbündeten Negierungen haben cs auch in dieser Session nicht vermeiden können, während des Verlaufs der parlamentarischen Arbeiten und noch in den letzten Stadien derselben zur Befriedigung dringend hervortretender Bedürf nisse des Reiches noch mehrfach neue und bedeutsame Vorlagen einzubringen. Sie dursten auch in dieser Beziehung vertrauen, daß sie bei der großen Mehrheit des Reichstags eine gleiche Würdigung und Anerkennung des nationalen Interesses finden wültden. Umnittelbar vor dem nahen Schluffe wird der Reichstag noch einmal zu einer Entscheidung von hoher Bedeutung berufen sein: es kommt darauf an, de:i verbündeten Negierungen durch einen gesetzgeberischen Act eine wirksame Vollmacht in Bezug auf den Kampf gegen kirchliche Uebcrgriffe zu geben. Zu den wichtigsten moralischen Ergebnissen dieser Session gehört die wiederholt festgestellte Gewißheit, daß die Regierungen auch in diesem Kampfe auf die volle Ueberein stimmung und Unterstützung Seitens der Vertretung des deutschen Volkes rechnen können. Dcr Reichstag selbst hat vor Kurzem in ausdrücklichen und feierlichen Re solutionen die verbündeten Regierungen zur Ergreifung wirksamer Maßregeln behufs Erhaltung des Friedens der Glaubensbekenntnisse unter sich und gegen die Ver kümmerung staatsbürgerlicher Rechte durch die geistliche Gewalt, — namentlich zum Erlasse eines Gesetzes in Bezug auf die Niederlassung der Jesuiten und der ihnen verwandten Orden — ausgefordert. Während die Ausführung dieser Aufgabe in ihrem ganzen Umfange nicht in der Kürze dcr zunächst vergönnten Zeit erfolge» kann, hält es die Regierung in der That für wünschcnswerth, daß ihr zur Abwehr dcr Wirksamkeit des Jesuitenordens, in dessen Hand die Fäden der staatsfeindlichen Bewegungen vornehmlich vereinigt sind, sofort eine ausreichende Waffe gegeben werde. Es liegt in der Natur der bezüglichen Aufgabe, daß die verbündeten Re gierungen durch das zu erlassende Gesetz Vollmachten erbitten, deren Gewährung irur auf einem entschiedenen Vertrauen und auf dem Bewußtsein eines gemeinsamen großen Zwecks beruhen kann. Der Reichstag wird in seiner großen Mehrheit auch dieses Zeichen des Vertrauens den verbündeten Regierungen nicht versagen wollen. Berlin, 14. Juni. Dcr Geh. OberrcgierungSrath Wagener hebt im Fortgang der Reichstags-Debatte über das Jesuitengesctz hervor, daß nicht Preußen, sondern die katholische Kirche den Streit hervorgerufen habe; die herrschende Partei in Letzterer spiele mit der deutschen Einheit und dein religiösen Frieden. Die Jesuiten ständen mit auswärtigen Mächten gegen Deutschland in Verbindung. Ein diplomatischer Bericht vom 7. Juni besagt, daß französische Jesuiten eine katholische Liga in Frankreich, Italien, Oesterreich und Deutsch land bilden, um die unteren Volksklassen, Gesellenvereine und Ge nossenschaften religiös zu fanatisiren;. ein Theil der deutschen Jesuiten sei zu diesem Plane gewonnen. Solchen Plänen müsse entgegcnge- treten werden. Dem „Tr. Jour." wird telegraphisch aus Wien bestätigt, daß der Kaiser von Oesterreich in der ersten Woche des September den vorjährigen Besuch des Kaisers Wilhelm (in Jschel) in Berlin erwidern und den preußischen Truppenmanövern daselbst beiwohnen wird.