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Wochenblatt ilsdruff, Tharandt, Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 187V. Dienstag den 3t. Mai Zur Befestigung des Vergleiches, welchen rücksichtlich des überschuldeten Nachlasses der am 27. April 1869 zu Grumbach verstorbenen Frau Eva Rosine verw. Mörbitz die in dem am 1. April d. I. abgehaltenen Verhörstermine erschienenen bekannten Gläubiger unter sich geschlossen haben und zur Sicherstellung der Paciscenten werden alle diejenigen bekannten und unbekannten Gläubiger, welche weder in dem erwähnten Termine erschienet!, noch ihre Forderungen an dem Mörbitz'schen Nachlaß angemeldet haben, hierdurch vorgeladen, den 2. September 1870 an hiesiger Gericbtsamtsstelle zu erscheinen und ihre Forderungen und Ansprüche an die gedachte Schuldnerin zu melden und zu bescheinigen, unter der Verwarnung, das; sie widrigenfalls für ausgeschlossen von der Masse und aller etwaigen Ansprüche auch der Rechtswohlthat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für verlustig werden geachtet werden, mit dem bestellten Contradietor rechtlich zu verfahren, und fernerer Weisung, diejenigen aber, welche vor Ablauf des gesetzten Termins ihre Forderungen und Ansprüche nicht gemeldet, den 7. October 1870 der im Fall des Nichterscheinens Mittags 12 Uhr für geschehen zu achtenden Publication eines Ausschließungsbescheides ge.- wärtig zu sein. * Auswärtige haben zur Annahme künftig ergehender Verfügungen bei 5 Thlr. —- —- Strafe längstens im Termine einen Bevollmächtigten hier zu bestellen. König!. Gerichtsamt Wilsdruff, am 20. Mai 1870. Leonhardi. Kretzschmar. abgehalten. Wilsdruff, am 18. Mai 1870. decretirte dcr Coavent fast in demselben Momente, als die Guillotine eingeführt wurde, auch die Abschaffung der Todesstrafe, aber freilich mit dem Zusatze, wenn der Frieden wieder hergestellt sein werde. So viel steht fest, daß immer, wenn die Geister für politischen uud socialen Fortschritt sich regten, auch eine Agitation für Abschaffung dcr Todesstrafe sich erhob, so in dcr Julircvolntion, so in der Bcwegmig von 1848, wo das deutsche Parlament in den deutschen Grundrechten die Abschaffung der Todesstrafe ausfprach. Jede Rcaction aber stempelte diese Frage zur politischen, indem sic dic Aufrechterhaltung der Autorität des Staates mit der Abschaffung dcr Todesstrafe für unvereinbar erklärte. In dcr That abcr steht die Todesstrafe mit keiner Staatsform in einem besonderen Zusammenhänge; sie ist abgeschafft in Monar chien Wie in Republiken, in Sachsen, Oldenburg, in den Donansürstenthümern, in einzelnen Cantonen der Schweiz, in Neuchatel und Freiburgs und in einzelnen Staaren Nordamerikas, also in Staaten von der verschiedenartigsten politische» Form und der ungleichmäßigsten Cultur. Auch Katharina II. von Rußland ging mit dem Ge danken um, die Todesstrafe für gemeine verbrechen abzuschassen. Wie aber die Todesstrafe kein Polltisches Dogma ist, ebensowenig ist sie eine kirchlich-dogmatische Frage. Es giebt freilich keinen Mißbrauch und keinen Frevel, der nicht mit Berufung auf die Bibel gerechtfertigt worden wäre. Mit der Bibel in der Hand sind Folter und Hexenprozesse vertheidigt worden und man hat Gelegenheit noch heute Theologen doewen zu Horen, daß man an der Nothwcndigkeit der Todes strafe nicht zweifeln dürfe, wie man am Teufel ^qj^olu») nicht zweifeln könne. Durch die ganze Geschichte der christlichen Kirche geht die Erscheinung, daß dieselbe Bibelstelle für und gegen ein Dogma angeführt wird; so auch mit der Todesstrafe aber je näher dem Urchristenthum, dcstomehr wird sie verworfen. Der Kirchenvater Augustin sagt sich los von ihr, der heilige Thomas von Aguina hält sie späterhin für zulässig. Auch die Secten, welche dem Urchristenthum näher stehe», wie die Menno»,ten^und Quaker, verwerfe» sie. Schleiermacher erklärt sie gerade für un christlich. Selbst in der mosaischen Gesetzgebung ist der Todesstrafe die Verbannung (A.s>1um) entgegengesetzt; sie hat also auch dort nur die Bedeutung der Zulässig keit, nicht der Nothwendigkeit; das Christenthum indessen, wie es die Sklaverei innerlich immöglich macht, stellt zwar die Todesstrafe als lustitutio hi», sagt aber: „Gott will nicht, daß der Gottlose umkomme und zu Grunde gehe, sondern daß er lebe." Nun hat man feilich in der Todesstrafe eine göttliche Fügung, ein fatali stisches Gesetz sehen wollen. Wenn dem aber so wäre, dann würde man nicht be greifen können, wie ein Fürst das Recht der Begnadigung sich beilegen kann, das er doch als einen Verstoß gegen jene göttliche Fügung ansehen müßte. Die Todes strafe ist durchaus aufzufassen als eine Frage der strafrechtlichen Cultur. Wir müssen uns fragen, ob die Todesstrafe, die allgemein historisch zulässig sein mag, in der Gegenwart nothwendig sei? Hierbei kommt zunächst der Standpunkt der Gerechtigkeit fckuslitia) in Betracht Was aber ist Gerechtigkeit in der Strafabmessung? — Man hat sich dieses Aus druckes^.ost.bedient, aber denselben selten erklärt. Die Einen sagen, daß nur Das gerecht sei, was zur Besserung des Verbechers führen müsse, die Anderen, daß der Begriff der Gerechtigkeit aus dem dcr Vergeltung herzuleit.m sei. Crrl lV. (litt - Bekanutmachnng. Der nächste Jahrmarkt hier wird Donnerstag den 16. Jnni d. I Die Todesstrafe. Wie bekannt ist in Mailand dem Marquis Beccaria, der vor ungefähr hundert Jahren in seiner Aufsehen erregenden Schrift: „Iler ckelitti s clollc: xons" (über Verbrechen und ihre Strafen), zuerst die Abschaffung der Todesstrafe forderte, ei» Denkmal errichtet worden. Namhafte Nechtsgelehrte in Italien, Deutschland und Frankreich suchten dies Unternehme» durch Vorträge zu fördern, deren Ertrag dem Beccariafonde zugefloffcn ist. Für Berlin hatte Prof, v Holzendvrff diese Aufgabe übernommen und drei äußerst interessante Vorträge über Abschaffung der Todesstrafe . gehalten, aus denen wir noch nachträglich folgenden anziehenden Bericht den ge neigten Lesern mittheilen. Dcr Vortragende gab zunächst ein Bild dcr Zustande vor hundert Jahren, als in Europa, mit alleiniger Ausnahme Preußens, noch allgemein die Folter (Dcw- wontuin) zur Anwendung kam und die Todesstrafe in einzelnen Fällen mit so aus gesuchter Grausamkeit verhängt wurde, daß man selbst ein ärztliches Gutachten cin- forderte, wie selbige wohl am qualvollsten gestaltet werden könne. Galgen und Rad waren gleichsam die geringsten Strafen, welche auf Verbrechen, die man für todeswürdig hielt, gelegt wurden. Beccaria war es, der sich gegen diesen Unfug erhob, die Abschaffung der Todesstrafe verlangte und die Gefährlichkeit des schrift lichen Verfahrens in Criminalsachen nachwies. Alles das, was er als nothwendig hinstellte, ist heut zu Tage so iws Bewußtsein gedrungen, daß wir darüber fast sei nen Namen vergessen haben, aber gleichwohl ist noch nicht Alles, was er erstrebte, That geworden und selbst die Gegner der Todesstrafe werden noch häufig als Idea listen und sentimentale Schwärmer verschrien. Deshalb gilt es auch heute noch, ernst und eindringlich die Frage zu erörtern, ob die Todesstrafe den: Bewußtsein der Gegenwart entspreche, ob sie gerecht und unerläßlich, ob sie im Princip zu billigen sei. Die Todesstrafe ist verwachsen mit den Jahrhunderten, die unserer Zeit voran- gegangen sind; man kann sich dem Einflüsse dieser Vergangenheit nicht entziehe». Wenn selbst ein Mann wie Mittermaier unter den Einflüsse Hegel's in seiner Jugend die Todesstrafe vcrtheidigcn konnte, wenn ein Mann wie Carmigneni erst am Ende feiner Laufbahn zu der Ueberzeugung kam, daß sie abgcschasst werden müsse, so kann man es natürlich dem Laien nicht verdenken, daß er an de» Anschauungen der Vergangenheit festhält. Die Mehrzahl der deutschen Juristen hat jetzt mit der Todesstrafe gebrochen, aber zwei Umstände hemmen noch immer diese nothwcndige Reform, die nämlich, daß man aus der Todesstrafe ein politisches und kirchlich-rcli- giöses Dogma gemacht hat. Mit der Politik hat indessen die Todesstrafe Nichts zu fchasscn. Nicht das Volt, sondern gerade die Fürsten waren es, die vor hundert Jahren Beccarias Ideen in sich aufnahmen. Leopold von Toscana schaffte im Jahre 1786 die Todes strafe durch einen Rcgicrungscrlaß ab, und ein Jahr spätcr^folgtc Kaiser Joseph II. , seinem Beispiele. Die Ansicht, daß die Abschaffung der Todesstrafe eine politische Bedeutung habe, ist erst mit der sranzvsischcn Revolution ansgetaucht. Bekanntlich 1