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MochcMstt WUedufi, Th«r-üd!, Rvffc», Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche GerichtsamL Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. 70. Dienstag den 6. September 1870. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 5. September 1870. „Kaiser Napoleon gefangen, 100,000 Franzosen haben die Waffen gestreckt." Diese fast mährchenhafr klingende Nachricht umläuft mittelst des elektrischen Funkens, äußerste Senfalwn erregend, den ganzen Erdball, sie läuft, vom Jubel getragen, in Deutschland von Mund zu Munde. Daß die blutige Saat bei Metz den deutschen Waffen herrliche Früchte bringen würde, das war unsere trostreiche Hoffnung in aller Trauer um unsere gefallenen Brüder. Wer aber hätte so rasche und glänzende Erfolge zu träumen gcwagt? Für- wahr, wer vor zwei Monaten dem, durch das Plebiscit ucugestützteu Diktator Europas, wer der für fast unüberwindlich gehaltenen Ar mee der „großen Nation" ein solches Schicksal, eine so jähe Nieder lage prophezeit hätte, wäre selbst von verständigen Leuten für reif in das Irrenhaus erklärt worden. — Das bis dahin in der Welt geschichte einzig dastehende, für die deutsche Waffenchre schimpfliche Faktum, daß der österreichische General Mack am 10. Oktober 1805 in Ulm mit 60,000 Mann vor den Franzosen die Waffen gestreckt hat, ist durch die Kapitulation des französischen Mac Mahon und seiner Armee weit überboten, die Niederlage der Preußen bei Jena durch die Niederlage der Franzosen bei Metz und Sedan reichlich wett gemacht; die ^französische Armee, die gefürchtete Armada'des Kontinents, existirt im Felde nicht mehr und der Kaiser der stolzesten Nation muß nach bloß vierwöchigem Kampfe, den er in frevelhaftem Uebermuthe selbst provocirt, bis zur Vernichtung geschlagen, von seinem Volke mißachtet, sich gefangen geben! — König Franz I. von Frankreich wurde von dem deutschen Kaiser Karl V. am 24. Februar 1526 in Pavia gefangen genommen. Die zwischen beiden geführten Kriege berührten aber das deutsche Reich nur weuig. König Franz war der Gefangene Karls V. als Königs von Spanien und Gebieters in Italien. Napoleon I. gab sich das erstemal England, das andere mal den Alliirten gefangen. Napoleon der III. tst sonach das erste Oberhaupt Frankreichs, das in die Gefangenschaft lediglich deutscher Waffeumacht gerathen ist — nicht von Ungefähr, sondern durch die „unerbitttich Logik der Thatsachen", der moralischen und militärischen Ueberlegenheit des deutschen Volks über das französische, welches, wenn auch widerwillig diese Ueberlegenheit endlich anerkennen muß und genöthigt fein wird, allen Eroberungsplänen in Deutschland für immer zu entsagen. In Folge des gegenwärtigen Nationalkricgs, eines der blutigsten, welche die Weltgeschichte je kennt, ist hoffentlich der Nimbus französischer Uuüberwiudlichkeü für immer erloschen, die Rolle Frankreichs als unsers Hausfriedensbrechers auf ewig ausgc- fpielt. Weißenburg — Wörth — Saarbrücken — Rezonville — Marslatour — Gravelotte — Beaumont — Noiceville — Sedan! Die blutigen Lorbeeren dieser Siege, an welche sich, das walte Gott, bald noch die Capitulation von Metz und die Einnahme von Paris anrcihen wird, bilden einen unverwelklichen Ruhmes-Krauz auf der Stirne der verjüngten Germania! Wir aber wollen uns, fern von Uebermuth in innigem Dankgcbete beugen vor dem allmächtigen himmlischen Lenker der Schlachten! In den Annalen der Geschichte wird der zweite September des Jahres 1870 für ewige Zeiten als ein hell leuchtendes Meteor er scheinen, denn an diesem Tage ist durch die Waffen des geeinigten Deutschlands das zweite französische Kaiserreich zu Grabe getragen worden. Die am 2. Deccmbcr des Jahres 1852 gegründete Dynastie Napoleon vcs Dritten wurde gestürzt, nachdem er achtzehn Jahre hindurch die Geschicke des Landes geleitet hat, welches noch vor wenigen Wochen sich vermaß, in Europa die erste Rolle zu spielen und aufgehört hatte, den Frieden der Welt zu bedrohen. Eine solche schnelle Wandelung der Geschicke eines mächtig und drohend er scheinenden Landes und seines Cäsar steht bisher einzig m der Ge schichte da, nirgends finden wir Etwas, das sich nur entfernt mit den Folgen des 2. September vergleichen ließe. Sollen wir hier wieder holen, wie dies Alles vor den mit Staunen auf das wieder erstandene Deutschland blickenden Völkern der Erde sich vollzogen hat, sollen wir die Ursachen dieser fürchterlichen Tragödie, dieses Gerichtes, welches über Frankreich gekommen ist, hier nochmals erwähnen. Wir haben dies nicht nöthig. Alles hat sich in einer solchen kurzen Spanne von Zeit abgewickelt, daß es Jedermann noch frisch im Ge- dächtniß ist. Das Kaiserreich hat sich durch den frevelnden Uebermuth, mit Welchem cs diesen Krieg aegen Deutschland begann, seinen Fall selbst bereitet. Deutschland bedrohte seine Existenz nicht, wir konnten den Frieden noch zur lange haben, aber das Verhängnis; ritz Napoleon und seine Creaturen mit fort, sic wollten den Krieg, und sie und das unglückliche Frankreich haben dessen Folgen zu tragen. Das ist das Strafgericht einer gerechten Vorsehung, welches sie ereilt hat. Wir Deutschen aber, die diese glanzvolle Periode Deutschlands und dessen > Wiedergeburt erleben, müssen voll Dank erfüllt sein, daß das schwere Unglück, welches unser Land bedrohte, durch Gottes Fügung, den Muth, die Energie und Tapferkeit unserer Krieger abgewender worden ist. Zwar müssen wir schmerzliche Opfer betrauern, Tausende von kräftigen Söhnen Deutschlands haben auf den Schlachtfeldern Frankreichs geblutet, allein so hoffen wir, sie sind nicht umsonst ge fallen auf dem Felde der Ehre, die herrlichen Siege der deutschen Waffen werden uns nicht nur ein einiges starkes Deutschland, sondern ' auch, so Goll will, einen langdaucruden Frieden für uns bringen. Wir stehen jetzt augenscheinlich vor der letzten Episode des Krieges. Durch den Kampf am I. September bei Sedan und die darauf am nächsten Ta-z erfolgte Kapitulation der Armee Mac Ma hons ist die letzte krieg:nichtige Armee Frankreichs vernichtet worden. Die jetzt in Paris befindliche Negierung hat weder einen Feldherr», noch Truppen zur Verfügung, die zur weiteren Verthcidigung des Landes geeignet erscheinen. Der Weg nach Paris steht den mit Siegeszuversicht erfüllleu deutschen Truppen offen und die nieder schmetternde Wirkung, welche die Nachrichten von der Katastrophe zu Sedan auf die Pariser hervorbriNgen müssen, wird alles Andere, nur nicht eine kräftige, muthvolle Vertheidigung von Paris erwarten lassen. Das Schicksal der in Metz eingeschlossenen Armee BazaincS ist nartürlicher Weise mit der Vernichtung Mac Mahons entschieden. ES ist kaum zu wahrscheinlich, daß Bazaine, wenn er die Vernichtung der zu seiner Hülfe herbeigeeiltcn Armee und die Gefangennahme des Kaisers erfahr!, seinen Widerstand in der von gräßlichem Elend bedrohten Festung Metz fortsctzcu wird. Die Kapitulation von Metz, sowie die von Straßburg dürften wohl ganz nahe bevorstehend sein. Es ist ganz erklärlich, daß solche Schlüge, wie die vom I. Sep tember, das nahe Ende des Kampfel in Frankreich voraussehen lassen, denn schwerlich ist Paris im Stande, den siegreichen deutschen Truppen, die zum Theil unter dem Kronprinzen von Preußen ihren oirectcn Marsch dorthin sorlsetzen, langen Widerstand leisten wird! Eine befestigte Stadt von beinahe 2 Millionen Einwohnern ist ans die Dauer gar nicht zu halten und die Entmuthigung, welche die Franzosen nach den nunmehrigen Erfolgen Deutschlands sehr wahr scheinlich ergreifen wird, dürfte dazu beitragen, daß die deutschen Heere in kurzer Zeit als Sieger in Paris Anziehen und dort den Frieden dictircn. Berlin, 4. Septbr., 2 Uhr 7 Min. Nachm. Soeben ist folgendes Telegramm an Ihre Majestät die Königin Augusta gelangt: Barennes, 4. September, Vorm. 8 Uhr. Welch ein er greifender Augenblick, der der Begegnung mit Napoleon! Er war gebeugt, aber würdig in feiner Haltung und ergeben. Ich habe ihm Schloß Wilhelmshvhe bei Kassel zum Aufent halt gegeben. Unsere Begegnung fand in einem kleinen j Schlößchen vor dem westlichen Glacis der Festung Sedan statt, i Von dort beritt ich die Armee, um Sedan. Den Em-. l Psang kannst Du Dir deuten! Er war unbeschreiblich,! Beim Einbrechen der Dunkelheit, halb 8 Uhr hatte ich den 5stün- digen Ritt beendigt, kehrte aber erst um 1 Uhr hierher zu rück. Gott helfe weiter! Wilhelm. Paris, 4. September. Offiziell. Eine Proklamation, vom Gesammtministerium unterzeichnet, sagt: Großes Un-