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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 74. Dienstag den 20. September 1870. Verordnung des Justizministeriums, die GeHwornen-Urlisten betreffend, vom 12. September 1870. Die Stadträthe und Gemeindevorständc werden unter Hinweis auf die Vorschrift in H 9 flg. des Gesetzes vom 14. September 1868, die Bildung der Geschwornenlisten rc. betreffend, darauf aufmerksam gemacht, daß die Urlisten der zum Amte eines Geschworncn Befähigten nunmehr zu revidiren und im nächsten Monate vierzehn Tage lang zu Jedermanns Einsicht in der im Gesetze näher bestimmten Maße öffentlich auszulegen sein werden. Auch wird hierdurch bestimmt, daß bei der Einreichung der Listen nach Z 11 des angczogencn Gesetzes auf denselben genau ange geben werde, an welchem Tage und bis zu welchem Tage sie ausgelegt worden sind. Dresden, den 12. September 1870. Ministerium der Justiz. vr. Sä'Ntidcr. Rosenberg. Tagesgcschichte. Wilsdruff, am 19. September 1870. Nachdem längere Zeit directe Meldungen über den Vormarsch unserer Truppen auf Paris gefehlt haben, ist nun die nicht unwich tige Nachricht eingetroffen, daß das Hauptquartier der deutschen Ar mee sich am 15. dieses Monats in Meaux, 10 Stunden von Paris entfernt, befand. Die Truppen scheinen bisher nirgends auf großen Widerstand gestoßen zu sein, und ebenso wenig konnten, wie die be treffende Depesche besagt, die von den Franzosen an den Chausseen und Eisenbahnen augerichteten Zerstörungen das Vordringen der deutschen Armeen aufhalten. Die wohl über Brüssel von Paris ein laufenden Depeschen gestehen selbst zu, daß die Vorposten der deut schen Heere bereits einen weiten Halbkreis tim Paris bilden, der sich mit jedem Tage nach Westen zu, enger zusammenziehen wird. Im Norden ist die Bahnverbindung nach Chantillh bereits unterbrochen, von Osten her sind die Plänkler bereits bis 2Vs Stunden Paris näher gerückt und ebenso sind in Clamart, welches nur eine Stunde südwestlich von Paris liegt, Vortruppen erschienen. Wenn eS wahr ist, was die betreffende Pariser Depesche weiterhin meldet, nämlich, daß aus Paris Truppen auSgerückt sind, um Lem Feinde entgegen zugehen, so werden wir in den nächsten Tagen von Vorpostenge sechten unter den Mauern von Paris hören. In Bezug auf das Vorrücken der deutschen Truppen nach Paris, welche sich nicht blos in der unmittelbaren Richtung von Osten nach Westen bewegen, sondern so operiren, daß sie einen Halbkreis um Paris bilden, sind die Dispositionen so getroffen, daß die Truppen infolge ihrer Marschbewcgungen gleich von vorn herein in diejenigen Stellen emrücken, welche sie bei Paris einnehmen sollen. Das Commando für die Belagerung ist bereits ernannt, auch ist der Chef der Artillerie-Prüfungs-Commission, Oberst von Rief, auf den Kriegsschauplatz commandirt, um bei der Belagerung in Function zu treten, das Belagerungsgeschütz ist unterwegs. 'In sachverständigen Kreisen rechnet man auf eine sehr kurze Dauer der Belagerung, da der Bestand an regulären Truppen in Paris allcrhöchstens auf 50,000 Mann anzunehmen ist, die Zahl der Mobilgarden aber, denen sowohl die Ucbung als Bewaffnung fehlt, auf nicht mehr als 150,000 Mann zu schätzen sind. Die Einnahme von Paris wird von den Militärs nicht für so leicht gehalten, wie von dem großen Publikum. Allerdings legt man auf die Vertheidigung der Ringinauer mit ihren 80 Fronten oder gar die Straßenvertheidigung durch Barricaden kein Gewicht. Man hält die Einnahme der Stadt für gesichert, sobald man in der Lage ist, sie beschießen zu können. Dies ist aber nur möglich, nachdem man durch einen kräftigen Stoß auf den Fortsgürtel in Besitz einer der Höhen im Osten oder Süden der Stadt gelangt sein wird. Die Forts nun, welche diese Höhen krönen, haben ihre Hauptstärke in dem schweren Geschützkaliber, dessen Artilleriewirkung genau berechnet ist. Deutscherseits dagegen wird die Herbeischaffung schweren Kalibers bei der hinter Nanch fehlenden Eisenbahnverbindung große Ver zögerungen erleiden. Die Pariser sind jetzt in der verdrießlichen Lage von Leuten, denen der Bissen im Munde nachgezählt wird. Draußen der alte Moltke und drinnen der Commandant Trochu rechnen: in der Stadt giebts so und so viele Ochsen, Schafe und Kälber, Schweine und Hühner, Gemüse und Kartoffeln, kommt auf den Pariser Mund täg lich so und so viel, etwa 3—4 Wochen lang und dann nichts mehr. Der alte Moltke fragt: Jst's besser, daß wir schießen oder die Pa- riser hungern lassen? Die Husaren und Ulanen müssen alle Zufuh ren abschneiden. Seit der erschütternden Nachricht von den Vorgängen in Laon ist der letzte Rest von Vertrauen geschwunden, den man bis dahin noch zu einer Nation hatte, die sich für berufen hält, der Welt als Ideal der Gesittung voran zu leuchten. — Was steht nach diesem neuesten Vcrrath an Mannesehre, nach dem schändlichen Wortbruch von Laon, von solchem Volke noch zu erwarten? Welche Scenen lassen sich nach diesem teuflischen Akte noch fürchten in Paris, in Metz, in jeder einzelnen der noch zu uchmeuden Festungen. Läßt sich eine tiefere moralische Verkommenheit denken, als sic sich in den gelcsensten Journalen von Paris aüsspricht, in denen man neuerdings auffordcrt, die Deutschen Truppen mit brennendem Petroleum zu überschütten; in denen man mit einer Art Triumph auf die Wunder hinweist, welche mit diesem und ähnlichen Brenn stoffen zu bewirken seien? — Was ist nach solchen Tharen natürlicher, als daß sie den Soldaten zur Wuth entflammen lind ihm die fürchter lichsten Repressalien zu üben gebieten? Wo die Gesetze der Mensch lichkeit zu Boden geschlagen werden, die uns sonst bei dem Unglück des Krieges noch einen Trost gewähren, da beginnt der Kampf mit der rohen Bestialität, für den cs keine Rücksicht mehr giebt. Die Verantwortung ist grauenhaft für jenes nichtswürdige Volk, welches derartige Zustände in den Bildungsgang unsers Jahrhunderts schleudert. Schwer genug mag es freilich der Nation ankommen, die stets auf Eroberung bedacht gewesen ist, daß sie früher geraubte Theile ihres Gebiets jetzt wieder herausgeben soll ; wenn aber eine derartige wohlverdiente und hcrausgesorderte Züchtigung jenes Volk sofort aller Menschlichkeit entkleidet, dann eben verdiente es ausgestoßen zu werden aus dem Kreise zivilisirter Völker; denn es steht tief unter jenen Wüstenhvrdeu, die es jetzt in deutsches Gebiet zu Hetzen ge dachte. Zur Ehre der Menschheit sei angenommen, daß nur ein kleiner Theil des französischen Volkes an der Anwendung solch scheußlicher Mittel wirklich Theil hat; cs zeigt aber von einer tiefen sittlichen Ohnmacht, wenn eilte in solchem Maße entartete Presse straflos nnd ungehindert das Verbrechen in seiner dunkelsten Form predigt; es zeigt, daß auch dem besseren Theile dieses Volles die Zuchtruthc sehr wohlthälig sein wird, damit es sich ermanne und nicht von einem Nottengesindel sich widcrstandlos beherrschen und seinen Namen an den Schandpfahl der Gescbichte schlagen läßt. Die „B. B. Z." schreibt: Mehr als 130,000 kriegsgefangene Franzosen befinden sich bereits in diesem Augenblick auf deutschem Boden. Nicht blos ihr Transport, sondern auch ihr Unterhalt ver ursacht dem deutschen Volk einen sehr bedeutenden Kostenaufwand, der gering veranschlagt pr. Kopf mit monatlich 20Thlr. zu berechnen ist. Bei den: künftigen Friedensschluß wird Frankreich allerdings auch für diese Ausgabe Restitution zu gewähren haben, so daß die Ausgaben mehr die Natur von Auslagen und Vorschüssen haben. Jndeß scheint doch auch kaum räthlich, diese großen Massen blos in den Festungen und in Barackenlagern müssig und unbeschäftigt zu lassen. Nach Völkerrecht können die kriegsgefangenen Unteroffiziere und gemeine Soldaten zur Bestreitung ihrer Unterhaltskostcn zu an gemessenen Arbeiten verwendet werden. So lies; denn auch der alte Napoleon von den deutschen Kriegsgefangenen den Bau von Chausseen