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für WrlSdrnff, Tharandt, Nossen, Siebenlehtt und die Umgegenden. m tsblalt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 38. Dienstag den 26. Zuü 1870. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 26. Juli 1870. Letzten Freitag Nachmittag in der 5. Stunde verunglückte der beim hiesigen Straßenbau beschäftigte Handarbeiter Kemmel aus Klipphausen dadurch, daß er sich, um sein karges Vesperbrod zu essen, an eine etwas unterwühlte Lehmwand setzte, im Begriff auf zustehen, lösen sich ohngefähr einige Karren Lehm, drücken ihn nach vorn zur Erde, dabei kommt er mit der Brust auf einen Karren zu fallen, wobei er sich so beschädigt, daß er schon nach einer halben Stunde verschied. Kemmel hinterläßt eine Wittwe und 3 unerzogene Kinder in den dürftigsten Verhältnissen. Allerwärts bilden sich Comitös, theils zur Unterstützung der hilfs bedürftigen Angehörigen der zu den Fahnen Einberufenen, theils zur Pflege der im Felde verwundeten und erkrankten Krieger. Kein Ort will hinter den anderen zurückstehcn, überall sehen wir den edelsten Wetteifer in Erfüllung der heiligen Pflichten, welche die schweren Zeitläufte uns jetzt aujerlegeu. Auch wir dürfen nicht säumen, dafür zu sorgen, daß die Ange hörigen der Einberufenen nicht darben und Noth leiden, auch wir müssen Alles thun, was in unseren Kräften steht, um den Verwun deten und Erkrankten Linderung und Erleichterung zu bringen. Zu unserer Freude hören wir nun, daß auf Anregung des Mi- litairvcreincs hier ein Hilfscomito für die hiesige Stadt lind den Ge- richtsamtsbezirk Wilsdruff ungesäumt constituirt werden soll, welches Gaben an Geld, Naturalien, Berbandgegcnständcn zur Verthei- lung und Beförderung entgegennehmen wird. — Das Nähere hier über wird in der nächsten Nummer dieses Blattes veröffentlicht werden. Da die gesetzlichen Bestimmungen darüber, wie die Anmeldungen der hilfsbedürftigen Landwehr- und Reservemannschaften zum Behufe der Staatsunterstützung nicht überall bekannt sein dürften, so lassen wir solche folgen: Die Familien der verheirathetcn Reservisten und Landwehrmänner haben im eintrctenden Falle unter Beifügung der Trau- beziehentlich Taufscheine und Bescheinigung ihrer Bedürftigkeit, mit genauer Angabe der Namen, des Alters und des Wohnortes der Frau und der Kinder, sowie des Namens, der Partei und des Gra des des Mannes, zu Auswirkung der gesetzlichen Unterstützung bei der Ortsobrigkeit, auf dem Lande unter Vermittelung der Ortsgerichte, sich schriftlich anzumelden, und zugleich die Person zu bezeichnen, an welche sie die Unterstützung ausgczahlt wünschen. In der Regel und, wenn der Mann selbst nicht schon vorher bei der Obrigkeit etwas Anderes darüber ausdrücklich bestimmt hat, soll die Ehefrau des Mannes und, wenn diese nicht mehr vorhanden, die von der Obrig keit dazu bestimmte Person hierzu legitimirt gelten. Aus Dresden berichtet daS „W. T. B.": Eine Einberufung eines außerordentlichen Landtages wird nicht beabsichtigt, da die dis poniblen Fonds des sächsischen Staates die Mittel zu längerer Kriegs führung garantiren. Das „Dresdner Journal" veröffentlicht in seinem Jnscratentheile einen patriotischen Aufruf zur Organisation eines Frciwilligcn-Eorps sächsischer Felddiaconen, sowie einen zweiten Aufruf zur Sammlung von Spenden für die durchziehenden Krieger und die zurückbleibenden Familien der Vaterlandsvertheidiger. Ganz Sachsen steht für die deutsche Sache! Aucb die Stadtverordneten von Dresden und Chemnitz haben der herrschenden vollen nationalen Begeisterung Ausdruck gebende Adressen an den König von Sachsen und an den König von Preußen als Oberhaupt des norddeutschen Bundes beschlossen. Der Bundeskanzler hat dem Präsidium des Reichstages einen beglaubigten Auszug aus dem Protokoll der BuudcsrathSsitzung vom 16. Juli überreicht. Wir ersehen daraus, daß, nachdem der Vor sitzende eine Darstellung der politischen Lage gegeben, der Freiherr von Friesen erklärt hat: „Im Namen der konig. - e:, gierung, welche, wie ich annehmen darf, hierin mit allen übrigen Hohen Bundesregierungen im vollen Einklang sich befindet, spreche ich "das Einverständniß mit allen bisherigen Schritten des Bundes- Präsidiums und mit der von Preußen kundgegebeuen Auffassung der Sachlage aus. Frankreich will den Krieg. Möge derselbe denn mög lichst schnell und kräftig geführt werden." Die Bevollmächtigten der übrigen Bundesregierungen traten sämmstich der Erklärung des Königreichs Sachsen bei. Sämmtliche deutsche Fürsten, heißt es, würden in den näch sten Tagen in Coblenz eintreffcn. Die Berliner osficiösen Organe enthalten folgenden Allerhöchsten Erlaß, betreffend die Abhaltung eines außerordentlichen allgemeinen Bettages am 27. Juli d. I.: Ich bin gezwungen, in Folge eines willkürlichen Angriffs das Schwert zu ziehen, um denselben mit aller Deutschland zu Gebote stehenden Macht abzuwchren. Es ist Mir eine große Beruhigung vor Gott und den Menschen, daß Ich dazu in keiner Weise Anlaß gegeben habe. Ich bin reinen Gewissens über den Ursprung dieses Krieges und der Gerechtigkeit unserer Sache vor Gott gewiß. Es ist ein ernster Kampf, den cs gilt, und er wird Meinem Volke und ganz Deutschland schwere Opfer auflegcn. Aber Ich ziehe zu ihm aus im Aufblicke zu dem allwissenden Gott und mit Anrufung Seines allmächtigen Beistandes. Schon jetzt darsJch Gott dafür Preisen, daß vom ersten Gerücht des Krieges an durch alle deutsche Herzen nur ein Gefühl rege wurde und sich kund gab, das der Entrüstung über den Angriff und der freudigen Zuversicht, daß Gott der gerechten Sache den Sieg verleihen werde. Mein Volk wird auch in diesem Kampfe zu Mir stehen, wie es zu Meinem in Gott ruhenden Vater gestanden hat. Es wird mit Mir alle Opfer bringen, um den Völkern den Frieden wieder zu gewinnen. Von Jugend auf habe Ich vertrauen gelernt, daß an Gottes gnädiger Hilfe alles gelegen ist. Auf Ihn hoffe Ich und fordere Ich Mein Volk auf zu gleichem Vertrauen. Ich beuge Mich vor Gott in Er- kenntniß Seiner Barmherzigkeit und bin gewiß, daß Meine Unter- thaneu und Meine Landsleute es mit Mir thun. Demnach bestimme Ich, daß am Mittwoch, den 27. Juli, eiix. außerordentlicher allge meiner Betlag gehalten und mit Gottesdienst in den Kirchen, sowie mit Enthaltung von öffentlichen Geschäften und Arbeit, soweit die dringende Noth der Zeit cs gestattet, begangen werde. Zugleich bc- stimme Ich, daß während der Dauer des Krieges in allen öffentlichen Gottesdiensten dafür besonders gebeten werde, daß Gott in diesem Kampfe uns zum Siege führe, daß Er uns Gnade gebe, auch gegen unsere Feinde uns als Christen zu verhallen, und daß Er uns zu einem die Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands dauernd verbür genden Frieden in Gnaden gelangen lasse. Berlin, den 21. Juli 1870. Wilhelm. von Mühler. Die „dl. A. Z." veröffentlicht folgende zwischen dem König von Preußen und dem König von Bayern aus Anlaß der jetzigen Situa tion gewechselte Telegramme: Telegramm Sr. Majestät des Königs von Preußen an den König von Bayern in München. Nach erhal tenem Telegramm von Ihrem Ministerium habe ich sofort das Commando über ihre Armee übernommen und dieselbe der unter meinem Sohn gestellten 3. Armee überwiesen. Wir sind durch un erhörten Uebermuth aus dem tiefsten Frieden in den Krieg geworfen. Ihre echt deutsche Haltung hat auch Ihr Volk elektrisirt, und ganz Deutschland steht einig zusammcn wie nie zuvor. Gott »volle unsere Waffen segnen in den Wecbselsällen des Krieges! Ihnen persönlich muß ich aber meinen innigen Dank aussprechcn für die treue Fest haltung der zwischen uns bestehenden Verträge, auf denen das Heil Deutschlands beruht. gez. Wilhelm Rex. Antwortschreiben Sr. Majestät des Königs von Bayern. Mün chen, 20. Juli 1870. Sr. Majestät dem Könige von Preußen. Ihr soeben erhaltenes Telegramm hat in meiner Brust den sreudigsten Wiederhall erweckt. Mit Begeisterung werden meine Truppen an der Seite Ihrer ruhmgekrönten Wasfengcnossen für deutsches Recht und deutsche Ehre den Kampf aufnehmen. Möge es zum Wohle Deutschlands und zum Heile Baierns werden. Ludwig Rex. Aus Köln schreibt man untcrm 17. Juli: Heute Morgen ist mit der Rasirung der äußeren Umgebung der Festung begonnen wor den, wozu 2000 Arbeiter cngagirt sind. Auch unser berühmter zoo-