Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.07.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080718028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908071802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908071802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-07
- Tag 1908-07-18
-
Monat
1908-07
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis ilk L«l„to «ot»rt» d«ch «I«, liLger u>» kMdit«» t»t Ha»4 ^tracht« kulL»d« 4 <»« owr««») »tiEchrlich 8 M., mmi-ÜiH 1 M.; kulaad« > (m»rar»4 unr abrod») »irrtii» tthrltch 4.8) vt-, moiuttUL i.oO A. Lurch du Vofl ,» britchrn: fl mal tLglich) mnrrhalb Lrutlchlmidl und der deutiqen »»loniea vierteljährlich L,2d M., momlUtch 1,7b M. «Uschi. Pott- d-steL-eld, >kr Oesterreich VL 6« st, llngarn 8 L vierttljlhrlich. A««r in v«l» aien, Dänewark, den Danauftaaten, Italien, Luxemdurg, »iirderlaaLe, Aorwegra, Rust» land. Schweden, Schwei» und Späuten. In aien dbriaen Staaten nur direkt durch dt» Lrved. d. Vl. -rbtltli». Adonnement-Aunabme t 8, eei unteren ÜrLaern, Filialen, Sxediteure» und Annahmeftellen, sowie PoftLmtern n>» Srtestrtgrrn. Lte «itqelne »tiunmer kost« 1V Ws^ "stedakttvn und Lxvedttton! Iohannitgasse 8 Lelevbon Nr. 1EL Nr. IE. Nr. 146»». Abend-Ausgabe S. WgerTagMaü Haudelszeitung. Ämtsvkaü -es Nates und -es Notizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Luzeigeu-Pree» W, «Uwstn, Sl- Vl., Reo«» »»«UiUIaL»8>Pi., ftnaa». NnM,c»7L W.. «-klanu» vt. Jnseraw». Behörde« e mntlicheorestMW. vetlagegebstbr bLt. ». raus»»» «r». Post, arbühr. cheichLlltanzrig«» an bevorrugwr Stelle im Preise erhöht. Rabat« nach Larii Fester!eilt« stluttrtae kLanen nicht »urstL- ae»«Hea werben. Für da» iirschAne» an iesttülmten Lagen und Plüsten wich kein» Garantie übernommen. Anzeigen. Annahme, Angustnlpla» 8, bei stmtltcheu Filiale» u. allen Annonce»' Etveditioueo de» In» an» Auülo ude». .Filiale verltn, Carl Duncker, Hrr»ogl. Vahr, -osbnch haadluag, Lü»owstrast« Ul. lLelevtzon VI, Nr- «MSst chaubt-Stlial« V elde» Seevrast« 4.1 (lrleuhou 4SL>. Nr 197. Sonnabend 18. Juli 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste. * Staatssekretär Sydow hat einen sechSwöchentlichen Urlaub angetreten. * Das Gesetz, durch welches das d e u t s ch - f r a n - ös i f ch e Ab- kommen vom 18. April, das die Grenze zwischen Kamerun und Kongo sestlegt, gebilligt wird, wird im heutigen Pariser Amts blatt veröffentlicht. * Der Präsident von Frankreich hat heute seine Reise nach Skandinavien und Rußland angetreten. * Der russische Staatshaushalt für 1908 ergibt bei den ordentlichen Einnahmen gegenüber den Ausgaben einen Ueber- schuß von 74 Millionen Rubel, bei den außerordentlichen ein Minus von 65 Millionen. * Dem „Eclair" wird aus Tanger gemeldet, daß auch in Marra kesch große Ruhestörungen ausbrachen. Einzelheiten fehlen. Die Stimme der Vernunft. Die Macht der Ereignisse war von jeher stärker als alle politischen Stimmungen. Sie hat selbst im heiligen Rußland ihren Einfluß nicht verfehlt. Dies tritt nirgends deutlicher zutage, als in der Haltung der Presse gegenüber Deutschland, die bis vor kurzem in mancher Hin» sicht zu wünschen übrig ließ. Namentlich in deu Tagen von Reval schlugen die Blätter vom Schlage der „Nowoje Wremja* einen Ton an, als könne Rußland (mit seinen Verbündeten) die ganze Welt in die Schranken fordern. Diese Ueberhebung hat mittlerweile einer ruhigeren Auffassung Platz gemacht. Man erkennt auch im Reiche deS Zaren immer mehr die Wahrheit des BiSmarckschen Wortes, daß Deutschland nicht das geringste Interesse daran hat, einen Krieg mit Rußland zu führen, nnv umgekehrt. Schon kürzlich konnten wir eine Petersburger Preß stimme verzeichnen, die ausdrücklich den Wert eines guten Einvernehmens rwischen Deunchland und Rußland für das Land des Zaren hervorhob. Mehr jedoch als jene Auslassung in dem vom Fürsten Uchtomsky heraus- gegebenen „Wjerom* ist bezeichnend dafür, daß die Stimme der Ver nunft sich durchringt, was der bekannte russische Publizist Menschi kow schreibt. Menschikow, der seit Jahrzehnten den Deutschenhaß mit besonderer Hingebung kultiviert hat, läßt sich am 14. Juli plötzlich mit einer Dar- legn'ng folgenden Inhalts vernehmen, die man bis zu gewissem Grade sogar als Richtlinie der aktuellen russischen Auslandspolitik anseden kann. „Ein Krieg wird vielleicht mit der Zeit unvermeidlich sein, aber zu einem Kriege mit Deutschland ist absolut kein Grund vorhanden. Ich habe die Üeberzeugung, daß Deutschland der slawischen Machtent- kaltung keine Hindernisse in den Weg stellt. Haben die Slawen sich der Uebermacht der Deutschen, Ungarn und Türken gebeugt, wir wir uns einst derjenigen der Tataren beugten, so liegt die Schuld an ihnen selbst. Wir können den Deutschen unsere Hochachtung nickt versagen, daß sie Kraft und Energie entsaltet haben, um tausend Jahre lang dem Ansturm der Slawen, Ungarn, Türken und Mongolen zu widerstehen. Beneidens wert wie die Römer sieben nach dieser Richtung hin die Deutschen da! Das Schicksal hatte auch den Slawen die Möglichkeit an die Hand ge geben, sich eine bessere Position zu schaffen, und — sie verstanden diesen Vorteil nicht auszunützen. Es wäre ungerecht, die Deutschen dafür ver antwortlich zu machen, daß Rußland eine selbstvernichtenbe Politik führt und daß die Slawen, anstatt an ihrer Knllur zu arbeiten, nur immer wühlen und Hetzen und den „deutschen Drang nach Osten* als die Quelle ibres Unglücks betracht en. Vergessen wir doch eins nicht! Unter Katharina, Alexander I., Nikolaus I. und selbst unter Alexander II. waren wir mächtig, aber was taten die Slawen damals zu ihrer Förderung? Sie warteten, daß ihnen eine slawische Geschichte auf dem Präsentierteller gereicht werde. Waö sie versäumt und verträumt haben, das alles wird von ihnen als Druck der Deutschen fälschlich auSgelegt. — Nur die Feinde Rußlands können ein Interesse daran haben, Rußland und Deutschland in einen Zwist zu bringen, der für uns unbedingt verhängnisvoll sein würde. WaS Deutschland mit England auSzusechlen hat, geht unS nichts an. Mit vollster und reifster Erwägung trete ich für einen ehrlichen Frieden mit Deutschland ein, der uns nur Vorteile bringen kann." Diese Wandlung der Anschauung ist nicht zuletzt noch dadurch be sonders beachtenswert, daß auch eine Ernüchterung in der Beurteilung der englisch-russischen Beziehungen und der Revaler Abmachungen ein- getreten ist. Ist doch die „Nowoje Wremja" der Meinung, daß ein deutsch-englischer Krieg bevorstebe und lnüpst daran folgende Betrachtung: „Für den Fall eines ernsten deutsch-englischen Konflikts ist eine wohlwollende Neutralität Rußlands eine unschätzbare Hilfe für jeden von beiden Rivalen; es kommt alles darauf an, durch Verfolgung einer Politik, die von gesundem Egoismus durchdrungen ist, den Gegnern die volle Bedeutung der russischen Freundschaft zu Gemüte zu führen. Für Rußland ist es durchaus nicht wichtig, wer der Generaltransporteur aller Frachten über See wird, England oder Deutschland. Es ist uns gleichgültig, wem Gibralta und Malta gehören werden. Wir haben eigene Aufgaben und eigene Ideale, und offenbar werden wir uns der Seite zuwcnven, die uns die Verwirklichung dieser Ideale am besten verbürgt.* In diesen Ausführungen steckt ohne Zweisel ein gesunder Kern. Vielleicht hat man in jüngster Zeit auch in Rußland die Üeberzeugung gewonnen, daß die Deutschen, wie Bismarck vor 20 Jahren im Reichs tage erklärte, durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden können — vielleicht zu leicht — aber durch Drohungen ganz gewiß nicht. Sü-rveftafrikanisches Allerlei. Aus Windhuk im Juni schreibt man der „Deutschen Kolonial zeitung* : Der Winter hat bei unS seinen Einzug gehalten; die kalten Nächte mehren sich, und die Natur zieht ihr Winterkleid an. Die Büsche werden trocken, das Gras dürr, und in manchen Bezirken geben die Wafferverbältnisse heute schon Anlaß zu Klagen. Wir haben zwar kein schlechtes Regeujahr gehabt, aber es fehlte an vielen Stellen an starkem Regen, der die Regenslüsse abkommen läßt. Wo dieses nicht geschah, konnten sich auch die natürlichen unterirdische» Staudämme, die durch FelSbarren gebildet werden, nicht füllen. Die Wassersrage ist eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Frage für unser Land, das mit dem edlen Naß so stiefmütterlich be dacht ist. Es darf in dem jährlichen Etat für unsere Kolonie an Mitteln für Wassererschließung nicht gespart werden. Bor allen Dingen müssen die Wassermassen, die in der Regenzeit berniederkommen, sür die trockene Zeit ausgespeichert werden. Ob unterirdischen oder oberirdischen Stau dämmen der Vorzug einzuräumen sei, ist unseres Erachtens eine müßige Frage, man tue das eine und versäume das andere nicht. Auch die so oft verspottete, oder wenigstens belächelte Rutengängerei muß mithelfen, uns den unterirdischen Wasserreichtum zu erschließen. Der Landrat von Uslar hat unS doch manche reiche Wasserader erwünschelt, und die Bohr kolonnen sind unermüdlich tätig gewesen, sie zu heben. Mit der Wasserfrage ist der Farmbetrieb eng verbunden. Wer in der KriegSzeit das Land durchzog, wurde von der Vieharmut und den zerstörten Farmen schmerzlich bewegt. Heute sieht man den Aufschwung, den in kurzer Zeit die Farmwirtfchaft genommen hat, bereits allerwärts. Als bester Beweis für die stets zunehmende Viehzucht gilt der fallende Fleischpreis. Noch ein Jahr und wir sind wieder aus den Fleisckpreisen, wie wir sie vor dem Krieg hatten, angekommen. Mit ungeteilter Freude wurde die Nachricht begrüßt, daß der Reichstag 150 Millionen Mark für Bahnbauten in den Kolonien be willigt hat. Wenn wir Südwestafrikaner von den 150 Millionen auch nur einen kleinen Bruchteil für die Bahn Seeheim—Kalkfontein be kommen, so freuen wir uns sür unsere Schwesterkolonien mit, vor allem aber darüber, daß nun endlich das EiS, welches unsere ganze Kolonial politik zu erstarren drohte, gebrochen ist. Die Bahn Seehcim—Kalk- fontein erschließt ein ausgezeichnetes, sterbefreies Gebiet für Pferdezucht und wird den Beweis erbringen, daß der Süden noch lange nicht der schlechteste Teil unserer Kolonie ist. Außerdem wird das durch die Bahn durchquerte Gebiet dem deutschen Handel erschlossen. Wer im Süden gelebt hat, fern von der Lüderitzbucht, der weiß, wieviel Hunderttausende jährlick jenseits des Oranje die Säckel unserer Nachbarn füllten. Von den Millionen, die während des Krieges in die Kapkolonie gewandert sind, und für die man uns nickt einmal gedanlt hat, wollen wir heute nicht mehr reden. Seeheim selbst, am wasserreichen Fischfluß gelegen, wird ein auf blühender Ort werden. KeeimanShoop wird durch den Ausfall damit ennchädigt werden, daß das sür Farmbetrieb ausgezeichnete Feldschuh- lräger-Gebiet jetzt ganz erschlossen werden kann. Eine Verbindungsbahn Windhuk—KeeimanShoop wird, wie wir bestimmt hoffen, nur eine Frage der Zeit sein; denn es wäre strafbare Knauserei, wenn man diesem so entwicklungsfähigen Teil unserer Kolonie die Bahn länger vorenthalten würde. Wir hoffen, daß die Reise des Kolonialsekretärs Dernburg unter anderem auch den Erfolg haben wird, daß man diese bahnlose Lücke bald auSsüllt. Gegen Ende Juli wird Exzellenz Dernburg an der Sübostgrenze unserer Kolonie von Gouverneur von Schuckmann bewillkommt werden, um dann mit diesem den Süden kreuz und quer zu bereisen. Wenn Dernburg jetzt in der trockenen Zeit einen guten Eindruck von unserem Lande erhält, dann wird er den Wert unserer Kolonie erkennen. Daß er sich erst Las übrige Südafrika ansieht, ist im Interesse unseres Landes nur freudig zu begrüßen. Wir sind versichert, daß ihn ein Vergleich unserer kurzen mit jener Jahrhunderte zählenden Entwicklung davon überzeugen wird, daß wir in den 25 Jahren unsere Hände nicht in den Schoß gelegt haben. Es ist. vorauszusehen, daß, falls cs die Zeit erlaubt, Dernburg aus dem Landwege nach Windhuk kommt. Die hiesigen Zeitungen lassen ja keinen Zweifel darüber, daß man mit Dcrnburgs Einczeborenenpolitik nicht übereinstimmt. Wir fühlen uns nicht berufen, sie heute schon zu kritisieren. Die ostafrikanischen Verhältnisse sind unS nicht bekannt. Wir sind der Meinung, daß vor zeiliges Kritisieren nur schaden kann. Man lasse doch den um unsere Kolonialpolitik so hoch verdienten Manu erst kommen, lasse ibn sehen und sprechen, ehe man Stellung zu seinen Ansichten nimmt. Die Ein- geborenenverhällnisse sind in Ost- und Sürwestafrika verschieden, und wir trauen es dem gestinden Urteil Dernburgs zu, daß er eine vorgefaßt« Meinung ändert, wenn er sie als irrig erkennt. Deutsches Reich. Leipzig, 18. Juli. * Aerienarbciten. Obwohl das Plenum der beiden sächsischen Stände kämm ern und auch die Deputationen gegenwärtig Sitzungen nicht abhalten und die Arbeitsräume im Landtage in sommerlicher Stille verlassen liegen, wird dennoch von den maßgebenden Personen, nament lich von den Referenten für die verschiedenen Vorlagen, soweit es möglich ist, gearbeitet. So sind z. B. von Mitgliedern der Finanz-, deputation L der Zweiten Kammer, die noch eine Anzahl Eisenbahn petitionen in zweiter Lesung zu erledigen hat, mehrfach Lokalbesichti- gungen zur Orientierung an Ort und Stelle vorgenommen worden. Auch die Beschwerde- und Petitionsveputation arbeitet in ähnlicher Weise weiter. Diese Arbeiten der Abgeordneten sind um so mehr anzu erkennen, als sie außer der freien Eisenbahnsahrt keinerlei Diälen oder Feuilleton. Nach der Nokur der Dinge muß jede Gesellschaft zu allen Zeilen die souveränen Gewalten der Gesetz gebung in sich tragen. Jefferson. * Die erste Blüte -er Universität Jena. Von Dr. A. Elster (Jena). Tic bevorstehende 350jährige Jubelfeier der Thüringer Hochschule ba> das Jnteresie für die idyllische „Salina", wie man Jena im 18. Jahr- nundert nannte, lebhaft anaefacht. Allen, die Jena auch nur ein wenig kennen gelernt haben, wirb deshalb in diesen Zeiten eine Erinnerung an die interessante Geschichte dec Universität Jena willkommen sein. Es ist ja nicht unbekannt, daß gerade diese kleine Hochschule oft und nachhaltig in deutschen Landen den Geist der Zeit bestimmt und ruchtbare Lehren in die große deutsche Wissenschaft hinausgegebsn hat, ja daß dies selbst in Zeiten der Fall war, in denen über weiten Strecken deutschen Landes noch mittelalterliches Dunkel gebreitet lag. Wir brauchen nur an das Wort eines Jenaer Historiographen Scheibler -» erinnern, der Jena „in den seiner Gründung folgenden Jahrhunderten die bedeutendste nnd nationalste Hochschule, jedenfalls für das protestan- tische Deutschland" genannt hat. Noch mehr ist es bekannt, daß der Jenaer Student in den 314 Jahrhunderten seiner Existenz niemals auf gehört hat, die ganz besondere Beachtung auf sich zu lenken, und daß auch er das Studentenleben auf anderen Hochschulen nachdrücklich beein flußt, in manchen Dingen auch infiziert hat, im ganzen aber stets — sei es in seiner Roheit des 17. Jahrhunderts, sei es in seinem Patriotis mus des beginnenden 19. — die akademische Freiheit in einem Maße ver wirklicht hat, wie es anderwärts bei weitem nicht in gleichem Maße dec Fall war. Diese Tatsachen umschlingen die kleine thüringische Uni versität mit einem Kranz wie von Frühlingsblumen, der Liebe üxckt, wenn er auch ein wenig berauscht. Das alles hatte auch auf eine große Blütezeit hingedrängt, die di« be kannteste Zeit der Jenaer Hochschule war: die Zeit des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, die sich um Schillers historisches Lehramt zu Jena ringt und in Goethe den einflußreichen Förderer naturwissenschaftlicher Studien sehen und als bahnbrechende Begründer neuer philosophischer Erkenntnis Männer wie Fichte, Schelling und Hegel zu den Ihren zählen durste. Aber das war, wie man in mannig- 'achen Werken lesen kann, die zweite Blüte der Universität Jena. Dann aber war die erste? Bedeutendes Leben pulsierte gerade von jeher in Jena bei den Theologen Schon als bald nach der Gründung der Hochschule 1558 sich eine eigene kritische Richtung gegen MclanchthonS Theologie in Jena ausbildete, blickte die Gelehrtenwelt nach Jena hin; aber erst später, als die Theologie in Jena in die Periode des „Synkretismus" und des Pietismus eintrat und in Männern wie Michael Förtsch und Johann Friedrich Buddeus (beide seit 1705 in Jenas ihre ganz hervorragenden Vertreter sand, lief sie in das Fahrwasser einer allgemeinen Blüte der Jenaer Hochschule ein. Diese Blüte — zu Beginn des 18. Jahrhunderts bis etwa ums Jahr 1740 — wird bestimmt einmal durch eine ganz bedeutende studentische Frequenz und anderseits und korrespondierend damit durch die Berühmt- hrit der Professoren. Die Frequenz läßt sich nicht für einzelne Semester mit genauen Zahlen feststellen, aber mehrere summarische Mitteilungen geben uns Aufschluß. Von 1700—1786 wurden nämlich nach Wiedcburgs Mitteilung 40 437 Studenten in Jena immatrikuliert, wobei die Jahre stärkster Frequenz namentlich 1706, 1712, 1715, 1717 und 1720 gewesen sein sollen. Im Jahre 1717 wurden 778 Studenten neu immatrikuliert. „In der Zeit von 1710—1719", heißt es bei Keil, „Geschichte des Jenaischen Studenten leben" fS, 167l, „mögen wohl mindestens 3000 Studierende in Jena gewesen sein, selbst während des 7jährigen Krieges blieb die Anzahl der «Studenten noch etwa 1300 und hielt sich noch einige Jahre nach er folgtem Friedensschlüsse." Wenn diese Angaben zuverlässig sind — und in der Hauptsache darf man dies annehmen —, so deutet dies auf eine ganz hervorragende Blüte in den Jahren 1710 bis 1720 und nachklingend bis in die 40er Jahre, auf «ine Frequenzzisser, wie sie für die verhältnis mäßig kleine Stadt ganz erstaunlich ist. Aus diesen Jahren wird uns denn auch eine Reihe bedeutender Namen von Jenaer Hochschullehrern genannt. Wir bewegen uns hier freilich auf etwas problematischem Boden, weil eine kritische Geschichte der Jenaer Hochschule über diesen Zeitraum bisher noch nicht ge- schrieben ist. AuS den zum Teil noch im scholastischen Geist befangenen und bier und da das Amt deS Lehrers wie die Würde des Gelehrten verkennenden Professoren des 17. Jahrhunderts ist jetzt etwas anderes geworden: nämlich die Vorboten einer reichen Blüte der Wissenschaft, die selber schon rn kritischer Schulung, in Fleiß und Methodik Bedeutendes leisten — vor allen Dingen deshalb, weil sie den Wert umfassenden Wiffens erkennen und danach handeln. Es ist die Zeit der Polyhistoren, der Vielwisser im guten Sinne des Wortes. „Eine lebendige Biblio thek" oder „ein wandelndes Museum" nannte man einige der besten Gelehrten jener Zeit, nnd Emil Reicke zeichnet uns in dem Buch „Der Gelehrte in der deutschen Vergangenheit" sEugen Diederichs, Leipzig 1900s daS Bild des damaligen Gelehrten so: ,,Die Haltung ist voll Würde und Grandezza. Mußten doch auch in Leipzig Soldaten vor Magnisicus, dem Rektor der Universität, Präsentieren, wurden doch die Pro'essore» der Theologie daselbst mit Exzellentia betitelt. Mit dem gewichtigen Aenßeren harmoniert daS Innere. Die Gelehrsamkeit ist eine unge- beure, weitschichtige, profunde. Es ist die Blütezeit der Po.'yhistorie in Deutschland. . . . Man erzählte von Gelehrten, die, um Zeit zu sparen, selbst bei der Mahlzeit studierten, ja wohl sich niemals auS- klcideten und im Eifer des Studierens mit Gefahr für ihr Leben ihre natürlichen Bedürfnisse zu befriedigen unterließen. Brautschaft und Heirat war den meisten nur eine unbequeme Störung ihrer gelehrten Ruhe, man suchte je Ichncller, ie besser darüber hinweazukommen." Es ist dies nicht die Gelehrtengestalt, die Bahnbrechendes leistet, neue qroße Probleme schasst und löst, wie die 50 Jahre später tätigen Philosophen und Naturwissenschaftler, wohl aber ist cs die Gestalt der emsig sammelnden, zusammenbauenden, überblickenden Gelehrsamkeit, die als Grundlage für die spätere Zeit von unerläßlicher Wichtigkeit war. Jedensalls allo Gelehrte, die ichon nach unseren modernen Be griffen den Anspruch auf den Ehrentitel dieses Namens erheben können. So sind es begreiflicherweise keine Namen, die aus jener Zeit bis zum heutigen Tage in der Wissenschaft genannt und zitiert werden: aber nichtsdestoweniger Männer, die im Aufbau der Fachgclehrsamkeit nicht fehlen durften und für ihre Zeit den Brennpunkt des Wissens bedeuteten und somit eine große Anziehungskraft für die Thüringer Hochschule be saßen. Aus der theologstchen Fakultät nannten wir oben schon Förtsch und Buddeus, die den Geist friedlicher Auseinandersetzung mit aufrich tiger Frömmigkeit und edler Humanität verbanden und einen nach, haltigen Einfluß auf den Geist der ganzen Universität ausübten: wie Böhme sagt s„350 Jahre Jenaijcher Theologie"), „erfuhr die Theologie durch Buddeus eine wissenschastlicherc Gestaltung und eine innigere Verbindung mit dem praktischen Leben". Neben diesen waren es z. B. Walch, der sich durch eine große Reihe von kirchengeschichtlichen Spezial studien, z. Ä. die „Dkeolosia pLtristica", verdient gemacht hat, und Job. Heinr. Ruß, dessen „Harmonists Uvanxeli^tarum" großes Aussehen ?r. regt haben soll. Ter Geist der Toleranz war es, der diese damalige Jenaer Theologie auszeichnete. Von Juristen nennt man Christ. Wild- Vogel und Johann Phil. Slevoigt als bedeutende Leute. In der Me dizin aber waren die Universitäten Wittenberg und Jena damals Vor kämpfer einer neuen Theorie, der >og. Ekcmiatrie, die sich namentlich auf „Älutreinigung", Säureparalyiierung, als therapeutische Mittel, stützte. Als Hauptvertreter dieser, wenn auch irrigen, so doch nach Syn- ihele und einheitlicher Erfassung des Geistes der Medizin strebenden Lehre wurde der Jenaer Professor Georg Wol'gang Wedel (1645—17211 genannt. Der Mathematiker Wiedcburg wie der Philosoph Reusch und die Philologen Tympe und Stolle hatten berühmte, weithin klingende Namen, die die Studenten anzogen. Mehr als von den Gelebricn aber wissen wir von dem Studenten leben, und gerade die Mauserung, in dem sich dieses damals befand, wirst das hellste Licht auf den Geist der Universität wie ihre Lehrer. Die Jenaer Studentenschaft hatte im 17. Jahrhundert in recht aus gedehntem Maße ihre Flegeljahrc durchlebt. Das mich man betonen, auch wenn man sich nickt darüber täuscht, daß jn den Skandalchroniken leichter und lieber die Untaten festgehalten und breitgetrcten werden als die rubige, fleißige Art deS arbeitenden Studenten, die ja auch be- greislicherweise weniger von sich reden macht. Da werden icdcs Jahr ein paar Leute (Studenten oder Philisters he- Raufereien getötet, und von den nächtlichen Skandalen, von den Saufgelagen und Unsittlichkeiten wird viel berichtet. Daß es nur verhältnismäßig wenige von den 1000
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite