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3 iE-; Wtlsdruff im' Januar 1871. H. L.. Lsrxer, Buchdruckereibesitzcr. Vormittags predigt: Nachmittags: Herr Pastor Schmidt. Betstunde. Lirchcunuchrichten aus Wilsdruff. Freitag, am Erscheinungsfeste: Wegen Fortzngcs des bisherigen Inhabers ist in meinem Hanse die ganze obere Etage zu vermiethen und zu Ostern beziehbar. den Bewegungen der vielfach gespaltenen Arbeiterparteien. Süd deutschland besprach sein föderatives Verhältniß zu Norddeutschland mit größerer Leidenschaft, als vorher, und während man in Baden trotz einer rührsamen ultramontanen Partei sich mit den nördlichen Bruderstämmen inniger, zu vereinigen trachtete, bestrebte sich die bay rische Volksvertretung, wo die Volkspartei Hand in Hand mit den Ultramontanen ging und die überwiegende Majorität besaß, die Be ziehungen zu Norddeutschland zu lösen. Oesterreich gab das traurige Schauspiel eines zerfahrenden Staates, dessen einzelne Glieder, früher durch Heirath und Errschaft zu einem Ganzen vereinigt, die verlorene Selbstständigkeit zurück zu gewinnen trachteten und den Staatskörper dadurch so an Kraft und Regsamkeit hinderten, daß er nur mit Mühe den Aufstand des klei nen Dalmatinischen Volkes zu unterdrücken vermochte. — Italien schwankte zwischen Rom und Paris hin und her, d. h. es erstrebte die endliche Gewinnung seiner alten Hauptstadt und fürchtete sich vor Frankreichs Einspruch und den Bajonetten, die letzteres zum Schutze der ewigen Stadt und ihres heiligen Vaters nach Civita-Vecchia ge sendet hatte. — Spanien litt unter dem Streite der Republikaner mit den monarchisch Gesinnten und es gelang den Ersteren eben so wenig eine Proclamirung der Republik, wie den Letzteren die Auf findung eines geeigneten und geneigten Prinzen für den spanischen Königsthron. — In England beschäftigte man sich vorzugsweise mit inneren Reformen, deren Anstoß hauptsächlich von den soeiatisti- fchen Parteien ausgegangen war; Dänemark schöpfte aus einer mehr öder weniger geheimen Liebäugelest mit Frankreich und Ruß land Trost für vergangene und künftige Zeiten; Rußland ging Schritt vor Schritt vorwärts auf der Bahn des strengsten Absolutis mus und achtete die allen verbrieften Rechte der Ostseeprovinzen eben sowenig, wie die natürlichen der innerasiatischen Völkerschaften, über welche es seine Botmäßigkeit weiter und weiter ausdehnte. Die Tür kei und Griechenland waren noch immer die kranken Glieder am Leibe Europa's, deren Rnhighaltung ein Hanpterforderniß zum Wohl befinden des letzteren ausmachl. (Schluß folgt.) nicht immer auftreibcu können. So stand er denn dort, um zu er warten, wie sein Eins und Alles in fremde Hände gehen würde. Nach und nach fanden sich einige Bietungslustige ein. Der Alte drückte sich in eine Ecke und blickte unverwandt zur Thür, als müsse ihm von dort Hülfe kommen. Leute gingen, Leute kamen; endlich that sich wieder die Thür auf, und herein trat eine etwas bejahrte und elegant gekleidete Dame. In ihren Händen lag des Mannes Schicksal. Sie war die Ausbringerin der Subhastation. Mit bangem Herzen ging er auf sie zu. „Gestrenge Frau," redete er sie an, „Sie werden mich nicht von Haus und Hof treiben! Gönnen Sie mir noch so lange, bis ich die Augen schließe, in der Hütte zu wohnen, wo mein Vater und Großvater selig gewohnt. Um Gottes willen, jagen Sie nicht einen alten Mann in's Elend!" „Ich hab's Euch immer gesagt," erwiderte die Angeredcte mit eiskaltem Gesicht, „daß es noch so weit kommen würde, aber Ihr wolltet nicht hören! Jetzt läßt sich's nicht ändern — ich habe über vierzehn Tage mit den Zinsen gewartet, und von den Zinsen muß ich leben!" „Ich will Ihnen die Zinsen nach und nach schaffen," bat der Alte; „wäre nicht dies Jahr mein tuschen Ernte eingehagclt, hätte ich auch jetzt wieder Ordnung gehalten. Wider Gottes Hand kann man nicht. Gnädige Frau, lassen Sie mich ehrlich unter die Erde kommen! Ich kann's nicht ertragen, so schimpflich von meinem Herde fortgelrieben zu werden, und kann nirgends sterben, als in meiner Hütte! Gewiß wird's nicht mehr lange dauern — treiben Sie mich nicht hinaus — Golt im Himmel wird's vergelten!" „Das giebt nur nette kosten. Die Sache muß ihren Gang gehen, ich kann Euch nicht helfen," war die harte Antwort. Da seufzte der Alte. Den Blick zu Boden gerichtet, schleppte er sich in seine Ecke, um dort in stiller Hinbrüten zu versinken, und nur als er das letzte Gebot — ein sehr dürftiges und ihm nichts mehr übriglassendes— und den Zuschlag des Richters hörte, da schrie er wie ein Verzweifelter auf: „Ihr dürft mir sie nicht nehmen — ich will nicht anders, als d'rin furbcn!" Auf einen Wink des Richters wurde der Unglückliche hinausgeführt; er wurde ruhiger und jammerte nur noch still vor sich hin. . . So steht dies Bild in meinem Termin-Kalender in seiner ganzen grellen Dissonanz. In Gottes Jahrbnche wird die Lösung stehen... Gestern halte ich eine andere Scene. Die verhängnißvolle sechste Stunde, an der ein solcher Sub- hastalionslermin geschlossen wird, war nahe herangerückt, der Saal voll eleganter Herren. Reiche Gutsbesitzer, Agenten und Banguiers standen gruppenweise im leisen, eifrigen Zwiegespräch beisammen. Ein abscheuliches Jntriguenspiel drängt sich da in eine einzige Stunde. Kausliebhaber und bestallte Agenten arbeiten, ihre Mitbewerber vom Weiwrbieten abzuhalten; Hypolhekenglünbiger suchen das Gebot höher hinaufzuschrauben. Man lobt, man bewundert die Bodengüte des Gnies, man weist Brandstellen nach, man kennt es als ausgesogenes löand und zählt die Mängel und Schönheiten desselben sorgfältig auf. Zwischen alle dieses dringt die Stimme des Ausrufers — fünfzig- lausend Thaler! zum ersten Male. . . (Schluß folgt.) Eine Co kiekte für Hcidenmission soll gesammelt werden. Am l. Sonntag nach Epiphanias: Vormittags predigt: Herr Rektor Beck. Nachmittags wird der Gottesdienst ausgesetzt. ** Mem Tenum-Kalender. Skizze von Ludwig Habicht. An jedem Sylvesterabend blättere ich in meinem Termin-Ka lender. — Nichtjuristen und glückliche Nichtprvcessanten wissen vielleicht nicht, daß ein Termin-Kalender die für den Advocaten oft anf Stunde und Minute wichtigen Vorzeichen der Tage enthält, an welchen seine Praxis auf irgend Etwas zu merken hat. Ein Wort, ein Name, ein ganz kleines Zeichen pflegt mir dann Personen unv Ereignisse wieder vor die Seele zu führen, wo eine juristische Frage gewiß auch irgendwo lief in's Leben geschnitten oder Wunden ge schlagen hat. Da waren Ehe- und Wechsetsachcn, Injurien, In stanzen aus Instanzen. Was kommt nicht Alles im Leben eines Ad vocaten, selbst in der kleinen Provinzialstadt, wo ich lebe, vor! Ein Banerweib wurde z. B. kürzlich klagbar, weil man sie eine Hexe genannt hatte. Ihre rolhen Augen und ihr menschenscheues Wesen mochten sie in diesen Ruf gebracht haben. Obwohl ihr Sachwalter auszuführen suchte, daß die Bezeichnung Hexe seine Clientin der Ver- , aclstung ihrer Mitmenschen aussetze, weil anf dem Lande der Aber glauben noch fortspuke, war doch das Gericht rationalistisch genug, die Klägerin abzuwcisen, weil heutigen Tages der Glaube an Hexen und Hexerei in Dunst und Nebel zerflossen. Die Alte schien un tröstlich, daß ihr die Gerichte nicht geholfen halten. Es geht auf Sylvester." Sehen wir die erste Notiz des Kalenders am 2. Januar und die letzte am 30. December, die gestern erlebt wurde. Beide erwecken mir besonders eigcnchümlich wehmüthige Gefühle. Es sind ein Paar Subhastationstermine; der erste einer kleinen Häuslerftclle, der letzte, fast ein Jahr später, der eines ansehnlichen Rittergutes. Noch sehe ich ihn im Audienzsaale stehen, den alten, von Schmerz und Kummer gebrochenen Häusler, mit dein spärlichen grauen Haar, welches nach alter Sitte ein breiter Kamm znsammenhielt. Die ernsten, festen Gesichtszüge, auf denen sich so viel Sorge und Noth ausprägte, gaben ihm etwas Ehrwüroiges, wenn nicht diesen em pfehlenden Eindruck eine zu ärmliche Kleidung gestört batte. Die Frau, mit derber so viele Jahre hausgchallen, war ihm gestorben; Kinder hatte er nicht, und >eildem war es mit der Wirtbschafl rück wärts gegangen. Bei Eheleuten, die Jahre lang mit einander ge lebt, wäre es immer das Beste, baß sie der Himmel zugleich zu sich nähme. Sie sind zwei ineinander gewachsene Bäume, die sich gegen seitig vor Wind und Welter geschützt und mit dem Znsammenbrechcn des einen liegt die Weiche, so lange warnt gehegte Seite des andern dem Wetter offen, und bwd ist es um das, Grünen des zurückge bliebenen gethan .... Auch unser Aller war ein solch' einsamer, morscher Banin; er hatte die Zinsen seiner Hypotheken-Kapüalien lindert sofort und heilt schnell Gicht und Rheumatismen aller Art, als: Gesichts-, Brust-, Hals- und Zahnschmerzen, Kopf-, Hand nnd Kniegicht, Gliederreißen, Rücken- und Leudenweh. In Packelen zu 8 Ngr. und halben zu 5 Ngr. bei Apotheker LtUtner in Wilsdruff Angriff, der Myern auf Weißenburg. Abbildung im Kalender des wahrer Hinkenden Boten für 1871. Zu haben bei allen Buchhändlern und Buchbindern. Wilhelm Opetz's Buchhandlung in Leipzig. Großcr Ausruhr herrschte an vielen Orlen im Vorjahre, daß kein Exemplar des „Norddeutschen Haus- und Historien-Kalenders" mehr zu haben war, man wolle deshalb sich sofort an seinen Buchhändler, Buchbinder oder Kalenderverkäufer wenden und sein Exemplar bestellen oder kaufen.