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2 fleisch-Vorräthe, welche bei Seite gebracht waren, abgeholt. Die moralische Wirkung des Bombardements war zuletzt fürchterlich. Im Ganzen ist die Stimmung der Republik nicht günstig, noch weniger dem Bonapartismus. Der Herzog von Aumale wird zu Paris in erster Reihe als Präsident genamu. Trochu verlästert, Gambetta verlacht man. Die Mobilgarden von außerhalb haben Heimweh. Die Kaufläden sind geschlossen, an Getränken ist Ueberfluß, aber die Provianthallen und Bäckerläden sind noch leer. Leichenzügen be gegnet man in Masse. Aus Versailles vom I. Febr. schreibt man der „N. Fr. Pr.": Gestern Nachmittags, als der schöne sonnige Tag den Kaiser, die hie sigen großen und kleinen Fürsten, den Grafen Moltke, Kriegsminister v. Roon und einige hundert Offiziere aller Waffen und Uniformen sowie auch mich nach dem Mont Valerien hinausgelockt hatte, hörte ich zufällig die interessante Antwort eines Generals in der Umgebung des Kriegsministers — die Herren standen neben einer riesigen eiser nen gezogenen 24pfündigen Bombenkanone — auf die Frage eines jüngeren Offiziers: „Was werden wir mit den vielen eroberten schwe ren eisernen Geschützen machen? Der Transport nach Deutschland würde doch ein zn colossaler und kostspieliger werden! ..." — „Ge wiß", sagte der General, „wir haben besseres Material mit nach Deutschland zu nehmen, als dieses alte Eisen. Nur die interessan testen eisernen Kanonen werden als Siegcslrophäcn auSgcwählt und unter ganz Deutschland vertheilt. So ist die schöne stolze Riesenka none „Valerie" dort drüben für das große Siegesdenkmal auf dem Königsplatze im Thiergarten, vor Kroll's Garten, das ja jetzt noch zu einem Siegesdenkmale für diesen Krieg erweitert werden soll, be- Itimmt. Mit den übrigen eisernen Großmäulern machen wir kurzen Prozeß. Sie werden mit Nitro-Glyccrin geladen und dann gesprengt. Ich wünschte, dieser Valerien nnd Eonsvrten ließen sich eben so leicht sprengen. So ist es mit der französischen Kanonen - Herrlichkeit ans lange Jahre vorbei. Natürlich nehmen wir alle so sehr werthvollcn Broncegejchütze mit nach Deutschland, und wir haben deren bis jetzt so viele erobert, daß alle deutschen Festungen dreifach damit montirt werden können, und nebenbei fällt noch Material, genug ab zu den vielen Kirchenglocken in Berlin, die schon lange, lange in Petitionen, Magistrats-Verhandlungen, kirchlichen Zeitungen uno Processen von fern läuten, die aber noch Niemand gehört hat." Moltke und Bismarck sind arge Spaßverderber. Zuerst haben sie den Neutralen den Spaß verdorben, indem sie ihre guten Freunde, die Franzosen von Schlacht zu Schlacht klopften und gefangen nahmen, und jetzt verderben sie ihnen wieder den Spaß, über allzuharie Friedensbedingungen raisonniren zu können. Sie hatten schon zu schimpfen angefangen über die 40 Schiffe, über die Insel Pondichery über die Abtretung von ganz Lothringen und nun zeigt sichs, daß die Franzosen nur ganz Elsaß und von Lothringen nur Metz und was nothwendig dazu gehört, hergcben sollen. Die Kriegsentschädigung soll allerdings von 4 auf 6—8 Milliarden gestiegen sein und zwar zur Strafe dafür, daß die Franzosen nicht sa-on im Octobcr Frieden gemacht haben, aber Bismarck ist ein Diplomat und wird mit sich sprechen lassen, wenn auch die Franzosen mit sich sprechen lassen. Angesichts der Entrüstung, welche gewisse Leute stets bezeugen, wenn die Deutschen in dein gegenwärtigen Kriege irgend einem Städtchen eine Contribution auferlegen, ist die Notiz des Journal de Gand recht zeitgemäß, das daran erinnert, die Franzosen hätten die mit Frankreich vereinigten Departements des alten Belgien im Jahre 1704 mit militärischen Contributionen im Betrage von nicht weniger als 80 Millionen Francs belegt; davon entfielen auf Brüssel 5, auf Antwerpen 10 (!), auf Ostende 2, ans Namur 4 Millionen u. s. w. Alles Bargeld, mit Ausnahme desjenigen, das von ver Emigration in Sicherheit gebracht worden, wanderte nach Paris und speffte dort die Kassen der Republik. Die letzte Sendung wurde in 29 Wagen gebracht, deren Ankunft, wie der Moniteur vom 3. Oc- lober 1794 cvnstatirt, außerordentliche Sensation erregte. Vom Kriegsschauplätze werden wir in den Tagen des Waffen stillstandes nur wenige Nachrichten von hervorragendem Interesse zu erwarten haben und dies hat auch das Hauptquartier in Versailles veranlaßt, die regelmäßigen vfficiellen Mittheilungcu einstweilen zu sistiren. Es wäre möglich, daß noch vor Ablauf der Waffenruhe die Festung Belfort zur Lapitulalion gezwungen würde, da die neuesten Zeitungsberichte von dort den Widerstand als sehr schwach geworden schildern. Daß Belfort nicht mehr auf irgend welchen Ersatz rechnen kann, versteht sich von selbst, es wird bald unterliegen und dann eine deutsche Grenzfestung werden. Garibaldi hat sich arg verhauen, die Siege über das Pommersche Armeecorps, deren er sich rühmte, haben sich in eine lustige Täuschung verwandelt. Zwei Pommersche Regimenter waren es, die ihn so lange vor Dijon festhielten, bis Bourbaki's Armee nach der Schweiz gedrängt war. Er hat bekanntlich sich eiligst gerettet und will in die National-Versammlung trete».—Belfort hat einen Sturm auf zwei Forts und die augetragene Capitulation abge schlagen. Die Feindseligkeiten in Ostfrankreich sind noch immer nicht be endet, und allem Anschein nach wird es noch zu einem Zusammenstoß mit den Garibaldianern kommen, wenn nicht die Räumung von Bel fort, Bitsch und Langres dem weiteren Vordringen der Unsrigen als bald ein Ziel setzt. Die Besetzung von Lons le Saunier Seitens der Deutschen zeigt, daß »vir im Besitz der Straße uns befinden, die über Bourg nach Lyon führt, Garibaldi hält dagegen die weiter westlich gelegene Straße, die von Dijon ausgehend über ChalonS sur Saone und Macon in Lyon mündet. Chagny, der Sitz des Hauptquartier Garibaldi's, liegt etwa zehn Meilen nordwestlich von Lons le Saunie und etwa zwei Meilen nördlich von Chalons sur Saone, Garibald ist demnach gezwungen, seinen Marsch nach Süden fortzusetzen, wenn er noch rechtzeitig über Macon Bourg erreichen will, um Lyon zu decken. Bis dre Dinge so weit gedeihen, würden aber doch mehrere Tage, vielleicht eine Woche verstreichen müssen; es ist daher anzu nehmen, daß Jules Favre, um weiteren zwecklosen Blutvergießen vorzubeugen, für Erfüllung der deutscherseits gestellten Bedingungen zur vollen Durchführung des Waffenstillstandes in allen Theilen Frankreichs Sorge tragen wird. Toulon, 5. Februar. Ein großes Eisenbahnunglück fand zwischen Bandon und St. Nazain durch eine Explosion von Waggons mit Pulver statt. Mehrere Personenwagen wurden zertrümmert, 60 Personen todt und 100 verwundet. Brüssel, 5. Februar. Das hier vorliegende „Journal des Debats" vom 2. Februar führt aus, daß die Republik für Frankreich nicht lebensfähig sei und die einzige Hoffnung des Landes auf der Familie Orleans beruhe. Bordeaux, 6. Febr. Die Negicrungsmitglieder Arago, Gar nier Pages und Peletan überbrachten ein von sämmtlichen Regier- ungsmitgliedern unterzeichnetes Decret, welches das Wahlbcschränk- ungsdecret Gambelta'S vom 31. Januar aufhebl. — Gambetta erließ ein Circular an die Präfecten, worin er er klärt, daß er zufolge des Dccretes der Pariser Regierung, welches sein Wahldecret annulirt, seine Demission gebe. Bordeaux, 8. Febr. Ein Cirtular Arago's an die Präfecten erinnert daran, daß gemäß der Gesetze vom 4. April 1832 und vom 6. Juni 1848 die Angehörigen von Familien, welche früher in Frank reich regierten, von den Wahlen ausgeschlossen seien. Din Decret vom 7. Febr. 1871 dehnt diese Beschränkungen auf die Familie Bo noparte aus. Der Präsect des Giroudedepanements hebt hierzu her vor, daß von den durch das Decret vom 31. Januar ausgestellten Jncompalibitätcn nur die oben bezeichneten aufrecht erhalten bleiben. BermischlcL. Nach einer MiltheNung des preußischen Kricgsministerinms fallen I von je 1000 Stück rc. der bisher un deutsch-französischen Kriege ge- : machten Kriegsbeute 769 auf den norddeutschen Bnnd, 130 auf Bayern, 48 auf Würtemberg, 38 auf Baden und 15 ans Hessen. Ein Elsasser fragte einen bayerischen Soldaten, wie stark ein bayerisches Regiment sei. Der Soldat hielt ihn für einen Spion, - schlug ihn mit einem Schlage zu Bvdeu nnd sagte: Siehst dn, so l stark bin i alloan, itzst tannfi dir denken, wie stark a ganz's bayrischs l Regiment is." * In einem Dorfe bei Zwickau langte ein Feldpostbrief von einem Soldaten der Pariser Belagerungsarmee an. Der Postbote, eben falls gespannt auf Nachricht von den Zuständen vor Paris, erbot sich; den alten Eltern den Brief vorzulesen; seine Wissbegierde erhielt aber zur Nahrung nur folgende, den einzigen Inhalt des Briefes bildende Zeile: „Himmel-Krcuz-Tausend-Donnerwctter, ich habe Ench schon 3 Briefe geschrieben nnd keine Antwort erhalten. dl. A." * Unter den Weihnachtsgeschenken, welche Sr. Mas. dem Kaiser — damals noch König Wilhelm — gemacht worden sind, befindet sich auch ein recht künstlich gearbeiteter Teppich, und zwar ist derselbe nicht von Frauenhänden, sondern in friedlicher Gemeinschaft von preußischen nnd französischen Soldaten, die gemeinsam in einem La zarett- lagen, angefertigt worden. Man macht jetzt ans die Schädlichkeit der Papicrkragen auf merksam. Die chemische Untersuchung solcher Kragen hat ergeben, daß sie entweder mit Zinkweiß oder mit Scbwerspaih überzogen sind. Beide Substanzen lind mehr oder weniger giftig. Das Tragen solcher Kragen erzeugt bei Manchen Hautanfressuug am Halse dadurch, daß die Hautausdünstung die weiße Farbe löst und bereit Eindringen in die Hauptporen vermittelt. Die Mecklenburger tragen seit dem neuen Jahre den Kopf viel höher, es darf Niemand mehr geprügelt werden. Das deutsche Strafgesetzbuch hat die Prügel abgcschafft, auch die Gefüngnißstrafe bei Wasser und Brod, mit welcher viel Mißbrauch getrieben wurde. * Ein Paradies für Zeitungsschreiber ist Texas. Der Herausgeber der in Milan in Texas erscheinenden Zeitung „Telegraph" hatte durch irgend einen Artikel den Zorn seiner Leserinnen ans sick- gezogen. Vor Kurzem überfielen ihn 40 Ladies, knebelten ihn, zogen ihn aus und überschmierten ihn von oben bis unten mit Drucker schwärze. * In Folge der unsinnigen Wettfahrten ist auf dem Mississippi wieder ein Dampfer explodirt, 80 Personen kamen dabei um. * Für Jagdliebhabcr wird es von Interesse sein, zu erfahren, daß im Pötbitzer Revier bei Zwickau ein sehr großer Bossard ge schossen worden ist. Das Thier maß von einer Flügelspitze zur andern 2Vs Ellen und hatte unter dem Geflügel des genannten Re- vieres in Haus und Feld durch seine Räubereien vielfachen Schaden angerichtet. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Sonntag Sexagcs. Vormittags predigt: Herr Pastor Schmidt. Nachmittags: Betstunde.