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Wilsdruffer Tagedla« 3. Blakt Nr. 292 — Sonnabend, den 15. Dezember 1931 Tagesspruch Wie sich Schatten dehnen vom Gebirg zur See, Fühlt das Herz ein Sehnen und ein süßes Weh. Wie die Möwen fliegen fluten-uferwärts, Möcht' ich nun mich schmiegen an ein treues Herz. Froh im Morgenschimmer zieht ein Wand'rer aus. Aber abends immer möcht' er sein zu Haus Rückert. * Yung gefallen wollen, wer wird's schelten? Alt gefallen können, mehr wstd's geltem Anastasius Grün. Ame Sestimmungen sm die Einreise in das Saargebiet. Abstimmungsberechtigte Personen bedürfen keiner Ein reisegenehmigung! Amtlich wird bekanntgegeben: Nach der Verordnung bei Regierungskommission vom 29. November 1934 gilt sür di« Einreise in das Saargebiet für die Zeil voni 27. Dezember 1934 bis zum 26. Januar 1935 etnschließlick folgendes: Die Personen, die in der oben angegebenen Zeit in dal Saargebiet einreisen, müssen im Besitz 1. eines ordnungsmäßigen Reisepasses, 2. einer besonderen Genehmigung zur Einreise in dal Saargebie: sein. Der Antrag aus Einreisegenehmigung tf unter Übersendung des Reisepasses an die Regierungskommis sion, Abteilung des Innern, in Saarbrücken zu richten. Bei Stellung des Antrages erfolgt zweckdienliche Beratung durch die Vertrauensleute und Ortsgruppen des Saarvereins. Di« Einreisegenehmigung ist innerhalb 24 Stunden nach der Einreise der Ortspolizeibehörde des Saargebieis vorzu legen. Sie berechtigt zu wiederholter Einreise in das Saar- gebtet innerhalb des in dem Genehmigungsvermerk bezeich neten Zeitraums. Personen, denen die Genehmigung zum vorübergehender Aufenthalt im Saargebiet schon jetzt erteilt ist. müssen dies! Genehmigung vor dem 27. Dezember 1934 erneuern. Di« erneuerte Genehmigung berechtigt sie zu wiederholter Ein- und Ausreise in das Saargebiet Mit Geldstrafe bis zu 750 Franc oder mit entsprechender Haft wird bestraft, wer dieser Bestimmungen zuwiderhandelt. Die Gebühr für die Einreisegenehmigung beträgt 20 Franc, die Gebühr für die erneuerte Genehmigunt 2 Franc. Die Gebübr kann in begründeten Fällen, ins besondere bei Bedüftigkeii der etnreifenden Personen, falls ei« dringlicher Anlaß zur Einreise besteht, erlassen werden. L. Einer Einreisegenehmigung bedürfen dagegen nicht a) außerhalb des Saargebieis wohnende abstim mungsberechtigte Personen. Für sie genügt de« von der Abstimmungskommission ausgestellte Ab stimmungsausweis in Verbindung mit dem Reisepaß? b) Personen, die im Besitz eines saarländischer Reisepasses oder eines saarländischen Personenaus- weises sind; o) Personen, die aus Grund der Verordnung der Negie rungskommission vom 27. Januar 1932 betreffend di« Arbeitszentralstclle sür das Saargebiet ausgestellter Legtiimaiionskarien sowie die Grenzausweise gemäß Protokoll über die Gebrauchsrechte an der saarländisch französischen Grenze vom 13. November 1926 besitzen. „Wenn ich ein MmbmchWer Saarländer wäre/ Lord Rothermeres erster Berich« aus dem Saargebiet. Unter der Überschrift „Wenn ich ein stimmberechtigter Saarländer wäre . . .I" veröffentlicht Lord Rother- mere in der „Daily Mail" seinen ersten Bericht aus Saarbrücken. Er sagt, die britischen Soldaten könnten sich aus eine angenehme Überraschung gefatzi machen. Die Soldaten würden die Straßen von Saar brücken in Glanz finden. Große Schilder wünschten allen Gästen der Saar ein fröhliches deutsches Weihnachten. Die englischen Soldaten könnten auf ein Willkommen rechnen, das sie für den Verlust ihres Weihnachtsurlaube zu Hause voll entschädigen werde. Ihre Aufgabe werde leicht sein. Die Abstimmung sei eine bloße Formalität, Das Ergebnis stehe von vornherein fest. In ganz Deutschland gebe es kein deutscheres Gebiet alt die Saar. Wenn die Schaufenster ein Anzeichen für dic Stimmung der Käufer seien, so sei die Bevölkerung von Saarbrücken ebenso nationalsozialistisch gesinnt wie die irgendeiner anderen deutschen Stadt. Überall würden Hitler-Bücher und Hitler-Bildnisse verkauft. Lord Rother- mere fährt fort: Auf meinem Wege durch Paris habe ick keinen einzigen hervorragenden Franzosen getroffen, bei nicht für die unverzügliche Rückkehr des Saargebiets zu Deutschland gewesen wäre. Was die Einwohner des Gebiets betrifft, so fühlen sie instinktiv, daß die Zeit für sie gekommen ist, um ihren Anteil an den Schicksalen ihres Vaterlandes z> nehmen, das nach meiner persönlichen Ansicht unter de« begeisternden Führung Hitlers glänzender sein wirl denn je. Wenn ich ein stimmberechtigter Saarlän der wäre, so würde ich mit Begierde der Rückkehr meineZ Bezirks zu seinem natürlichen Heimatlande entgegen- blicken. Unterbringung und Beköstigung der internationalen Saartruppen. Generalmajor Brtnd in Saarbrücken. Der Oberbefehlshaber der internationalen Polizei truppen für das Saargebiet, der englische Generalmajor Brind, ist in Saarbrücken eingetroffen und hat beim Präsidenten der Saarregierungskommission Aufenthalt genommen. Die ersten britischen Saartruppen werden am Sonn- abend England verlassen, nachdem bereits 75 Tonnen Ausrüstungsgegenstände nach Calais abgegangen sind. Wie „Daily Mail" mitteilt, wird das englische Kontingent u. a. auch mit zwölf kleinen Radiotelephonie, wagen ausgerüstet sein. Die Kommandeure der inter- nationalen Truppenabteilungen sollen am Sonntag in Saarbrücken Zusammentreffen. Schwierigkeiten macht vor» läufig noch die Unterbringung, da die alten deutschen Kasernen großenteils in Wohnungen umgewandelt wurden. Voraussichtlich werden die Truppen in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden unter- gebracht werden. Beim Präsidenten Knox fand im Beisein des Chefs der Saarländischen Polizei, Hemsley, eine Konferenz 'der bisher Saargebiet etngeirofsenen Offiziere statt, in der die Verteilung und Unterbringung der Truppen beraten wurde. Das Hauptguartier der Truppen ist in Saarbrücken ausgeschlagen und wird sich aus 27 englischen Offizieren und ferner aus holländischen, italienischen und schwedischen Offizieren zusammensetzen. Aus England befinden sich l5l>0 Mann im Anmarsch; zu ihrer Beköstigung sind 8000 Zentner Lebensmittel im Anrollen, die mit der Bahn nach dem Saargebiet gebracht werden. Zum Einrichlen der Kantinen für die Truppen sind drei Hauptleute vom Londoner Armee-, Luft- und Marineinstitut eingetroffen. Fast vier Millionen Mark. Das Ergebnis des „Tages der nationalen Solidarität". Das Reichspropagandaministerium teilt mit: Das Ergebnis des „Tages der nationalen Solidari tät" liegt nunmehr abgeschlossen vor. Von überall her sind im Laufe dieser Woche noch Spenden eingegangen, so daß sich das endgültige Ergebnis auf 3 874 834,16 Mark stellt. Dies ist ein Erfolg, der seinesgleichen sucht. Mit Stolz und Freude kann das deutsche Volk auf diese Leistung blicken. Opfergeist und Solidaritätsgefühl haben eine Schlacht gewinnen helfen. Schon immer hieß die Devise des Nationalsozialismus „Aus dem Volke für das Volk". Dieser Leitspruch hat am „Tage der nationalen Solisa ität" seine glänzende Bestätigung gefunden. Solange Deutschland unter diesem Gedanken marschiert, wird es niemals, auch vor der größten Schwierigkeit nicht, zu kapitulieren brauchen. Zu dieser Mitteilung des Propagandaministeriums erfahren wir, daß sich das Sammelergebnis für Berlin inzwischen auf die Summe von 300 948,34 Mark erhöbt bat. „Das wird sich machen lassen," meinte Traß. „An uns hat Josef Bracek sehr anständig gehandelt," bemerkte Lilli. „Ohne Wally und ihn wäre lch wirklich ins Meer gesprungen." „Vian mutz Herrn Steffen sofort benachrichtigen, daß Fräulein Evers gefunden worden ist," warf Charly ein. Tratz gab seiner Brant einen Kutz. „Kleine Weisheit, das habe ich schon besorgt! Wetten, Laß Klaus das Telegramm Tante Jette und Frettchen soeben beim Abendbrot vorliest?" „Ist Fräulein von Perkeit sehr böse auf mich?" fragte Lilli kleinlaut. „Tante Jette ist niemals böse," versicherte Tratz. „Sie tut nur manchmal so. Tante Jette soll leben!" Man stietz auf Jettchen von Perkeit an. Baron Dittchen hielt eine flammende Rede auf seine Freundin, bei der er sich scheußlich verhaspelte und kein Ende fand. Er kam mit seinem Toast vom Hundertsten ins Tausendste und würde wahrscheinlich noch palavern, wenn ihn die Padrona des Hotels nicht unterbrochen hätte. Sie brachte persönlich ein Telegramm herein, das be reits am Nachmittag eingelaufen, im Drange der Er eignisse aber vergessen worden war. Sie überreichte die Depesche Traß mit vielen Entschuldigungen. Tratz ritz das Telegramm auf und brach in ein lautes Gelächter aus. „Was gibt es denn, Männe?" wollte Charly wissen. „Wenn s was Vergnügliches ist, bitte vorlesen!" rief Ler Baron. Und Traß laß: „Gratuliere zur Verlobung mit blauem Pagen, Tante Jette. Tante Jette ist Lie klügste Frau, die je gelebt hat," behauptete Tratz. „Stimmt," rief Karl Dittchen, „denn sie hat mich nicht geheiratet!" Worauf er so viel und so oft auf Jette von Perkeits Gesundheit trank, datz er mit schwerer Schlagseite von Traß zu Bett gebracht werden mußte. 12. Am nächsten Vormittag traf Ler Triester Polizeikapi- tän in Portorose ein. Es gab noch eine Verhandlung bei dem Podesta im Beisein aller an der Affäre beteiligten Personen. Dann fuhren Tratz, Charly, Wally und Lilli mit Lem Beamten nach Parenzo, um Josef Bracek gegenüber- gestellt zu werden. In Wallys Gegenwart war -er Steuermann weniger verschlossen. Die Versicherung -es Beamten, daß Varescu tat sächlich hinter Schloß und Niegel säße, erleichterte ihn wesentlich. Die Zusicherung, daß er straffrei ausgehen würde, löste ihm vollends die Zunge. Er machte dem Beamten wertvolle Aussagen und zeigte ihm schließlich auch das Geheimfach in der Kabine der Varescus. Man fand in dem Safe allerlei belastendes Material, das sich auf Lie Hintermänner des Hochstaplers bezog. Desgleichen waren Lillis Paß vorhanden und -er größte Teil der gestohlenen Juwelen. In Parenzo verging fast Ler ganze Tag mit allerlei Formalitäten. Erst gegen Abend bekamen die Vier von Len Beamten die Abfahrkserlaubnis. Es war bereits dunkel, als der Dampfer am Lan- -unassteg von Portorose festmachte. Dre elektrischen Bogenlampen bestrahlten einige Per sonen, die den Dampfer erwarteten. „Ich bin neugierig, ob -er Kater des Barons bis beute abend vmgehalten hat," lachte Traß. „Wenn er ihn richtig ausgeschlafen hat, wird er uns sicher ab holen." „Da sind sie ja!" krähte eine Stimme. Baron Dittchen stürzte auf die Ankömmlinge los. Hinter ihm tauchte eine vierschrötige Frauengestalt auf. „Tante Jette, du hier?" rief Traß. „Ich bin mit Klaus im Flugzeug gekommen," erklärte die alte Dame stolz. „Es war fein! Mir ist gar nicht schlecht geworden, aber bei Klaus hat's rumort. Wetten, -aß der mit der Eisenbahn zurückfährt? Na, wo habt ihr denn das gerettete Küken? Ach so " Lilli war mit einem Freudenschrei auf Klaus zu gelaufen, um sich in seine Arme zu werfen. Traß fing das Mädchen im letzten Augenblick mit Geschick ab. „Halt, Dame Lilli! Das ist meine Sache! Ich habe Klaus versprochen, daß ich Sie gezähmt, gebändigt, lieb und sanft in feine Arme legen werde. Und -as will ich Wörtlich besorgen!" „Ach, Klaus," schluchzte Lilli, „du — ich — wir — ich schäme mich so. Hast -u mich noch lieb?." Die Antwort war ein Kuß. „Wenn ihr nun alle mit Ler Begrüßung und der obli gaten Rührung fertig seid, können wir vielleicht Abend brot essen," dröhnte Tante Jettes Stimme. „Wir haben nämlich mit Ler Futterei auf euch gewartet und im Splendid gibt es frische Langusten, wie mir Lie Padrona sagte. Sollen wir vielleicht hier auf -er Landungsbrücke herumstehen, bis die Biester alt sind und stinken? Mir hängt -er Magen schon ganz schief. Dittchen, gib mir mal den Arm, sonst stolpere ich noch über die Brücken bohlen. Wenn -u ein Kavalier wärst, hätt'ste -as ohne Aufforderung gemacht!" „Der Herr Baron ist ein richtiger r Kavalier," ver teidigte Wally, die noch nicht an Tante Jettes rauh beinige Art gewöhnt war. Fräulein von Perkeit musterte Wally mit zwinkern den Aeuglein. „ „Das ist wohl die kleine ^Blonde,Mel unsere Lilli unter ihre Fittiche genommen hat,^was?? Kommen Sie mal her, Sie kleine Marjell.» Der Baron hat mir be reits alles erzählt. Wally Brandl heißen Sie?" „Ja, gnädige Frau." - „Haben Sie 'nen Bräutigam, Wally?" verhörte sitz Jettchen. „Nein, gnädige Frau." ' „Sagen Sie nicht immer "gnädige Frau zu mir. Ich Vin noch Fräulein. Also, Wally, wenn Sie mal 'nen Schatz haben und heiraten wollen, dann wenden Sie sich an mich. Die. Aussteuer schenke: ich Ihnen. Und mein Neffe, -er Herr Steffen, stiftet Ihnen noch 'was in bar." § „Aussteuer und Bargeld? Daraufhin-.kriege ich in meinem Dorfe jeden Tag einen Mann, gnädige Frau — Fräulein," strahlte Wally. „Na, denn man los! Und nun Trabmarsch ins Splen did. Sonst laufen uns die Langusten weg. Klaus und Lilli, wo seid ihr denn?" Zwei Paare krümelten im Dunkel Zinker Jettchen, dem Baron und Wally her. „Die eine Partie davon habe ich zustande gebracht," stellte Tante Jette mit Genugtuung fest. * . * .(Schluß folgt.)' llss sllersckönst« VeilmLektrgesekenIi: MMmMUkeo. LvIIavi» Staake ksi'nspii'svkvn 87