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Zweites Blatt. WlhmM für Mckch TharM DD, Siebzehn Md dir Umgegenden. Imlsölatt für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezöge« 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Psg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger m Wilsdruff. — VcramwortNcy für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 147 Sonnabend, den 12. Dezember 18S«. Die Räuber. Frei nach Schiller bearbeitet von Gustav Lange. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Geh' Du voran, Hauptmann, Du wirst den Weg schon finden, ich folge mit unseren Pferden nach — ein Graf muß auch einen etwas standesgemäßen Einzug in das Schloß halten, dessen Gastfreundschaft er in Anspruch nahmen will!" „So folge!' Einen Augenblick hatte Amalia gestutzt, als sie nach der Begrüßung sich dem angeblichen Grafen von Brand aus Meklen- burg gegenüber befand, der ihr in echt chevaleristischer Weise seine Reverenz gemacht. Doch auch nur einen Moment hatte dies gedauert, dann war sie ganz Dame des Hauses, die einen Fremden bewillkommnete im Grafenschlvß — jeder Zoll an ihr war eine Edcldame im wahren Sinne des Wortes. „Und getrauen Sie sich wirklich das Bildniß unseres seligen Herrn aus den Gemälden im Ahnensaal herauszufinden?" fragte Amalia den Grafen von Brand, nachdem er ihr seinen sehnlichsten Wunsch ausgedrückt, den Reichögrafen Maximilian von Moor wenigstens noch einmal auf dem Bilde sehen zu können, weil es ihm nicht mehr vergönnt gewesen, ihn am Leben anzutreffen. „O, ganz gewiß, gnädiges Fräulein," entgegnete Karl von Moor mit sehr verstellter Stimme. „Dann erwarte ich Sie in einer halben Stunde dort, Daniel mag Ihnen inzwischen einen frischen Trunk verabreichen und Sie dann in den Abnensaal hinaufgeleiten!" sagte Amalia von Edelreich und rauschte gleich einer Königin hinweg, den vermeintlichen Grafen von Brand und Daniel allein lastend. Richtig eine halbe Stunde später befanden sich Graf von Brand alias Karl von Moor und Amalia von Edelreich allein oben im Ahnensaal und schritten die lange Reihe der Gemälde entlang, u o die Familienglieder des Moor'schen Geschlechts vom Stammvater des gräflichen Hauses, welcher den Adel vom Kaiser Barbarossa für diesen in den Kreuzzügen geleistete Dienste erhalten, bis auf die beiden letzten Sprossen Karl und Franz im Porträt an der hohen säulengeschmücklen Wand angebracht waren. Ein heimliches Grauen mußte jeden Besucher dieses Saales des Schlosses beschleichen, wenn er so zwischen den zu weilen finster und drohend dareinblickenden Gestalten, den eisen- gepanserten Rittern, eillang schritt, wie die älteren Vorfahren dargestellt waren. „Nun, haben Sie noch immer nicht den Grafen Maximilian aus all' den Gemälden herausgefunden?" fragte Amalia nach einer geraumen Zeit, nachdem sie mit dem fremden Gast schon den größten Theil der Gemälde abgcschritten war. „Ich dachte, Sie können ihn, wie Sie mir ja selbst gesagt haben." „Ich kenne meinen Vater nicht besser als ihn," entgegnete Graf von Brand. „Ja, aber ich denke, Sie haben ihn seit langen Jahren nicht mehr gesehen?" sagte Amalia. „Der verstorbene Graf kann damals ein ganz anderes Aussehen gehabt haben!" „O nein, sehen Sie, hier ist er!" rief jetzt Graf von Brand und blieb vor einem in Lebensgröße ausgeführten Porträt stehen, dasselbe mit wehmüthigen Blicken betrachtend. „Wahr haftig, wie wenn er lebte, so ähnlich ist sein Konterfei. Dieser strenge Zug um den Mund, und doch leuchtet aus seinem ganzen Antlitz eine seltene Herzensgute, wie es ja auch in Wirklichkeit bei ihm im Leben der Fall war!" „Sie nehmen viel Antheil an dem Verstorbenen?" fragte Amalia und blickte verwundert auf den ihr fremden Mann, der Kanz in die Betrachtung des Bildes versunken war und in dessen Augen es wie Thränrn schimmerte. „Ja, er war ein vortrefflicher Mann — und ich kann es star nicht glauben, daß er wirklich schon eingegangen sein sollte ?ur ewigen Ruhe!" „Es ist leider so, mein guter Oheim starb auS Gram ach, er starb viel zu früh!" Die letzten Worte des jungen Mädchens erstickten fast in Mutem Schluchzen. „Und wer ist dieser zarte Jüngling hier an seiner rechten ^eite, der so kühn darein bl ckl? Ist derselbe auch schon todt, °uß man sein Bild im Ahnensaal Derer von Moor zum Gedächtniß anbringt?" „Es ist sein Lieblingssohn gewesen! O, fragen Sie mich nicht weiter, ich kann Ihnen keine Antwort geben — mir wird so seltsam zu Muthe — ich muß mich entfernen — wir sehen uns noch einmal unten wieder, bevor Sie abreisen, nicht wahr? Entschuldigen Sie meine Schwäche, doch der Schmerz um den Verlust dieser beiden — Vater und Sohn — übermannt mich jedesmal!" Mit einer leichten Verbeugung vor dem Grafen von Brand eilte Amalia von Edelceich aus dem Ahnensaal; sie konnte nicht länger den Anblick der Bilder ertragen und war fast einer Ohnmacht nahe, aber auch das seltsame Wesen des Fremden, der sich nach Allem so angelegentlich erkundigte und so lebhaften Antheil nahm, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, jemals den Namen Brand im Schlosse gehört zu haben, übte einen sonderbaren Einfluß auf sie aus und seltsam — trotz seines nicht gerade feinen Aussehens sühlte sie sich förmlich zu ihm hingezogen — sie stand unter dem Banne seiner Stimme, deeen Wohllaut ihrem Herzen wohl that. „Sie liebt mich noch!" sprach Karl von Moor leise vor sich hin, als er sich jetzt so allein in dem großen Saale befand. „Ihr ganzes Wesen schien eine Umwälzung zu erleiden, als ich sie auf mein eigenes Bild aufmerksam mochte, welches mich darstcllte. wie ich achtzehn Jahre alt war. — Ich verdiene ihre Liebe gar nicht mehr — ich Elender. Und mein armer guter Vater — warum mußtest Du so früh hinabsteigen in das Grab — warum mußtest Du Dir einige leichtsinnige Streiche von mir, die waürhaftig keine schlechten waren — so zu Herzen nehmen - meine rührenden Bitten um Verzeihung mir abschlagen, wo Du doch sonst stets so gut gegen mich warst? Ach, wie so ganz anders hätte alles sein können — welche finsteren Mächte haben uns hier mit Blindheit geschlagen, daß wir nicht das kommende Unheil sehen konnten, obwohl doch alles so klar lag. — - — Die Szene oben im Ahnensaal hatte für einen kurzen Augenblick einen Beobachter gehabt — Franz von Moor — der in den Moment, als Karl und Amalia vor dem Bilde des verstorbenen Grafen standen, von den Beiden unbemerkt seinen Kopf durch den nur leicht angelehnten mächtigen Flügelthüren des Saales hereingesteckt hatte und dann schnell wieder ver schwunden war. Aus rerner Abneigung gegen Fremde und infolge seines scheuen, mißtrauischen, durch sein böses Gewissen unruhigen Wesens batte er es-abgelehnt, den Fremden zu empfangen, aber er war doch nicht ganz gleichgiltig geblieben und hatte den Ankömmling von seinem Eintritt in das Schloß an ganz heimlich beobachtet, und als er dann durch Daniel erfahren, der fremde Graf wolle nur noch einmal das Bild des verstorbenen Grafen schauen und dann gleich wieder abreisen, da wurde Franz von Moor noch argwöhnischer. „Was gehen diesem Vazabonden unsere Ahnenbilder an, was hat er für ein Interesse daran!" wetterte er für sich allein. „Ich muß doch einmal schauen, wie er sich dabei benimmt und wie meine allerbeste Base wieder dabei flennen wird, daß Gott erbarm." So war er denn nachgeschlichen, und was er auf seinem kurzen Beobachtungsposten erlauscht, hatte ihn gar gewaltig aufgeregt. Und seine Ruhe wollte gar nicht wiederkehren, als er sich in seinem Zimmer wieder allein befand und über das Geschehene nachdachte. „War eö mir doch gleich, als wenn ein Spion der Hölle hier einziehe, als der famose Graf im Schlosse ankam !" schimpfte und wetterte Franz von Moor. „Und war eö mir, als sollte ich ihn kennen — o warum ließ ich ihn nicht mit den Hunden hinausjagen, ehe er sich eingenistet. Auch Amalia ist nicht gleichgiltig gegen ihn und läßt ihre Blicke zärtlich auf ihm ruhen, was ich mir vergebens von ihr gewünscht. Auch standen ihr ein paar Thränen in den Augen — ich sahs ganz deutlich!" Wie ein Besessener rannte Fran; im Zimmer umher und der Ausdruck seines Gesichtes glich dem eines wilden Thieres, wenn es auf seine Beute stürzt. „Bei allen höllischen Mächten! Ich lasse mich nicht länger täuschen — es ist Karl! Ja, jetzt werden mir alle Züge wieder lebendig — er ist's! Trotz seiner Vermaskirung erkenne ich ihn. Tod und Verdamm»,ß — habe ich darum mein Gewissen wie mit Zentnern belastet? Habe ich darum gleichsam Felsen hinweggeräumt und Abgründe eben gemacht — habe ich darum mich über alle Instinkte der Menschheit hinweggesetzt, daß mir zuletzt dieser unstäte Landstreicher einen Strich durch meine sorgfältig aufgestellte Rechnung macht? Nein, wate ich doch ohnehin schon in Todsünden, daß ans Umkehren gar nicht zu denken ist — er muß aus dem Wege geräumt werden." Mit fester Hand ergriff er eine auf dem Tische stehende Klocke, schritt dann hin zur Thür, welche er ein ganz klein wenig öffnete und ließ dann einen schrillen Ton ertönen, in dem sich ganz seine innere Erregung kund gab; es galt dies Glockenzeichen dem Diener Daniel. Es mochte Franz von Moor wohl zu lange dauern, ehe sein Diener erschien, denn zum zweiten Male ließ er die Glocke ertönen, diesmal noch viel ärger als das erste Mal. „Hat sich dieser Duckmäuser vielleicht schon gegen mich mit verschworen? Ist er im Bunde mit dem sauberen Grafen, um mich von hier zu vertreiben? O elendes Gewürm, ich will Euch allesammt zertreten — ohne Gnade!" Daniel erschien jetzt ganz aufgeregt mit einem Krug Wein, den Franz von Mo» schon früher bestellt jedoch für einen späteren Zeitpunkt. „Was steht zu Befehl, gnädiger Herr?" fragte Daniel, leise zitternd, denn er merkte seinem Gebieter die furchtbare Aufregung gar deutlich an. „Nichts!" entgegnete Franz von Moor schroff. „Füll' mir dort diesen Becher mit Wein, aber hurtig!" Der alte Diener that wie ihm geheißen und reichte den bis zum Rande mit goldig schimmerndem Wein gefüllten Becher dem Reichsgrafen. „Sieh wir fest ins Auge!" herrschte Franz den alten Mann an. „Wie Deine Kniec schlottern! wie Du zitterst! Gesteh' Alter! was hast Du gethan?" „Nichts, gnädiger Herr, so wahr Gott lebt und meine arme Seele noch in mir wohnt!" „Trink diesen Wein aus!" befahl Franz von Moor weiter. „Was, Du zauderst? — Heraus mit der Sprache, was hast Du in den Wein, in meinen Wein geworfen?" „Hilf Gott! Was? Wer kann so etwas sagen!" stammelte entsetzt der alte Daniel. „Gift hast Du in den Wein gethan!" behauptete Franz von Moor weiter. „Ich sehe Dir das begangene Verbrechen an! Du wirst ganz bleich, eisgrauer Lügner! Gesteh' nur, nicht wahr, der fremde Graf hat Dir es gegeben?" „Jesus Maria! Das weiß der allwissende Gott, daß mir der Graf nichts gegeben hat!" „Aber was stakt Ihr denn immer so zusammen, Du, Amalia und der Graf von Brand?" fragte Franz schon bedeutend ruhiger. „Was flüstertet Ihr immer so zusammen, als hättet Ihr wunder welche Geheimnisse einander anzuvertrauen?" „Ihr täuscht Euch, gnädiger Herr!" betheuerte Daniel nochmals. „Der fremde Herr wollte einmal unseren seligen Herrn sprechen, und als wir ihm mitgetheilt, daß derselbe ein gegangen zu seinen Vätern, da wünschte er sein Conterfei oben im Ahnensaal zu sehen, denn er sei ein alter Bekannter von ihm. Von Geheimnissen kann gar keine Rede sein — möge meine Zunge auf der Stelle verdorren, wenn ich nicht die reine Wahrheit gesagt habe." Mit seltsam forschendem Blick betrachtete Franz von Moor den Diener, nachdem dieser zu Ende war mit seiner Unschulds- betheuerung; der Blick war ein so durchdringender, als wolle er in der Seele des alten Mannes lesen, der denselben indeß ruhig aushielt, ohne mit einer Wimper zu zucken. Freilich, sein Gesicht war noch bleich vor Schreck über die schwere Be schuldigung, und in seiner Brust arbeitete es noch sehr vor Aufregung. „Ich will Deinen Worten diesmal glauben und von einer weiteren Untersuchung abstehen," begann Franz von Moor weiter. „Sage mir aber noch aufrichtig, hat der Graf auch nicht irgend welche Aeußerungen gethan, daß er schon früher im Schlosse gewesen, daß er mit uns gar verwandt ist, und zwar in recht naher Verwandtschaft mit uns steht?" Daniel war ob dieser vorsichtigen Sondirung seines Herrn im ersten Augenblick ganz erstaunt und konnte sich nicht gleich klar darüber werden, was dies zu bedeuten habe, doch plötzlich schoß ihm ein Gedanke durch sein Hirn, der ihn leicht erschau dern ließ. „Es ist Karl!" dachte er, „ohne Zweifel, er ist es!" Und laut sagte er zu Franz: (Fortsetzung folgt.)