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BezugS-Prei» «» ^or*rr» »«ch »»1er, SMdtt««» A» Ha»»,e»«chr: Sula«»« » («, »teKiljLhrUch 8 IL, msaamib ! Lt.; Ulltaad« 8 (moraenl und abend») nlrüal. jLhrllch <S0 M„ manarltch t.SO M. Larch di« »»ft ,» d«,te-e»; fl «al «»glich) inneidalb Deutlchland» „d der deutschen ft,i»nt«a viirreliihrlich S.2L M., m»natlich I,7S M. ausschl. v»ft- baftellgeld, ür Letlerreich » L 66 n, Ungarn 8 L vterlrllthrliftd 8<r»«rt»v«i- -ien, DLormark, den Donauliaalen, Italien, Lurrmdurg, Niederlande, Norwegen, Nub- >«nd. Schweden, Echioei, nnd Sv«li«v. In all«» übrigen Staaten nur direkt durch dt« L^ed. d. «l. erdlltli» «d»»»«>»»»»-*naabme: vnguftusvlatz 8, »e« v»t«r«' Lillgrrn, Mlialen, Svedtteureu »ad »naadineftellen, ianete Poktaitrrn iut» vrteftrLgerw Vt« «tngeln« Nu mm er koftei 1v Vf» "llrbaktiea und VxvedM»»' Johan»t«gaIIe 8. «elerbon Nr. »46SL «r. I«M3. Nr l«6»a. Abeud-Ausgabe 8. MMerTUMM Haudelszeituvg. Ämlsvlatt des Mates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. L«zet-e»'Pret» M» Sell««« and «>»»>» and Umgednn, di, »^valt»n,^^«U»«U^2!!> vi.. ft^n«>«Le »«» «nstalln« llo M-, Nrklatneo USV Vl^ d<»«»1l»-det)«., ft«a^ Langen 7L».. «ellamen^L vi. Jaserat, ». vatzbrbe^ onUtch«n LeU« vl vetlagegebftdr bLk. ». !anl«ud «xkl. Soli, gebühr, «eichütttangeigen an bevor,uglei Stell« im Preise erhöht, «»dar« nach Lar«' FefteNeUt» VuftrLa« können »ich« ,ara<k- §«»og«u w«rderl. Für da» Erscheine» an bepuiuntr» Lagen und Plätzen »t» krtue Garantie übernommen »neigen-Unnahmr> NuLaftnövlatz ». bot Itmtllchea Filiale» It. allen Annoncen. GMedttionen de» I»» und An»lande«. Ha»r.Filiale verltu i T«rl r»»««r, Her»»»«. va,r- -»ftzuch' Handlung, Lützmokrab« IL (Lelephoa VI. Nr. 4WY. Hau» l-Filiale vretden: S««itrab« 4.1 tLeleohon «82O. Nr. 187 Mittwoch 8. Juli 1908. 102. Jahrgang. Da» wichtigste. * Staatssekretär Dernburg hat Rhodesia verlassen; er wird sich über Prieska in das Damaraland begeben. * Wie verlautet, wird Präsident Fallieres nach seiner Rück kehr aus Rußland nach Marienbad kommen, wo er mit König Eduard zusammentrifft. * Nach einer Petersburger Meldung kommt der russische Minister des Auswärtigen Iswolski im September zur Kur nach Karlsbad, wo er den Besuch des Frhrn. v. Aehrenthal erhält. * Delegierte der russischen Postverwaltung verhandeln mit der bul garischen Regierung über die Legung eines KabelsBarn a—O dessa. * In Teheran ist auf den Dragoman der deutschen Ge sandtschaft ein Ueberfall verübt worden. (S. Ausl.) Frisches VLrrt. Im „Hannoverschen Courier" begegnen wir einer Klage über die Auswahl der Kandidaten. Die nationalliberale preußische Land- tagsfraktion — so wird da von einem, der offensichtlich den Dingen nahcsteht, ausgeführt — habe, wie schon kurz die Landtagssession gezeigt habe, frisches und zum Teil sehr gutes Blut erhalten. Aber es sei doch ausfällig und wenig erfreulich, daß sie nicht einen einzigen mittleren oder unteren Beamten, Lehrer, Handwerker oder Arbeiter in ihren Reihen aufweise. In der Beziehung heißt es dann weiter wörtlich: „Allerdings hat sie bei den letzten Wahlen zwei Lehrer und einen mittleren Eisenbahnbeamten als Kandidaten aufgestellt, und zwar in keineswegs von vornherein aussichtslosen Kreisen. Es war ein be sonderes Bcrhängnis, daß keiner dieser Kandidaten zum Siege gelangt ist. Aber auch schon die Aufstellung genügte keineswegs dem Bedürf nis. Längst ist die Forderung erhoben und mit guten Gründen ver teidigt worden, daß die nationalliberale Partei tiefer ins Volk hinein geben müsse, nicht bloß bei der Bearbeitung, sondern auch bei der Be rücksichtigung der sogenannten mittleren und unteren Stände. Die Forderung ist aus grundsätzlichen wie aus praktischen Gesichtspunkten durchaus berechtigt und ihre Erfüllung eine Notwendigkeit, die je länger je mehr sich geltend machen wird. Die grundsätzliche Richtigkeit dieses Anspruches, der übrigens auch gerade bei den letzten Wahlen ganz ausdrücklich, insbesondere von den Beamten und von den west fälischen Arbeitern erhoben worden ist, liegt in dem Satze von der Gleichberechtigung aller Bürger, wie ihn gerade die nationalliberale Partei von alters her als eins der .Hauptprinzipien ihrer gesamten Po- litischen Anschauung ausgestellt und verfochten hat. Sie hat noch in letzter Zeit sich des öfteren darüber beschwert, daß in Preußen der Eintritt in die Staatsverwaltung und das Aufrücken in ihr nicht allen Bürgern nach dem Maßstabe ihrer Befähigung offen steht, sondern viel fach ein Vorrecht der begüterten oder sonst privilegierten Klassen sei. Ist aber die Anschauung berechtigt, daß die Staatsverwaltung darauf achten muß, sich aus allen Kreisen des Volkes ohne Rücksicht auf Her- knnst und äußere Umstände die tüchtigen Männer herauszulesen, so muß unbedingt dasselbe für das Parlament gelten. Man sollte glauben, daß für letzteres jener Satz sogar in noch erhöhtem Maße Geltung bc- anspruchen darf, da es sich ja um eine Volksvertretung handelt, die ihrer Natur nach darauf sehen inuß, das Volk in seiner Gesamtheit zur Darstellung zu bringen. Der Einwand, daß die hierbei tn Frage kommenden Volksschichten nicht genügend Charaktere und Intelligenzen auszuweisen haben, um eine Berücksichtigung bei den Wahlen zu ver dienen, ist so fadenscheinig, daß er eigentlich gar nicht erhoben werden sollte; wenn er trotzdem, wie es geschehen, erhoben worden ist, so kann man sich nicht Wundern, daß gerade dadurch eine starke Verbitterung in den beteiligten Kreisen erzeugt worden ist, und daß ste zum Teil der Partei entfremdet worden sind." Dem kann man in der Hauptsache durchweg zuslimmen. Die natio- nalNberalc Partei muß das Vorurteil, mit dein böswillige Gegner sie verfolgen, daß sie eine Honoratioren- und Kommerzienratspartei fei, zu entkräften suchen und sie wird das am wirksamsten können, wenn sie auf die populären Strömungen Rücksicht nimmt und bei der Er gänzung ihrer Reihen in den Parlamenten auch nach den unteren und mittleren Schichten greift. Das braucht darum keineswegs in die grobe Umschmeichelung des Arbeiters auszuarten, wie sie bei den letzten Ncichstogswahlen wahrzunehmen war. Die Politik ist eine Kunst und sie ist zugleich auch eine Wissenschaft, und deshalb werden sselbst in der Sozialdemokratie ist das nicht anders) die politischen Geschäfte zu einem wesentlichen Teil von wissenschaftlich gebildeten Männern geführt werden müssen. Aber neben ihnen sollen auch die Vertreter der Prak- tischen Arbeit und des mittleren und unteren Beamtentums nicht fehlen, nnd man kann nur wünschen, daß bei künftigen Anlässen das Versäumte nachgcholt wird. Die Japaner haben ihr Augenmerk am allerwenigsten auf die Philippinen oder aus Jndochina gerichtet, wenn auch der Grundzug der japanischen Politik eine sogenannte Monroe-Doktrin für Asien bedeutet, die den Ausichluß aller Europäer aus diesem Lande verlangt. Tie Ja paner baden sich heute anders zu beschäftigen. Vor allem bereitet ihnen die Kolonisation Formosas ungeheure Schwierigkeiten, für die sie viel Menschenmaterial und noch mehr Geld aufwenden. Tie vitalste Frage aber ist für sie Korea und die Mandschurei. Formosa ist heute schon zu weit entfernt für Japan, was sollten sie auf den noch weiter ent- fernten Philippinen? Die Zukunft Japans aber liegt in China. Die Japaner wollen unbedingt die erste Großmacht in Asien sein und bleiben, und sie werden sich in keine Unternehmungen verwickeln, die sie aus Asien entfernen. Für den Augenblick »st der größte Feind Japans noch immer Rußland, bis China, wenn es militärisch sich entwickelt hat, Japan gefährlich werden kann. Rußland breitet sich automatisch nach Asien aus und ist durch den letzten Krieg keineswegs geschreckt. Deshalb bewaffnet Japan die Chinesen, um diese Rußland als Bollwerk entgegen zusetzen, und wenn wir in Europa von einer „gelben Gefahr" sprechen, so nimmt dos Gespenst einer „weißen Gefahr' für Japan viel greif barere Formen an, und daß Japan über die Einwanderungsschwierig keiten Amerikas ernstlich böse wäre, ist kaum anzunehmen, da alles, was nach Amerika auswandert, für Japan ohne Nutzen und verloren ist. Ab gesehen davon, daß ein Krieg mit den Vereinigten Staaten seinem Handel und seiner in den Ansangsstadien sich befindenden Industrie den Todesstoß versetzen würde. Auch versucht Japan bereits seit sieben Jahren, die Auswanderungslust einzuschränken und die der heimatlichen Scholle Müden noch der Mandschurei, nach Korea und nach China zu lenken. Ganz besonders nach China, das die russische Flut nach Asien, wenn die Stunde geschlagen, oufhalten soll. Japan ist heute in einer neuen militärischen und ökonomischen Entwickelung begriffen. Gewiß wird es aus der Bühne des Welttheaters in einigen Jahren wieder er scheinen, aber dos wird wiederum in Asien sein, und diesmal wird man in China japanische Kanonen donnern hören. Ziele Japans. Von gutunterrichteter Seite geht uns über die Ziele der Politik Japans eine Darlegung zu, die in mancher Hinsicht von der bisherigen Auffassung vieler Politiker obweicht, nichtsdestoweniger aber Beachtung verdient. Es heißt darin: Noch immer hält man einen Krieg zwischen Japan und Amerika für möglich. Und Roosevelt verlangt auch weiter Vermehrung von Flotte, Heer und Kriegsmaterial sür die Vereinigten Staaten. Kapitän Hopson hat in bangen Artikeln auf eine Kriegsgefahr hingewiesen und mächtig in die Alarmtrompctc gestoßen. Daß dies ziemlich unnütze Sorgen sind, erhellt aus den Schilderungen eines hohen französischen Offiziers, der gegenwärtig in einer militärischen Mission Jopan bereist. Nach seiner Schilderung sind die Japaner durchaus nicht so impulsiv, wie wir an nehmen, sondern das am wenigsten nervöse und om schwersten aus der Fassung zu bringende Volk der Welt. Es gibt in Japan keine öffentliche Meinung, sondern es gibt nur dirigierende Parteien, von denen die be deutendste die Partei Ito und die Partei Aamagata sind. Und die Männer, die das Wohl und Wehe des Landes behüten, sind durchaus nicht derart, Japan leichtsinnigcrweise in Abenteuer zu verwickeln. Wie könnte sich überhaupt praktisch ein Krieg zwischen Japan und Amerika führen lassen. Es wäre jedenfalls nur ein Seekrieg, und wie wäre da eine schnelle Entscheidung möglich? Man hält immer die Philippinen für die beneidete Beute, aber die Okkupation der Philippinen würde keineswegs einen Krieg beenden, man müßte nach Amerika gehen, und was für unüberwindliche Schwierigkeiten eine derartige Operation für Japan mit sich bringen würde, das zwischen Amerika und seiner Insel auch nicht den geringsten Stützpunkt hat, läßt sich gar nicht ausrechnen. Man braucht nur die Landkarte zu betrachten, sich die dreißigtägige Hin- und Rückfahrt zwischen Japan und Amerika vorzustellen, an die Ver pflegung einer Armee ans solche Distanz, an den ungeheuren Kohlenver brauch, und an die unaufdringlichen finanziellen Hilfsmittel zu denken, nm einzuseben, daß ein Krieg zwischen Japan und den Vereinigten Staaten fast eine Unmöglichkeit bedeutet. Der Lulenbrrrg-Prozeh. Berlin, 8. Juli. In Ergänzung unseres telegraphischen Berichts geben wir über die Vernehmung des Zeugen Ernst noch folgende Einzelheiten wieder: Oberstaatsanwalt Jsenbiel fragte den Zeugen Ernst: „Sind sie sich über die Bedeutung Ihrer Aussage klar? Hier sitzt e»n Mann, der von der h öch st e n Höhe herabgestürzt ist. Ihre Aussage ist enticheidend über jein Schicksal. Sehen Sie dem Herrn Angeklag ten ins Gesicht und sagen Sie heraus, ob alles wahr ist, was Sie be kundet haben!" Ernst wandte sich darauf gegen den Fürsten Eulen- bürg und sagte: „Durchlaucht, Sie waren mir stets ein gnädiger Herr. Aber das, was ich gesagt habe, ist bei Gott wahr!" Ernst machte seine Aussagen im bayerischen Dialekt, so daß sich Ge- richishof und Geschworene dicht um ihn scharen mußten, um wenigstens etwas zu verstehen. Nach einer Pause wurde dann der wieder an Gerichtsstelle er schienene Justizrat Bernstein noch einmal kurz vernommen und über seine Unterhaltungen mit Riedel befragt. Ein an scheinender Widerspruch wurde bald aufgeklärt. Oberstaatsanwalt Dr. Jsenbiel soll dann noch eine Reihe von Fragen an Ernst gerichiet hoben. Unter anderem soll Ernst an den Fürsten Eulenburg in einem Briefe geschrieben haben, daß er ihn für „norma l" halte. Er wurde nun befragt, was er denn unter „normal" verstehe, und wieso er bei seinem Bildungsgrade ein solches Wort anwende. Der Zeuge soll er- klärt haben, daß jemand normal ist, wenn er nichts mit dem 8 175 zu tun gekriegt hat. Das Wort „normal" kenne er aus den Zeitungen. — Ernst, der ebenso wie Riedel gestern vereidigt ist, wurde hieraus vorläufig entlassen. Feuilleton. Oft dient ein Fall, um froher aufzustehn. Shakespeare. * Domremy-la-Oueelle. Von Dr. W. Sehdel (Leipzig). Zur Erinnerung an die wunderbare Errettung aus der Hand der Engländer durch die Jungfrau von Domremy hat die Stadt Orleans auch dieses Jahr wieder, wie alljährlich seit 1429, ein großes Danktest gefeiert. Vor dem Beginn des Festzuges hat in der Kathedrale einer der glänzendsten Kanzelredner, der Abb« Coubv, die Jestpredigt ge halten. Er ist darin auch eingcgangen aus die Frage, ob sich die Er scheinungen von Engeln, die Johanna d'Arc gehabt habe, als krankhafte Halluzinationen erklären lassen, und har von einem Irren- arzr erzählt, der sich erboten habe, ihm unter den Insassen seiner Heil- anstatt fünfzig solche Schwärmerinnen zu zeigen. Darauf antwortet der Prediger als gläubiger Katholik und französischer Patriot: Wenn du mir unter deinen Kranken nur eine einzige zeigst, die es vermag, uns mit ihren Halluzinationen Elsaß-Lothringen zurückzugewinnen, tonn will ich auch glauben, daß Johanna keine gottgesandte Reiterin war sondern nur eine arme Kranke! Was Frankreich und sein König Karl Vll. dem Lothringer Bauernmädchen verdanken, ist von der Geschichtsforschung längst klar gelegt Sie hat wirklich Orleans befreien Helsen und hat den Dauphin nach Reims zur Krönung geführt, wie uns Schiller es darstellt. Aber sie fand in Wirklichkeit nicht das Ende, das die verherrlichende Phantasie unseres Dichters ihr gibt, sondern sie starb den schrecklichsten und schimpflichsten Tod, den die damalige Zeit kannte. Sie wurde nach einem langwierigen Prozeß von den Engländern, in deren Hand sie ge- iallen war, als Here verbrannt. Die Franzosen nahmen nach einigen Jabren den Prozeß wieder auf und ließen durch andere Zeugen be weisen, daß ihre wunderwirkende Kraft doch nicht vom Teufel, sondern von Gott stammte. Im Laufe der beinahe 500 Jahre, die seitdem vergangen sind, ist das Ansehen und die Verehrung des wunderharen Mädchens in Frank reich immer höher gestiegen. Jährlich wallfahrten noch heute Tausende rach den Erinnerungsstätten ihrer Kindheit in Lothringen. Ihre Wiege stand an der äußersten Westgrenze dieser Provinz, in Dom remy an der Maas, wo die gesegneten Fluren der Champagne ihren Anfang nehmen. Man erreicht das kleine Dörfchen von Metz aus mit ein«r etwa vierstündigen Eisenbahnsahrt, die zunächst dem breiten 2 al der Mosel folgt. Sie verläßt es bei der alten Bischofstadt Toul, um nach der Maas binüberzubiegen, der eine Nebenlinie dann auswärts folgt, bis man über Vaucouleurs, wo der Ritter Bauoricourt Stadt hauptmann war, die Heimat der Jungfrau erreicht. Die Landschaft im Tale der Maas ähnelt der des Saalctales, wenn man, von Leipzig kommend, die ersten Höhenzügc Thüringens erblickt. Wir müssen Dom- remy ganz durchschreiten, ehe wir an die Kirche und das Gehurtshaus oer Jungfrau kommen. Die Dorfstraße ist hreirer und sauberer ge halten als in anderen Dörfern der Gegend, die sonst vielleicht größer sind. Die wenigen Bewohner, denen wir begegneten, machen mit ihren unförmigen Holzschuhen einen echt ländlichen Eindruck; aber die grau getünchten Bauersihäuser mit ihren flachgeneigten, schmutzigrot gedeck ten Dächern und wenigen Fenstern erschienen uns doch recht fremdartig. Die kleine Dorfkirche zeigt ein niedriges, aber ziemlich breit angelegtes Haus und einen Turm ohne Spitze, der sich nur wenig über den Dach first des Schiffes erhebt. Wir treten ein. Gleich rechts neben der Tür begrüßt uns die erste Erinnerung an die Heldin des Ortes. Eine niedrige steinerne Säule bietet hier seit Jahrhunderten in ihrem beckenartig ausgehöhlten Oder teil das Weihwasser dar. Die darüber angebrachte Inschrift besagt: Weihwasserbecken aus der Zeit Johannas. Hier also tauchte sie den Finger ein, wenn sie das Gotteshaus durch dieselbe Tür betrat, die wir eben durchschritten haben; vor dieser Stcinsäule schlug sie mit heiligem Schauer das Zeichen des Kreuzes, bevor sie weiter schritt auf oas hölzerne Muttergottesbild zu, das aus einem kleinen Sockel an dem ersten Pfeiler der Kirche noch heute zu sehen ist. Auch hier versetzt uns die erklärende Inschrift unmittelbar in die Andachtsstundc der Jung- frau: Vor diesem Standbild hat Johanna gebetet, heißt es. Wir be trachten mit Rührung die plump in Holz geschnittenen Züge des kleinen Madonnenbildes, dessen treuherziger Ausdruck nur in einem kindlichen Gemüte die Ueberzeugung wecken konnte, daß hier die Himmelskönigin zu ihrem auserwählten Werkzeuge spräche. Die Erinnerungen an die Familie der Jungfrau, die das Kirchlein noch oufzuweisen hat, können uns nicht länger hier zurückhalten. Wir überschreiten die Straße und befinden uns sofort in dem Grundstück ihrer Eltern, jetzt als kleiner, parkähnlicher Garten im Besitze des französischen Staates. Unter alten, ehrwürdigen Tannen lugt das Ge burtshaus Johannas hervor, nicht anders an Gestalt und Größe als die jetzigen Bauernhäuser von Domremy. Nur drei Fenster lassen das Licht von der Giebelwand her in das Innere dringen, und über der Tür ist ein kleines, altertümliches Standbild Johannas eingelassen, von einem steinernen Baldachin in gotischem Stile überdeckt. Das Haus enthält nur ein Erd- und ein Dachgeschoß; das letztere als ein kleines Museum für Bilder und Bücher aus der Geschichte der Jung frau eingerichtet. Tas Erdgeschoß zerfällt in vier Räume, von denen nur der links neben der Tür und das Hinterzimmer rechts Interesse bieten. Das Vorderzimmer ist der Hauptraum des Hauses mit dem Kamin, als Wohnzimmer der Familie zu denken. Das andere, rechts im Hintergrund liegend und durch ein ganz kleines Fenster spärlich er- bellt, soll das Kämmerchen Johannas gewesen sein. In der Wand br- kindet sich eine unverschlossene, schrankartige Vertiefung, in der sie Lebensmittel und allerlei Hausrat ?u verwahren pflegte: und au den Balken der Decke sind einige Lotten beseitigt, an denen vielleicht Fleiich. Vorräte aufgehängt wurden. Sonst ist der kleine Raum jetzt völlig kahl. Tas Jensterchen ist so niedrig angebracht, daß ein Erwachsener nicht ,ns Freie sehen kann. Wenn Johanna sich davor aus die Knie niede.ließ, konnte sic gerade die Kirche erblicken: und so soll sie sic im benachbarten Gotteshaus begonnenen Andachtsüoungen in ihrem «tillen Kämmerlein fortgesetzt haben. Sie wuchs Heron in stündlicher Ge meinschaft mit dem kirchlichen Leben ihres Heimatortes, wie es die Glocken der Dorfkirchc und der durch ihre Fenster herübcrgli-nme.'.dc Schein der Kerzen ihr täglich aus unmittelbarer Nähe verkündigten. Im Garten wird die Stelle gezeigt, wo sie zuerst den Erzengel Michael zu sehen glaubte, der, in Begleitung der heiligen Katharina und Mar gareta, ihr befahl, dem König zu Hilfe zu ziehen. Aber fünf Jahre noch dauerte es, ehe sie den sich wiederholenden Erscheinungen und Engelstimmen gehorchte und sich nach Vaucouleurs aufmachte. Die Franzosen haben diesen inneren Kampf in moderner Weise symbolisch dargestellt durch ein Doppelstandbild vor dem Geburtshaus der Jungfrau. Sie ist hier als Kind aufgefaßt, den Blick auf da-S Vaterbaus gerichtet, von dem sie sich nicht losreißen kann. Und neben ilr steht, mit Hoheitsvoller Handbewegung den Weg in weite Fernen des Ruhmes weisend, nicht der Erzengel oder eine Heilige, sondern eine Hobe Frauengestalt im heroischen Mantel, die das Vaterland, das könig lich«' Frankreich darstellen soll. Trotz der großen Schönheit dieser Figur nnd trotz der Zartheit und Innigkeit im Ausdruck der kleinen Johanna will dem andachtsvoll gestimmten Beschauer das weltliche Kunstwerk svon Mercie) an dieser Stelle doch nicht so recht gefallen. Aber die religiösen Empfindungen, die sich an ihren Namen knüpsen, haben an ihrem Geburtsort auch einen Ausdruck gefunden; einen Ausdruck ganz besonderer und feierlicher Art: in einer wunder baren Gedächtniskirche, die sich eine Viertelstunde hinter dem Dorfe am Abhang der Hügelkette erhebt. Diese Kirche wird als Basilika bezeich net, ist aber neu und soll das Andenken an das Bild der Maria bc- wahren, von dem Johanna bei Schiller sagt: Und vor dem Dorf, wo ich geboren, steht Ein uralt Muttergottesbild, zu dem Der frommen Pilgerfahrten viel geschah». Das Heiligenbild ist verschwunden, aber die Stätte, wo es sich einst befand und wo Johanna in der Verzückung die Jungfrau Maria mit der Fahne erblickte, die sie selbst dann in der Schlacht führen sollte und die jetzt in der Kathedrale zu Orleans ausbewahrt wird, — diele Stätte ist abermals zu einem Wallfahrtsziel geworden, wo nun die selig gesprochene lothringische Jungfrau von den Gläubigen als Heilige per- ehrt wird. Die Baülika hat zwei völlig getrennte Stockwerke, deren unteres mit seiner Chorseitc unmittelbar an den Bergesabhang ange baut ist, während das obere nach dem zurücktretcndcn Hügel zu vor läufig mit einer Brettenvand geschlossen ist, da der architektonische An- schluß hier noch fehlt. Der Turm steht an der anderen Seite, hoch in offene Tal hinein grüßend, und hat die Eigentümlichkeit, daß er im Erd geschoß gar keine geschlossenen Wände besitzt, sondern nur auf vier^mäch- tiaen Eckpfeilern ruht. Es ist so ein gewölbartiacr. nach drei Seiten offener Raum gebildet, der dem schönsten Denkmal Johannas zur Aus stellung dient, das eS in Frankreich gibt. Im Hintergrund steht die hohe