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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.07.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080711027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908071102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908071102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-07
- Tag 1908-07-11
-
Monat
1908-07
-
Jahr
1908
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BezvgS-Prei» D»r» dl« D«a p» Sr»k»ai: (2 «al »»glich) tnuerhald Dantschland« und der druttlhan Koionia» «ianaltthrlich b.L M.. m-naUl« 1.7Ü M. aalschu tzaft. lxslellgrü», lik OHer»ich » L « d, u«g«n 8 L »irataltthrlich. F«r»« t» Val» aiaä, DL»»mark, den Donau ftaata», Italia«. Laamiblla,, -iiadarland«, Konvaga«, »ut- lan», kchivada», Schwatz »ad Lväma». Ja all«» übrig«» Staat«« aar dirakt durch «» »M«d. d. Bl. rrlchltlich. Ld»aa«»wadchl»aabar«r Ba-a<t»<t>I«tz 8, da, aalrrru Drtaer«, aUiala», Svabitrur« «ad Lanadmrftrllkn, I«at« Poftimtrra u»d «rirstrtgar». Di» «t»Ma« Stamarar taftrl lv Ditz, 'Ardaktioa u»d »xvedttia«: Iodan«ligass««- dal«»-« «r. I488L «r. IE!, «r. iE«. Nr. M. Abend-Ausgabe 8. leiWMrTWMM Handelszettuvg. Amtsblatt -es Rates und -es Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Sonnabend 11. Juli 1908. Anzeige»-Pre» ,a uaiaaia «»» öattDckl»»«^ PDt^ — W, Mi,n>«N» l» Di.. Mrsa»«» MV «-! »»««»»laadSltM.. fi»»«.»«««««» 7bW.. «B lawa» llv «. Jaser«»». v«tz< »rdr« a.«»lIlcheaD«aMD> vetlagegrdllln tDi. ». Da »land «rll. Bolt, ardützr. Selche Itraagetgra »» devorzugui Still« im Preil i rrhiht. Rabat« »ach Darn FaftertaUM <u skrüg« w«a»» «tcht »»rtck- a«»ogr» war»«'«. Alt« da» itrtchataa» a» baftimmtaa Do, ,«a u»d Plttze» wird kau» »aro «ti» Ldernowmen Ba^Da».»«» »hmar SaoaltasvlaH v, doi ltmtltcha» AUtala» a. all«» L»non«m rxp«dttto«ra> d«<> I«» and Ballaava». -««»»--Ut«Ie D«N»i S«rl L«»ch»r. Herz^,.. Baar. D«lb»ch haadl»««. Lützow irad« iü, <L«I»r ch»a VI. 4MS). Pau» ch-SUtale ^cetda«! Seellraf «e 4.1 lDalevdoa 4S2U. lv2. Iabraanq. Da» wichtigst«. * Der Kaiser hat, wie uns ein Privattelegramm aus Frankfurt a. M. meldet, den Prinzen Oskar von Preußen mit seiner Vertretung beim 11. Deutschen Turnfest in Frankfurt beauftragt. Es ist dies das erstemal, daß ein Hohyrzollernprinz bas deutsch-österreichische Turnfest besucht. —— * Der K a i s e r ist auf seiner Norblandreise mit der englischen Manöverslotte zusammengetroffen. sS. Dtschs. R.) * Hochoffiziös werden unsere Mitteilungen über den Verkehr des Reichskanzlers mit Herrn v. Holstein bestätigt. sS. d. des. Art.) * Die Stadtverordnetenversammlung von Rom beschloß die Ab schaffung des Religionsunterrichtes in den Schulen. sS. Ausl.) * Im Wilajet Kassowo konnte ein neues gemeinsames Vor gehen bulgarischen Militärs mit bulgarischen Banden festge stellt werden. sS. Ausl.) * Der demokratische Nationalkonvent der Vereinigten Staaten hat John Kern (Jndianapokis) zum Pizepräsidentschaftskandidaten nominiert. * Die japanische Regierung kündigte an, daß auf der Halbinsel Liaotung alle Fremden zum Bergbaubetrieb zugelassen werden würden. „Anekdotischer." Unser einfacher Hinweis auf bas neue Auftreten von Exzellenz v. Holstein auf der Politischen Bühne und sogar im Spiel mit dem verantwortlichen Leiter der Reichsgcschäfte hat die Politik der Woche beherrscht. Nunmehr, nach mancher widerwillig gezollten Anerkennung der Bedeutung dieser Nachricht, fühlt man sich auch auf der Seite der Hochoffiziösen genötigt, uns auszuwarten; die „Süddeutsche Reichs korrespondenz", die auf der offiziösen Rangstufenleiter unmittelbar unter der „Nordd. Allg. Ztg." steht, schreibt unter der Ueberjchrist „Anek dotisches": „lieber das Verhältnis, in dem der Reichskanzler zu dem Wirk lichen Geheimen Rat v. Holstein steht, sind von mehreren Blättern An gaben verbreitet worden, die Richtiges und Falsches durcheinander werfen. Es ist gar kein Staatsgeheimnis und keine Enthüllung, daß Fürst Bülow mit Exzellenz v. Holstein auch nach dessen Ausscheiden aus dem Dienst in gesellschaftlichem Verkehr geblieben ist, und daß er ihn vor seiner Abreise nach Norderney auf dem Krankenlager besucht hat. Die Natur dieser Beziehungen wird aber entstellt, wenn man sie, wie wir zu wissen glauben, gegen den Willen beider Beteiligten auf das politische Gebiet hinüberspielt. Wer durch solche Künsteleien den Eindruck einer außerordentlichen Steuerung unserer Marokkopolitik Vortäuschen will, der zeigt bloß, daß er über die Persönlichkeiten, zwischen denen die angenommene Beeinflussung vor sich gehen soll, mangelhaft unterrichtet ist. Auch die Vermutung eines Berliner Blattes, es dürfte vielleicht zum Teil aus Herrn v. Holstein zurückzuführen sein, daß der Botschafts rat v. Miguel aus Petersburg vorübergehend zur Dienstleistung im Auswärtigen Amt berufen worden ist, ist irrig. Die Berufung des Herrn v. Miguel hat der Staatssekretär v. Schön von sich aus veran laßt." Feuilleton. Was ist, vergeht in Dunkelheit. Die Sonne selbst muß sterben. Campbell. * Vorn Kriminalroman. Was der Ritter- und Räuberroman vor hundert Jahren war, das ist heute der Kriminal- und Detektivroman: die warme Semmel, um die sich alle, alle in den Buchläden reißen; das goldene Kalb, um das der dankbare Leihbibliothekenbesitzer tanzt; die Konjunktur, die ausgenützt sein will; das, was gerade an der Reihe ist. Man möchte, was man sich nicht immer zu wünschen Anlaß hat, Besitzer eines Verlages sein, und daß der Mann, der uns mit den neuesten englischen und amerikanischen Kriminalromanen getreulich versieht, schon in Stuttgart sitzt und Ge schäfte macht, beweist ja nur, daß einer vor uns einen guten Gedanken gehabt hat. Heute ist der Kriminal- und Detektivroman geradeso ein Merkmal unserer Zeit, wie das Auto, die illustrierte Zeitung, der Sieg des Sportes — keines der wesentlichen, primären Merkmale, die den Begriff bestimmen, aber eines der sekundären, ausschmückcnden, die ihm gleich sam Lokalkolorit geben. Er steht gegenwärtig ungefähr auf seiner Höhe, vielleicht schon nach der entgegengesetzten Seite gerichtet, auf der der Ab- stieg erfolgen wird; jedenfalls ist es noch nicht sehr lange, nur ein paar Jahre her, seit er ins allgemeine Bewußtsein einzog. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich vor elf, zwölf Jahren, als ich noch zur Schule ging, in der Sonntagsbeilage unseres Mittelstadtblättchens eine Serie merkwürdiger Geschichten las, die von den Abenteuern eines gewissen Sherlock Holmes handelten. Ein Literaturbureau, wie sie die Zeitungen in der Provinz mit Lesefutter versehen, hatte da einen Versuch mit Conan Doyle gemacht, der einer der ersten in Deutschland gewesen sein muß. Und noch lange blieb, denn es vergingen Jahre, bis der Name Sherlock Holmes, nie ganz vergessen, wieder aus meiner Erinnerung heraufkam, nun mit genügend Nachdruck unterstrichen, daß er sich nicht mehr in den Spalten eines Kreisanzeigers verlor. Ich freute mich, als ich ihm nun zum zweiten Male begegnete, daß er es zu etwas gebracht batte, ja ich glaube, ich empfand sogar eine gewisse Befriedigung, daß ich ihm schon als Junge den Erfolg zugetront hatte. Der Detektiv- und Kriminalroman wurde der Nachfolger des Räuber, und Ritterromans genannt. Das ist richtig, aber es ist un genau; es wird den Ansprüchen und dem Machtbereich bes Detektiv- und Wir guittieren mit Dank die formelle Bestätigung unserer Nach richt von dem Verkehr des Reichskanzlers mit Herrn v. Holstein. In Zerknirschung freilich vernehme" wir, daß dieser Verkehr nur das Lpitbetou ornans „gesellschaftlich" zugebilligt bekommt, und daß politische Tinge dabei „selbstverständlich" gar keine Rolle spielen. Die Herren erzählen einander bei ihren regelmäßigen Zusammen künften im Neichskanzlcrpalais, wo Herrn v. Holstein gleich eine Art Oabinst apart zur Verfügung steht, wahrscheinlich Schwänke aus ihrem Leben. Daher auch die Ueberjchrift des offiziösen Entrefilets „Anekdotisches". Dev Grofzadinwal des Deutschen ^lottenveveins. Die Uebernahme des Flottenvereinspräsidiums durch den Groß admiral v. Koester wird von der „Natlib. Korresp.", wahrscheinlich doch nach Rücksprache mit den führenden Parteimitgliedern, so aufgcfaßt: Die entscheidende Vorstandssitzung im Flottenverein ist getvesen. Großadmiral v. Koester hat die Wahl zum Nachfolger des Fürsten Salm angenommen. Tie Lösung, die — was doch noclunals nachdrücklich kon statiert werden soll — man von vornherein in Danzig im Auge gehabt hatte, ist also nun perfekt geworden. Es ist vorauszusehen, daß die Hysterischen, die über den keinem unerwarteten Rücktritt des Fürsten Salm außer Rand und Band gerieten, nun von neuem die Schleusen ihrer lauten Beredsamkeit öffnen werden. Aber wir meinen: man soll sie ruhig gewähren lassen. Mir den Entrüstungsstürmen ist es wie mit dem Regen: und wenn es genug geregnet hat, dann hört es wieder auf. Auch diese aufgeregten Wasser werden sich verlaufen, uno hinter her wird man finden, daß der Lärm umsonst war und es ganz gut so geht. Auch die paar Ortsverbände, die wie gekränkte Backfische sich abwandten und im ersten Zorn von dannen gingen, werden sich wohl wieder einfinden. Täten sie es nicht, so würden sie damit nur beweisen, daß ihnen die Person über die Sache geht. Und das möchten ^wir einst weilen doch nicht gut annehmcn. Im übrigen wird cs Sache des neuen Präsidiums sein, die Wankenden zu stützen und die Zweifelnden zu überzeugen. Die erste Kundgebung des neuen Präsidiums ist unseres Erachtens durchaus geeignet, in der Beziehung günstige Hoff nungen zu Wecken. Es ist gut sobschon es an sich selbstverständlich ist), daß das Präsidium nachdrücklich seine Absicht bekundet, die volle Un abhängigkeit sich zu wahren. Und cs ist löblich, daß cs streng an den Satzungen sesthalten und die Danziger Resolution zur Grundlage und Richtschnur nehmen will. Ein Flottenverein nach dem Herzen der jetzt Murrenden wäre kein Flottenverein, sondern der Alldeutsche Verband. Und so nützlich der zu seinem Teile auch sein mag: die Aufklärungs- und Werbearbeit des Flottenvcreins möchte durch solche Metamorphose doch gehindert werden. Dcp Lulenburg-j-rozetz. Zu unserem gestrigen Bericht geben wir noch folgende uns tele graphisch zugegangenen Ergänzungen. Bcrli», 11. Juli. (Tel.) Nach Wiedereröffnung der Sitzung teilte Justiziar Wronker mit, er habe soeben eine Karte von einem Herrn Reibedanz, wohnhaft Schumannstraße, erhalten. Auf dieser werde mitgeteilt, Riedel habe gestern in einem Cafö in Gegenwart mehrerer Personen geäußert: Wen» ich ordentlich Geld bekommen hätte, würde ich ganz anders ausgesagt haben. Auf Antrag des Verteidigers beschloß der Gerichtshof, Herrn Reibedanz als Zeugen zu laden. — Der Vorsitzende, Landgerichtödirektor Kanzow, teilte darauf mit, er habe von einem Anonymus einen Brief aus einem Orte in Oesterreich er halten. In diesem teilt der Briefschreiber mit: er behaupte, daß Ernst im Auftrage der klerikalen Partei handele, die den Fürsten Eulenburg ins Verderben stürzen wolle. Der Angeklagte soll darauf Gelegenheit genommen haben, sich über seinen Standpunkt den Klerikalen gegenüber, den er schon seiner Zeit als Legationssekretär und auch als Legationsrat in München eingenommen habe, auszulassen. Ec sei in München allerdings auch Vertreter der pweußischen Protestanten gewesen. Der Untersuchungsrichter LandgerichtSi:at Schmidt Hal sich dem Vernehmen nach noch aus Befragen über verschiedene Ergebnisse der Voruntersuchung ausgelassen. An der Hand eines Planes und einer Reibe von Photographien habe er die Lage deS Würm- (Starnberger) Sees und der Würm erläutert. Hieraus wurde, wie bereits gemeldet, «lavierträger Johann Schommer, München, als Zeuge aufgerufen. 1887 sei er im Hotel Wittelsbacher Hof Hausdiener gewesen. Eines Tages sei der damalige Graf Eulenburg m t einem andern Grasen im Hotel abgestiegen. Der zweite Graf habe ihm, Zeugen, einen unsittlichen Antrag gemacht; levchtsinnigerweile l-abe er sich dem Grafen bingegeben. Er habe einmal durchs Schlüsselloch geguckt und beobachtet, wie Gras Eulen bürg mit einem andrer» Grasen in dcrangierter Toilette dailanden unvDinge unternahmen,deren Wiedergabe dieSchicktick- teitverbietel.—Der Angeklagte bestritt es mit großer Ennckiedenbeii; er sei niemals im Wittelsbacber Hof abgestirgen. Alle diese Erzählungen seien direkt erfunden. — Es entstand alsdann eine längere Erörterung über die Glaubwürdigkeit deS Zeugen, insbesondere über dess n Straf register, das allerdings etwas weit zulücktiesst. Es beteil gien sich an dieser Erörterung der Oberstaatsanwalt, doe Bei leidige e und einige Geschworenen. Alsdann wurde Betriebsdirektor Sckunig a>s Zeuge ausgerusen. Dem Vernehmen nach toll vieler Zeuge in Wien geweilt haben, als Fürst Eulenburg dort deutscher Botschatter wa Es bildete damals eine aufsehenerregende homosexuelle Angelegenh ir das Tages gespräch. Als er sick mit einem Kollegen darüber unterhielt, sei ihm von einem Wiener Bürger gesagt worden: Na, bri Such in der Botschaft ist'S-doch ebenso! Alsdann wurde eine schon in der Voruntersuchung emgeholte amtl che Auskunft Les früheren und des jetzigen Wiener Polizeipräsidenten uns eines Wicn.r Kriminalpolizeiiiispektors verlesen. Diese b.-sag-n, daß amtlich über Verfehlungen der deutschen Botschaft nichts bekannt gewesen sei. Hieraus wurden mehrere von der Verteidigung geladene Zeugen vernommen, die belundet haben, daß sie ebenfalls vom An geklagten Tarlehcn erhalten haben. Der frühere Hoboist auf der „Hobenzollern" Wienat will vom Angeklagten ein Darlehen von mehreren Tausend Mark zur Eröffnung eines Geschäfts in Bremen erhalten haben. E n Berliner Friseur will zur Eröffnung eines Geschäfts ein Darleben von 5000 vom Angeklagten erhalten haben. Dieie Bekundungen sollen beweisen, daß die Darlehen, die der Angeklagte an Ernst und Riedel gegeben, nicht« Absonderliches waren. Hierauf wurde der frühere Amtsvorsteher Havemaun-Liebenberg vernommen: Er sei seit länger wie dreißig Jahren in Liebenberg au- lässig. Er habe schon bei dem Vater deS Angeklagten im Dienst ge standen. Als letzterer noch lebte, habe ein alter Förster ihm erzählt, der junge Graf (jetzige Angeklagte) unterhalte unlautere Beziehungen mit einem Waldwärter namens Kärle. Er habe die» zunächst nicht glauben wollen, aber ein Diener des gräfliches Hause» habe ihm ähnliche Mitteilungen gemacht. Die Photographie be sungen Waldwärters habe im Zimmer des jungen Grafen (jetzigen An geklagten) gehangen. Auf Antrag des Oberstaatsanwalts wurde beschlossen, den Wald wärter Kärle als Zeugen zu laden. Der Angeklagte bestreitet die Bekundung deS Zeugen Havemann. Damals und auch noch heute werde allabendlich ein Jäger ins Schloß bestellt, um etwaige Befehle für eine abzuhaltende Jagd entgegenzunehmen. Damals babe der Waldwärter solche Befehle entgegengenommen. Alles andere seien haltlose Klatschereien.— Zeuge Havemann, der augenscheinlich dem Angeklagten es übelgenommen hat, daß dieser ihm den jetzigen Amtsvorsteher Geritz vorgezogen und mehr be günstigt hat, verwahrt sich dagegen, daß er aus den Angeklagten einen Haß habe — Es wurden alsdann noch einige ebemalige Diener des Angeklagten als Zeugen vernommen. Dem Vernehmen nach sollen diese Kriminalromanes nicht ganz gerecht. Ter Ritter- und Räuberroman war, trotz aller Ehrenrettungen, die man bei ihm versucht hat, eine Lite raturgattung dritten oder vierten Ranges, ein Plebejer, der hartnäckig neben dem klassischen Bruder herlief, ihm wohl die Leser, aber niemals den Vorrang streitig machte. Ter heutige Detektiv- und Kriminalroman ist — wenn wir von der großen Masse, dem Vielzuvielen abschen, und an seine besseren und besten Vertreter denken — keineswegs mehr so bescheiden. Es ist unmöglich, daß der weiland Räuber- und Ritter roman andere Leser gefunden haben kann als Frauen und Ladenjüng linge (wenn auch anderseits zu seinen fleißigsten Fabrikanten sogar ehr würdige Pastoren gehörten), es ist undenkbar, daß ein Mann, selbst um die ödeste Langeweile zu vertreiben, einen einzigen Band dieser schmach tenden, verlogenen und inhaltslosen Bücher je habe fertig lesen können: hingegen muß man einmal bei seinen Bekannten eine kleine Rundfrage angestellt haben, um zu wissen, wer alles Detektiv- und Kriminalromane liest. Vielleicht gehören mindestens geradeso viel Männer zu seinen Lesern wie Frauen. Hier einige von den Antworten. A. , Ingenieur: Ich lese fast niemals andere als wissenschaftliche oder strenge Lektüre: wenn ich überhaupt einmal Bedürfnis nach Unter haltungslektüre verspüre, dann greife ich zum Detektivroman: er gibt bei einem Mindestmaß von Ballast ein Maximum an Handlung. Es ist eine männliche Lektüre. B. , Leiter eines großen Kontors in Rußland, das viel Umsicht und Wachsamkeit verlangt: Ich würde ganz gern jeden Abend nach Tisch etwas lesen, wenn es nur mehr Literatur gäbe, die meinen Anforde-, rungen entspricht. Ich verlange einen wirklichen Ausschnitt aus dem Leben, d. h., der Verfasser muß sich — wie ich aus den Erfahrungen meines Geschäftes — klar darüber sein, daß die Wahrheit über das Leben ein fortwährender Kampf um ein Ziel ist, bei dem Intrigen, Minen und Konterminem Verschlagenheit und Energie die große Rolle spielen. Sie sind Realitäten im Dasein, alles andere sind Gefühle, und Gefühle sind Hemmungen oder Lügen. Darum lese ich Kriminalromane, weil ich weiß, daß unter zehn einer ist, der mich befriedigt. C. , Assistent einer vielbeschäftigten psychiatrischen Klinik, ein Mensch, der keinen Augenblick unbeschäftigt bleiben kann: Wenn mir mein Beruf überhaupt Zeit zum Lesen läßt, greife ich in die Reihe meiner Bibliothek, in der die neuesten Detektivgeschichtcn sieben. Weil ich auch bei der Lektüre auf meinem selbstgewählten Feld bleiben will? In gewissem Sinne, ja: die Lektüre gibt mir die Stimmung, die mir der Einzelfall in der Klinik nickt gibt. Wenn mich der Professor rüst, weil wieder ein neuer Patient eingeliefert ist, so babe ich weiter nichts vor mir als einen traurigen Kranken, von dellen Vergangenheit. Milieu und Seelenzustand ick nur durch trockene Protokolle oder ein wenig öde Beobachtungen Bruchstücke erfahre: was ich verlange, ein gleichsam künstlerisch befriedigendes, ganzes, abgerundetes Bild eines Menschen im Rahmen des vollen Lebens, das — gibt mir manchmal der Kriminal roman. Er ist oder kann wenigstens die künstlerische Rekonstruktion, die Wiedergeburt des Lebens sein. Er spielt zumeist in Städten wie New Aork, London und Paris. Sic sind meine ganze Liebe, ich finde das Land langweilig, denn cs produziert keine Probleme, keine neuen, seien cs ungünstige oder günstige Verhältnisse, in denen der Mensch neue Organe, Zustände, Begierden und Fähigkeiten offenbar!. Weltstädte sind das Stimmungsvollste, was es gibt, die Partien des Erdenlebens, wo die Hauptschlagadern fühlbar werden. D., bekannter Schriftsteller: Ich gestehe ganz offen, daß ich in jeden neuen Detektivroman hineinscbc, ob er lesbar ist, und daß ich diese Lektüre in ganzen Perioden jeder anderen vorziehe. Ich tue cS nickt, um bei meinem Beruf mit dieser Paradoxie Eindruck zu machen, aber ich habe sie innerlich nötig, als Gegengewicht zu der ewigen Ernsthaftigkeit, mit der mein und meiner Kollegen Beruf von mir betrachtet zu werden verlangt. Wer bei Hupfeld Tag für Tag Grammophone und elektrische Klaviere prüft, wird nicht auch noch Hausmusik treiben. Und überdies, die Hobe Literatur leidet an einer Hypertrophie der Geiüble: sie ist senti mental oder pathetisch (was nur ein Gradunterschied ist); welch eine Wohltat, auf Handlung und Ausbau zu stoßen. Damit ist noch nicht gesagt, daß der durchschnittliche Kriminal roman den Anforderungen, die eben zu Wort kamen entsprechen würde. Alle diese verschiedenen Köpfe haben mehr ein Ideal des Kriminal romans vor Augen, in dem sie ihrem Verlangen nach einer guten Unterhaltungslektiire Ausdruck verleihen. Sehen wir einmal zur Probe die hervorragendste deutsche Sammlung von Kriminal- und Detektiv romanen näher an, die des Verlages Robert Lutz in Stuirgarl. Sie legt Wert darauf, uns zu versichern, daß sic mit aller Strenge und Sorgfalt gesiebt und abermals gesiebt sei, und als Motto den sehr ver nünftigen Satz zu befolgen: Wenn man Kriminalromane le'e, dann möge man gute Kriminalromane leien. Des Näheren führt der Ver lag an. er habe in einem Jahre von 127 Arbeiten 121 zurückgcwiescn. also nur drei brauchbar gefunden. Das wollen wir ihm gern glauben und ihm auch das Zeugnis nickt verweigern, daß er seine Sammlung wirklich mit Reserve ausaewählt habe. Gleichwohl wird man, falls man sich nicht vor sich schämen will, weil man leine Zeit mit einer so müßigen Lektüre aus'üllt, neben dieser Auswahl noch einmal selbst eine Auswahl treffen müssen. Etwa ein Drittel bleibt als gute Lektüre zurück, und unter ihr nimmt den ersten Rang wieder die Conan- Doyle-Seric ein, die Geschickten, die der jetzt mit der Ritterwürde bekleidete (König Ednarck wird ibn selbst mit Vergnügen leien) «schrift steller um seinen Helden Sherlock Holmes herum erfunden hat. Die Doyleschen Geschichten hoben wirklich Qualität. Sie sind durchaus kunstgcmäß angelegt, voll logischer Struktur, mit geschickter Verteilung von Schwergewichten, die kleineren stets nooclnstuch knapp und abgerundet. Die <spürsinnsfähigkeiten Sherlock Holmes fordern zwar zur — oft geübten — Karikatur heraus, aber kein Zua. kein«
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