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gegnete theilnahmvoll: „Du bist ein prächtiger Kerl, Capitän! Ich könnte Dir die ganze Nacht zuhören. Aber so viel Geld und Alles wieder verspielt!" Diese Vorstellung schien niederschlagend auf ihn zu wirken, er senkte den Kopf und starrte höchst traurig vor sich hin. „Nimm Dir's nicht zu Herzen, Bruder," beruhigte Müller. „Wer Glück in der Liebe hat, hat Unglück im Spiel und ich hab' stets fabelhaftes Glück bei den Weibern — ich kann auch sagen: Weennich, wiedu, wixsie!" sie waren alle in mich verschossen, rein weg; nur beim Spiel habe ich merkwürdig Pech. Die Karten sind mein Unglück. Spielst Du sie auch, Bruder?" wandte er sich plötzlich an den Matrosen. „Nein, aber mein Freund spielt leidenschaftlich gern," er zeigte auf den Engländer, der noch immer in seinem tüchtigen Rausche vor sich hin starrte. Müller sörderte Jack sogleich in englischer Sprache auf, daran Theil zu nehmen und dieser nahm die Einladung bereitwilligst an. Bald war das Spiel in vollem Gange; Jack gewann anfangs fortwährend und davon verlockt, besetzte auch der deutsche Matrose eine Karte, es schlug ebenfalls zu seinen Gunsten aus, er steckte das Goldstück zu sich und spielte trotz allen Zuredens nicht weiter, dagegen bestellte er wieder sechs neue Flaschen und dies söhnte seine Lands leute etwas mit ihm aus. Jack und Müller tranken fortwährend um die Wette, nur mit dem Unterschied, daß sich der trunkene Zustand des Ersteren zu verschlimmern schien, während an dem Letzteren noch keine Spur eines eigentlichen Rausches zu bemerken war. Bald jedoch schlug das Glück um, Jack verlor eine Summe nach der andern und nach kurzer Zeit war er völlig ausgebeutelt und sein Geld in die Taschen Müllers und dessen Genossen gewandert. „Ich bin fertig!" rief Jack mit großem Gleichmut!) und nahm dabei einen kräftigen Schluck. „Soll ich Dir was borgen?" fragte sein deutscher Freund. „Kein Engländer borgt von einem Deutschen," entgegnete dieser hochmüthiZ. „Das ist ja eine Beleidigung," stachelte Müller seinen Lands- maun auf. „Er ist betrunken," war dessen ruhige Antwort und wirklich machte sich die Wirkung des genossenen Weines geltend, die um jo stärker war, als Jack schon bedenklich angetrunken im durstigen Hering erschienen war. Er blieb auch jetzt seinem schweigsamen Charakter treu, sprach kein Wort, sondern focht mehrmals mit den langen Armen in der Luft, nahm eine BoxersteUung an, als wolle er sich gegen einen anstürmenden Feind vertheidigen und fuhr dann zum un auslöschlichen Gelächter der Anderen mit einem gewaltigen Ruck unter den Tisch. „Der ist abgethan," rief Müller triumphirend. „So macht er's immer," bemerkte der deutsche Matrose. „Lassen wir mns nicht stören, wir trinken weiter," und er ging mit gutem Beispiel voran, indem er ein volles Glas hinunterstürzte. Die An deren folgten. Unterm Tisch begann Jack schon fürchterlich zu schnarchen. „Er schnarcht wie eine Drechslerbank," meinte jein deutscher Freund. „Ach, das ist noch gar nichts," rief Müller sogleich. „Ich kannte in Amerika einen Gummischuhfabrikanten, der jede Nacht auf stehen und in einem einige hundert Schritt weit entfernten Gasthofe eine Schlafstelle suchen mußte, um nicht durch jein eigenes Schnarchen aufgeweckt zu werden." Ein tolles Gelächter folgte seinen Worten. „Teufelskerl, ich muß Dich umarmen," schrie der Matrose und drückte Müller stürmisch an die Brust. „Sechs Flaschen Wein," be fahl er von Neuem und wenn er auch leider nicht im Spiel zu rupfen war, fanden die deutschen Landleute wenigstens seine Freigebigkeit höchst achtenswerth. Müller wurde durch den Beifall, den seine Späße fanden, immer mehr aufgestachelt und in die heiterste Stimmung versetzt. Er schwatzte immer tolleres Zeug durcheinander und sein Groll gegen leere Gläser wuchs mit seiner guten Laune. Kaum hatte der Matrose das Glas wieder gefüllt, empfand er das dringende Bedürfniß, es wieder zu leeren und doch konnte er gerade diese Verfassung seines Glases am wenigsten vertragen, es mußte rasch wieder gefüllt werden. Vergeblich waren die Winke und Abmahnungen seiner Genossen, sie erhöhten nur seinen Eifer, jeder Flasche auf den Grund zu kommen. „Ach Ihr denkt, ich werde von den paar Tropfen betrunken, wie oft soll ich's Euch noch sagen, daß ich mich unseliger Weise immer wieder nüchtern trinke," trotzdem hätte ein aufmerksamer Beobachter wohl bemerken können, daß bei ihm ein tüchtiger Rausch im Anzuge sei. Selbst als die Anderen aufbrachen, schimpfte er weidlich über die Treulosen und war nicht zum Mitgehen zu bewegen. Jean allein blieb noch auf sein Bitten, um so lieber, als sich der größere Theil der Gäste entfernt hatte und er nun ungestörter der dicken Laura den Hof machen konnte, was ihn nicht abgehalten, von Zeit zu Zeit an den Tisch zu treten und ohne Weiteres ein Glas zu trinken, oder es seiner Angebeten zu überreichen. Müller war jetzt mit seinem Landsmanne allein, denn der unter dem Tisch schnarchende Jack zählte nicht mit. Er bedurfte gar nicht erst des Zuredens des Matrosen, Müller war einmal im Zuge und je mehr er trank, je mehr schien sein Durst zu wachsen. Er war in der glücklichste» Stimmung, denn er hatte lange nicht einen solch' guten Kameraden getroffen, der fo dankbar und aufmerksam seinem Geschwätz zuhörte und noch dazu mit solcher Bereitwilligkeit die Be richtigung der Zeche übernahm. Obwohl noch eine ungeleerte Flasche auf dem Tische stand, be stellte der Matrose schon wieder drei Gläser Grog zur Abwechslung und griff dabei schon in die Tasche, um die Bezahlung gleich bereit zu haben. Er zog den Louisd'or aus der Tasche. „Nein, den hab' ich gewonnen, der muß Glück bringen, den darf ich nicht ausgebcu," und er spielte in trunkener Laune damit, während Müller mit schwerer Zunge hervorbrachte: „Ja, der bringt Glück," und er lachte dazu aus vollem Halse. Der Grog erschien und Müller stürzte den heißen Trank mit Gier hinunter; er beachtete nicht, daß der Andere sein Glas mit einer geschickten Schwenkung heimlich weggoß. „Dieser Grog ist famos," rief er dabei aus und befahl gleich sechs Gläser zu bringen. „Sechs Gläser, Herzensbruder, da kommen auf Jeden drei," lallte er seelenvergnügt, „das ist eine schöne Zahl. Ich bin viel in der Welt herumgesteuert, aber Du bist auch mein bester Freund," und er besiegelte diese Herzensversicherung mit einem zärtlichen Kusse. Der Matrrse schluchzte vor Rührung. „Wir bleiben heut zu* sammen, wir dürfen uns nie wieder trennen," rief er ebenso zärtlich- Das Local hatte sich beinah völlig entleert, nnr einige Strolche lagen noch auf den Stühlen umher und waren in Schlaf gesunken- Auch die beiden Harfenmädchen hatten längst ihr Spiel eingestellt. Die Eine schwankte noch zwischen zwei Bewerbern; Jean war glücklicher gewesen, er behauptete bei der dicken Laura allein das Feld und machte sie jetzt spottend auf die Umarmung der beiden Trunkenen aufmerksam. „So habe ich Müller gar noch nicht gesehen," meinte er lachend. „Sechs Glas," sagte die Harfenistin. „Bringen Sie uns zwei. Die Kerle haben an vier, genug," und Jean kam ihrer Aufforderung bereitwilligst uach. Die beiden Deutschen schienen von der Annexion nicht das Mindeste zu gewahren. Müller sah seine drei vollen Gläser noch vor sich stehen und war damit beruhigt, der Matrose tändelte mit dem Louisd'or und warf nur von Zeit zu Zeit einen verstohlenen Blick auf seinen Nachbar, als wolle er prüfen, welchen Höhegrad dessen Trunkenheit erreicht. Jetzt hatte er schon von den drei mächtigen Gläsern das erste geleert, seine hervorstehenden großen Augen nahmen einen immer glotze,«deren Ausdruck an; er strich sich fortwährend den Knebelbart nnd schaukelte sich auf dem Stuhle so bedenklich hin und her, daß er beständig in Gefahr gerieth, mit ihm znsammenzubrechen. Der Matrose hatte spie lend mit dem Louisd'or an's Glas getippt, besah jetzt das Goldstück von allen Seiten, wandte sich dann Plötzlich Müller zu und flüsterte ihm in's Ohr: „Bruder, feine Waare, wie habt Ihr die fertig bekom men?" und er hielt ihm dabei den Louisd'or vor die Augen. Müller starrte ihn Anfangs eine Sekunde in sprachloser Verwirr ung an, trotz seiner Trunkenheit schien er noch eine dunkle Ahnung von der Gefahr zu haben, die ihm drohe, er langte an sich herunter, nm aus dem Stiefel sein Messer zu ziehen; aber der Andere hielt ihm lachend die Hand: „Pst, sei kein Thor! Ich arbeite in demselben Fach. Nur sind die Meinen noch ein wenig besser, kann ich ohne Selbstlob sagen;" er zog aus seiner Tasche einige Goldstücke und ließ sie lustig klingen. Die Trunkenheit Müllers hatte doch schon einen zu hohen Grad erreicht, als daß er sich nicht hätte leicht beschwichtigen lassen. Nicht einmal der Gedanke dämmerte in seinem völlig umnebelten Hirne auf, wie sonderbar es doch sei, daß ein Matrose sich der Anfertigung falscher Goldstücke rühme. Hatte er auch alles klare Bewußtsein ver loren, seine grenzenlose Eitelkeit war ihm noch nicht völlig abhanden gekommen uud die fühlte sich durch die Bemerkung des Fremden vev- letzt: „Ha, ha, Du denkst, wir haben sie erst jetzt sitbricirt? behüte, daun würden sie doch besser sein; ich habe sie noch ans Frankreich mitgebracht, und es ist der kleine Rest, mit dem wir Waxmann nicht mehr beglücken konnten." (Fortsetzung folgt.) Musikalisches. Das am 3. Feiertage im Lindenschlößchcn vom hiesigen Stadt musikchore gegebene Extra-Concert brachte dem Publikum ein gewühltes Programm, welches von der wackeren, jugendlichen Capelle unter Lei tung ihres Directors Kießig mit aller Präcision durchgeführt wurde. Eröffnet wurde das Cvncert mit dem „Marsch der Gesandten" aus der Oper „Rienzi" von R. Wagner, dieses Koryphäen unter den Eom- ponisten der Gegenwart. Seine Musik ist bekanntlich nicht Jedermanns Geschmack, doch zwingen die Auflösungen seiner Äccorde, die effect- vvllcn Wendungen seiner Harmonien, die wie „durch Stacht zum Licht" führen, zu tiefer Bewuudcruug des Meisters der Töne. Vielleicht er freut uns Herr Musikdirector Kießig gelegentlich einmal mit Vorführ-, um; der Ouvertüre zur Oper „Lohengriu". Besonders durchschlagend waren für besprochenes Cvncert die Ouvertüre zur Oper „Jacob und seine Söhne in Egypten" von Mehul, das Schubert'sche Lied „Aw Meer" für Posaune und das schöne gefühlvolle Lied: „Du liebes Äug', du lieber Stern", für Piston - Solo, welches Herr Kießig jun. pur «xoollenco blies. Der Besuch des Concertes war rücksichtlich des eingetretcnen Um Wetters noch ein ziemlich guter zu neunem Es sei hiermit Anregung gegeben, die Concerte unsers Stadtmusikchores recht unterstützen zu wollen, da dasselbe Tüchtiges leistet und wir in dieser Hinsicht mit volkreicheren Städten concnrriren können. Die Herren Gastwirthe' fahren nicht übel, wenn sie das Wort beherzigen: „Nicht so in die, Ferne schweifen; denn das Gute liegt so nah!" (I. T.) Kirchennachrichten ans Wilsdruff. Am Trinitatisfest Vormittags predigt Herr Schuldirector Beck. Nachmittags fällt die Betstunde aus. Monat Mai. Getauft: Anna Frida, Friedrich Theodor Müllers, Nathsmühleubcsitzers hier, Tochter; Gustav Arthur, Gustav Theodor Geißlers, ans. Bürg. ». Schlossers hier, Sohn; Linna Bertha, Carl August Jahns, Bürg. u. Ziegeldeckers hier, Tocht- Üeberdem Marie Anna, eine uneheliche Tochter. Getraut: Carl August Röthig, Kunstgärtner in Dresden, mit Ernestine Bertha Schmidt hier; Carl August Pflugbeil, Bürg. u. Schneider hier, mit Marie Mathilde Niedner hier. Beerdigt: Max Arthur, Carl August Hübels, ans. Bürg. u. Maurers hier, Sohn, 7 M 15 T. alt; Carl Gottlob Hilfert, ans. Bürg., Mehlhändler, Stadtge« meinderaths- u. Kirchenvorstandsmitglied hier, 61 I. 5 M. 2 T. alt; Frau Ida Rosalie Streubel, verw. gewesene Lichtenberg, geb. Paitzsch, 44 I. 9 M. 1 T. ast, starb in Hubertusburg; Carl Gottlieb Kittler, Einw. u. Maurer hier, 62 I. 8 M. alt; Anna Martha, August Eduard Imhofs, Bürg. u. Zimmermanns hier, Tochter, 10 I. 7 M. 6 T. alt; Andreas Dclesky, Tagarbeiter, 64 I. alt. — Üeberdem eine todtgcb. unehel. Tochter. Smnimtmm 1 HO. wie aus den beigedruckten Attesten ersichtlich ist, fanden auch jene Hülfe, welche bereits die ver schiedensten Mittel erfolglos angewendet haben. Einen Auszug aus dem 544 Seiten starken, reich- illustrirten Buche*) versendet Richter'; verlags- » Ämsinlt in Leipzig gratis und franco. » n Kranken empfohlen werdeu, welche die Hoffnung auf Genesung bereits aufgegeben haben. Untcr- w Nur ein Bncv, weiches wie ,,Dr. Äiry'ö 3 Ncllurhcilinetho-e" wirklich bewährte und A: U leicht zu befolgende Nathschläge zur Heilung der 8^ « meisten Krantpeiten ertbeilt, kann eine so enorme Hr -Ä Berkreinlng -erlangen, dag bereits die L : : — L Preis 1 Mark, vorräthig in A. v. Zahn's Buchhand lung in Dresden, welche dasselbe für 1 Mk. 20 Pfg- in Briefmarken franco ver sendet. AMchcilüüsM