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Auch die Jubelfeste. Die prachtvollen Aufzüge und Feste außer und in der Burg dauern eine volle Woche und haben aus allen Provinzen Theilnehmende und Schaulustige herbeigeführt. Am 21. April gings in der ehrwürdigen Hofburg aus und ein von gratulirenden Deputa tionen deS Reiches, der Provinzen und der Körperschaften aller Art, die Ungarn namentlich waren glücklich, sich in ihrer schönsten National tracht zeigen zu können. Der Kaiser hat für Alle und Jede ein würdiges und gutes Wort gefunden und zwar ein deutsches, obgleich er fast alle Sprachen seines vielsprachigen Reiches spricht. Von einem Theil nehmer hört man darüber Folgendes: Das Kaiserpaar stand unter dem Thronbaldachin. Zu beiden Seiten des Thrones standen je sechs österreichische und sechs ungarische Gardisten. Der Kaiser sah sehr glücklich aus, die Kaiserin strahlte förmlich vor freudiger Genugthuung und heiterem Glück. Der Kaiser trug die Uniform eines Husarengenerals, das goldene Vließ und den Stephansorden. Sein Federhut lag auf einem nahestehenden Fauteuil. Die Kaiserin trug eine ins bläuliche spielende graue Fallerobe mit drei breiten brabanter Spitzenvolants. Das prächtige schwere Haar war in einfache Flechten gelegt, ohne jeglichen Schmuck. Die Kaiserin ist noch immer eine schöne Frau. Um den blendenden Hals trug sie ein einfaches drei reihiges Pertenkollier. Den Busen schmückten Lie Insignien des Stern- kreuzordeus. — Abends war große Hofsoiree. Zahlreiche auswärtige Gäste, sowie der gesammte Wiener Gemeinderath waren eiugeladen. Der päpstliche Nuntius Jacobini überreichte dem kaiserlichen Jubel paare em Handschreiben des Papstes. Der Papst hat ferner fein Porträt — ein Oelbild, sowie ein kostbares Mosaikbild dem Kaiser paare zum Festgeschenk gemacht. Die Franzosen "können die Seitensprünge nicht lassen. 5000 Bürger um Bordeaux herum haben den vielgenannten alten Revolutionär Blanqui in die Kammer gewählt. Bl. sitzt im Gefängniß und seine Wahl ist gegen Gesetz und Verfassung. Hilft alles nichts; Bl. ist die Losung für die Radicalen in und außer der Kammer und für die Feinde der Republik. Die Schreckensherrschaft der Nihilisten in Rußland wird abgelöst durch die Schreckensherrschaft der General-Gouverneure in den Pro vinzen. Es sind fast lauter neue Gouverneure eingesetzt und haben unumschränkte Vollmachten erhalten wie im Kriege; ihre Vollmachten sind durch kaiserlichen Ukas oder Befehl veröffentlicht. Alles, was nicht Soldat ist, ist ihnen zu Leben und Tod unterstellt; sie können in ihren Gouvernements alle Personen, die ihnen bedenklich scheinen, aus ihren Wohnorten entfernen, alle Personen nach ihrem Gutdünken verhaften und dem Kriegsgericht überliefern, Zeitungen für Zeit und immer unterdrücken, kurz, alles ohne Ausnahme thnn, was ihnen zur Erhaltung der Ruhe gut scheint. Die Straße nach Sibirien wird eine der leb haftesten in ganz Rußland werden. Solches Unglück bringen finstere Strudelköpfe und Attentäter über ein ganzes Reich; die Unschuldigen werden mit den Schuldigen leiden und es wird zunächst vergessen werden, daß zur Unzufriedenheit mit den Zuständen in Rußland sehr viel und sehr gerechter Anlaß vorhanden ist. Obgleich die englische Regierung dem Ersuchen Rußlands um Aus lieferung mehrerer russischer, auf englisches Territorium geflüchteter Verbrecher, unter der Annahme, daß dieselben als politisch Gravirte dem Asylrecht unterständen, bis jetzt nicht willfahren mochte, haben die fortgesetzten Verhandlungen doch einen entsprechenden Abschluß gefunden. Das englische Kabinet ist bereit, auf Grund von Rußland beigebrachter Beweise, daß die betreffenden Personen sich des Mordes, des Mord versuchs oder der Fälschung schuldig gemacht haben, das Auslieferungs verfahren eintreten zu lassen. Einstweilen werden die namhaft ge machten Russen streng überwacht. In Petersburg erschien eine Proklamation des Revolutions- comitee, welches erklärt, „die Freiheitskämpfer fürchten nicht die strengsten Maßregeln; nur ein freiheitliches Regieruugssystem könne den Frieden wieder Herstellen." Moskau, 21. April. Der Moskwofluß ist ausgetreten und hat die benachbarten Ortschaften überschwemmt. Ein Theil des Gartens beim Kreml, sowie zwei Stadttheile stehen unter Wasser, welches die niederen Etagen bereits übersteigt; in einigen Häusern wurden ver schiedene Familien kaum gerettet. Der Schaden ist groß, das Wasser steigt. Deutliches und Sächsisches. Wilsdruff, 24. April. Der gestrige Geburtstag Sr. Maj. des Königs Albert wurde in unserer Stadt auch dieses Jahr wiederum in patriotischer Weise gefeiert. Eingeleitet wurde die Feier durch eine Reveille vom Stadtmusikchor; Vormittags 10 Uhr fand feier licher Schulactus statt, bestehend in Gesängen, Vorträgen und Gebet, den Hauptvortrag hielt diesmal Herr Cantor Töpfer, welcher in klaren Worten der Kinderjchaar auseinandersetzte, wie sie in Liebe und Treue zum Königshause den Geburtstag des geliebten Landes vaters stets feiern sollen. Vormittags 11 Uhr fand.Festmusik auf dem Marktplatze statt, sowie Abends Conzert im Adler, während welchem der Herr Amtsrichter I)r. Gangloff Gelegenheit nahm, in warmen Worten ein Hoch auf Se. Maj. den König Albert auszu bringen, in welches die Anwesenden mit Begeisterung einstimmten. Auch wurden durch Herrn Bürgermeister Ficker im Namen der Stadt Sr. Maj. telegraphisch die herzlichsten Glückwünsche übermittelt, des gleichen schickte auch der Herr Restaurateur „zur Post" im Namen der Gebrüder Weiser ein Glückwunschtelegramm an Se. Maj. den König ad. Auch wehete vom frühen Morgen an zu Ehren des Tages von königl. und städtischen sowie von vielen Privatgebäuden Prächtiger Flaggenschmuck herab. — Heute Nachmittag 4 Uhr 15 Minuten ging auf das gestern von Herrn Bürgermeister Ficker an Se. Maj. den König Albert ab gesandte Glückwunschtelegramm nachstehende Antwort hier ein: „ Tch danke herzlich für die mir zugegangenen Wünsche. Albert." — Die 5. Klasse der 95. k. sächsischen Landeslotterie wird den 5., 6., 7., 8., 9., 10., 12., 13., 14., 15., 16., 17., 19., 20., 21., 23., 24., 26. Mai 1879 gezogen. Die Erneuerung der Loose ist daher nach tz 5 der dem Plane zu dieser Lotterie angefügten allgemeinen Be stimmungen längstens bis zum 8. Tage vor Anfang der Ziehung, mit hin bis zum 27. April 1879 zu bewirken. Großenhain. In Weißig spielten vor einigen Tagen Kinder unter 6 Jahren in der Nähe eines 4 Ellen tiefen Brunnens, dessen Verschluß wohl aus Versehen beim Wasserschöpfen offen gelassen war. Das dreijährige Söhnchen des Waldarbeiters Heine fiel hinein, und die ändern liefen schreiend davon, um Hülfe herbeizuholen. Nur der kleine John, der Sohn eines Gutsbesitzers, ein kräftiger Knabe, Halle soviel Besonnenheit, an den Brunnen hinzueilen. Da sah er, wie der Verschwundene vom Wasser wieder emporgehoben wurde und dessen Hand zum Vorschein kam. Sofort ergriff er herzhaft dieselbe, hielt sie krampfhaft fest und schrie aus Leibeskräften: „Ich hab' eine Hand!" und die davoneilenden Kameraden kamen schleunigst wieder herbei. Sie mußten mit zugreifen und die Kleinen brachten ihren dem Tode so nahen Genossen, der nach längerer Zeit auch wieder zu sich kam, glücklich aufs Trockne. Königstein. Der Schmiedemeister G. in Weißig schickte am Sonnabend ein bei ihm in Diensten stehendes 18 Jahre altes Mädchen nach dem am Fuße des Rauensteins befindlichen Sandloch, nm Sand zu holen. Während das Mädchen niit Einschaufeln des Sandes be schäftigt war, löste sich plötzlich ein Stück Felsen oberhalb der Wand und tödtete es auf der Stelle. In den nun in die Hände der Beitragspflichtigen gelangten Einkommensteuerzetteln ist nicht die Höhe des Einkommens, son dern außer den zu entrichtenden Steucrbetrügen nur die Einkommen steuer-Cl ässe angegeben, in welche der Betheiligte eingeschätzt ist. Auch in den früheren Einkommcnsteuerzetteln waren die Steuerclassen mit bezeichnet, und es werden von den Beitragspflichtigen nicht selten die früheren Classen mit den jetzigen in Vergleichung gebracht. Zu Vermeidung unbegründeter Rcclamationen, bei welchen der Recla- mirende auch die entstehenden Kosten zu tragen hat, sei hierdurch darauf aufmerksam gemacht, daß durch das, vom laufenden Jahre an in Kraft getretene neue Einkommensteuergesetz die Classeneintheilung sich geändert hat. Ein und dasselbe Einkommen fällt jetzt in eine höhere Llasse als früher. Wer z. B. früher nach 800 bis 950 M. Einkommen in die 4. Ciasse gehörte, mußte jetzt bei demselben Ein kommen in die 6. Classe eingestellt werden, so daß also die dies jährige Erhöhung der Classe keineswegs eine Erhöhung der Ein schätzung bedeutet. Uebrigeus werden die diesjährigen Einkommen- stcuerbeiräge gewöhnlich höher sein, als die zeitherigen. Dies beruht auf gesetzlicher Bestimmung und ist die Folge davon, daß vom laufen den Jahre an die Grundsteuer wesentlich vermindert, die frühere Gewerbe- und Pcrsoualsteuer (einschließlich der Rentensteuer) aber ganz weggefallen ist, und daß alle, bisher mit dieser Steuer belegt gewesenen Gewerbe und Einkünfte jetzt nur noch von der Einkommen steuer getroffen werden. Da nun nicht Jeder das Gesetz über die Einkommensteuer zur Hand haben kann, wenn er vergleichen will, ob er in die richtige Classe geschätzt worden ist, lassen wir daher hier die betreffenden Paragraphen folgen. Die jährliche Steuer beträgt mit Hinzurechnung des zu erhebenden Zuschlags von 50"/oi in Classe bei einem Einkommen 1. von Über 300 M. bis 400 M. V4 M. jährlich 2. - s 400 - - 500 s 1'/2 B 3. - - 500 - - 600 M 3 4. - - 600 - - 700 B 4'/2 B - 5. - - 700 - - 800 «l 6 B 6. - 800 - - 950 9 S - 7. - s 950 - - 1100 - 12 B s 8. - - 1100 - - 1250 - 16V, L - 9. - 1250 - - 1400 21 - - 10. - s 1400 - - 1600 S 25V, B B 11. - B" 1600 - - 1900 B 33 - s 12. - s 1900 - - 2200 S 45 - 13. - - 2200 - - 2500 s 57 s - 14. - - 2500 - - 2800 - 72 B B 15. - 2800 - - 3300 B 88-/, s S 16. - s 3300 - - 3800 - 114 B - 17. - 3800 - - 4300 - 141 - 18. - 4300 - - 4800 S 171 M B 19. - - 4800 - - 5400 B 204 I M 20. - 5400 - - 6300 - 243 S B 21. - - 6300 - - 7200 - 283 V, - Nach 8 13 des Gesetzes können bei denjenigen Beitragspflichtigen, deren Einkommen den Betrag von 3300 Mark nicht übersteigt, be- sondere, die Steuerfähigkeir wesentlich vermindernde wirthschaftliche Verhältnisse insoweit berücksichtigt werden, daß dieselben in die nächst niedrigere Classe eingestellt ober, falls sie in die unterste Classe qe- hören, im Steuersätze um die Hälfte des Betrags erleichtert werden. Als Verhältnisse dieser Art kommen lediglich in Betracht: eine große Zahl von Kindern, die Verpflichtung zur Unterhaltung armer Ange ¬ höriger, andauernde Krankheit und besondere Unglücksfälle. Der Falschmünzer. Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Auf der Grenze", „Der rechte Erbe", rc. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Es war doch ein seltsames Schauspiel, wie diese junge Eng länderin für die Sache eines ihr bisher fremden Landes leidenschaft lich Partei nahm und ihr Jdeenleben der eigenen Heimath entwurzelte. Sie war bald in Deutschland mehr zu Hause, als in dem ihr bis her so theuren Vaterlande. Mit Eifer las sie Bücher über Deutsch land, ja sie lernte sogar heimlich und für sich selbst Deutsch; der Doctor mußte nur in den Zwischenpausen ihrer Aussprache ein wenig uachhelfcn und in kurzer Zeit machte sie die größten Fortschritte. Der Vater durfte freilich davon nichts wissen, er hatte ausdrücklich gewünscht, daß seine Töchter nicht Deutsch lernen möchten. Für solches Verbot gab er niemals Gründe an und Harriet glaubte des halb kein Unrecht zu begehen, wenn sie es jetzt übertrat, um so mehr, als ihr das Studium der deutschen Sprache einen solch' reichen Ge nuß verschaffte. Wie jauchzte sie auf, wenn es ihr gelang, ein Göthe'sches Gedicht im Original zu lesen und zu verstehen, und Dr. Willibald war überrascht, mit welcher Geistesschärfe sie den Sinn des Dichters und die Schönheiten seiner kleinen, lieblichen Schöpfung herausfand. — Kein Wunder, daß sich diese beiden Herzen ohne jede Erklärung immer näher an einander schlossen, daß sie die innigste, reinste Liebe verband, noch ehe ihren Lippen ein Wort entschlüpft. Sie wußten, daß sie sich liebten und genossen dies Glück rein und ungetrübt, ohne jeden Gedanken an die Zukunft, ohne den Wunsch, daß es je anders sein möge. Was sollten sie auch von der Zukunft fordern, sie schlürften ja die höchste Seligkeit, ihre Herzen konnten sich angehörcn, auch ohne daß sie ein äußeres Band vereinigte.