Volltext Seite (XML)
Neber die Vorbereitungen zu dem Vierten Allgemeinen Sänger- bundesfest, das im nächsten Jahr in Wien stattfinden soll, liegen fol gende Mitteilungen vor. Vom Vorstande des Wiener „Schubert-Bunde" ist an die deutschen Sänger Oesterreichs ein Aufruf erlassen worden, in welchem als eine der ersten Vorausbedingungen für das Fest die Erbauung einer eigenen Sängerhalle steht, die für mindestens 20000 Personen be rechnet sein muß und bei aller Einfachheit der Bauführung einen Aufwand von 100 000 fl. erfordern wird. Als Einnahmen sind zunächst in Rechnung zu stellen: die Festbeiträge der Theilnehmer, die Eintrittsgelder, 10000 M. vom Gesammt-Ausschuß des Deutschen Sängerbundes, 600 fl. von der Stadt Wien, 1000 fl. vom Niederösterreichischen Sängerbünde, 1000 fl. vo» Wiener Männer Gesang-Verein, doch sind diese Einnahmen bei Weitem nicht ausreichend zur Deckung der Kosten. Deshalb wird vom Gesammt- AuSschuß die Bildung eines Garantiefonds von mindestens 70000 fl. bis 15. Oktober d. I. als unerläßliche Gmndbedingung für die Abhaltung des Festes beansprucht. Der Schubert-Bund eröffnete die Einzeichnung zur Beitragsleistung für diesen Fonds mit einem Beitrage von vorläufig 500 fl. und richtete an alle deutschen Gesangvereine Oesterreichs die Bitte, im Interesse des idealen und nationalen Zweckes opferwillig beizutragcn. London, 6. August. In einer Besprechung der gestern stattgehabten Flottenschau bemerken die „Times", dieselbe werde sicherlich einen Theil von Daten bilden, auf Grund welcher eine höchst sorgfältige und genaue Schätzung der Streitkräfte gemacht werden können, von denen die Geschicke der Welt abhängen. Nicht allein werde Kaiser Wilhelm diese Schätzung im Lichte des Schauspiels von Spithead prüfen, auch in jeder Hauptstadt Europas werde nicht nur dem Beweise der Kriegsbereitschaft Englands, sondem auch dem Eindrücke, welchen dieser Beweis auf die deutsch- Re gierung gemacht habe, das gehörige Gewicht gegeben werden. Jede poli tische Berechnung werde dies als einen Faktor einschließen, und diese Ein schließung werde mächtig zur Erhaltung des Weltfriedens beitragen. Die Ernennung der Königin von England zum Chef eines preußischen Re giments sei ein Zwischenfall, welcher andeute, eine wie enge Freundschaft Deutschland mit England verbinde. Als die Königin Victoria sich gestern von Sr. Mas. dem Kaiser vor dessen Abfahrt zur Flottenschau verab schiedete, trug dieselbe auf der Schulter eine Schleife mit den Farben ihres preußischen Dragonerregiments und auf der Brust den Hohen; ollernschen Hausorden. Se. Mas. der Kaiser trug die volle Uniform eines britischen Admirals und wurde darin auf dieBitte der Königin photographirt. Der Kaiser fuhr mit dem Prinzen von Wales, dem Prinzen Heinrich von Preußen, dem Prinzen Christian von Schleswig-Holstein, dem Prinzen Heinrich von Battenberg, dem Marquis of Lorne und dem Herzog von Cambridge in vierspännigen Wagen nach dem Quai; in anderen Wagen folgten der Staatssekretär Graf Herbert Bismarck, der deutsche Botschafter Graf Hatz- feldt und der englische Premierminister Lord Salisbury. Der Kaiser und die andern Herrschaften schifften sich zuerst auf der „Alberta" ein und begaben sich von da an Bord der Königlichen Dacht „Viktoria and Albert", welche sofort zur Revue abdampfte. Um 3 Uhr 35 Minuten meldeten die Salven des deutschen Geschwaders die Annäherung des Kai sers; die englische Flotte nahm den Salut mit betäubendem Kanonen donner auf. Als die „Viktoria and Albert" die deutschen Kriegsschiffe passtrte, brachen die Mannschaften in brausende Hurrahrufe aus, welche sich weiter fortpflanzten und immer wiederholten, als die Dacht die langen Reihen der britischen Flotte durchfuhr. Während der ganzen stunden langen Fahrt verließ Se. Majestät keinen Augenblick das obere Verdeck. Die Dacht ankerte schließlich neben dem Flaggschiff „Hawe", wo die durch Signal zusammenberufenen kommandirenden Offiziere bereits versammelt waren. Nachdem die Vorstellung der Offiziere beendet war, gratulirte Se. Majestät dem Prinzen von Wales und dem Admiral Commerell wegen des brillanten Aussehens der soeben inspizirten Flotte. Um 5Vs Uhr macht« auch die Königin Victoria an Bord der Dacht „Alberta" eine Rundfahrt um die Flotte. Nach der Rückkehr dinirte der Kaiser bei der Königin in Osborne. Portsmouth, 7. August. Se. Maj. der Kaiser Wilhelm traf heute früh in Begleitung Sr. königl. Hoh. des Prinzen Heinrich von Osborne hier ein und wurde bei der Landung von den Spitzen der Mili tär- und Marinebehörden empfangen. Am LandungSwege war eine Ehren- compagnie aufgestellt, von der Artillerie wurden Salutschüsse abgefeuert. Um 8 Uhr begab sich Se. Maj. der Kaiser mit Sr. königl. Hoheit dem Prinzen Heinrich mittels Extrazuges von hier nach Aldershot. Dor der Abreise hatten Allerhöchstdieselben sich an Bord der Dacht „Osborne" be geben und dem Prinzen und der Prinzessin von Wales einen Besuch ab gestattet. Se. Majestät der Kaiser traf mit dem Prinzen von Wales 9 Uhr mit glänzender Suite in Aldershot ein. Stadt und Lager waren reich mit deutschen und englischen Flaggen geschmückt. Das Wetter war prachtvoll. Der Kaiser ist so erfreut über den ganzen Empfang, daß die Abreise bis Freitag früh verschoben ist. Sämmtliche Mannschaften der deutschen Flotte werden morgen vor der Königin in Osborne defiliren. Die heutige Revue, an welcher ungefähr 30000 Mann aller Waffen gattungen theilnahmen, verlief sehr glänzend. Die Truppen defilirten in vorzüglicher Haltung. Der Kaiser beglückwünschte den Herzog von Cam bridge und den Kommandanten von Adlershot zu dem guten Aussehen und der guten Haltung der Truppen. Nach der Truppenrevue fand ein Dejeuner statt, welchem Se. Maj. der Kaiser beiwohnte. Derselbe sprach sich dabei nochmals anerkennend über die treffliche Haltung der Truppen sowohl, wie über die der Freiwilligen aus. Boulanger hat eine sehr lange Proklamation an da« französische Volk er lassen, welches er als seinen einzigen Richter anerkennt. In diesem Mani fest bespricht er die Anklagen gegen ihn, welche in den kürzlich publizirten Aktenstücken des obersten Gerichtshofes enthalten sind, und welche er in sehr heftiger Sprache als infame Verleumdung bezeichnet. In Toulouse (Frankreich) ist eine seit 6 Monaten bestehende Fabrik zur Herstellung falscher Tausend-Frankbankscheine entdeckt worden. Petersburg. Beim Hofdiner in Peterhof am 6. August wurde die Verlobung des Prinzen Georg von Leuchtenberg mit der Prinzeß Anastasia von Montenegro proklamirt. New-Dork. Spolane-Falls eine Fabrikstadt von 2000 Einwohnern im Territorium Washington ist vollstädig vom Feuer zerstört worden. Der Schaden wird auf 15 Mill. Dollars beziffert. Die letzte über Dokohama und San Francisco eingetroffene chinesische Post bringt Einzelheiten über die furchtbare Feuersbrunst, welche am 27. Juni die Stadt Loochow heimgesucht hat. Das Feuer dauerte drei Tage. 87000 Wohnstätten wurden eingeäschert und 1200 Personen fanden den Tod in den Flammen. 170000 Personen mußten im Freien lagern, so daß viele in Folge von Entbehrungen und Erkältungen starben. Das Feuer brach um Mitternacht aus. Da zu der Zeit ein heftiger Wind wehte, so verbreitete sich das Feuer schnell, während die Leute schliefen. Die, welche durch den Lärm auf den Straßen aufwachten, flüchteten sich auf die Dächer und blieben dort, bis sie einstürzten, worauf sie unter den Trümmern der Häuser begraben wurden. Andere sprangen von den Dächern auf die Straße. Von den letzteren starben 400 infolge des Sturzes. Die Scenen, welche sich während der drei Tage in den Straßen abspielten, waren herzzerreißend. vaterländisches. Wilsdruff, 8. August. Eine Kunde schrecklichen Inhalts durch lief in den heutigen Morgenstunden unsere sonst so friedliche Stadt; ein Vatermord sollte stattgefunden haben, der sich leider auch bestätigte. Wir erfahren darüber Nachstehendes: Schon in den gestrigen Abendstunden hat die an der Wettinallee wohnende ledige Henriette Domann ihren mit ihr zusammenwohnenden Vater, der Wittwer ist, mit der Nadehaue so lange auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen, bis derselbe seinen Geist auf gab; nach anderer Meinung hat der Bedauernswerthe noch längere Zeit gelebt, denn nach Aussage eines heute früh durch die Mörderin selbst her zugeholten Bürgers hat die Hand des Ermordeten noch Wärme gezeigt. Das ganze Auftreten der Mörderin läßt fast vermuthen, daß sie die ruchlose That in einem Anfall geistiger Gestörtheit vollbracht hat. Die Mörderin und ihr mörderisches Werkzeug wurden heute Vormittag dem Königl. Amts gericht überliefert. Hoffentlich bringt die Untersuchung Licht in die finstere That. Merkwürdig ist, daß die Mitbewohner des Hauses nichts von der grassen That wahrgenommen haben. — Ihre Majestät die Königin Carola beging am Montag in dem Jagdschlösse zu Rehfeld ihren 56. Geburtstag. Wenn auch das Fest in aller Stille gefeiert wurde, so haben doch alle Herzen im ganzen Sachscnvolke, sür welches Königin Carola, die edle Samariterin auf dem Wettiner Throne, die Verkörperung der Milde und Güte und der that- kräftigen Hilfsbereitschaft für das humanitäre Wirken bedeutet, an diesem Tage ihr in Dankbarkeit entgegengeschlagen. — Meißen. In eine äußerst gefährliche Lage kamen am Sonnabend zwei hiesige Gendarmeriebeamte, ein Obergendarm und ein Landgendarm. Man hatte in Erfahrung gebracht, daß sich in den Klosterhäusern ein seit zwei Jahren von der Kaierlichen Reichsmarine desertirter Matrose unter falschem Namen aufhielt und sich auch daselbst verheirathet habe, wenigstens seit Jahren mit einer Frauensperson zusammen wohne. Um den Deser teur zu verhaften, begaben sich der Obergendarm in Uniform, der Land- gendarm in Civil nach der betreffenden Wohnung, Der Gesuchte befand sich im Zimmer; als ihm die Arretur angekündigt wurde, sprang er sofort auf den Gendarmen zu, erfaßte ihn mit herkulischer Gewalt an der Gurgel und suchte ihn zu Boden zu werfen. Doch dies hatte man schon erwartet, kannte auch die Stärke des Mannes und beide Gendarmen rangen mit dem Wüthenden auf das Heftigste. In diesem Augenblicke stürzte ein Weib aus der Nebenkammcr heraus, schwingt in ihren Händen ein Beil und ist schon im Begriff den Gendarm von rückwärts auf den Kopf zu schlagen, als dieser die Gefahr noch rechtzeitig bemerkte, ihr die Mordwaffe entreißt und das Weib kampfunfähig macht; der Matrose hatte mittlerweile dem Obergendarm eine Achselschuppe heruntcrgerissen und ihn nicht unbedeutend im Gesicht, am Hals und an den Händen verwundet. Jetzt erst gelingt es den beiden Beamten, durch Ueberwcfen einer Schlinge den Matrosen rückwärts zu Boden zu werfen und zu fesseln, dabei kämpfte aber der Wüthende immer noch heftig und verwundete auch den Gendarmen im Gesicht ziemlich schwer. Nachdem man ihn endlich gebändigt hatte, ist er auf einen Kohlenwagen geladen und in die Frohnveste abgeliefert worden. — Am Sonntag fanden zwei jüngere Leute, gebürtig aus Thüringen, die in der Mulde zwischen Aue und Schlema badeten, ihren Tod durch Ertrinken. — Vom Königl. Landgericht Leipzig wurde eine exemplarische Be strafung ausgesprochen. Bei keiner der Arbeitseinstellungen jüngeren Da tums wurde eine solche Brutalität verübt als von dem Schmiedegesellen Friedrich Otto Grohl aus Heiligenthal bei Gelegenheit des Streikes der Leipziger Schmiedegesellen im Mai d. I. Nachdem der Versuch, einen bei seinem Meister in der Gerberstraße ruhig weiter arbeitenden Gesellen zum Niederlegen der Arbeit gescheitert war, schlich Grohl diesem Gesellen eines Abends nach und im Leutzscher Gehölz, wo angeblich zufällig, wahr scheinlich aber verabredeter Maßen ein zweiter streikender Schmiedegeselle, der leider durch die Flucht entkommen ist, anwesend war, wurde von den Streikenden der Kollege nochmals zum Niederlegen der Arbeit aufgefordert, und als abermals eine Weigerung erfolgte, auf ihn von den beiden Anderen mit Stöcken eingchauen. Die Mißhandlung war eine solche, daß das Gericht auf eine Strafe von 3 Jahre 6 Monaten Gefängniß erkannte. — Rippin b. Possendorf. Infolge der günstigen Ergebnisse von Bohrungen auf den Burgker Kohlenschächtcn in der Richtung nach Dresden wurden dergleichen in derselben Weise auch im hiesigen Schachte vorge nommen. Nach fast einjähriger Arbeit hat man endlich abbaufähige Kohle gefunden, und ist man gewillt, einen neuen Schacht zwischen hier und Dresden zu teufen, da nach Aussage bewährter Geologen starke Kohlen adern sich bis zur Residenz hinziehen. Der Fund ist für unsere Gegend von hohem Werthe, da in wenig Jahren auf den Hänichener Kohlenwerken der Betrieb infolge Kohlenmangels hätte eingestellt werden müssen. — Eine empörende Messeraffaire spielte sich in der Nacht zum Montag auf der Elbbrücke zu Pirna auf Copitzer Seite ab. Der Thater war hierbei ein bekannter „Elbbummler," der gegen einen Tischlergehilfen, mit dem er in Conflikt gerathen war, alsbald mit dem Messer vorging und ihm mehrfache Verletzungen beibrachte. Durch hinzugekommene Unter offiziere der Garnison wurde der brutale Mensch, der sich gleich einem Wütherich geberdete, schließlich überwältigt und der Polizei in Copitz über geben. — Rautenkranz (im sächs. Erzgeb.). In der Nacht vom 31. Juli zum 1. August sind hier im Thale der Zwickauer Mulde entlang sämmt- liche Kartoffeln und Gartengemüse vollständig erfroren, so daß dieselben jetzt schwarz aussehen. Dagegen kann man aus den Höhen nach Bad Reiboldsgrün zu vielfach eine zweite Blüthe der Heidelbeeren beobachten, denen merkwürdiger Weise der Frost nichts geschadet hat. — Bischofswerda. Am 5. d. Nachmittags zwischen 1 und 2Uhr ging über der Bischofswerdaer Gegend ein sehr schweres Gewitter, begleitet von heftigstem Sturm und starkem Regen, nieder. Während desselben schlug der Blitz in eine Scheune in Frankenthal, zündete und legte dieselbe mit der bereits geborgenen Emte in Asche. Von dem Feuer wurde auch noch das neben der Scheune stehende Wohnhaus ergriffen und bis auf die Um fassungsmauern zerstört. — Auch in Bretting bei Pulsnitz äscherte zu gleicher Zeit ein Blitzstrahl ein Haus ein. — Dresden. Es ist neuerdings vielfach vorgekommen, daß aus wärtige Lieferanten von Schinken, Wurst und sonstigen Schweinernen in 20 Mk. Strafe genommen worden sind, weil sie eS versäumt hatten, den in ihrem Orte bezüglich des Fleisches ausgestellten Trichincnschein beim hiesigen Trichinenamte abstempeln zu lassen. Zum großen Theil beruht dieses Vergehen gegen die stadträthlichen Vorschriften ans deren Unkennt- niß und ist für die Betreffenden um so unerklärlicher, als ihnen bei Ver steuern solcher Waare an den städtischen Einnahmen hierüber nicht die ge ringste Mittheilung gemacht wird. Um die ländlichen Lieferanten ferner vor Schaden zu bewahren, sei ihnen daher nochmals in Erinnerung ge bracht, daß alles Schweinerne, welches sie nach Dresden bringen, mit einem Trichinenschein dersehen sein muß, dieser Schein aber überdies im städtischen Trichinenamte abgestempelt wird, wenn es aus einem Orte stammt, wo die obligatorische Trichinenschau eingeführt ist. Wird dies unterlassen, so kommt eine wohlfahrtlicher Strafzettel nicht unter 20 Mk., was z. B. an einer Lieferung von 2 Pfund Wurst doch wahrhaftig nicht verdient wird.