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Bekanntmachung. Im Laufe des Monats Juni ist die Landtagswahlliste einer Revision zu unterwerfen. Indem wir vorschriftsgemäß auf diese Revision aufmerksam machen, bringen wir zugleich zur öffentlichen Kenntniß, daß die Liste für den hiesigen Ort zu der Betheiligten Einsicht in der hiesigen Rathsexpedition ausliegt. Etwaige Einsprüche dagegen sind rechtzeitig und spätestens bis zum Ende des siebenten Tages nach dem Abdrucke eines Wahlausschreibens in der Leipziger Zeitung bei uns anzubringen. Nach Ablauf von weiteren 14 Tagen wird die Liste geschlossen, werden alle bis dahin in dieselbe nicht eingetragenen Personen von der Wahl ausgeschlossen, sowie auch etwaige bis dahin nicht erledigte Reklamationen unberücksichtigt gelassen werden. Uebrigens hat Jeder, welcher seine Stimmberechtigung auf Steuerentrichtung außerhalb des Ortes zu gründen gemeint ist, solches zu Berück sichtigung unter Beibringung des nöthigen Nachweises hier anzuzeigen. Wilsdruff, am 8. Juni 1889. Der Stadtrath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Gewaltige Naturereignisse haben verschiedene Gegenden unseres Vaterlandes schwer heimgesucht, und es wird nothwendig sein, daß die Mildthätigkeit ihrer Mitbürger den vom Unglück Betroffenen wieder auf hilft. Wir zweifeln auch nicht daran, daß der bekannte Wohlthätigkeits- sinn der Deutschen unsern Landsleuten gegenüber sich wirksam erweisen wird, und glauben kaum, daß es einer besonderen Anregung dazu bedarf. Wohl aber erscheint es unsangemessen, einer Anregung weitere Verbreitung zu verschaffen, welche von der „N. A. Ztg." gegeben wird. Dieselbe schreibt: Die jüngsten Tage haben uns Kunde von einer Katastrophe gebracht, von welcher ein Theil der Vereinigten Staaten von Nordamerika betroffen worden ist, einer Katastrophe, die in ihren Einzelheiten ein Maß von Elend und Zerstörung zeigt, wie es so groß und gewaltig nur selten über die Mensch heit verhängt wurde. Die Zahl der im Staate Pennsylvanien, Maryland und Virginia Verunglückten ist bis jetzt schon auf 18000 Personen kon- statirt, und noch sind die Folgen des unheilvollen Ereignisses, durch welches weite Gebiete in Mitleidenschaft gezogen werden, gar nicht zu übersehen. Dazu kommt noch, daß die in Folge von Wolkenbrüchen herbeigeführten Ueberschwemmungen den Eisenbahnverkehr unterbrochen haben, so daß nur mit Mühe den schwer Bedrängten Hülfe zugcführt werden kann. Ange sichts so erschütternder Vorgänge, von denen die Bevölkerung im Unions gebiete betroffen worden, ist es Pflicht, sich der Menschenliebe und Opfer willigkeit zu erinnern, welche in Nordamerika stets bethätigt worden, sobald es sich um Hülfe in der Noth und um die Bekämpfung von Elend im deutschen Vaterlande handelte. Noch lebt in unser Aller Gedächtniß das Andenken an die reichen Spenden, welche über den Ozean gesendet wurden, als mit dämonischer Gewalt in den letzten Jahren wiederholt verheerende Wasserfluthen über unsere Niederungsländer hercinbrachen und Leben und Besitz der Angehörigen derselben bedrohten und vernichteten. In der Er innerung an die alte Stammes- und Rassengemeinschaft haben die ameri kanischen Bürger deutscher Abkunft damals bereitwilligst den Brüdern jen seits des Ozeans, die helfende Hand entgegengestreckt und dazu beigetragen, daß manche Thräne getrocknet, manche Existenz wieder aufgerichtet wurde. Es wird gewiß nur solcher Anregung bedürfen, um das Gefühl warmer Sympathie für die von schwerem Unglück Betroffenen zu wecken, und um Herz und Sinn unserer Landsleute mit der Empfindung zu beleben, wie Raum und Entfernung heute nicht mehr die Völker trennen, wenn es sich um die Erfüllung der Gebote wcrkthätiger Menschen- und Nächstenliebe handelt. In den Vorbereitungen für die nächsten Reichstagswahlen sind die Sozialdemokraten und Deutschfreisinnigen am weitesten vorangc- schritten; sie nähren geflissentlich die ganz unbegründete Annahme, der Reichstag solle in nächster Zeit aufgelöst und bereits im Herbst sollten Neuwahlen angeordnet werden. Nachdem der Bundesrath einstimmig dem Gesetzentwurf, betreffend „Invalidität«- und Altersversicherung" — so lautet der neue Titel des Gesetzes — zugestimmt und dem Staatsminisier v. Boetticher, sowie dem badischen Bevollmächtigten Frhr. v. Marschall den lebhaftesten Dank für die eifrige Förderung dieser gesetzgeberischen Aufgabe ausgesprochen hat, ist da« Gesetz bis auf die Formalien — die Ausfertigung und Verkündung durch das Gesetzblatt — eine vollendete Thatsache. Greiz, 6. Juni. Der durch das neuerliche Unwetter am 4. Juni zu gefügt« Schaden ist hier abermals ein beträchtlicher. Die Stadt wird jetzt stark von Fremden besucht, welche speziell hierher kommen, um die gräß lichen Verwüstungen in Augenschein zu nehmen. Alle sind über dieselben erstaunt. — Vom Unglück am Montag dürfte nachstehende Episode von Interesse sein. In der Bierhalle am Landgerichtsgebäude saßen während des Gewitters drei Gäste, welche sich über das Anschwellen des Wassers belustigten. Die Wirthsleute hatten sich bereits geflüchtet und wahrschein lich die Gäste vergessen; als dann diese ebenfalls die Flucht ergreifen wollten, war eS zu spät, sie vermochten die Thür nicht mehr zu öffnen, sprangen daher aus das Fensterbrett und hielten sich am Fensterkreuz fest. Immer höh« und höher stieg das Wasser und immer geringer wurde die Aussicht auf Rettung. Schon glaubte man die Leute verloren, denn sie standen bis an die Achseln im Wasser, da begann das Wasser zu fallen und sie waren gerettet. Die ausgestandene Todesangst mögen sie als eine ver diente Strafe für ihren Frevel ansehen. Schwetz, 3. Juni. Ein schweres Unglück hat die Ortschaft en Schwe- katowo, königl. Salesche, Dt. Lonk, besonders aber die erstere getroffen. Am 29. v. M. Nachmittags zog ein Gewitter herauf; plötzlich brach ein so gewaltiger Sturm los, daß in Schwekatowo drei Häuser einstürzten und die größten Bäume entwurzelt wurden. Mit einem Male öffneten sich des Himmels Schleusen und ein furchtbarer Hagelschauer — Schloßen wie Taubeneier groß — vernichtete in wenigen Minuten die diesjährige Ernte. Auch nicht ein Halm ist auf manchen Feldern stehen geblieben. Nach dem Hagel ergoß sich ein wolkenbruchartiger Regen, der den Feldern noch den letzten Rest gab. Auch hat der Blitz auf mehreren Stellen gezündet. Im heiligen Rom ist es selten lebhafter hergegangen, als gerade jetzt. Auf der einen Seite der Helle Jubel aller patriotisch gesinnten Männer über den glänzenden Verlauf der Deutschlandsfahrt König Humberts, auf der andern Seite der machtlose und darum um so erbittertere Groll der Männer im Vatikan. Bewahrheitet sich ferner das Gerücht, daß Kardinal Vanitelli dem Papst ein Schreiben des Kaisers von Oesterreich überbracht hab«, in welchem der Kaiser den Papst im eigenen, wie im Interesse des Friedens um Mäßigung gegenüber Italien bittet, so würde dies geradezu einen vernichtenden Schlag für den Vatikan bedeuten. Von höchster Be deutung ist auch der enthusiastische Empfang, welcher dem Könige von Italien bei seiner Heimkehr in Mailand und in Rom zu Theil geworden; er war um so weniger nach dem Geschmacke der Franzosenfreunde, als bei jenen Kundgebungen die Sympathien für Deutschland auf's Dentlichste zum Ausdmck gelangten. In Mailand, sowie in Rom ertönte der Ruf: „Lvviva la KorwamL!" — Am letzten Sonnabend sandten die Röm ischen Studenten an die Berliner Studenten ein Telegramm ab, worin sie den Berliner Komolitonen für die glänzende Begrüßung König Humberts danken und ihre Wünsche für die Unlösbarkeit der zwischen Deutschland und Italien bestehenden Bande auSzudrücken. Warschau. In der Kreisstadt Swentzjany (Gouvernement Wilna) wurden durch eine Feuersbrunst 94 Wohnhäuser, 4 Kaufläden, die Kaserne, die Synagoge, die Post und andere öffentlichezGebäude eingeäschert. Zwei Soldaten kamen in den Flammen um, drei erhielten schwere Verwundungen. Die Nachrichten über die Ernteaussichten Rußlands und der Ver einigten Staaten lauten nicht günstig. Namentlich in Rußland droht die abnorme Hitze einen starken Ausfall in der Weizen- und Roggenproduktion herbei zu führen. Auch in den nordöstlichen Theilen Deutschlands scheint die Witterung unter dem Mangel an Regen zu leiden. Die Preise sind im Großhandel in Folge dessen um Einiges gestiegen, wie dies regelmäßig um diese Zeit der Fall ist, wenn die Ernteaussichten sich nicht besonders günstig gestalten. Aus Petersburg schreibt ein Berichterstatter der „Schles. Ztg.", er könne aus Grund bester Informationen behaupten, daß Rußland wie nie zuvor rüste und daß den militärischen Anforderungen gegenüber alle andern zurücktreten müssen. In militärischen Kreisen höre man viel von dem nahen Kriege sprechen; vielleicht noch im Herbst, spätestens aber im nächsten Früh jahre, müsse es losgehen. Frage man, gegen wen, so höre man meist Aus führungen folgender Art: Glaubt man in Oesterreich-Deutschland etwa, daß Rußland auf seine ihm von der Geschichte vorgeschriebene Mission verzichten werde, ja könne? Glaubt man etwa, daß die auf der Balkan halbinsel geflossenen Ströme russischen Blutes umsonst vergossen sein sollen? Generale ohne kriegswissenschaftlichc Bildung und Erfahrung, die ihre Carriere als „Parquetschleifer" im Hofdienst gemacht haben, träumen bereits von hohen militärischen Kommandos und ergehen sich in mehr oder weniger unvorsichtigen, ungeziemenden Aeußerungen. Nächst dem Fürsten Bismarck sei einer der Bestgehaßten König Karl von Rumänien. Letzterer müsse eben lernen, sich auf russische Wünsche besser zu verstehen. Er möge sich dabei den Khan von Khiwa und den Emir von Buchara zum Muster nehmen. Brüssel, 7. Juni. In der verflossenen Nacht wurde ein grauen voller agrarischer Mord verübt. Die Marquise Chasteleer, geb. Gräfin Marnix, wurde in ihrem Schlosse Moubaix von Pächtern, welchen sie die Herabsetzung des Pachtzinses verweigerte, meuchlings erschossen. In Ostafrika bereiten sich anscheinend ernste Ereignisse vor. Ein Drahtbericht der „Times" aus Zanzibar bestätigt die Meldung, Wißmann werde am 6. Juni Sadani angreifen und fügt hinzu, wenn der Angriff erfolgreich sei, werde erwartet, auch Pangani werde capitulieren. Bushiri habe jetzt keine Streitmacht; viele Araber, welche früher auf seiner Seite waren, seinen nach Zanzibar gekommen. — Die „Times" hat mit ihrer Ansage Recht behalten. „W. T. B." meldet aus Zanzibar: Nach der Ein leitung des Gefechts durch das Feuer des deutschen Geschwaders nahm und verbrannte der Reichskommissar Hauptmann Wißmann Saadini und Uwindji. Deutscherseits ist ein Mann tobt, ein Offizier, ein Unteroffizier und sechs Schwarze leicht, der Unterosfizier Wilke und ein Zulu schwer verwundet. Die Verluste des Feindes find noch unbekannt. Newyorker Telegramme berichten, daß der für die Ueberschwemmten in der Union gesammelte Hilfsfonds bereits 10 Millionen Mark beträgt. Die Zahl der Verunglückten werde leider die höchste Schätzung erreichen. Im Conemaugthale sind bis jetzt von der früheren Bevölkerung von 55000 nur 22000 Ueberlebmde ermittelt worden. Trotz der größten Anstrengungen sind noch Tausende von Leichen unbeerdigt, was eine Zu nahme typhöser Krankheiten zur Folge hat. Die Hospitäler in JohnStown sind bereits überfüllt. Vaterländisches. Wilsd ruf f. Bezüglich der 800jährigen Jubelfeier des Fürstenhauses Wettin in unserer Stadt verweisen wir auf die in heutiger Nummer d. Bl. befindliche stadtgemeinderäthliche Bekanntmachung, nach welcher alle Be wohner der Stadt freundlichst eingeladen werden, sämmtliche hiesige Kor porationen sind durch besondere Schreiben eingeladen worden. Recht an genehm muß es Jedermann berühren, daß an diesem Tage auch unserer Armen ganz besonders gedacht werden soll, indem an dieselben Fleisch, Gemüse, Brod und Bier vertheilt werden wird. Gleichfalls ist es gewiß freudig anzuerkennen, daß unsere städtische Behörde durch Schaffung des Denkmals und durch Anlegung eines Stadtparkes für alle künftigen Zeiten ein schönes Erinnerungszeichen an die Jubelfeier unsers erlauchten König- Hanses geschaffen und sich dadurch selbst ein Denkmal geschaffen hat. — Ueber den Besuch Sr. Majestät des Kaisers zur Wettiner Jubelfeier in Dresden verlautet bis jetzt, daß der Kaiser Dienstag den 18. Juni Vormittag ankommt und sich vom Bahnhofe direkt zu der um 10 Uhr beginnenden Parade nach dem Älaunplatze begicbt. Die Rückkehr nach Berlin erfolgt bereits Abends nach Beendigung des Armeefestes. Vorher wohnt der Kaiser der feierlichen Enthüllung deß Denkmals wei land Sr. Majestät des Königs Johann bei. — Erzherzog Otto von Oesterreich und seine Gemahlin Maria Jo sefa kommen um die Mite dieses Monats zum Besuche Sr. Königl. Ho heit des Prinzen Georg nach Dresden und dürften sich mit demselben nach mehrtägigem Aufenthalte hierselbst nach Sigmaringen begeben, um der am 26. d. dort stattfindenden Vermählungsfeier des Erbprinzen Wil helm von Hohenzollern-Sigmaringen mit der Prinzessin Marie Therese von Bourbon beizuwohnen. — Das Königl. Justizministerium hat die Verfügung getroffen, daß am 19. Juni, dem Tage des Huldigungszuges der Wettinfeier, der gewöhn liche Geschäftsverkehr bei den Gerichtsbehörden und der Königl. Staats anwaltschaft ausfällt und sonach auch keine Verhandlungstermine in Civil- und Strafsachen stattfinden werden. Nur die jourhabenden Beamten, wie sie regelmäßig an den Sonn- und Festtagen thätig sind, haben ihres Amtes zu. walten. — Herr Reichstagsabgeordneter Leuschner in Glauchau hat für die Wasserkalamitosen im Pleißen- und Muldenthale den ansehnlichen Betrag von 1500 Mk. gespendet. — Einen seltenen Fund machten mit Schuttabräumen an der Dorf straße in Ze t hau beschäftigte Arbeiter. Sie fanden in einem Steinhaufen versteckt 2000 Mk., bestehend in 20 Hundertmarkscheinen. Lange konnte das Geld noch nicht in dem Versteck gelegen haben, denn die Scheine hatten durch die Witterung nicht im Geringsten gelitten.